L 29 AS 520/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 712/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 520/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Bewilligung von einer monatlichen Regelleistung von 600,00 EUR nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches 2. Buch (SGB II) im Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005.

Der Kläger bezog von der Agentur für Arbeit Berlin Nord – Geschäftsstelle Berlin-Reinickendorf – bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe zuletzt mit einem wöchentlichen Leistungsbetrag von 152,67 EUR nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 445 EUR; (Leistungsgruppe A; Leistungssatz 53 %; Leistungsentgelt-Verordnung 2004; Änderungsbescheid vom 27. Juli 2004).

Der Kläger beantragte am 02. Oktober 2004 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab u. a. an, eine Gesamtmiete von 468,63 EUR monatlich (Kaltmiete 297,35 EUR, Betriebskosten 145,72 EUR; Heizkosten 25,56 EUR) für eine Zweizimmerwohnung einschließlich Küche und Bad mit einer Wohnfläche von 59,47 Quadratmeter zu zahlen und weder über Einkünfte oder Vermögen, mit Ausnahme eines 6,5 Jahren alten Pkw (geschätzter Restwert 4.000,00 EUR), wofür er monatliche Haftpflichtversicherungsbeiträge von 23,61 EUR zu entrichten habe, zu verfügen. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von monatlich 813,63 EUR (Regelleistungen 345,00 EUR zzgl. Kosten der Unterkunft und Heizung – KdU – 468,63 EUR) für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 (Bewilligungsbescheid vom 01. November 2004).

Mit seinem am 21. Dezember 2004 bei dem Beklagten eingegangenen Widerspruch vertrat der Kläger die Auffassung, Hartz IV bzw. die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe verstießen gegen die Verfassung, die Grundrechte, das Bundesvertriebenengesetz und in der Welt anerkannte Rechte. Hartz IV sei menschenrechtswidrig, denn es berücksichtige nicht die ausbildungsmäßige bzw. berufliche Biografie einer jeden Person.

Der Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück; wegen der Einzelheiten des Widerspruchsbescheides wird auf Bl. 22 – 25 der Verwaltungsakten des beklagten verwiesen.

Der Kläger hat am 18. Februar 2005 gegen den ihm nach eigenen Angaben am 20. Januar 2005 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er eine monatliche Regelleistung von mindestens 600,00 EUR geltend gemacht hat. Ein Regelsatz von monatlich 345,00 EUR entspreche keineswegs der Kaufkraft des Geldes im Jahr 2005. Er beanspruche einschließlich der KdU insgesamt 1.068,63 EUR monatlich. Dabei sei noch ein monatlicher Zuschlag zu berücksichtigen.

Das Sozialgericht Berlin hat durch Gerichtsbescheid vom 24. Mai 2006 die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Zuschlag zu, wobei diesbezüglich schon die Zulässigkeit der Klage zweifelhaft sei, jedenfalls habe der Kläger Alg nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht innerhalb von zwei Jahren vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II erhalten. Er habe auch keinen Anspruch auf eine höhere Regelleistung als 345,00 EUR monatlich. Die Regelungen zur Leistungshöhe seien nicht verfassungswidrig und verstießen auch nicht gegen das Bundesvertriebenengesetz.

Gegen den am 31. Mai 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 06. Juni 2006 "angesichts der Verletzung" seiner "Menschenrechte und Betruges in der Sache S 65 AS 712/05 gegen die Richterin Beschwerde" beim SB eingelegt. Auf Nachfrage des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat der Kläger mit Schreiben vom 20. Juli 2006 mitgeteilt, dass die Beschwerde als Berufung angesehen werden soll und weiter die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistung behauptet und weitere Darlegungen zu dem für ihn "geheimnisvollen" Zuschlages gefordert.

Der Kläger hat in einer nichtöffentlichen Sitzung des 29. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. September 2007 erklärt:

Ich nehme die Berufung, soweit sie sich gegen die Nichtzahlung eines Zuschlages (nach § 24 SGB II) richtet, zurück. Im Übrigen erhalte ich meine Berufung aufrecht.

Der Kläger begehrt, nachdem er die Berufung zum Zuschlag nach § 24 SGB II zurückgenommen hat, (nur noch) eine höhere Regelleistung und beantragt (sinngemäß),,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 aufzuheben sowie den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 01. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2005 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm 1.063,63 EUR monatlich als Leistungen der Grundsicherung unter Anrechnung der bewilligten Leistungen von 813,63 EUR monatlich im Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (Kläger durch Schriftsatz vom 29. April 2008; Beklagter durch Schriftsatz vom 16. Mai 2008).

