L 1 RA 95/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 RA 108/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 95/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Feststellungen im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem hat.

Der 19 geborene Kläger erlangte ausweislich der Urkunde vom 31. Juli 1970 das Recht zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur für Landtechnik. Danach war er seit dem 1. August 1970 als Ingenieur für Produktionsplanung und später TKO-Leiter beim Kreisbetrieb für Landtechnik Tangerhütte, vom 1. Januar 1988 an beim VEB Landtechnische Instandsetzung Lüderitz und vom 26. Januar 1989 an als Schweißverantwortlicher beim Staatlichen Fortwirtschaftsbetrieb (StFB) Stendal bis über den 30. Juni 1990 hinaus beschäftigt. Während dieser Zeit versicherte er nicht sein tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt in der Sozialversicherung. Die Zusage einer Zusatzversorgung erhielt der Kläger nicht.

Den Antrag des Klägers auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften aus dem Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz aus dem Zeitraum von August 1970 bis Juni 1990 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2003 ab. Nach § 1 Abs. 1 AAÜG sei dieses Gesetz auf den Kläger nicht anwendbar, weil er am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung ausgeübt habe, wegen der er dem Kreis der zwingend Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre.

Mit Eingangsdatum vom 4. Februar 2003 erhob der Kläger dagegen Widerspruch und machte u. a. geltend, er sei von Januar 1989 bis Juni 1990 im Holzausformungswerk Tangermünde tätig gewesen, das zum Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb gehört habe. Dazu legte er u. a. seinen Arbeitsvertrag vom 23. Januar 1989 mit dem Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Stendal vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2003 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, es habe sich beim Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Stendal nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb oder gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB vom 24. Mai 1951 gehandelt. Mit der am 13. Juni 2003 beim Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat der Kläger behauptet, er sei beim Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb im selbständigen Holzausformungswerk tätig gewesen, in dem Hackschnitzel für die Spanplattenproduktion und Grubenhölzer für den Bergbau produziert worden seien. Es habe sich um einen Produktionsbetrieb gehandelt. In der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2005 hat der Kläger einen Kontrollbericht zum VEB Holzausformungswerk Tangermünde vom 28. Januar 1983 und Auszüge aus den Geschäftsberichten für die Jahre 1987 und 1989 vorgelegt.

Mit Urteil vom gleichen Tage hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger unterfalle dem Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG nicht. Denn er habe nach den Gegebenheiten der DDR am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf Einräumung einer Anwartschaft durch Einzelfallregelung gehabt. Seine Beschäftigung zu diesem Zeitpunkt erfülle die Voraussetzungen der 2. DB vom 24. Mai 1951 nicht, weil der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb Stendal als Beschäftigungsbetrieb nicht zu den volkseigenen Betrieben und gleichgestellten Betrieben gehört habe. Ein solcher Betrieb müsse der Industrie oder dem Bauwesen zugerechnet werden. Der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb Stendal habe aber nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR der Forstwirtschaft angehört. Zudem habe er überhaupt nicht den Namenszusatz eines volkseigenen Betriebes geführt. Er sei auch nicht in der Aufzählung der gleichgestellten Betriebe genannt. Die tatsächliche Arbeit des Klägers in einem Holzausformungswerk sei unerheblich, weil es nur auf den Arbeitgeber im Rechtssinne ankomme. Dies sei sowohl nach dem Arbeitsvertrag als auch der Eintragung im Sozialversicherungsausweis der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb Stendal.

Soweit dabei möglicherweise Personen mit gleichwertiger beruflicher Tätigkeit und Qualifikation ungleich behandelt würden, liege darin kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Der Einigungsvertragsgeber sei nicht gehalten gewesen, die schon in der Versorgungsordnung angelegte Ungleichbehandlung zu beseitigen.

Gegen das ihm am 17. März 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. April 2005 Berufung eingelegt. Er trägt vor, sowohl der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb Stendal als auch der VEB Holzausformungswerk Tangermünde, in dem er über den 30. Juni 1990 hinaus beschäftigt gewesen sei, seien Produktionsbetriebe gewesen. Der Frage nach der Selbständigkeit des VEB Holzausformungswerk Tangermünde sei das Sozialgericht nicht nachgegangen. Er verweise zudem auf Kollegen im gleichen Betrieb, denen die Beklagte positive Bescheide erteilt habe. Er hat weiterhin den Kontrollbericht zum VEB Holzausformungswerk Tangermünde für das Jahr 1983 und einen Registerauszug zum Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Stendal, weiterhin eine Mitteilung vom 3. Oktober 1983 über den Ratsbeschluss zur Übernahme des VEB Holzausformungswerk Tangermünde durch den Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Stendal und den Kontrollbericht zum Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Stendal für das Jahr 1985 vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 78 - 89 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 23. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2003 aufzuheben und

die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 1. August 1970 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Hauptaufgabe eines Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes sei die Rohholzgewinnung und Pflege des Waldes und nicht die Herstellung von Sachgütern gewesen.

