L 1 RA 275/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 RA 510/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 275/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Feststellungen im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.

Der 19 geborene Kläger erlangte ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Dresden vom 23. Juli 1966 das Recht zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur. Danach war er vom 1. September 1966 an beim VEB Bürotechnik Berlin, Bezirksleitung Magdeburg und später bei dessen Rechtsnachfolger, dem VEB Robotron-Vertrieb Berlin, Werk Magdeburg, bis zum 30. Juni 1990 beschäftigt. Dort füllte er verschiedene Funktionen, zuletzt als Hauptabteilungsleiter technischer Kundendienst, aus. Der Kläger versicherte zu keiner Zeit sein tatsächlich erzieltes Arbeitentgelt in der Sozialversicherung der DDR. Die schriftliche Zusage einer Zusatzversorgung erhielt der Kläger nicht.

Den Antrag des Klägers auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften aus einer Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz im Zeitraum vom 1. September 1966 bis 30. Juni 1990 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. November 2002 ab, da der Kläger am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung ausgeübt habe, wegen der er dem Kreis der zwingend Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Nach § 1 Abs. 1 AAÜG sei dieses Gesetz dementsprechend auf ihn nicht anwendbar. Der Kläger erhielt diesen Bescheid auf dem Postweg und legte am 28. Dezember 2002 bei der Beklagten Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2003 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, beim VEB Robotron-Vertrieb habe es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens und auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 gehandelt.

Gegen den ihm nach dem 18. Juli 2003 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 19. August 2003 Klage zum Sozialgericht Magdeburg und führte aus, der VEB Kombinat-Robotron sei ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Die Betriebe seien nur bedingt selbständig gewesen, da sie bindende Vorgaben erhalten hätten. Jeder volkseigene Betrieb habe Absatz- oder auch Vertriebsabteilungen gehabt. Den Vertriebsbereichen seien auch Produktionsbereiche zugeordnet gewesen. Im Betriebsteil Magdeburg habe die Zahl der Produktionsarbeiter mit 361 bei 259 sonstigen Beschäftigten mehr als die Hälfte ausgemacht. Der VEB Robotron-Vertrieb Berlin habe insgesamt 1750 Produktionsgrundarbeiter gehabt. Seine Gliederung habe der jedes anderen Betriebes, unter anderem mit einem Direktionsbereich Produktion, entsprochen. Er sei auch von Zentralverwaltung für Statistik als Produktionsbetrieb geführt worden. Auch Mitarbeiter der Vertriebsbereiche hätten Versorgungszusagen gehabt. Der Kläger hat sich auf ein Schreiben des früheren Betriebsdirektors Dr. M. Sch. vom 10. November 2003 bezogen, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 65 - 67 d. A. verwiesen wird.

Das Gericht hat Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zum VEB Robotron-Vertrieb Berlin, dessen Gründungsanweisung, das Statut des VEB Kombinates Robotron vom 19. Dezember 1973 und einen Auszug aus einer Informationsmappe zum VEB Kombinat Robotron beigezogen und in das Verfahren eingeführt. Wegen der Einzelheiten dieser Unterlagen wird auf Bl. 46 - 54 d. A. Bezug genommen.

Mit Urteil vom 29. September 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, weder sei der Kläger in die Altersversorgung der Intelligenz einbezogen gewesen noch unterfalle er der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einem Feststellungsanspruch ohne tatsächliche Einbeziehung. Er habe im Juni 1990 keine Beschäftigung oder Tätigkeit mehr ausgeübt, die ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst gewesen sei und habe gemessen an den allgemeinen Regelungen der Versorgungsordnung der DDR nicht auf die Bewilligung einer Versorgung im Leistungsfall vertrauen können. Denn der VEB Robotron-Vertrieb Berlin sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch ein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung gewesen. Nach den vorliegenden Unterlagen sei der verfolgte Hauptzweck nicht auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen. Dass unter anderem Produktionsaufgaben erfüllt worden seien, reiche nicht aus.

