L 3 U 1/97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 81/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 1/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 1996 geändert. Die Bescheide der Beklagten vom 4. November 1994 und vom 29. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1996 werden aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1996 wird hinsichtlich eines Teilbetrages von 464,44 DM aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 26. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1996 wird hinsichtlich eines Teilbetrages von 400,86 DM aufgehoben. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Klägerin an die Beklagte zu entrichtenden Unfallversicherungsbeiträge.

Die Klägerin betreibt in Berlin eine Mitfahrzentrale mit zwei Niederlassungen, eine im Bezirk Charlottenburg, eine im Bezirk Mitte. Untergebracht in den Gebäuden zweier großer Bahnhöfe (Zoologischer Garten und Alexanderplatz) verfügt die Klägerin über Büroräume, in denen sie vorrangig Mitfahrgelegenheiten mit privaten Kfz an Ort und Stelle vermittelt. Die Kunden erscheinen entweder persönlich oder melden sich telefonisch, gleiches gilt auch für den Kontakt mit den Anbietern der Leistungen. Ein Außendienst findet nicht statt. Die Gewerbeanmeldungen in beiden Bezirken lauteten ursprünglich auf Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten und Busfahrten sowie Postkartenverkauf. Mit Ummeldungen vom 24. Juli 1995 (in Charlottenburg) und vom 7. August 1995 (in Mitte) meldete die Klägerin zusätzlich auch die neu ausgeübte Tätigkeit als Reisebüro an.

Die Klägerin ist kraft Gesetzes Mitglied bei der Beklagten. Diese bestimmte mit Wirkung vom 1. Januar 1990 eine Zuteilung der verschiedenen Unternehmensarten zu den jeweiligen Gefahrklassen. Unter anderen wurden hier unter der Gefahrtarifsstelle 5.3 die Tätigkeiten „Gutachter, Gastspieldirektionen, Handelsagenturen sowie Makler, Handelsvertreter, Schätzer und dergleichen, Vermittler, Versteigerer, Sachverständige, Detektivinstitute“ mit einer Gefahrklasse von 2,8 und unter der Gefahrtarifstelle 5.5 die Tätigkeiten „Adressen-, Schreib-, Übersetzung- und Anzeigenbüros, Auskunfteien, Inkasso, Reise- und Theaterkartenbüros, Spielbanken, Toto- und Lottounternehmen, Verkehrsvereine, Pferderennvereine, Wettbüros sowie sonstige Büros“ mit einer Gefahrklasse 1,9 geführt. Auf der Grundlage dieser Gefahrtarifsregelungen erteilte die Beklagte der Klägerin am 4. November 1994 einen Bescheid, in welchem sie sie mit Wirkung vom 1. Juli 1993 zu der Gefahrtarifsstelle 5.3 mit der Unternehmensart Vermittler in der Gefahrklasse 2,80 veranlagte. Am 25. April 1995 erteilte die Beklagte der Klägerin einen weiteren Bescheid, in welchem sie den Beitrag für das Jahr 1994 festsetzte. Sie legte dabei ein Bruttoarbeitsentgelt von 147.444,00 DM zu Grunde, multiplizierte dies mit der Gefahrklasse, woraus sich der Wert von 412.843,20 errechnete, und multiplizierte diesen Wert mit dem Beitragsfuß von 3,500 dividiert durch 1000, woraus sich der Betrag von 1.444,95 DM errechnete. Zuzüglich eines Anteils an der Rentenaltlast von 29,81 DM und eines Anteils an der Konkursausfallgeld-Umlage von 220,08 DM errechnete sich ein Gesamtbeitrag von 1.694,84 DM. Gegen die beiden vorgenannten Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein, über den die Beklagte zunächst nicht entschied.

