L 3 U 278/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 117/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 278/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Wiederaufnahmeklage des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 19. März 1992 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 19. März 1992 ( Az: L 3 U 66/87) abgeschlossenen Berufskrankheitenverfahrens.

Der 1955 geborene Kläger arbeitete von April 1971 bis Juni 1976 als Lager- und Transportarbeiter sowie als Montierer, anschließend war er vom 09. August 1976 bis September 1981 bei der Firma als Pulverbeschichter beschäftigt, wo er auch für Arbeiten im Entlackungsbad eingesetzt wurde; im August 1981 wurde er in die Montageabteilung für Laborarmaturen umgesetzt. Nachdem der Kläger bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin –AOK-, bei der er krankenversichert war, angefragt hatte, ob die von seinem Hausarzt festgestellte Krankheit "Leberparenchymschaden mit Exacerbation nach Methylenchloridexposition" eine Berufskrankheit sei, erstattete der Arzt für Innere Medizin Dr. K am 09. Juli 1984 auf Anforderung der Beklagten eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit ("toxischer Leberparenchymschaden durch Methylenchlorid").

Die Beklagte lehnte nach Einholung einer Stellungnahme des Landesinstituts für Arbeitsmedizin – Landesgewerbearzt – und Auswertung eines von diesem eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. S vom 21. August 1985 durch Bescheid vom 28. Oktober 1985 Ansprüche des Klägers auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung – RVO – nicht vorliege. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05. Februar 1986 zurück.

Die hiergegen erhobene Klage mit dem Ziel der Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit –MdE- von 20 vom Hundert –v. H.– aufgrund einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung –BKVO- hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 30. September 1987 abgewiesen, da unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. S nicht mit Wahrscheinlichkeit habe festgestellt werden können, dass eine Erkrankung des Klägers durch Halogenkohlenwasserstoffe im Sinne von Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO durch berufliche Einwirkung entstanden oder verschlimmert worden sei. Eine beruflich bedingte Erkrankung durch Blei i. S. v. Nr. 1101 der Anlage 1 zur BKVO sei nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht wahrscheinlich, im Übrigen sei der Kläger auch keinem bleihaltigem Pulver ausgesetzt gewesen.

Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin nach Durchführung eigener Ermittlungen und Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage des Prof. Dr. S vom 14. November 1991 mit Urteil vom 19. März 1992 zurückgewiesen. Das LSG hat ausgeführt, es sei nicht wahrscheinlich, dass die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen (toxische Leberschädigung, Nierensteindiathese und erhebliche psychovegetative Labilität mit neurotischen und depressiven Zügen) Krankheiten im Sinne der Anlage 1 der BKVO, insbesondere nicht der Nrn. 1302 oder 1101 seien. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 22. Juli 1992 (2 BU 96/92) als unzulässig verworfen worden.

Ein erster Wiederaufnahmeantrag vom 06. März 1995 ist durch Urteil des LSG Berlin vom 23. November 1995 (L 3 U 66/87 – W 95) als unzulässig verworfen worden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Beschluss vom 11. März 1996 (2 BU 43/96) als unzulässig verworfen.

Ein weiterer Wiederaufnahmeantrag vom 17. Januar 2007, mit dem der Kläger geltend gemacht hat, er leide mittlerweile – neben Rheuma und Knochenkrankheiten - an 24 chronischen Krankheiten, die nach Auskunft eines Rechtsmediziners als Spätfolgen des Umgangs mit Giftstoffen (Halogenwasserstoff, Methylenchloridsäure, Kunststoffpulver, Epoxidharz , UHU-Plus-Kleber mit Methylenchlorid), denen er während seiner 21jährigen Tätigkeit bei der Firma infolge unzureichender Sicherheitsvorkehrungen ausgesetzt gewesen sei, anzusehen seien, so dass ihm die Verletztenrente zu Unrecht von der Beklagten und den Gerichten vorenthalten worden sei, hat das LSG Berlin mit Urteil vom 24. April 2008 (L 3 U 32/07) als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das BSG durch Beschluss vom 12. Juni 2008 (B 2 U 127/08 B) als unzulässig verworfen.