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben; §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 2 SGG statthaft, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Zu entscheiden ist über ein Begehren des Klägers auf Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 durch den Beklagten, denn in der Sache ist im Rahmen des vorliegenden Höhenstreits - ohne Rücksicht auf etwaige Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume - nur über die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 01. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2005 zu befinden (so Urteile des BSG vom 07. November 2006 - B 7b AS 10/06 R, a. a. O., RdNr. 11 und B 7b AS 14/06 R RdNr. 30 sowie vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R, RdNr. 13 f und B 11b AS 3/06 R RdNr. 14; zur Abgrenzung im Falle der Leistungsablehnung vgl. Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R, RdNr. 19). Das BSG hat insoweit klargestellt, dass Bescheide über Folgezeiträume nicht in entsprechender Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werden (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R – RdNr. 14). Dieser Meinung schließt sich der erkennende Senat als überzeugend und zutreffend an.

Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II sind – zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten – bei dem Kläger erfüllt.

Gemäß § 19 Satz 1 Ziffer 1 SGB II in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Juli 2007 geltenden Fassung erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Nach § 20 Abs. 2 SGB II in der vom 1. Januar 2005 bis zum bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung betrug die monatliche Regelleistung für Personen, die allein stehend oder allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, in den alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost) 345 EUR, (in den neuen Bundesländern 331 EUR).

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen

sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Als Einkommen ist gemäß § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich jede Einnahme in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Als Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dieser Regelungen hat der Senat keine Zweifel, dass der Kläger hilfedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Nr. 3, § 9 SGB II gewesen ist, weil er weder über Einkommen noch ein verwertbares Vermögen verfügt hat, das auf seinen Gesamtbedarf anzurechnen gewesen wäre.

Der monatliche Gesamtbedarf des Klägers umfasst zum einen die Regelleistungen. Diese betrugen für ihn im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006 nach § 20 Abs. 2 und 3 SGB II monatlich 345,00 EUR.

Zum Gesamtbedarf gehören auch die von dem Beklagten zu erbringenden Kosten für Unterkunft und Heizung. Für die Unterkunft und Heizung sind unter Zugrundelegung der von den Klägern geltend gemachten Kosten und beigebrachten Unterlagen monatlich folgende Kosten zu berücksichtigen: Kaltmiete 297,35 EUR, Betriebskosten 145,72 EUR; Heizkosten 25,56 EUR, insgesamt Gesamtmiete von 468,63 EUR monatlich. Im Ergebnis kann hier offen bleiben, ob diese Kosten auch angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind, denn nach dem Rundschreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz vom 17. Juni 2005 wird für einen 1-Personen-Haushalt eine Bruttowarmmiete von "nur" 360,00 EUR für angemessen angesehen. Dies ist hier indessen nicht streitgegenständlich und bedarf insoweit keiner weiteren Ausführungen. Die anfallenden und insoweit von dem Beklagten als berücksichtigungsfähig angesehenen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von insgesamt 468,53 EUR monatlich waren somit auch vom Senat zu berücksichtigen.

Der Gesamtbedarf des Klägers beträgt unter Berücksichtigung dieser Kosten für Unterkunft und Heizung und der Regelleistung somit für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 813,63 EUR (= Regelsätze 345,00 EUR monatlich + KdU 468,63 EUR monatlich). Dieser Bedarf war weder durch Einkommen noch Vermögen des Klägers gedeckt. Der Beklagte hat dem Kläger daher zu Recht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und zwar auch in zutreffender Höhe bewilligt.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung hat der erkennende Senat nicht. In bislang drei Entscheidungen, in letzterer unter Bezugnahme einer Entscheidung des Bundesverfassungsgericht, hat das BSG (Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R – zu 1.; vom 16. Mai 2007 - B 11 b AS 27/06 R – zu 2. und Beschluss vom 27. Februar 2008 - B 14 AS 160/07 B – zu 3., alle zitiert nach juris, hierzu folgendes ausgeführt:

1. " Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen ferner nicht gegen die in § 20 Abs. 2 und 3 SGB II gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistungen. Der Senat folgt insbesondere nicht dem Vorbringen der Revision, die genannten Vorschriften gewährleisteten nicht das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum und verstießen gegen die Menschenwürde sowie gegen fürsorgerechtliche Strukturprinzipien.

aa) Eine genaue Bestimmung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins begegnet angesichts sich ständig ändernder gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen erheblichen Schwierigkeiten, wie u.a. zahlreiche Entscheidungen des BVerfG zum steuerrechtlichen Existenzminimum belegen (vgl. etwa BVerfGE 87, 153, 169 ff = NJW 1992, 3153; BVerfGE 99, 246, 259 ff = NJW 1999, 561). Demgemäß hat der Gesetzgeber in den jeweiligen Gesetzen, die sich mit der Bestimmung des Existenzminimums befassen (z.B. Wohngeldgesetz, Einkommensteuergesetz), keineswegs eine einheitliche Definition gewählt (vgl. Wunder/Diehm, SozSich 2006, 195, 197). Soweit dem Begriff der Sicherung der "Mindestvoraussetzungen" die Forderung nach einem Schutz vor Existenznot im Sinne einer Sicherung der physiologischen Existenz des Bürgers zu entnehmen ist (vgl. Martinez Soria JZ 2005, 644, 648 mwN), bestehen keine Bedenken, dass der Gesetzgeber des SGB II diese Forderung erfüllt, indem er die in den §§ 14 ff SGB II vorgesehenen Leistungen zur Verfügung stellt und darüber hinaus Regelungen zur Einbeziehung der Hilfebedürftigen in den Schutz der Sozialversicherung trifft (zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung - s §§ 5 Abs. 1 Nr. 2a, 251, 252 SGB V; §§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a, 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI; vgl. hierzu auch Urteil des LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2006 - L 10 AS 1093/05 -, juris, RdNr 29; Mrozynski, Praxishandbuch zu SGB II und SGB XII, unter II.8 RdNr. 102 ff).

Allerdings ist in der Rechtsprechung des BVerwG zur Sozialhilfe anerkannt, dass die staatliche Gewährleistungspflicht nicht nur auf die bloße Sicherung der körperlichen Existenz beschränkt ist, sondern auch die Gewährleistung eines "soziokulturellen Existenzminimums" sowie einen Schutz vor Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung umfasst (vgl. BVerwGE 87, 212 = NJW 1991, 2304; BVerwGE 94, 326 = NVwZ 1994, 1214). Auch diesen Anforderungen wird der Gesetzgeber bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich gerecht. Denn er hat die in der Rechtsprechung zur Sozialhilfe entwickelten Erwägungen mit der Regelung in § 20 Abs. 1 SGB II aufgegriffen und präzisiert. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst schon nach dem Gesetzeswortlaut u.a. (neben z.B. Ernährung und Kleidung) "in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben".

bb) Die Revision vermag auch nicht mit ihren Einwendungen gegen die Höhe der in § 20 Abs. 2 SGB II festgelegten Regelleistung von 345 EUR pro Monat für u.a. allein stehende und allein erziehende Personen durchzudringen. Die vom Gesetzgeber gewählte Art der Bedarfsermittlung und deren Ergebnis sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es ist grundsätzlich zulässig, Bedarfe gruppenbezogen zu erfassen und eine Typisierung bei Massenverfahren vorzunehmen.