Mit Wirkung vom 1. Januar 1995 an nahm die Beklagte eine geänderte Zuteilung der Unternehmensarten zu den Gefahrklassen vor. Hierbei war u. a. unter der Gefahrstelle 14 die Tätigkeiten „Makler, Vermittler/ Handelsvertretung/Versteigerer, Pfandleiher/Detektivinstitut“ mit der Gefahrklasse 3,1, ferner bei der Gefahrtarifstelle 17 die Unternehmensart „Reisebüro“ mit der Gefahrstelle 1,9 und schließlich mit der Gefahrtarifstelle 16 die Unternehmensart „Spielbank/ Lotterieunternehmen, Wettbüro/ Verkehrsverein/ Dienstleistungen aller Art (büromäßig)“ mit einer Gefahrklasse von 2,0 aufgeführt. Auf der Grundlage dieser Gefahrklasse erteilte die Beklagte der Klägerin am 29. September 1995 einen Bescheid, in welchem sie sie zur Gefahrtarifsstelle 14 als Makler, Vermittler und dementsprechend zur Gefahrklasse 3,1 veranlagte. Mit Bescheid vom 26. April 1996 verlangte die Beklagte von der Klägerin den Beitrag für das Jahr 1995. Hierbei ging sie von einem Bruttoarbeitsentgelt von 100.092,00 DM aus, multiplizierte dies mit der Gefahrklasse 3,10, errechnete auf diese Weise den Wert von 310.285,20 DM, woraus dividiert durch 1000 und multipliziert mit dem Beitragsfuß von 3,550 der Wert von 1.101,51 DM sich ermittelte. Zuzüglich eines Anteils an der Konkursausfallgeld-Umlage von 242,35 DM errechnete sich der Gesamtbeitrag von 1.343,86 DM. Auch gegen diese Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein, über den zunächst gleichfalls nicht entschieden wurde.

Am 29. Januar 1996 hatte die Klägerin bereits Untätigkeitsklage hinsichtlich der nicht erledigten Widersprüche über die vorgenannten Bescheide erhoben und diese später auch auf den Bescheid vom 26. April 1996 erstreckt. Durch Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 1996 hat die Beklagte die Widersprüche gegen alle vier vorgenannten Bescheide zurückgewiesen: Die Veranlagungen und auch die darauf beruhenden Beitragsberechnungen seien zutreffend. Zurecht sei die Klägerin für das Jahr 1994 zu der Gefahrtarifsstelle 5.3 mit der Gefahrklasse 2,8 veranlagt worden. Bei Mitfahrzentralen handele es sich um Vermittlungsunternehmen im klassischen Sinne. Demgegenüber stellten Reisebüros auf Grund der hohen Zahl an Mitgliedsbetrieben eine versicherungs-mathematisch ausreichend große, verselbständigte Gruppe mit eigenen Risikokategorien dar. Gleiches gelte auch für die Einstufung ab dem Jahr 1995 als Makler, Vermittler mit der Gefahrtarifsstelle 14 und der Gefahrklasse 3,1.

Die daraufhin in der Sache fortgesetzte Klage hat das Sozialgericht nach vorangegangener Anhörung durch Gerichtsbescheid vom 7. November 1996 abgewiesen: Die Gefahrtarife der Beklagten hätten formell Bestandskraft erlangt. Die Zusammenfassung verschiedener Risikogruppen in eine Gefahrtarifsstelle sei durch die Beklagte zutreffend vorgenommen worden. Sie habe hier einen weiten Regelungsspielraum, der zu tolerieren sei. Eine Gleichstellung mit Reisebüros sei nicht gerechtfertigt, denn neben der bloßen Vermittlung von Reisen böten Reisebüros auch selbst Reisen als Veranstalter an.