Gegen das ihm am 12. Oktober 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Eingangsdatum beim Sozialgericht Magdeburg vom 8. November 2005 Berufung eingelegt. Er beruft sich darauf, "alle grundsatzorientierten Details des VEB Robotron-Vertrieb Berlin (seien) seitens der DDR-Behörden wirtschaftspolitisch als Produktionsbetrieb angelegt" gewesen. Die Leistungsabrechnung sei nach Grundsätzen der industriellen Warenproduktion erfolgt. Der Betrieb habe über das Kombinat dem Ministerium für Elek-trotechnik und Elektronik unterstanden, die Mitarbeiter seien nach den Rahmenkollektivverträgen der metallverarbeitenden Betriebe entlohnt worden, die Zentralverwaltung für Statistik der DDR habe den Betrieb als Produktionsbetrieb geführt, die IG Metall sei zuständige Gewerkschaft gewesen, und es habe zentralgeleitete statistische Erfassungen gegeben, die nur Produktionsbetriebe betroffen hätten. Der VEB Robotron-Ver-trieb Berlin habe auch Fertigerzeugnisse hergestellt. Bei gleicher Aufgabenstellung ordne die Beklagte den VEB Robotron Anlagenbau Leipzig als Produktionsbetrieb ein. Der Kläger hat die Klage in zeitlicher Hinsicht beschränkt.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß, das Urteil vom 29. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2003 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, seine Beschäftigungszeiten von 1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, der Begriff der Warenproduktion sei für die vorzunehmende Abgrenzung nicht maßgeblich, weil er in der DDR nicht nur die Herstellung von Sachgütern, sondern auch immaterielle Leistungen umfasst habe. Der VEB Robotron-Vertrieb Berlin sei im statistischen Betriebsregister der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik der DDR mit der Schlüsselziffer 16649 als Reparatur- und Montagebetrieb der Datenverarbeitungs- und Büromaschinenindustrie eingeordnet gewesen.

Das Gericht hat neben dem Auszug aus dem statistischen Betriebsregister zum VEB Robotron-Vertrieb Berlin weitere Unterlagen zur Einführung in das Verfahren an die Beteiligten übersandt und sie als Beiakte geführt. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Auskünfte der BSV Verwaltungsgesellschaft mbH vom 16. August 2000 und der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 25. September 2002 zur CVU GmbH als Nachfolgebetrieb, Auszüge aus der Eröffnungsbilanz und dem Handelsregister zur CVU GmbH, die Niederschrift über die Aussage des Zeugen G. in einem Parallelverfahren vom 25. Mai 2005, einen Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zum VEB Kombinat Robotron, die Kombinatsstatuten vom 28. November 1977 und vom 25. Juni 1984 mit nachfolgenden Änderungen, einen Geschäftsbericht für das Jahr 1989 vom 19. Februar 1990, ein Festlegungsprotokoll vom 27. September 1989, eine Darstellung der Arbeitsweise des VEB Robotron-Vertrieb Berlin durch den Kläger eines Parallelverfahrens, einen vollständigen Auszug aus der Informationsmappe zum VEB Kombinat Robotron bezüglich des VEB Robotron-Ver-trieb Berlin, eine Begründung zur Rahmenstruktur des VEB Kombinat Robotron vom 27. November 1973, die Aussage des früheren Betriebsdirektors Dr. Sch. nach einer Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2004, eine weitere Niederschrift des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2003 über Zeugenaussagen der Herren K. und E. und ein Organisationsschema des Kombinates für den Bereich Produktion und Absatz.

Neben diesen Unterlagen hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung die Akte der Beklagten – Vers.-Nr. ZV – vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist unbegründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin die beantragte Feststellung abgelehnt hat.

Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in der Fassung durch Gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939) und der nachfolgenden Änderungen, die die hier maßgeblichen Vorschriften unverändert gelassen haben, keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG, weil er in dem geltend gemachten Zeitraum weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach § 1 Abs. 2 AAÜG i.V.m. Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG angehörte.

Dem Kläger ist für die strittige Zeit nicht durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung die entsprechende Versorgung zugesagt worden.

Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anschließt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG im Wege der Unterstellung (ständige Rechtsprechung, z.B. Urt. v. 10.4.02 – B 4 RA 18/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 8) vorliegen kann. Der Kläger fällt nämlich für die streitigen Zeiträume nicht unter den in dieser Rechtsprechung enthaltenen Rechtssatz (Urt. v. 18.12.03 – B 4 RA 18/03 R – SozR 4–8570 § 1 Nr. 1), wonach ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage bestanden haben muss. Denn der Kläger erfüllte zu diesem Zeitpunkt nicht die später zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems. Der VEB Robotron-Vertrieb Berlin war nämlich kein volkseigener Produktionsbetrieb und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. der DDR S. 487).

Für die Prüfung, ob die betrieblichen Voraussetzungen im Falle der geltend gemachten Zeiten erfüllt sind, ist auch dann auf den VEB Robotron-Vertrieb Berlin abzustellen, wenn der Betriebsteil Magdeburg für Arbeitsrechtsverhältnisse im Sinne von § 17 Abs. 3 Buchst. a des Arbeitsgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (AGB) v. 16.6.1977 (GBl. I S. 185) teilrechtsfähig gewesen sein sollte, wie die Ausge-staltung der Arbeitsverträge des Klägers nahe legt. Ein solcher Betriebsteil war nämlich keine Wirtschaftseinheit, auf die aber bei der Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen abzustellen ist (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 41). Insofern unterscheiden sich der hier maßgebliche Betriebsbegriff und der Bereich nach § 17 Abs. 3 AGB, in dem eine nicht rechtsfähige Einheit unter bestimmten Voraussetzungen "als" Betrieb – ohnehin nur – galt. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Beschränkung auf rechtsfähige Einheiten ergibt sich auch aus § 4 S. 2 2. DB, wonach ohne Unterscheidung gegenüber § 1 2. DB durch die Einbeziehung von Mitarbeitern in die Zusatzversorgung Beitragsschulden des Betriebes entstanden. Dies konnte nur für eine juristisch voll rechtsfähige Einheit der Fall sein, weil die Teilrechtsfähigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsrechts nicht zwingend die rechtliche Möglichkeit des Eingehens eigener Beitragsverbindlichkeiten auf dem Gebiet der Zusatzversorgung nach sich zieht.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, inwieweit der VEB Robotron-Vertrieb Berlin Bindungen in der Leitungshierarchie unterlag. Dies ändert an der unmittelbar gesetzlichen Rechtsfähigkeit eines Kombinatsbetriebes nach § 31 Abs. 2 S. 1, 2 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe (Kombinats-VO) vom 8.11.1979 (GBl. S. 355) nichts. Sie steht auch der Betrachtung des Klägers entgegen, wonach der Betrieb im Zweckzusammenhang des Kombinats wohl als Abteilung für Vertrieb verstanden werden soll.

Der Rechtsprechung des BSG, wonach eine Anwartschaft gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG aus unterstellter Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz nur bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 der 2. DB in Betracht kommt, schließt sich das Gericht an, wobei es offen lässt, ob dies für eine Anwartschaft ausreicht. Die Tatbestandsmerkmale der 2. DB müssen nach der im Ergebnis von der Rechtsprechung des BSG hier nicht abweichenden Auffassung des Gerichts bei der Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (std. Rspr. des Senats, z.B. Urt. v. 25.5.04 – L 1 RA 179/02, veröffentlicht bei Juris-Rechtsprechung).

Dies folgt nach Meinung des Senats aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des BSG zur Erstreckung des Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3–8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessensentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist.

Vor diesem Maßstab war der VEB Robotron-Vertrieb Berlin kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB in dem – im Ergebnis engen – Sinn, der der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG zu Grunde zu legen ist. Volkseigene Produktionsbetriebe i.S. der 2. DB waren nur solche der Industrie und des Bauwesens, wie jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9.2.1967 (GBl. II S. 121) aus deren § 49 Abs. 1 zu folgern ist (BSG, SozR 3-8570 § 1 Nr. 5). Die "volkseigenen Produktionsbetriebe" wurden gerade den "volkseigenen Betrieben" sowie den Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) und den anderen wirtschaftsleitenden Organen in den anderen Bereichen der Volkswirtschaft (z.B. Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft etc.) wegen ihres Aufgabenschwerpunktes der industriellen Produktion oder der Erstellung von Bauwerken gegenübergestellt (zuletzt § 41 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979; vgl. BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 42/01 R; BSG, Urt. v. 18.12.03 - B 4 RA 18/03 R - RdNr. 23, zitiert nach Juris Rechtsprechung). Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb enthält § 1 Abs. 1 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung anderer Einrichtungen in § 1 Abs. 2 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre.

Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend: BSG, Urt. v. 18.12.03 – B 4 RA 14/03 R, zitiert nach Juris) fertigen. Die zum Ausdruck kommende industriepolitische Konzeption beruhte danach auf der Rationalisierung der Fertigungskosten durch Massenproduktion (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urt. 27.7.04 – B 4 RA 11/04 R, zitiert nach Juris).

Diese Art von Produktion gab dem Betrieb, in dem der Kläger im umstrittenen Zeitraum beschäftigt war, nicht das Gepräge.

Die Bedeutung hauptsächlich industrieller Massenfertigung und der damit verbundenen Begriffsbildung in der Wirtschaft der DDR hat das Bundessozialgericht unter Darstellung der Wirtschaftsgeschichte zur Zeit des Erlasses der maßgeblichen Versorgungsnormen herausgearbeitet (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 46 f.). Ob zeitweise daneben, möglicherweise auch überwiegend, in der Wirtschaftslehre der DDR davon abweichende Begriffe wirtschaftlicher Produktion verwendet worden sind, hält der Senat nicht für maßgeblich. Dass dies teilweise der Fall war, hat der Kläger etwa durch den Hinweis auf die Produktionsabteilung des Betriebes oder die hohe Zahl von Produktionsgrundarbeitern belegt. Rechtliche Bedeutung kommt diesem Umstand für das nachwirkende bundesrechtliche Verständnis des Be-griffes der Industrieproduktion im Sinne der Versorgungsvorschriften nicht zu. Die bundesrechtliche Auslegung des Begriffs der industriellen Produktion erfordert, sich auf den engsten, wirtschaftswissenschaftlich vertretenen Begriff zu stützen, weil nur so die Abgrenzung rechtsstaatswidrig willkürlicher Fehlentscheidungen durch unterlassene Versorgungszusagen erreicht wird. Um deren Korrektur für die Zukunft geht es nämlich – wie dargelegt – nur bei der Prüfung einer bundesrechtlichen Einbeziehung im Wege der Unterstellung, nicht hingegen um die Prüfung, ob bei einer Unterlassung einer Versorgungszusage gerade von der verbreitetsten wirtschaftswissenschaftlichen Lehrmeinung ausgegangen worden ist.

Gemäß § 7 des Statuts des VEB Kombinat Robotron vom 19. Dezember 1973 oblag dem VEB Robotron-Vertrieb Berlin der Vertrieb, der technische Kundendienst für Geräte der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik, der Vertrieb von Systemunterlagen und die Wahrnehmung von Leitfunktionen entsprechend geltender Kombinatsordnung sowie die Anwenderschulung auf dem Gebiet der Prozessrechentechnik. Hauptzweck war demnach – zusammengefasst – Vertrieb und Kundendienst. Dies entspricht der Aufgabenbeschreibung für den VEB Robotron-Vertrieb Berlin in der "Begründung zur Rahmenstruktur des VEB Kombinat Robotron" vom 27. November 1973. Dass "Vertrieb" hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht in engem Sinne mit Handel gleichzusetzen ist, sondern die Montage und Herstellung der Betriebsbereitschaft von Computern nach den jeweiligen Kundenbedürfnissen umfasst, begründet nicht, dass es sich um industrielle Produktion von Sachgütern gehandelt hätte. Diesem – maßgeblichen – Hauptzweck steht nicht entgegen, dass der VEB Robotron-Vertrieb Berlin daneben andere Aufgaben erfüllt hat, wie z.B. die Produktion von Monoheimrundfunkgeräten im Werk Stralsund.