Durchgreifende Bedenken lassen sich entgegen verschiedenen Äußerungen im Schrifttum (etwa Rothkegel in Gagel, aaO, § 20 RdNr 31 f; Ockenga ZfSH/SGB 2006, 143, 144 ff) nicht aus dem Gesetzgebungsverfahren und nicht aus dem nachfolgenden Verfahren zur Vorbereitung der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII - Regelsatzverordnung (RSV) - herleiten. Der Senat hat insoweit berücksichtigt, dass nach der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drucks 15/1516 S 56) für die Leistungshöhe eine vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt erhobene Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 mit Hochrechnung auf den Stand 1. Juli 2003 maßgebend sein und dass sich die Regelleistung hinsichtlich Höhe und Neubemessung auch an der RSV orientieren sollte (vgl. auch § 20 Abs. 4 Satz 2 SGB II iVm § 28 Abs. 3 Satz 5 SGB XII). Der Senat hat auch berücksichtigt, dass die RSV bis zur Verabschiedung des SGB II durch den Bundestag im Dezember 2003 noch nicht erlassen war und dass erst mit Schreiben der Bundesregierung vom 10. März 2004 der RSV-Entwurf und dessen Begründung dem Bundesrat übermittelt wurde (BR-Drucks 206/04; vgl. Ockenga, aaO, S 144), ferner, dass vor dem Gesetzesbeschluss zum SGB II der Vorentwurf einer RSV (Stand 21. Juli 2003, vgl. im Internet unter www.sozialpolitik.de, Themenfelder "Sozialstaat, Soziale Sicherung") vorlag, der im Detail von der späteren RSV vom 3. Juni 2004 (BGBl I 1067) abweicht. Grundsätzliche Einwände gegen die Festsetzung der Regelleistungen lassen sich aus diesem zeitlichen Ablauf jedoch nicht ableiten, da der Gesetzgeber bei der Ermittlung der - typisierten - Bedarfe wie schon bei der Sozialhilfe auf das Statistikmodell zurückgegriffen hat (vgl. Martens SozSich 2006, 182, 184) und erkennbarer Bezugspunkt für die Bemessung der Regelleistung mit 345 EUR die Höhe der bis dahin geltenden Regelsätze (ca. 297 EUR) zuzüglich eines an der damaligen Bewilligungspraxis bezüglich einmaliger Leistungen gemessenen Anteils in Höhe von ca. 16 v.H. war (vgl. hierzu u.a. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. August 2006 - L 8 AS 467/05 -, Revision anhängig unter B 11b AS 39/06 R; Brünner in LPK-SGB II § 20 Nr. 4; Berlit info also 2003, 195, 202; Bieback NZS 2005, 337, 338).

Auch im Übrigen kann der Senat nicht feststellen, dass die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II höherrangigem Recht widerspricht. Bereits die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Sozialhilfe hat die Kontrolle für die Regelsatzfestsetzung durch Rechtsverordnung unter der Geltung des § 22 Abs. 2 Satz 1 BSHG auf die Prüfung beschränkt, ob die den Bedarf bestimmenden Faktoren auf ausreichenden Erfahrungswerten beruhen und ob die der Festsetzung zu Grunde liegenden Wertungen vertretbar sind (vgl. BVerwGE 94, 326 = NVwZ 1994, 1214; BVerwGE 102, 366 = NVwZ 1998, 285). Diese Prüfungsmaßstäbe zur Vereinbarkeit einer Rechtsverordnung mit dem ermächtigenden Gesetz können denknotwendigerweise nicht gleichermaßen für die Überprüfung des § 20 Abs. 2 SGB II gelten. Denn hierin hat der parlamentarische Gesetzgeber, der allein an das GG gebunden ist, die Höhe der Regelleistung unmittelbar bestimmt. Der Senat kann jedoch offen lassen, inwieweit sich die oben genannten Maßstäbe nicht nur aus dem BSHG, sondern auch aus dem GG herleiten lassen (vgl. BVerfGE 82, 60, 80; Rothkegel, SGb 2006, 74, 76; gegen die Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BVerwG: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. November 2005 - L 3 AS 3/05 -, Revision anhängig unter B 11b AS 5/06 R). Denn selbst auf der Grundlage dieser Maßstäbe bestehen keine Bedenken. Die Prüfung des Senats ergibt unter Berücksichtigung der im Gesetzgebungsverfahren und im Zusammenhang mit dem Erlass der RSV dokumentierten Erwägungen, dass der Bestimmung der Regelleistung ausreichende Erfahrungswerte zu Grunde liegen und dass der dem Gesetzgeber zuzubilligende Einschätzungsspielraum nicht in unvertretbarer Weise überschritten ist.

Eine Unvertretbarkeit der Festsetzung der Regelleistung durch den Gesetzgeber ergibt sich nicht etwa daraus, dass im Schrifttum mangelnde Transparenz gerügt oder auf die angebliche Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen hingewiesen wird (vgl. u.a.: Berlit info also 2003, 195, 202; derselbe info also 2005, 181-182; Frommann NDV 2004, 248, 252; Rothkegel ZfSH/SGB 2004, 396, 403 ff; Däubler, NZS 2005, 225, 228; Ockenga, ZfSH/SGB 2006, 143, 144 ff). Denn angesichts der offenkundigen Schwierigkeiten, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein auch unter Einbeziehung eines "soziokulturellen Existenzminimums" sachgerecht zu bestimmen, können Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Angemessenheit und der Gewichtung einzelner Größen keine entscheidende Rolle spielen (vgl. auch BSG SozR 3-4100 § 138 Nr. 14 S 83 f; vgl. zusammenfassend Mrozynski, Praxishandbuch zu SGB II und SGB XII, unter II.8 RdNr. 21 ff, 25, Stand 1. März 2006).