Das Gericht hat weitere Unterlagen in das Verfahren eingeführt, wegen deren Inhalt auf Bl. 99 - 122 d. A. verwiesen wird. Im Einzelnen handelt es sich um Klägervortrag zu einem Parallelverfahren mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2003, die Kontrollberichte für die Jahre 1985 bis 1988 und die Angaben des dortigen Klägers vor dem Sozialgericht Magdeburg vom 15. Juli 2004. Schließlich hat das Gericht Unterlagen aus der Registerakte des StFB Stendal beigezogen, insbesondere dessen Gründungsanweisung; die Unterlagen hat es als Beiakte geführt.

Neben dieser Beiakte hat die Akte der Beklagten über den Kläger – Vers.Nr. – in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Beklagte hat den Anspruch auf Feststellungen wegen der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem rechtmäßig abgelehnt.

Der Kläger hat gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) i. d. F. durch G. v. 19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024), die hinsichtlich des hier maßgeblichen Regelungsgehaltes gegenüber den früheren Fassungen unverändert ist, keinen Anspruch auf die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, weil er im Sinne dieser Vorschrift in dem umstrittenen Zeitraum keine Anwartschaft in dem geltend gemachten Zusatzversorgungssystem erworben hat.

Dem Kläger ist zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung eine Zusatzversorgung aus dem System der Altersversorgung der technischen Intelligenz zugesagt worden.

Bei dem Kläger kann auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des BSG (zuerst Urt. v. 24. 3. 98 – B 4 RA 27/97 RSozR 3-8570 § 5 Nr. 3) eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG unterstellt werden. Der Kläger fällt nämlich für die streitigen Zeiträume nicht unter den in dieser Rechtsprechung enthaltenen Rechtssatz (Urt. v. 18.12.03 – B 4 RA 18/03 R – SozR 4–8570 § 1 Nr. 1), wonach sämtliche rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden haben müssen. Der Kläger erfüllte nicht die abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems, denn der StFB Stendal war kein volkseigener Produktionsbetrieb und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 2. DB vom 24. Mai 1951 (GBl. S. 487).

Der Rechtsprechung des BSG, wonach eine Anwartschaft gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG aus unterstellter Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz nur bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 der 2. DB in Betracht kommt, schließt sich das Gericht an, wobei es offen lässt, ob dies für eine Anwartschaft ausreicht. Die Tatbestandsmerkmale der 2. DB müssen nach der im Ergebnis von der Rechtsprechung des BSG hier nicht abweichenden Auffassung des Gerichts bei der Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (std. Rspr. des Senats, z.B. Urt. v. 25.5.04 – L 1 RA 179/02, veröffentlicht bei Juris-Rechtsprechung).

Dies folgt aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des BSG zur Erstreckung des Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür durch Verzögerung oder Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3 – 8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht im hier gemeinten Sinne nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung der Versorgungsvorschriften oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessensentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist. Entscheidend ist allein, ob sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der Versorgungsvorschriften eine Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz ergibt, mit anderen Worten, ob die dort genannten Voraussetzungen eines zwingenden Versorgungsanspruchs für jedermann eindeutig erfüllt waren.

Vor diesem Maßstab war der StFB Stendal kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB in dem – im Ergebnis engen – Sinn, der der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG zu Grunde zu legen ist.

Unerheblich ist, ob der rechtlich unselbständige Teil des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Stendal Holzausformungswerk Tangermünde Produktionsaufgaben wahrgenommen hat; insoweit ist auf den Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Stendal als Ganzes abzustellen. Bei der Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Zusage der Alterversorgung der technischen Intelligenz ist der Betrieb des Arbeitgebers angesprochen; dieser ist die Beschäftigungsstelle im rechtlichen Sinn (BSG, Urt. v. 18.12.03 - B 4 RA 20/03 R - SozR 4-8570 § 1 Nr. 2). Dies ist der StFB Stendal. Mit diesem hat der Kläger schon mit Beginn seiner Tätigkeit im Holzausformungswerk Tangermünde den Arbeitsvertrag vom 23. Januar 1989 geschlossen; dieser Betrieb hat folgerichtig die Arbeitgebereintragungen im Sozialversicherungsausweis des Klägers vorgenommen. Eine Vereinbarung mit einem Betrieb "Holzausformungswerk Tangermünde" wäre zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht mehr möglich gewesen, weil der StFB Stendal nach dem vom Kläger selbst vorgelegten Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft anlässlich seiner Gründung zum 1. Januar 1984 Rechtsnachfolger des vorher bestehenden VEB Holzausformungswerk Tangermünde geworden war. Dies entspricht der Wiedergabe des Beschlusses des Rates des Bezirkes Magdeburg vom 25. August 1983, wonach der VEB Holzausformungswerk Tangermünde als selbständiger Betrieb aufgelöst und als Betriebsteil dem StFB Stendal eingegliedert wurde.