Die beigezogenen Aussagen der Herren Dr. Sch. , K. , E. und G. verdeutlichen, dass dem VEB Robotron-Vertrieb Berlin nicht die industrielle Fertigung (Fabrikation, Herstellung, Produktion) von Sachgütern das Gepräge gegeben hat. Insgesamt hatte der VEB Robotron-Vertrieb Berlin Ende der 80er Jahre über 4.000 Mitarbeiter (die Angaben der genannten Herren schwanken für die Wendezeit zwischen 4200 und 4500 Mitarbeitern; auf die Differenz kommt es nicht an). Herr G. hat ausgeführt, die überwiegende Zahl der Mitarbeiter habe die Komponenten aus verschiedenen Betrieben und Ländern zu einer für den Kunden erforderlichen bzw. von ihm gewünschten Konfiguration zusammengestellt, bei ihm montiert und die Betriebsbereitschaft hergestellt. Die Produkte hätten dazu jeweils im Einzelnen an die Bedürfnisse der Anwender angepasst werden müssen. Es handelte sich bei diesem als Finalproduktion bezeichneten Vorgang um eine auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Installation, nicht aber um die Herstellung eines Sachguts Computer, erst recht nicht in Serie. Diese Installationstätigkeit bestätigen auch die vor dem Sozialgericht Berlin vernommenen Zeugen Dr. Sch. , K. und E. als Hauptaufgabe und Gründungszweck des VEB Robotron-Vertrieb Berlin.

Herr K. hat dort zwar ausgesagt, über 2.000 Mitarbeiter seien dem Direktorat für Produktion zugeordnet gewesen. Diese Produktion habe aber auch technische Dienstleistungen umfasst; diese unterfällt nicht dem Produktionsbegriff im Sinne der industriellen Fertigung von Sachgütern. Deshalb ist die Zuordnung zum Direktorat für Produktion nicht aussagekräftig.

Die weit überwiegende Anzahl der Mitarbeiter war im Vertriebs- und Kundendienst, in der Verwaltung und in der Software-Entwicklung und nicht im Bereich der industriellen Fertigung von Sachgütern eingesetzt, wie auch der Aussage des Herrn E. zu entnehmen ist: Er hat zunächst ausgesagt, im gesamten VEB Robotron-Vertrieb Berlin seien ca. 1.500 Servicetechniker mit der Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur der Erzeugnisse beschäftigt gewesen. Im Verlauf der Aussage hat er diese Zahl sogar nach oben korrigiert: Zusammen mit den Werken Magdeburg, Potsdam und Schwerin (gemeint wohl Stralsund) seien "insgesamt sicher über 2.000 Beschäftigte" im technischen Kundendienst tätig gewesen.

In der Produktion im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts waren insgesamt nur ca. 800 Mitarbeiter feststellbar beschäftigt. Dazu gehörten im Werk 1 des VEB Robotron-Vertrieb Berlin in Stralsund bis zu 300 unmittelbar mit der Produktion von Monoheimrundfunkgeräten befasste Mitarbeiter. Diese Zahl haben die Herren K. und G. angegeben. Die Angaben des Herrn E. , im Werk Stralsund seien ca. 500 bis 600 Mitarbeiter beschäftigt gewesen, stehen dazu nicht im Widerspruch. Denn dabei hat er die Beschäftigten in der Nebenstelle in Rostock und den technischen Kundendienst mitgerechnet, ohne dass dabei Produktionstätigkeit wesentlich gewesen wäre. Im Werk 2 in Magdeburg waren nach der Behauptung des Klägers etwa 600 Mitarbeiter beschäftigt. Über 100 Mitarbeiter waren dort nach Angaben des Herrn K. mit der Softwareentwicklung und Applikation befasst, die keine Produktion im Sinne des oben erläuterten Produktionsmodells darstellt. Denn die Wertschöpfung besteht bei diesem Vorgang nicht in der industriellen Massenfertigung von Sachen. Ansonsten wurden in Magdeburg Kabel und Produktionsdatenerfassungssysteme hergestellt, so der Zeuge K ... Unterstellt, dass es sich dabei um Produktion im o.g. Sinne handelte, waren in Magdeburg maximal die vom Kläger genannten 391 Mitarbeiter im produzierenden Bereich tätig. Nach den Zeugenaussagen, die in den entscheidenden Punkten nur unwesentlich voneinander abweichen, waren bei großzügiger Betrachtungsweise nicht mehr als 800 Mitarbeiter in der unmittelbaren Serienproduktion tätig. Diese Tätigkeit hat dem VEB Robotron-Vertrieb Berlin angesichts der Gesamt-Beschäftigtenzahl von über 4.000 nicht das Gepräge gegeben.

Die Angaben in den verwerteten Aussagen stehen nicht im Widerspruch zu anderen vorliegenden Unterlagen. So wurde der VEB Robotron-Vertrieb Berlin in der Betriebsstatistik der DDR entgegen der Behauptung des Klägers nicht als Herstellungsbetrieb, sondern, abgesetzt von herstellenden Betrieben zu anderen Schlüsselziffern, als Reparatur- und Montagebetrieb geführt. Auch die zeitnah zum 30. Juni 1990 erstellte Aufgabenbeschreibung aus der Informationsmappe des Kombinates bestätigt zwar die eigene Produktion, die auch aus den verwerteten Aussagen hervorgeht; gekennzeichnet wird der VEB Robotron-Vertrieb Berlin aber auch hier noch mit der Aufgabe des Vertriebes und des Services.

Der Senat hat keinen Anlass zur Vertiefung der Frage, ob der Produktionsbegriff in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insoweit nicht nachvollziehbar eng sein könnte, als darin entscheidend auf Serienfertigung abgestellt wird. Denn es ist bereits nicht erkennbar, dass der VEB Robotron-Vertrieb Berlin überhaupt als Fertigungsbetrieb anzusehen ist. Der letzte ökonomische Direktor des VEB E. hat in seiner Aussage vor dem Sozialgericht Berlin den Handelsumsatz mit einer Milliarde Mark jährlich gegenüber einer weit niedrigeren industriellen Warenproduktion beziffert, was gegen einen Fertigungsbetrieb spricht. Die Kennziffer wird von den anderen befragten Personen nur hinsichtlich ihrer Bedeutung im Plansystem der DDR in Frage gestellt, nicht hingegen in ihrer Größenordnung. Vielmehr bestätigt der frühere Betriebsdirektor Sch. in seiner Stellungnahme vom 10. November 2003 die Höhe sogar. In seiner Begründung für die niedrige Aussagekraft des Handelsumsatzes bestätigt er mittelbar, dass die Haupttätigkeit des VEB Robotron-Vertrieb Berlin nicht als Fertigung angesehen wurde. Er stellt dort nämlich selbst dar, die Finalproduktion im dargestellten Sinne habe der VEB typischerweise als Handelsleistung abgerechnet. Selbst wenn seine Angabe richtig ist, nach der eigenen Planmethodik der DDR hätte insoweit richtig industrielle Warenproduktion abgerechnet werden müssen, besagt dies noch nicht, dass es sich um eine Herstellungsleistung im engeren Sinne gehandelt hat.

Für die Entscheidung unerheblich ist die vom Kläger vorgetragene tatsächliche Einbeziehung von Mitarbeitern des VEB Robotron-Vertrieb Berlin in die Zusatzversorgung. Insbesondere bindet der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes die Beklagte nicht an einen Vergleich ihrer Entscheidungen mit einer Verwaltungspraxis der DDR vor Inkrafttreten des Grundgesetzes. Zudem ist die oben entwickelte enge und textbezogene rückblickende Betrachtung der Versorgungsnormen zur Herausarbeitung willkürlich unterlassener Versorgungszusagen im Rahmen des AAÜG eine eigenständige Aufgabe. Sie ist nicht deckungsgleich selbst mit einer sachbezogen weiten Auslegung allein ihrer Versorgungsvorschriften durch Stellen der DDR bis zum 30. Juni 1990. Deren Sachbezogenheit wäre zudem durch den Senat auch nicht nachprüfbar. Insofern hat der Senat für die Verwaltungspraxis der DDR nur festzustellen, dass sie zu einer Versorgungszusage für den Kläger jedenfalls nicht geführt hat, dies aber zumindest nicht willkürlich war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage bezüglich der Ablehnungsgründe durch die angegebene Rechtsprechung des BSG geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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