Gegen diesen ihm am 3. Dezember 1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 3. Januar 1997 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin eingelegt. Sie hat geltend gemacht, die Tätigkeit die sie ausübe, entspreche der eines Reisebüros. Zumindest sei sie aber als „sonstiges Büro“ einzustufen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 1996 zu ändern,
2. die Bescheide der Beklagten vom 4. November 1994 und vom 29. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1996 aufzuheben,
3. den Bescheid der Beklagten vom 25. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1996 hinsichtlich eines Teilbetrages von 464,44 DM aufzuheben,
4. den Bescheid der Beklagten vom 26. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1996 hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 400,86 DM aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat am 6. November 1997 bei der Mitfahrerzentrale B. angefragt, ob diese mit der Beiziehung ihrer Akten einverstanden sei. Am 18. November 1997 ist dieses Einverständnis schriftlich verweigert worden. Am 19. März 1998 hat die Beklagte auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, die Mitfahrzentrale in B. betreibe die Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten, Reisen und Postkartenverkauf. Die daraus resultierenden Ermittlungen hätten ein Gesamtunternehmen mit den Betriebsteilen Reisebüro und Mitfahrladen ergeben, weshalb das Unternehmen als Reisebüro veranlagt worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat im Sinne des im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. November 1999 gestellten Antrages in vollem Umfange Erfolg. Bei der Fassung dieses Antrages handelt es sich nicht um eine Klageänderung im Sinne des § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sondern lediglich um eine Präzisierung des bis dahin formulierten Begehrens.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 1996 war zu ändern, weil er in dem zuletzt angefochtenen Teilumfange nicht der Rechtslage entspricht. Die beiden Veranlagungsbescheide der Beklagten vom 4. November 1994 und vom 29. September 1995, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1996, waren aufzuheben, weil die Beklagte die Klägerin unzutreffend veranlagt hat. Rechtsgrundlage für die Veranlagung sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), denn die Beitragsvorschriften des neu in Kraft gesetzten Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) sind gemäß § 219 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erstmals für das Haushaltsjahr 1997 anzuwenden, während gemäß § 219 Abs. 1 Satz 2 SGB VII für das Haushaltsjahr 1996 und frühere Haushaltsjahre - wie im vorliegenden Fall streitbefangen - die Vorschriften der RVO weiterhin Anwendung finden. Gemäß § 730 RVO hat die Vertreterversammlung der Beklagten zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr durch einen Gefahrtarif Gefahrklassen zu bilden. Gemäß § 734 Abs. 1 RVO veranlagt sodann die Beklagte die Unternehmen für die Tarifzeit nach der Satzung zu den Gefahrklassen. Auch im vorliegenden Fall sind diese Verfahrensschritte eingehalten worden. Durch Beschlüsse ihrer Vertreterversammlung vom 8. Dezember 1989 bzw. vom 7. Juli 1995 legte die Beklagte gemäß § 730 RVO für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1994 bzw. für die Zeit vom 1. Januar 1995 an die Zuteilung der Unternehmensarten zu den jeweiligen Gefahrklassen in abstrakter Form fest. Sodann erfolgte auf der Grundlage dieser Gefahrklassen die jeweilige Veranlagung, und zwar für das Jahr 1994 durch Bescheid vom 4. November 1994 und für das Jahr 1995 durch Bescheid vom 29. September 1995. Beide Bescheide sind jedoch rechtswidrig, weil sich die Beklagte nicht an die Vorgaben der Satzung zur Zuteilung der Unternehmensarten zu den jeweiligen Gefahrklassen gehalten hat. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Entscheidung der Beklagten, unter welche Gefahrtarifstelle bzw. unter welche Unternehmensart die Tätigkeit der Beklagten zu fallen hat, gerichtlich in vollem Umfange überprüfbar. Der Beklagten steht insoweit weder ein Beurteilungs- noch ein Ermessensspielraum zu. Ein solcher Beurteilungsspielraum besteht vielmehr allein bei der Bestimmung der jeweiligen Gefahrklassen in abstrakter Form durch die Satzungsbeschlüsse der Beklagten gemäß § 730 RVO, wobei allerdings auch hier vielfache rechtliche Bindungen zu beachten sind (vgl. im Einzelnen Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. September 1988 - 2 RU 2/88 - , HV-INFO 1988, Seite 2215 und 1991, Seite 694). Dem gegenüber ist die Entscheidung gemäß § 734 Abs. 1 RVO, d. h. die jeweilige Veranlagung der Unternehmen für die Tarifzeit auf der Grundlage der Satzung, durch die Gerichte in vollem Umfange zu überprüfen.