Es handelte sich bei den StFB nicht um Produktionsbetriebe. Volkseigene Produktionsbetriebe i.S. der 2. DB waren nur solche der Industrie und des Bauwesens, wie jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9.2.67 (GBl. DDR II 1967, 121) aus deren § 49 Abs. 1 zu folgern ist (BSG, Urt. v. 10.2.04 – B 4 RA 10/02 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 5). Die "volkseigenen Produktionsbetriebe" wurden dem Oberbegriff "volkseigene Betriebe" sowie den Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) und den anderen wirtschaftsleitenden Organen in den anderen Bereichen der Volkswirtschaft (z.B. Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft etc.) wegen ihres Aufgabenschwerpunktes der industriellen Produktion von Sachgütern oder Bauwerken gegenübergestellt (zuletzt § 41 Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe v. 8.11.79, GBl. der DDR I S. 355; vgl. BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 42/01 R – zitiert nach Juris Rechtsprechung; BSG, Urt. v. 18.12.03 – B 4 RA 18/03 RSozR 4-8570 § 1 Nr. 1, Rd.Nr. 23). Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb enthält § 1 Abs. 1 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung bestimmter Einrichtungen in § 1 Abs. 2 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre.

Der StFB Stendal war schon organisatorisch kein Betrieb der Industrie oder des Bauwesens, weil er fachlich nicht den dafür zuständigen Ministerien, sondern dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft unterstand. Dies ergibt sich z.B. daraus, dass die vorgelegten Kontrollberichte diesem Ministerium als einzigem vorzulegen waren. Als der Bezirksebene zugeordneter Betrieb war der StFB Stendal dort der Abteilung Forstwirtschaft beim Vorsitzenden für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft zugeordnet, wie sich aus der Registereintragung und der Berufung des ersten Betriebsdirektors des StFB Stendal ergibt. Dabei handelt es sich nach § 29 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik v. 4.7.1985 (GBl. I S. 213) um einen von der bezirksgeleiteten Industrie (§ 24 des Gesetzes) und dem bezirklichen Bauwesen (§ 27 des Gesetzes) abgesetzten Bereich.

Den StFB oblagen wesentliche Aufgaben, die wirtschaftlich nicht als – wie auch immer geartete – Produktion messbar sind. So oblagen Mitarbeitern verschiedener Leitungsebenen ordnungsbehördliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Waldnutzung. Z.B. regelten drei Verordnungen bzw. Anordnungen vom August 1984 (GBl. I S. 293 f.) die Zuständigkeit des Direktors des StFB und des Oberförsters zur Durchführung von Ordnungsstrafverfahren im sachlichen Zusammenhang von Holzerzeugung und Landschaftsschutz, in der Anordnung Nr. 2 über die Bewirtschaftung des Genossenschafts- und Privatwaldes v. 15.8.84 sogar auf der Grundlage einer Ermächtigung des StFB zur Erteilung von Auflagen (§ 13 Abs. 1 der Anordnung). Es kann dahinstehen, inwieweit die hoheitlichen Befugnisse nicht dem Betrieb selbst, sondern nur den genannten Funktionsträgern nach Art einer beliehenen Behörde zukamen. Diese Tätigkeit lässt sich jedenfalls nicht von der Unternehmenstätigkeit des Betriebes trennen, weil sie den entsprechenden Personen gerade als Funktionsträgern des Betriebes übertragen war und auf ihren Aufgaben beruht, die ihnen im Zusammenhang mit dem Betriebszweck oblagen, nämlich Holzproduktion und Waldschutz als Teil der Pflege der Landeskultur.

