L 2 J 785/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 8 J 1647/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 J 785/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. März 1995 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem Kläger ein geändertes Geburtsdatum zugrunde zulegen und diesem Altersrente zu gewähren ist.

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebt seit Februar 1962 in der Bundesrepublik Deutschland. Im Juli 1988 beantragte er bei der Beklagten die Klärung seines Versicherungskontos. Als Geburtsdatum gab der Kläger hier an: 1937, als früheres anderes Geburtsdatum den 1930. Er legte einen Beschluss des Gerichts in Zivilsachen in Bayburt vom 8. Juni 1988 vor, mit dem das Geburtsdatum vom 1937 auf den 1930 berichtigt worden war. Außerdem legte der Kläger vor ein Personenregistermuster betreffend ihn und seine Familie, weiterhin eine Bescheinigung, wonach er in derzeit vom 1. Dezember 1956 bis 1. Juni 1959 Militärdienst geleistet habe. Unter dem 28. November 1988 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die eingereichten Unterlagen reichten für eine Änderung der bisherigen Versicherungsnummer nicht aus. Die Änderung des Geburtsdatums durch das Landgericht Bayburt werde nicht anerkannt. An die LVA Hessen schrieb die Beklagte unter dem 11. Mai 1989, die erteilte neue Versicherungsnummer, der das Geburtsdatum 1930 zugrunde liege, sei wieder stillzulegen.

Im September 1992 beantragte der Kläger bei der LVA Hessen Altersrente für langjährige Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres unter Berücksichtigung des Geburtsdatums 1930. Die LVA Hessen gab den Vorgang an die Beklagte ab, da der Kläger Beiträge in der Türkei entrichtet habe. Mit Bescheid vom 12. August 1993 entschied die Beklagte, die türkische Gerichtsentscheidung über die Berichtigung des türkischen Personenstandsregisters werde hinsichtlich der Änderung des Geburtsdatums für den Bereich der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht anerkannt. Das für die deutsche Rentenversicherung maßgebende Geburtsdatum laute 1937. Die Versicherungsnummer laute:. Gegen den Bescheid wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch, den die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 1993 zurückwies. Das richtige Geburtsdatum sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts das bei der Vergabe der Versicherungsnummer zugrunde gelegte Geburtsdatum, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt vom Versicherten gemachten Angaben entspreche und mit den damals von ihm vorgelegten Urkunden übereinstimme. Der Kläger habe bei Eintritt in die deutsche Rentenversicherung als Geburtsdatum den 1937 angegeben und belegt gehabt. Es bestehe keine Veranlassung, dem Urteil des Zivilgerichts Bayburt vom 8. Juni 1988 zu folgen, da dies keine Tatsachen enthalte, welche die Änderung des Geburtsdatums nachvollziehbar belegen könnten.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 21. Dezember 1993 Klage vor dem Sozialgericht Kassel. Er begehrte die Gewährung von Altersrente auf der Grundlage des Geburtsdatums 1937. Er trug vor, auf der Grundlage dieses Geburtsdatums sei er auch von der Firma M.-B. den vorzeitigen Ruhestand entlassen worden. Die vorgelegten Beweismittel seien auch ausreichend, als Geburtsdatum den 1930 nachzuweisen. Der Kläger legte noch einen Personenregisterauszug des Einwohnermeldeamtes Aydintepe vor, außerdem ein medizinisches Gutachten vom 26. Mai 1988 für das Landgericht B. sowie das Protokoll der Gerichtsverhandlung vom 8. Juni 1988.