Durch ihren Veranlagungsbescheid vom 4. November 1994 hat die Beklagte die Klägerin zur Gefahrtarifstelle 5.3 mit der Unternehmensart „Vermittler“ veranlagt, was zu einer Gefahrklasse 2,80 führte. Zur Überzeugung des Senats entspricht diese Veranlagung jedoch nicht dem satzungsmäßig festgelegten Gefahrtarif für das Jahr 1994. Denn die Beklagte hätte statt zur Gefahrtarifstelle 5.3 eine Veranlagung zur Tarifstelle 5.5 vornehmen müssen mit der Folge, dass anstelle der Gefahrklasse 2,8 für das Jahr 1994 eine Gefahrklasse 1,9 anzusetzen war. Dies ergibt sich aus der Auslegung der einzelnen Festlegungen in der von der Vertreterversammlung vom 8. Dezember 1989 festgelegten Zuteilung der Unternehmensarten zu den Gefahrklassen und aus dem systematischen Vergleich der einzelnen Unternehmensartbezeichnungen, die den jeweiligen Gefahrtarifstellen zugeordnet werden. So hat die Bezeichnung der Unternehmensart für die Gefahrtarifstelle 5.3 folgenden Wortlaut:

Gutachter, Gastspieldirektionen, Handelsagenturen sowie Makler, Handelsvertreter, Schätzer und dergleichen, Vermittler, Versteigerer, Sachverständige, Detektivinstitute.

Hingegen werden die Unternehmensarten für die Gefahrtarifstelle 5.5 im Wortlaut wie folgt bezeichnet:

Adressen-, Schreib-, Übersetzungs- und Anzeigenbüros, Auskunfteien, Inkasso-, Reise- und Theaterkartenbüros, Spielbanken, Toto- und Lottounternehmen, Verkehrsvereine, Pferderennvereine, Wettbüros sowie sonstige Büros.

Die von der Beklagten vorgenommene Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin als Vermittler im Sinne der Gefahrtarifstelle 5.3 ist nicht gerechtfertigt. Zwar beschäftigt sich die Klägerin vorrangig mit der Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten. Sie wird dadurch jedoch nicht zu einem Vermittler im Sinne der Gefahrtarifstelle 5.3, denn mit dem dortigen Begriff des Vermittlers ist eine anders gelagerte Tätigkeit gemeint. Dies ergibt sich aus dem systematischen Vergleich mit den übrigen bei der Gefahrtarifstelle 5.3 genannten Unternehmensartbeschreibungen. Alle diese Tätigkeiten werden in nicht unerheblichem Umfange auch außerhalb der eigenen Büroräume ausgeübt. Sämtliche Tätigkeiten der bei der Gefahrtarifstelle 5.3 genannten Art werden entweder in örtlichen Besichtigungen oder in anderen, an wechselnde Orte gebundenen Verrichtungen ausgeübt. Demgegenüber handelt es sich jedoch bei den in der Gefahrtarifstelle 5.5 genannten Unternehmensarten durchweg um solche, die ortsfest und in geschlossenen Büroräumen vorgenommen werden. Die Tätigkeit der Klägerin als Betreiberin einer Mitfahrzentrale wird zwar im Wortlaut der Unternehmensartbeschreibung zu der Gefahrtarifstelle 5.5 nicht ausdrücklich genannt. Die Aufzählung dort ist jedoch nicht abschließend, wie sich insbesondere aus der Bezeichnung „sonstige Büros“ ergibt. Im Sinne dieser Vorschrift betreibt die Klägerin ein solches sonstiges Büro, denn sie lässt sich mit ihrer Tätigkeit zwanglos in die Reihe der übrigen dort genannten Unternehmensarten einordnen. So besteht insbesondere eine deutliche sachliche Nähe gegenüber den dort genannten Reisebüros oder Theaterkartenbüros oder aber auch gegenüber den Verkehrsvereinen. Allen diesen Unternehmen gemeinsam ist, dass sie in ortsfesten Büroräumen Vermittlerdienstleistungen erbringen, die sich auch auf das Gebiet des Reisens und der Fortbewegung im weiteren Sinne erstrecken können. Zur Überzeugung des Senats kommt der Unterscheidung zwischen ortsfester bzw. ortsgebundener Tätigkeit einerseits und der an verschiedenen, wechselnden Orten ausgeübten Tätigkeit andererseits ein entscheidendes Gewicht zu. Dies hat auch die Beklagte bei der Abfassung der Satzung zum Ausdruck gebracht. So ist insbesondere zu erkennen, dass etwa die - an erhebliche Außendiensttätigkeit gebundenen - Detektivinstitute in der Gefahrtarifstelle 5.3 aufgeführt werden, während die Auskunfteien, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, allerdings ortsgebunden, in der Gefahrtarifstelle 5.5 aufgeführt sind. Das gleiche gilt für alle anderen Tätigkeiten, die sich bei einer Gegenüberstellung der Gefahrtarifstellen 5.3 und 5.5 maßgeblich nach dem Grad der Ortsabhängigkeit bzw. Ortsunabhängigkeit der Tätigkeit unterscheiden lassen. Demgegenüber kommt dem von der Beklagten angeführten Kriterium der in beiden Gefahrtarifstellen ausgeübten Vermittlertätigkeit keine maßgebliche Bedeutung zu, denn diese Tätigkeit findet sich in beiden Gefahrtarifstellen gleichermaßen und kann schon aus diesem Grunde kein Differenzierungskriterium zwischen den beiden Gefahrtarifstellen darstellen.

Nicht von Belang ist dabei auch, dass ausweislich der jeweiligen Gewerbeanmeldung die Klägerin sich nicht nur auf die Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten beschränkt, sondern daneben auch Busfahrten, Postkartenverkauf und möglicherweise auch weitere touristische Dienstleistungen im Einzelfall anbietet. Denn eine Aufteilung nach einzelnen Unternehmenszweigen ist hier schon wegen der räumlichen Beengtheit der von der Klägerin genutzten Räume nicht möglich. Entscheidend ist vielmehr der dem gesamten Unternehmen zukommende Schwerpunkt der Tätigkeit, und dieser liegt - auch nach den Feststellungen der Beklagten - eindeutig auf dem Gebiet der Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten.

Ebenfalls rechtswidrig ist die Veranlagung, welche die Beklagte für die Zeit ab dem 1. Januar 1995 mit Bescheid vom 29. September 1995 vorgenommen hat. Auf der Grundlage der geänderten Satzung nahm sie nunmehr eine Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 14 mit der Unternehmensart Makler, Vermittler und der Gefahrklasse 3.1 vor. Statt zur Gefahrtarifstelle 14 in der durch die Vertreterversammlung vom 7. Juli 1995 beschlossenen Satzung hätte die Beklagte in ihrem Veranlagungsbescheid die Klägerin zur Gefahrtarifstelle 16 veranlagen müssen, was anstelle der Einstufung in die Gefahrklasse 3,1 die Einstufung in die Gefahrklasse 2,0 zur Folge gehabt hätte.

Die Bezeichnung der Unternehmensart für die Gefahrtarifstelle 14 hat folgenden Wortlaut:

Makler, Vermittler/Handelsvertretung/Versteigerer, Pfandleiher/ Detektivinstitut.

Die Bezeichnung der Unternehmensarten bei der Gefahrtarifstelle 16 hat folgenden Wortlaut:

Spielbank/Lotterieunternehmen, Wettbüro/ Verkehrsverein/ Dienstleistungen aller Art (büromäßig).

