L 16 R 898/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 R 3327/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 898/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für die Söhne G. und B. der Klägerin streitig.

Die 1951 geborene Klägerin ist kroatische Staatsbürgerin und war in Deutschland vom 03.08.1968 bis zum 31.12.1972 versicherungspflichtig beschäftigt. In Österreich legte die Klägerin Versicherungszeiten vom 01.08.1975 bis zum 30.03.1984 zurück. Der österreichische Versicherungsträger berücksichtigte Zeiten vom 01.10.1979 bis zum 30.06.1980 wegen Kindererziehung. In Kroatien legte die Klägerin keine Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurück.

Über den kroatischen Versicherungsträger in ihrer Heimat stellte die Klägerin am 20.06.2005 bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens wurde die Klägerin aufgefordert einen Antrag auf Anerkennung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten zu stellen. Einen solchen Antrag stellte die Klägerin am 27.09.2005. Die Klägerin übersandte die Geburtsurkunden für ihren Sohn B. , geboren 1976 in G. und den Sohn G. , geboren 1979 in Wien.

Mit Bescheid vom 13.02.2006 stellte die Beklagte die Versicherungszeiten der Klägerin ab dem 03.08.1968 bis zum 31.12.1972 fest und teilte der Klägerin mit, dass Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung nicht anzuerkennen seien, da sie ihre Kinder im Ausland erzogen habe.

Die Klägerin ließ über ihren Bevollmächtigten Widerspruch gegen diesen Bescheid einlegen. Ihr Sohn G. sei in Österreich ge- boren und habe die ersten fünf Jahre mit ihr dort gelebt. Der Sohn B. sei in G. geboren und habe immer in O. gelebt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2006 zurück, da gemäß § 56 Abs.1 Nr.2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) und nach § 249 Abs.1 SGB VI grundsätz- lich nur eine Erziehung, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichgestellt ist, angerechnet werden könne. Auch sogenannte Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach § 57 Abs.1 SGB VI könnten nur unter dieser Voraussetzung anerkannt werden. Die Kinder seien nicht in Deutschland, sondern im Ausland - der Sohn G. in Österreich von der Klägerin selbst und der Sohn B. in O. im heutigen Kroatien - erzogen worden.

Am 08.12.2006 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht München. Zur Begründung führte er aus, dass der Sohn G. bei seiner Mutter in Österreich und nicht im Ausland (Kroatien) gelebt habe. Dieses sei zu berücksichtigen und des- wegen habe die Klägerin auch die Wartezeit von fünf Jahren für eine Rente erfüllt.

Das Sozialgericht München wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2007 ab, da die Klägerin ihre Kinder im Ausland erzogen habe.

Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München hat der Klägerbevollmächtigte am 05.12.2007 Berufung eingelegt und ausgeführt, dass das Recht falsch angewendet worden sei. Der Sohn G. sei in Österreich innerhalb der EU und damit nicht im Ausland erzogen worden. Daher müsse die Zeit angerechnet werden.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22.10.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Zeiten der Kin- dererziehung für die Söhne G. und B. vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklag- ten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Klägerbevollmächtigten form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung ist nach den §§ 143, 153 SGG zuläs- sig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagte war nicht verpflichtet, Zeiten wegen Kindererzie- hung für die Söhne der Klägerin vorzumerken.

Nach § 149 Abs.5 Satz 1 SGB VI hat der Versicherungsträger ei- nen Vormerkungsbescheid über die im Versicherungsverlauf ent- haltenen und nicht bereits festgestellten Daten zu erlassen, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat. Dieses Verfahren wurde von der Beklagten eingeleitet. Sie war nicht durch die Vorschrift des § 149 Abs.5 SGB VI daran gehindert, von Amts wegen durch Verwaltungsakt auch Daten festzustellen, die länger als sechs Jahre zurückliegen (siehe hierzu Polster in Kasseler Kommentar, § 149 Rdnr.13). Daher hat sie das Vormerkungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet.

Nach § 56 Abs.1 Nr.2 SGB VI wird für einen Elternteil eine Kin- dererziehungszeit angerechnet, wenn die Kindererziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist (Nr.1), die Erziehung im Ge- biet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer sol- chen gleichsteht (Nr.2) und der Elternteil nicht von der An- rechnung ausgeschlossen ist (Nr.3).

Die Voraussetzungen von § 56 Abs.1 Nr.1 und Nr.3 SGB VI sind erfüllt. Nach § 56 Abs.2 Satz 6 SGB VI ist die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen, wenn die Eltern keine übereinstimmende Erklärung abgegeben haben. Eine solche Erklärung befindet sich nicht in den Akten der Beklagten, daher wären die Kindererziehungzeiten der Klägerin zuzuordnen.

Nach § 56 Abs.1 Nr.2 i.V.m. mit Abs.3 SGB VI erfolgt eine Er- ziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, wenn der er- ziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehal- ten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutsch- land steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Sinn dieser Regelung ist, dass all die in das System der Rentenversicherung miteinbezogen werden, die wegen der Kindererziehung keiner Arbeit nachgehen, aber durch ihre Erziehungsleistung einen Beitrag zum Generationen- vertrag leisten, der berücksichtigt werden soll. Wegen der bestandssichernden Funktion des Systems der Altersvorsorge durch den Generationenvertrag sollen grundsätzlich nur Erziehungszeiten im Inland berücksichtigt werden. Erziehungszeiten im Ausland sind daher nur über die Erweiterung der Inlandserziehung z.B. über die Regelungen des Fremdrentengesetzes oder nach EU-Recht zu berücksichtigen.

Zweifelsfrei steht fest, dass die Klägerin ihre Kinder nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erzogen hat. Dies wird von ihr selbst nicht behauptet. Den Sohn G. habe sie in Österreich erzogen und der Sohn B. sei in Kroatien aufgewachsen. Bei dem Sohn B. ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin diesen selbst erzogen hat, da sie sich nicht gemeinsam mit ihrem Sohn B. im Ausland aufgehalten hat. Jedenfalls sind beide Kinder der Klägerin nicht in Deutschland erzogen worden.

Die Klägerin ist kroatische Staatsangehörige und daher in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland Ausländerin. Sie hat sowohl den Sohn G. als auch den Sohn B. nach ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zur Welt gebracht und im Aus- land erzogen. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der von ihr geltend gemachten Kindererziehungszeiten nach der Geburt ihrer Söhne 1976 und 1979 keinerlei Berührung mehr zur Bundesrepublik Deutschland. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt lag im Ausland. Sie hatte den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse ins Ausland verlagert. Berührungen zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gab es nicht. Die Klägerin stand in keiner Beziehung zum inländischen Arbeitsmarkt.

Als Staatsangehörige eines Nicht-EU-Landes kann sie sich auch nicht auf die EWG-Verordnung 1408/71 beziehen. Die Erziehung ihrer Kinder im EU-Ausland bzw. in ihrer Heimat in Kroatien ist danach nach § 56 Abs.1 Nr.2, Abs.3 SGB VI nicht anzuerkennen.

Auch Berücksichtigungszeiten nach § 57 Satz 1 SGB VI können aus den gleichen Gründen wie Kindererziehungszeiten nach § 56 SGB VI nicht anerkannt werden. Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183,193 SGG, die Klägerin ist mit ihrer Berufung ohne Erfolg geblieben.

Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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