Bei der Vertretbarkeitsprüfung ist auch zu bedenken, dass die gegenwärtige Situation durch die Zunahme niedrig entlohnter Tätigkeiten und durch Einkommenseinbußen in breiten Bevölkerungskreisen geprägt ist, weshalb dem Gesichtspunkt des Lohnabstandsgebotes maßgebliche Bedeutung zukommen muss (so zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2006 - L 10 AS 1093/05 - juris, RdNr 31). Diesem Gebot entspricht, dass in der Konsequenz der Festlegung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 SGB II der Hilfeempfänger weniger konsumieren kann als die untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der EVS ohne Einbeziehung der Hilfeempfänger (vgl. § 2 Abs. 3 RSV; Däubler NZS 2005, 225, 228). Vor allem ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beachten, dass der Gesetzgeber des SGB II den Hilfebedürftigen nicht nur die Regelleistung, sondern in nicht unwesentlichem Umfang weitere Leistungen zur Verfügung stellt (vgl. u.a. §§ 16, 21, 22, 23 SGB II; zur Möglichkeit, in Ausnahmefällen auch Leistungen nach Maßgabe des SGB XII zu beanspruchen, vgl. Urteil des 7b. Senats des BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R). Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte vermag der Senat deshalb eine Unvertretbarkeit der Höhe der Regelleistung nicht zu erkennen. Ob und inwieweit den Gesetzgeber über die Anpassungsregelungen in § 20 Abs. 4 SGB II hinaus eine besondere Beobachtungspflicht (vgl. BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 13; BVerfGE 87, 348, 358; 88, 203, 309 ff) bei der praktischen Umsetzung des Gesetzes trifft, kann der Senat schon im Hinblick auf den hier streitigen Zeitraum dahingestellt sein lassen "

2. " Auch die von den Revisionsklägern geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Festlegung der Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts teilt der Senat nicht. Insbesondere konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die in § 20 Abs. 2 und 3 SGB II gesetzlich festgelegte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts verfassungswidrig zu niedrig ist. Insoweit wird auf die Ausführungen des erkennenden Senats in seiner Entscheidung vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - (zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen) verwiesen. In dieser Entscheidung hat der Senat im Übrigen auch zu der in der Revisionsbegründung nicht problematisierten Frage eines Verstoßes der Abschaffung der Alhi durch Art 3 und 61 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ohne Übergangsregelung dargelegt, warum er einen Verstoß gegen höherrangiges Recht nicht zu erkennen vermag. Dabei ist auch berücksichtigt worden, dass - wie der vorliegende Sachverhalt deutlich macht - durch den Systemwechsel vor allem jene früheren Bezieher von Alhi finanzielle Einbußen erlitten haben, die einstmals ein relativ hohes Erwerbseinkommen bezogen hatten (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 3/06 R - RdNr 43) "

3. " Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung in Höhe von 345 Euro gemäß § 20 Abs. 2 SGB II bestehen. Der erkennende Senat folgt insofern dem 11b-Senat des BSG, der dies in seinem Urteil vom 23. November 2006 (SozR 4-4200 § 20 Nr. 3) entschieden hat (vgl. hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 62/06 R). Das Bundesverfassungsgericht hat mittlerweile in einem Beschluss vom 7. November 2007 (1 BvR 1840/07) eine Verfassungsbeschwerde gegen die Höhe der Regelleistung nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit ersichtlich wurden vom Beschwerdeführer jenes Verfahrens zumindest teilweise ähnliche Gesichtspunkte vorgebracht, wie vom Kläger im vorliegenden Beschwerdeverfahren. Die Beschwerdebegründung enthält auch keine Argumente, die die Entscheidung des BSG vom 23. November 2006 (aaO) wieder in Zweifel ziehen könnten "

Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen des BSG nach eigener Prüfung als ihn überzeugend an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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