Aber auch die rein wirtschaftliche Tätigkeit eines StFB erfüllt allenfalls zu einem geringen Teil den maßgeblichen Produktionsbegriff. Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend; BSG, Urt. v. 18.12.03 – B 4 RA 14/03 R, zitiert nach Juris) fertigen. Die zum Ausdruck kommende industriepolitische Konzeption beruhte danach auf der Rationalisierung der Fertigungskosten durch Massenproduktion. Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urt. v. 8.6.04 – B 4 RA 57/03 RSozR 4-8570 § 1 Nr. 3 S. 20 f.).

Diese Art von Produktion gab dem StFB Stendal nicht das Gepräge. Die allenfalls unter den Begriff der industriellen Serienherstellung fallende Herstellung von Holzprodukten durch Holzverarbeitung steht lediglich am Ende der Tätigkeit des StFB in einem Herstellungsvorgang, der mit der Anpflanzung von Bäumen und der Pflege während eines Wachstums über zumindest Jahrzehnte und dem Fällen der Bäume beginnt. Inwieweit bereits in diesem Stadium technische Arbeitsvorgänge anfielen, ist nicht von Belang, weil der Einsatz von technischen Geräten allein nicht den Begriff der industriellen Produktion ausfüllt, sondern nur ein notwendiger Teil davon ist. Dieser für den gesamten späteren Produktionsumsatz wesentliche Vorgang erzeugt trotz seines Tätigkeitsaufwandes für den Betrieb über Jahrzehnte unmittelbar keinen messbaren Umsatz oder Gewinn. Gleichwohl lassen auch die Kontrollberichtsziffern eine Einordnung als industrieller Produktionsbetrieb nicht zu. So erreichte der Betrieb 1988 eine industrielle Warenproduktion zu Industrieabgabepreisen von nur 6,2 Mio. M, zu kPP in ebenfalls dieser Höhe bei einer Bruttoproduktion von über 40 Mio. M. und einer Nettoproduktion von 28,3 Mio. M.

Die Bautätigkeit des Betriebes erfüllt den maßgeblichen Begriff der Bauproduktion schon dem Umfang nach nicht, weil sie ihm mit den aus gut 20 Personen bestehenden Baubrigaden nicht das Gepräge eines Baubetriebes verlieh. Diese Zahl entnimmt das Gericht den Angaben des Klägers in dem Parallelverfahren L 1 RA 285/04, die der Kläger nicht bestritten hat.

Die Bedeutung der Massenproduktion für den Begriff der Produktion in der Wirtschaft der DDR hat das BSG unter Darstellung der Wirtschaftsgeschichte zur Zeit des Erlasses der maßgeblichen Versorgungsnormen herausgearbeitet (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 46 f.). Ob Bereiche bestehen, in denen der maßgebliche Produktionsbegriff entgegen dieser Rechtsprechung nicht nur auf Massenfertigung beschränkt bleiben kann, braucht ist vorliegend nicht abschließend zu klären. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Betrieb organisatorisch weder der Industrie noch dem Bauwesen zugeordnet war und erkennbar keine durch Verarbeitung gekennzeichnete Fertigungsweise im Vordergrund seiner Tätigkeit stand, sieht der Senat jedenfalls den Begriff der Produktion der Industrie oder des Bauwesens nicht als erfüllt an.

Ob zeitweise daneben, möglicherweise auch überwiegend, im Wirtschaftsleben der DDR davon abweichende Begriffe industrieller Produktion verwendet worden sind, hält der Senat nicht für maßgeblich. Denn die bundesrechtliche Auslegung des Begriffs der industriellen Produktion erfordert, sich auf den engsten verwendeten Begriff zu stützen, weil nur so die Abgrenzung rechtsstaatswidrig willkürlicher Fehlentscheidungen durch unterlassene Versorgungszusagen erreicht wird. Um deren Korrektur für die Zukunft geht es nämlich nur bei der Prüfung einer bundesrechtlichen Einbeziehung im Wege der Unterstellung, nicht hingegen um die Prüfung, ob bei einer Unterlassung einer Versorgungszusage gerade von der verbreitetsten wirtschaftswissenschaftlichen Lehrmeinung ausgegangen worden ist.

Der Kläger war auch nicht in einem gemäß § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb beschäftigt. Der StFB Stendal lässt sich keiner der dort aufgezählten Einrichtungen zuordnen.

Die Entscheidung wird auch nicht dadurch zu Gunsten des Klägers beeinflusst, dass möglicherweise in vergleichbaren Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz festgestellt wurden. Selbst bei gleicher Sachlage könnte der Kläger sich nicht darauf berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfGE 50, 142, 166; BSG, Urt. v. 21.5.03 – B 6 KA 32/02 RSozR 4-2500 § 106 Nr. 1).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved