L 1 R 406/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 RA 372/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 406/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Zusatzversorgungsträger Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und das in dieser Zeit erzielte Entgelt festzustellen hat.

Die Klägerin ist 19 geboren. Mit Urkunde vom 31. August 1976 wurde ihr der akademische Grad Diplomingenieur von der Technischen Universität Dresden verliehen. Nach einer weiteren Urkunde vom gleichen Tage war die Klägerin berechtigt, die Berufsbezeichnung Diplomingenieur zu führen. Entsprechend einem Arbeitsvertrag vom 26. März 1976 begann sie ab dem 1. September 1976 als Ingenieurin in dem VEB Bau- und Montagekombinat Chemie (im Weiteren VEB BMK Chemie) Halle, Betrieb Projektierung und Technologie Halle und war dort auch noch über den 30. Juni 1990 hinaus beschäftigt.

Im Oktober 2003 beantragte die Klägerin die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Bescheid vom 28. November 2003 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, da die Tätigkeit bei dem VEB BMK Chemie Halle, Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie, nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder in einem gleichgestellten Betrieb ausgeführt worden sei.

Hiergegen legte die Klägerin mit einem am 27. Dezember 2003 bei der Beklagten eingangenen Schreiben Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, bei ihrem Arbeitgeber habe es sich um ein Konstruktionsbüro in einer Vereinigung volkseigener Betriebe gehandelt. Sie habe ununterbrochen als Ingenieurin gearbeitet. Zudem hätten zahlreiche Kollegen ohne Versorgungszusage zu Zeiten der DDR Beschäftigungszeiten von der Beklagten anerkannt bekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und wiederholte und vertiefte zur Begründung ihre bisherige Argumentation. Mit einem am 12. August 2004 bei dem Sozialgericht Halle eingegangenen Schreiben hat die Klägerin Klage erhoben und erneut darauf hingewiesen, bei dem VEB BMK Chemie Halle, Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie habe es sich um einen volkseigenen Produktionsbetrieb bzw. einen gleichgestellten Betrieb gehandelt. Der Betriebsteil Projektierung und Technologie habe als Konstruktionsbüro ausschließlich der Absicherung der Produktion in der Industrie und des Bauwesens gedient. Es habe sich um ein reines Planungsbüro gehandelt. Der Projektierungsbetrieb habe die Aufgabe der komplexen bautechnischen Vorbereitung der durch die Industriebetriebe zu realisierenden Investitionen gehabt. Hauptleistung des Betriebes sei die Erstellung der zeichnerischen Pläne und Berechnungen gewesen. Die Konstruktionsbüros des Bauwesens hätten in der DDR Projektierungsbüros geheißen. Weiter hat die Klägerin Kopien solcher Konstruktionszeichnungen vorgelegt (Bl. 20 ff Gerichtsakte). Das Sozialgericht hat diverse Unterlagen aus Parallelverfahren beigezogen. Darunter befinden sich Schreiben des VEB BMK Chemie vom 18. Dezember 1970, 12. Februar 1971 und 6. April 1971, das Statut des VEB BMK Chemie vom 1. Februar 1971 sowie ein weiteres Statut des VEB BMK Chemie vom 15. Mai 1974. Weiter hat es Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft betreffend den VEB BMK Chemie beigezogen. Mit Urteil vom 20. Juli 2006 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der VEB BMK Chemie Halle, Betrieb Projektierung und Technologie sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb noch ein gleichgestellter Betrieb gewesen. Insbesondere seien Projektierungsbetriebe nicht mit Konstruktionsbüros gleichzusetzen. Gegen das ihr am 29. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. August 2006 Berufung eingelegt. Sie rügt, dass keine Überprüfung erfolgt sei, ob der VEB BMK Chemie Halle, Betrieb Projektierung und Technologie überwiegend Tätigkeiten eines Konstruktionsbüros ausgeübt habe. Die Unterschiede zwischen Konstruktionsbüro und Projektierungsbetrieb würden nicht interpretiert bzw. definiert. Nicht zutreffend sei, dass die Erarbeitung von Konstruktionen dem Betrieb nicht das Gepräge gegeben habe. Die Kombinatsbetriebe seien zudem mit dem gesamten Kombinat und den übrigen Kombinatsbetrieben verzahnt gewesen. Insoweit müssten das Kombinat und die Kombinatsbetriebe als Einheit betrachtet werden, wie schon der Name anzeige. Diese Verzahnung belegten auch alle Unterlagen. Die Aufgaben des Betriebsteils seien in § 7 Abs. 2 des Kombinatsstatuts vom 15. Mai 1974 als komplexe bautechnische Vorbereitung eindeutig definiert worden. Ihrer eigenen Einschätzung nach ließen sich über 75 % der Leistungen genau dem Bereich der in dem Ökonomischen Lexikon genannten Konstruktion zuordnen. Nach § 2 der Anlage 1 zur Anordnung über die allgemeinen Bedingungen für Entwurfs- und Konstruktionsleistungen vom 1. Februar 1958 (GBl. II S. 14) seien den Entwurfs- und Konstruktionsleistungen die Projektierungen im volkseigenen Maschinenbau gleichzusetzen, soweit es sich nicht um bautechnische Projektierungsarbeiten handele.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 20. Juli 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 1. September 1976 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG und die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Auszüge aus dem Ökonomischen Lexikon der DDR (Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1967) und aus dem Wörterbuch der Ökonomie Sozialismus (Dietz Verlag Berlin 1989) beigezogen und den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übergeben.

Nach den Angaben der Beteiligten sind weitere Klagen der Klägerin gegen die Beklagte, insbesondere gegen einen Rentenbescheid, nicht anhängig.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist nicht begründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2004 die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Sie hat nämlich nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) keinen Anspruch gegen die Beklagte, den Zeitraum vom 1. September 1976 bis 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit zur AVItech feststellen zu lassen, denn das AAÜG ist im Fall der Klägerin nicht anwendbar.

Der Senat lässt offen, ob für die Klage bezüglich des gesamten zur Feststellung durch die Beklagte geltend gemachten Zeitraumes ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis besteht. Er folgt der Auffassung, wonach eine Klage auch dann als unbegründet abgewiesen werden kann, wenn die Prozessökonomie dies erfordert (BGH, Urteil vom 14. März 1978, Az: VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, 2032 m.w.N.; Ulmer in: Hennig, SGG, vor § 51 Rn. 33). Diese Auffassung entspricht dem Zweck der Prüfung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses, die Rechtsprechung von Entscheidungen zu entlasten, die für die Beteiligten unergiebig sind. Diesem Zweck wird die Abweisung als unzulässig wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht gerecht, wenn - wie hier - über die im Streit stehende sachliche Rechtsfrage ohnehin zu entscheiden ist. Unterschiedliche rechtliche Wirkungen für die Beteiligten ergeben sich dabei nicht; die ggf. zu Lasten der Klägerin eintretende Rechtskraft des Urteils bezüglich der Abweisung als unbegründet hat keine anderen Folgen, als die im Falle der Abweisung als unzulässig ebenso eintretende Bestandskraft des angefochtenen Bescheides.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben worden sind.

Eine Versorgung ist der Klägerin nicht zugesagt worden. Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anschließt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG im Wege der Unterstellung vorliegen kann, denn auch die vom Bundessozialgericht dafür aufgestellten Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Anwendung des AAÜG nämlich auch für Personen eröffnet, die nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage auf Grund der zu Bundesrecht gewordenen zwingenden Bestimmungen der Versorgungssysteme einen Anspruch auf eine Einbeziehung bzw. Versorgungszusage gehabt hätten (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 8).

Nach der Rechtsprechung des BSG hängt dieser Anspruch gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. der DDR I, Nr. 93, S. 844; im Folgenden VO-AVItech) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR Nr. 62, S. 487; im Folgenden 2. DB) von 3 Voraussetzungen ab. Generell war dieses System eingerichtet für (1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und (2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar (3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 18/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 8, S. 74).