Mit Schreiben vom 02. Mai 2008, eingegangen bei Gericht am 05. Mai 2008, hat der Kläger erneut die Wiederaufnahme des Verfahrens L 3 U 66/87 – S 68 U 79/86 beantragt. Er ist nach wie vor der Auffassung, dass die Entscheidungen der Beklagten und der Sozialgerichtsbarkeit falsch seien und trägt ergänzend vor, dass entgegen den Ausführungen des Senats im Urteil vom 24. April 2008 (L 3 U 32/07) keine Verjährung vorgelegen habe, denn der im Jahr 2007 festgestellte Lungenbefund – feinkörnige Eisenspeicherung durch Sandstrahlarbeiten - sei ebenso wie der Leberbefund auch schon 1992 vorhanden gewesen und als Berufskrankheit zu entschädigen.

Der Senat entnimmt dem Vorbringen des Klägers den Antrag,

das Urteil des LSG Berlin vom 19. März 1992 und das Urteil des SG Berlin vom 30. September 1987 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Februar 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 oder 1101 der Anlage 1 zur BKVO eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. ab dem 01. Dezember 1981 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Wiederaufnahmeklage als unzulässig zu verwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verfahrensakten L 3 U 66/87-W-05, L 3 U 32/07 und L 3 U 38/07 ER Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, denn diese sind unter Hinweis auf die Folgen des Nichterscheinens ordnungsgemäß geladen worden.

Die Zuständigkeit des Senats für dieses Verfahren ergibt sich aus § 179 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 584 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Nach diesen Vorschriften ist das Berufungsgericht für das Wiederaufnahmeverfahren zuständig, wenn das angefochtene Urteil von ihm erlassen worden ist. Das ist hier der Fall, denn der Kläger begehrt in der Hauptsache die Wiederaufnahme des Verfahrens S 68 U 79/86 – L 3 U 66/87, das mit rechtskräftigem Urteil des LSG Berlin vom 19. März 1992 abgeschlossen worden ist.

Die Wiederaufnahmeklage ist unzulässig.

Auch wenn der Kläger hier nunmehr zum dritten Mal die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Berufskrankheitenverfahrens und damit die Beseitigung der Rechtskraft des Urteils des LSG Berlin vom 19. März 1992 begehrt, bedeutet dies nicht, dass in dem vorliegenden Wiederaufnahmeverfahren überhaupt Feststellungen über das Vorliegen einer Berufskrankheit und eines Anspruchs auf Verletztenrente getroffen werden können. Die Wiederaufnahmeklage ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der nur unter besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegen rechtskräftige Entscheidungen stattfindet. Das Wiederaufnahmeverfahren nach § 179 SGG i. V. m. § 580 ZPO umfasst drei Abschnitte: Prüfung der Zulässigkeit, Prüfung des behaupteten Anfechtungsgrundes und danach - bei Feststellung eines Anfechtungsgrundes - eine neue Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits, wobei das Gericht den jeweils folgenden Abschnitt erst prüfen darf, wenn die Anforderungen des vorhergehenden Abschnitts erfüllt sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 1997, 9 RV 2/96, SozR 3 – 1500 § 179 Nr. 1). Auf diese grundlegenden prozessualen Gegebenheiten hat das Gericht den Kläger bereits mehrfach, so im Urteil vom 24. April 2008 und mit Schreiben der Vorsitzenden des Senats vom 08. Mai 2008, hingewiesen.

Hiernach ist die Wiederaufnahmeklage bereits deshalb unzulässig, weil die Frist für die Erhebung dieser Klage versäumt ist. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tage der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, ist die Wiederaufnahmeklage unstatthaft (§ 586 Abs. 2 S. 2 ZPO). Diese Frist ist hier bei weitem überschritten, denn das Urteil ist mit Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BSG vom 22. Juli 1992 (2 BU 96/92) als unzulässig rechtskräftig geworden. Der hier zu beurteilende Wiederaufnahmeantrag des Klägers datiert aber vom 05. Mai 2008. Soweit der Kläger ergänzend vorträgt, im Jahr 2007 sei zusätzlich ein Lungenbefund festgestellt worden, der auch schon 1992 vorhanden gewesen sei, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist des § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO ist nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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