Zwar war auch hier zu bedenken, dass die Klägerin in ihrem Unternehmen schwerpunktmäßig eine Vermittlertätigkeit ausübt. Dies rechtfertigt jedoch wiederum nicht ihre Zuordnung zur Bezeichnung „Makler, Vermittler“ in der Gefahrtarifstelle 14. Denn ebenso wie in der vorangegangenen Satzung zeigt sich der entscheidende Unterschied zwischen den Gefahrtarifstelle 14 und 16 darin, dass die Tätigkeiten der Gefahrtarifstelle 14 mit Schwerpunkt oder zumindest mit einem erheblichen Anteil im Außendienst ausgeübt werden, während die Tätigkeiten nach der Gefahrtarifstelle 16 ausschließlich oder jedenfalls mit entscheidendem Schwerpunkt in geschlossenen, ortsfesten Räumen erbracht werden. Zwar ist auch hier die Tätigkeit der Klägerin nicht ausdrücklich im Wortlaut der Unternehmensartbeschreibungen für die Gefahrtarifstelle 16 enthalten, doch lässt sich ihre Tätigkeit hier unter die Bezeichnung „Dienstleistungen aller Art (büromäßig)“ subsumieren. Eine besondere sachliche Nähe zeigt sich darüber hinaus auch gegenüber dem ebenfalls in dieser Gefahrtarifstelle aufgeführten Verkehrsverein. Auch die relativ große Publikumsdichte und eventuelle, vom regen Publikumsverkehr ausgehende Gefahren können kein entscheidendes Kriterium gegen die Zuordnung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 16 sein, denn vergleichbare Gefahren finden sich auch bei den hier aufgeführten Lotterieunternehmen oder den Wettbüros. Auch in diesem Falle kommt es entscheidend auf den Schwerpunkt der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit an. Dabei kann der Senat offen lassen, ob - was die Beklagte nicht in der Sache geklärt hat - die Klägerin tatsächlich entsprechend ihrer Gewerbeanmeldung auch in nennenswertem Umfang Tätigkeiten als Reisebüro ausübt, die für sich genommen in der Gefahrtarifstelle 17 zu veranlagen wären. Denn nach übereinstimmenden Feststellungen der Beklagten und Vortrag der Klägerin liegt jedenfalls der Schwerpunkt der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht in dem Betrieb eines Reisebüros. Auch der Senat hat an der Richtigkeit dieser Sachverhaltsfeststellungen keine Zweifel.

Entsprechend der nunmehr vorzunehmenden Veranlagung in für die Klägerin günstigere Gefahrklassen waren auch die Beitragsbescheide der Beklagten, und zwar der Bescheid vom 25. April 1995 für das Jahr 1994 und der Bescheid vom 26. April 1996 für das Jahr 1995, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1996, teilweise aufzuheben. Der Bescheid für das Jahr 1994 ist in Höhe eines Teilbetrages von 464,44 DM rechtswidrig. In dem angefochtenen Bescheid vom 25. April 1995 hat die Beklagte die Summe der Bruttoarbeitsentgelte in Höhe von 147.444,00 DM mit dem Beitragsfuß von 3,5 und der Gefahrklasse 2,8 multipliziert und durch 1000 dividiert, woraus sich der Betrag von 1.444,95 DM errechnete. Richtig jedoch wäre eine Berechnung mit der Gefahrklasse 1,9 gewesen, d. h. der Betrag von 147.444,00 DM hätte mit dem Beitragsfuß von 3,5 und der Gefahrklasse 1,9 multipliziert und durch 1000 dividiert werden müssen, was zu einem Wert von 980,5026 DM geführt hätte. Die Differenz zwischen den von der Beklagten errechneten 1.444,95 DM und den richtigerweise anzusetzenden 980,5026 DM beträgt gerundet 464,44 DM.

Entsprechend war auch der Beitragsbescheid für das Jahr 1995 vom 26. April 1996 in Höhe eines Teilbetrages von 400,86 DM aufzuheben. Ausgehend von einer Bruttogehaltssumme von 100.092,00 DM hatte die Beklagte diesen Wert mit dem Beitragsfuß von 3,5 und der Gefahrklasse 3,1 multipliziert und durch 1000 dividiert, woraus sich der Betrag von 1.101,51 DM errechnete. Richtig wäre jedoch ein Betrag von 706,44 DM gewesen, der sich errechnet hätte aus einer Multiplikation der Gehaltssumme von 100.092,00 DM, multipliziert mit dem Beitragssatz von 3,5 und der Gefahrklasse 2,0, dividiert durch 1000. Die Differenz zwischen dem von der Beklagten in Ansatz gebrachten Betrag von 1.101,51 DM und den richtigerweise anzusetzenden 706,44 DM beträgt 400,86 DM. Insoweit war auch der zweite Beitragsbescheid aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf 193 SGG. Hiernach hielt es der Senat im Wege der Ausübung pflichtgemäßen richterlichen Ermessens für sachgerecht, der Beklagten die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Denn mit ihrem zuletzt gestellten Antrag hat die Klägerin in vollem Umfange Erfolg gehabt, gegenüber den vorangegangenen Anträgen liegt hierin nur eine geringfügige Teilrücknahme der Berufung und Präzisierung der Anträge.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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