Der Senat teilt die Auffassung des BSG, wonach zumindest noch am 30. Juni 1990 ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden haben muss, um auch für den Fall einer erweiternden Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG den Begriff der Anwartschaft auszufüllen. Dies ergibt die Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil "aufgrund einer Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem" im Sinne der Vorschrift Anwartschaften nur nach den Versorgungsregelungen der DDR erworben werden konnten. Gegenstand einer Rechtsposition vor dem Versorgungsfall selbst konnte danach außer einer erteilten Versorgungszusage ggf. der Anspruch auf eine solche Zusage sein. Die Fortwirkung der maßgeblichen Rechtspositionen bis zum 30. Juni 1990 setzt § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG voraus, weil sonst - mit Ausnahme der in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG bundesrechtlich ausdrücklich durch Unterstellung getroffenen Regelung - keine Position besteht, die im Sinne von § 4 Abs. 5 AAÜG in die Rentenversicherung überführt werden könnte. Denn schon überführungsfähige "Anwartschaften" nach § 22 Abs. 3 des Rentenangleichungsgesetzes (RAG) vom 28. Juni 1990 (GBl. der DDR I S. 495) konnten bei Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Juli 1990 (§ 35 RAG) nur Positionen sein, die im Versorgungsfall einen Versorgungsanspruch begründet hätten. Dies war nur angesichts noch gültiger Versorgungszusagen möglich. Entsprechend kann auch der Anspruch auf deren Erteilung nach den gesetzlichen Voraussetzungen, soweit er auf Grund der geltenden Versorgungsvorschriften schon vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme erloschen war, von einer Auslegung des Begriffs der Anwartschaft in § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG nicht betroffen sein.

Die Klägerin war am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt.

Ob die betrieblichen Voraussetzungen im Sinne der VO-AVItech i.V.m. der 2. DB erfüllt sind, beurteilt sich nach dem Betrieb des Arbeitgebers (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, Az: B 4 RA 20/03 R, SozR 4-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, Leitsatz). Daher ist auf den VEB BMK Chemie Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie Halle abzustellen. Dieser Betrieb war nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag der Arbeitgeber der Klägerin. Der VEB BMK Chemie Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie Halle war im Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes Halle eingetragen, was beweist, dass der Betrieb eine juristisch selbstständige Einheit war (siehe für einen Kombinatsbetrieb auch § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8. November 1979 (GBl. DDR I S. 355, KombinatsVO)).

Eine Versorgungsanwartschaft konnte jedoch nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen (oder in einem gleichgestellten Betrieb) erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 30). Der VEB BMK Chemie Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie Halle war hingegen kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens.

Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb ergibt sich im Umkehrschluss aus § 1 Abs. 1 2. DB, weil anderenfalls die Gleichstellung bestimmter Betriebe in § 1 Abs. 2 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre. Maßgeblich ist hier der - im Ergebnis enge - Sinn, mit dem dieser Begriff der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu Grunde zu legen ist. Volkseigene Produktionsbetriebe i. S. der 2. DB waren nur solche der Industrie und des Bauwesens, wie jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9.2.67 (GBl. der DDR II S. 121) aus deren § 49 Abs. 1 zu folgern ist (BSG, Urt. v. 10. April 2002, Az: B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 5). Die "volkseigenen Produktionsbetriebe" wurden den allgemeinen volkseigenen Betrieben und den wirtschaftsleitenden Organen in den anderen Bereichen der Volkswirtschaft (z.B. Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft usw.) wegen ihres Aufgabenschwerpunktes der industriellen Produktion oder der Erstellung von Bauwerken gegenübergestellt (zuletzt § 41 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkeigenen Betriebe vom 8.11.1979 – GBl. der DDR I S. 335; vgl. BSG, Urt. v. 9. April 2002, Az: B 4 RA 42/01 R; BSG, Urt. v. 18. Dezember 2003, Az: B 4 RA 18/03 R, Rdnr. 23, zitiert nach Juris).

Ob zeitweise daneben, möglicherweise auch überwiegend, im Wirtschaftsleben der DDR davon abweichende Begriffe wirtschaftlicher Produktion verwendet worden sind, ist nicht maßgeblich. Rechtliche Bedeutung käme der Verwendung abweichender Produktionsbegriffe für das rückschauende bundesrechtliche Verständnis des Begriffes der industriellen Produktion im Sinne der Versorgungsvorschriften nicht zu. Denn die bundesrechtliche Auslegung des Begriffs der industriellen Produktion erfordert, sich auf den engsten Begriff zu stützen, der Gegen¬stand der gesetzlichen Regelung gewesen sein kann, weil nur so die Abgrenzung rechtsstaatswidrig willkürlicher Fehlentscheidungen durch unterlassene Versorgungszusagen erreicht wird. Um eine rechtsstaatlich zwingende Korrektur geht es nämlich nur bei der Prüfung, ob bundesrechtlich eine Versorgungszusage zu unterstellen ist, nicht hingegen um die Prüfung, ob bei der Unterlassung einer Versorgungszusage gerade von dem verbreitetsten Wortgebrauch im Wirtschaftsleben ausgegangen worden ist. Daher geht auch der Hinweis der Klägerin auf den Beschluss über die Anwendung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft im Bauwesen vom 14. Juni 1963 (GBl. II S. 437) ins Leere.

Die Tatbestandsmerkmale der 2. DB müssen nach der im Ergebnis mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts übereinstimmenden Auffassung des Senats bei der Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (Urteil des Senats vom 25. Mai 2004, Az: L 1 RA 179/02, Rn. 22 ff., dokumentiert in Juris). Dies folgt nach Meinung des Senats aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Erstreckung des Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urteil vom 24. März 1998, Az: B 4 RA 27/97 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessensentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 RAG endgültig ausgeschlossen ist.

Die Zuordnung eines bestimmten VEB zur industriellen Produktion bzw. zum Bauwesen oder zu einem anderen Bereich der Volkswirtschaft hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe dem VEB das Gepräge gegeben hat (vgl. BSG, 10. April 2002, Az: B 4 RA 10/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 5 S. 34 f). Hierfür kommt es nach Auffassung des BSG maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Betriebes an, so dass auf Grund der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben, der Organisation und der Mittelverwendung zu klären ist, welcher Hauptzweck tatsächlich verfolgt wurde (BSG, Urt. vom 18.Dezember 2003, Az: B 4 RA 18/03 R - RdNr. 24, zitiert nach Juris). Bei dieser Prüfung ist der Betrieb des Arbeitgebers als Beschäftigungsstelle im rechtlichen Sinn angesprochen (BSG, Urt. v. 18.Dezember 2003, Az: B 4 RA 20/03 R - SozR 4-8570 § 1 Nr. 2).

Ein Indiz dafür, ob es sich bei dem betreffenden volkseigenen Betrieb um einen Produktionsbetrieb der Industrie gehandelt hat, lässt sich aus der Zuordnung zu einem bestimmten Fachministerium oder dem Statut des Betriebes, soweit dort Angaben zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Betriebes enthalten sind, entnehmen (BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 34). Soweit danach eine Zuordnung nicht eindeutig möglich ist, kommt es darauf an, ob die industrielle Produktion dem VEB das Gepräge gegeben hat, ob diese also überwiegend und vorherrschend war (BSG, a.a.O., S. 35).

Es ist nichts dafür ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass der VEB BMK Chemie Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie Halle die Produktion von Sachgütern betrieben hat. Nach § 7 Abs. 2 des Kombinatsstatuts vom 15. Mai 1974 bestand die Aufgabe in der komplexen bautechnischen Vorbereitung der Investitionen, die erst durch die Industriebaubetriebe zu realisieren waren. Dazu trat nach § 4 Abs. 4 des Statuts in der Phase der Vorbereitung der Investitionen der VEB Projektierung und Technologie als verantwortlicher Betrieb des Kombinats gegenüber Dritten auf, in der Phase der Durchführung traten die Betriebe Industriebau auf. Auch die Klägerin nennt Projektierungsleistungen als Tätigkeitsschwerpunkt. Schließlich war der Betrieb im Betriebsregister der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik der DDR mit der Wirtschaftsgruppenschlüsselziffer 63350 erfasst, die für bautechnische Projektierungsbetriebe mit dem Zusatz "Projektierungs- und Entwicklungsorganisation für alle Arbeiten des Bauwesens" steht.

Der VEB BMK Chemie Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie Halle war auch kein Produktionsbetrieb des Bauwesens. Weder hat die Klägerin vorgetragen, dass der Betrieb selber Bauwerke errichtet hat, noch lassen die vorliegenden Unterlagen darauf schließen. Es ist davon auszugehen, dass der Betrieb die erforderlichen Kapazitäten, um Bauwerke zu errichten, gar nicht besaß. Es finden sich in keinem beigezogenen Dokument Hinweise darauf, dass im Betrieb Bauabteilungen existierten. Ob andere kombinatsangehörige Betriebe vielleicht Bauwerke i.S. der Rechtsprechung des BSG produziert haben, ist dabei nicht von Bedeutung, da auf den Beschäftigungsbetrieb der Klägerin abzustellen ist.

Der VEB BMK Chemie Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie Halle war auch kein Konstruktionsbüro im Sinne der Aufzählung den Produktionsbetrieben gleichgestellter Einrichtungen in § 1 Abs. 2 2. DB. Ob ein Konstruktionsbüro vorliegt, ist nach dem rechtlichen und hilfsweise allgemeinen Sprachgebrauch der DDR zu bestimmen. Eine Legaldefinition dieses Begriffs im Recht der DDR ist nicht bekannt (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. März 2003, Az: L 4 RA 113/02, zitiert nach Juris-Rechtsprechung, Rdnr. 49). Erkennbar ist allerdings, dass das Konstruktionsbüro in verschiedenen Vorschriften einem Projektierungsbüro gegenübergestellt und insoweit sprachlich unterschieden wird (GBl. 1951, S. 1138; GBl. II 1956, S. 378; GBl. I 1959, S. 71). Bereits der Name "VEB BMK Kombinatsbetrieb Projektierung und Technologie" spricht damit gegen das Vorliegen eines Konstruktionsbüros. Die Unterschiedlichkeit von Konstruktion und Projektierung folgt unmittelbar aus der Anordnung über die allgemeinen Bedingungen für Entwurfs- und Konstruktionsleistungen vom 1. Februar 1958 (GBl. II S. 14). Soweit die Klägerin mit § 2 der Anlage 1 zu dieser Verordnung argumentiert, dieser sehe eine Gleichsetzung von Projektierung und Konstruktion vor, überzeugt dies nicht. Für den hier allein relevanten Bereich der bautechnischen Projektierung sieht er ausdrücklich eine Ausnahme vor. Damit ergibt sich auch aus dieser Vorschrift, dass Projektierungstätigkeiten und Konstruktionsarbeiten nicht gleichgesetzt waren. Soweit die Klägerin im Weiteren argumentiert, dass Konstruktionsarbeiten von Entwurfsbüros ausgeführt wurden, so belegt dies umgekehrt, dass diese (bautechnischen) Entwurfsbüros schon damals nicht als Konstruktionsbüros im Sinne der 2. DB zu verstehen waren und sich dies bis zum 30. Juni 1990 nicht geändert hat.

Weiterhin lässt sich verschiedenen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen aus der Zeit des Erlasses der 2. DB gerade im Bereich des Bauplanungswesens eine Unterscheidung zwischen Entwurfs- und Konstruktionsbüros entnehmen, die auch für eine rechtliche Unterscheidung zwischen Konstruktions- und Projektierungsbüros spricht. Beispielsweise wurde in der "Instruktion über die Verwendung der im Volkswirtschaftsplan 1951 vorgesehenen Mittel für Entwurfsarbeiten zu den Bauvorhaben des Investitionsplanes 1952" vom 14.5.1951 (GBl. S. 439) je nach fachlicher Eignung zwischen Konstruktionsbüros und Entwurfsbetrieben unterschieden, wobei letzteren gerade die Bauentwurfsaufgaben oblagen. Aus einigen solcher Entwurfsbüros entstanden schon durch die "Verordnung über die Gründung von VEB (Z) Projektierung in Berlin und in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik" vom 7.6.1951 Projektierungsbüros. Im Übrigen ist der Begriff der Projektierung weiter als der der Konstruktion, diese sogar als notwendige Unterfunktion einer übergeordneten Aufgabe umfasst, wie sich aus dem beigezogenen Artikel aus dem Ökonomischen Lexikon der DDR (Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1967) ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, Az: B 4 RA 41/05 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 11, Rdnr. 25 ff.). In diesem wird als Konstruktionsbüro eine Einrichtung bezeichnet, die die Aufgabe hat, im Prozess der technischen Vorbereitung der Produktion die konstruktive Gestaltung der Erzeugnisse auszuarbeiten, die Konstruktionszeichnungen anzufertigen, die Materialstücklisten aufzustellen und die Funktion der Neukonstruktion zu erproben. Konstruktionsbüros der sozialistischen Industriebetriebe unterstehen danach dem technischen Direktor bzw. technischen Leiter des Betriebes. Als eine weitere Erscheinungsform des Konstruktionsbüros werden im Ökonomischen Lexikon der DDR weiterhin zentrale Entwicklungs- und Konstruktionsbüros bei den Industriezweigleitungen genannt.

Demgegenüber wurde Projektierung im Sinne umfassender Investitionsvorbereitung als Ausarbeitung und allseitige Abstimmung der zweckmäßigsten technischen, gestalterischen und ökonomischen Konzeption und Festlegung der Aufgaben zur Herstellung von Grundmitteln einschließlich des Realisierungsablaufs verstanden (Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, Berlin 1989, Einträge "Projektierung" und "Projektierungseinrichtung"). Diese Aufgabe ist nicht auf technische Inhalte beschränkt, sondern schließt die wirtschaftliche Entscheidungsvorbereitung mit ein. Komplexe Projektierungen umfassten zudem sogar die städtebauliche und architektonische Gestaltung einschließlich Verkehrsführung, Grünanlagen und Erarbeitung eines Bestands- und Vermessungsplanes mit Angaben über die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken (vgl. Anordnung über die Durchführung komplexer Projektierungen vom 8. Dezember 1955, GBl. 1955, S. 989).

Die Entscheidung wird auch nicht dadurch zu Gunsten der Klägerin beeinflusst, dass die Beklagte möglicherweise in vergleichbaren Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz festgestellt hat. Selbst bei gleicher Sachlage könnte die Klägerin sich nicht darauf berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfG, 17. Januar 1979, Az: 1 BvL 25/77, BVerfGE 50, 142, 166).

Die dargelegte Auslegung der Tatbestandmerkmale der 2. DB steht auch in Einklang mit dem Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 4. August 2004, Az: 1 BvR 1557/01) hat hierzu ausgeführt: "Es ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass sich das Bundessozialgericht bei der Durchführung dieses grundsätzlichen Ansatzes am Wortlaut der Versorgungsordnungen orientiert und nicht an eine Praxis der Deutschen Demokratischen Republik anknüpft. Zwar wird dabei auf eine Weise verfahren, welche in der Deutschen Demokratischen Republik unter Umständen nicht allein maßgeblich für die Aufnahme in Zusatzversorgungen war. Die mit der Auslegung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes befassten Gerichte sind aber verfassungsrechtlich nicht gehalten, die in der Deutschen Demokratischen Republik herrschende Praxis der Aufnahme in Systeme der Zusatzversorgung, soweit sie dem Text der Zusatzversorgungssysteme entgegenstand, im gesamtdeutschen Rechtsraum fortzusetzen (vgl. auch Stoew/Schwitzer, DAngVers, 2003, S. 1, 5). Würde man unter Missachtung des Textes der Versorgungsordnungen Kriterien für die Aufnahme in die Versorgungssysteme entwickeln, würde dies zwangsläufig zu neuen Ungleichheiten innerhalb der Versorgungssysteme und im Verhältnis der Versorgungssysteme zueinander führen." Dem schließt sich der Senat an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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