Das Sozialgericht machte Auskünfte des Arztes für Orthopädie Dr. S. vom 25. April, 3. und 8. Mai 1990 zur Frage nach Untersuchungsmethoden zur Altersbestimmung bei Lebenden zum Gegenstand des Verfahrens. Mit Urteil vom 31. März 1995 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im wesentlichen aus, die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe zu Recht die Gewährung von Altersrente abgelehnt, weil der Kläger die altersmäßigen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch noch nicht vollendet habe. Das für ihn maßgebliche Geburtsdatum in der deutschen Rentenversicherung sei unverändert der 1937. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, die türkische Entscheidung über die Änderung des Geburtsdatums zu übernehmen. Auch sei sie zu Recht von dem Geburtsdatum 1937 als maßgeblich für die deutsche gesetzliche Rentenversicherung ausgegangen. Das richtige und maßgebliche Geburtsdatum sei in freier Beweiswürdigung zu ermitteln. Eine rechtliche Bindung an die Entscheidung der türkischen Behörden über die Änderung des Geburtsdatums bestehe hier nicht. Eine den Versicherungsträger bindende Eintragung des Geburtsdatums in ein deutsches Geburtsbuch liege nicht vor. Auch aus zwischen- und überstaatlichen Regelungen ergebe sich keine rechtliche Bindung an die türkische Entscheidung. Das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit vom 13. September 1965 (mit späteren Änderungen) enthalte keine Vorschriften, aus denen sich eine Bindung deutscher Behörden und Gerichte in der streitigen Frage ergäbe. Auch die allgemeinen Regelungen des deutschen Internationalen Privatrechts und der ergänzenden Vorschriften für die Sozialversicherung enthielten hinsichtlich des Geburtsdatums keine Regelung. Schließlich ergebe sich auch aus dem Umstand, daß die Berichtigung des türkischen Personenstandsregisters in einem förmlichen gerichtlichen Verfahren erfolgt sei, keine zusätzliche Bindung. Es bestehe auch keine rechtliche Bindung aufgrund der zwischenzeitlich von der LVA Hessen zugeteilt gewesenen neuen Versicherungsnummer mit dem Geburtsdatum 1930. Die Versicherungsnummer habe eine reine Ordnungsfunktion. Aus ihrer Zuteilung ließen sich keine weitergehenden rechtlichen Folgerungen ableiten, insbesondere keine Bindung des Versicherungsträgers an das darin aufgenommene Geburtsdatum für spätere Entscheidungen über altersabhängige Leistungen. Auch ein irgendwie gearteter Vertrauensschutz lasse sich daraus nicht ableiten. Im Falle des Klägers seien weder besondere Umstände, die zur Eintragung eines falschen Geburtsdatums geführt haben sollten, ausreichend plausibel gemacht, noch sei belegt, daß das ursprünglich registrierte Geburtsdatum unzutreffend sei und das jetzt geltend gemachte Datum den Sachverhalt richtig wiedergebe. Das Geburtsjahr 1937 sei – bezogen auf die Änderung im Jahre 1990 – noch relativ zeitnah im türkischen Personenstandsregister eingetragen worden. Ein ausreichender Anhalt dafür, daß diese Eintragung infolge Irrtums oder absichtlich falsch veranlaßt worden sei, sei nicht schlüssig dargetan. Es sei insbesondere nicht ausreichend belegt, daß der Kläger tatsächlich schon im Jahre 1930 geboren sei. Das Urteil des Landgerichts Bayburt bringe für die Richtigkeit des Geburtsdatums 1930 nicht mehr Beweis als die ihm zugrundeliegenden Beweismittel. Dem türkischen Gericht hätten ein ärztliches Kurzgutachten sowie eine Zeugenaussage zugrunde gelegen. Nach dem Inhalt des Gutachtens solle der Kläger damals etwa 50 Jahre alt gewesen sein. Diese im Mai 1988 ausgesprochene Bewertung würde ein Geburtsdatum ergeben, das in das Jahr 1938 fiele. Schon daraus lasse sich nichts gegen das Geburtsjahr 1937 und für das Jahr 1930 ableiten. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß sich laut den Auskünften des Dr. nach wissenschaftlichem Kenntnisstand zwar bei Jugendlichen und Heranwachsenden anhand von röntgenologisch feststellbaren Wachstumsgraden der Handknochen relativ verläßliche Altersbestimmungen vornehmen ließen, daß dies aber bei Erwachsenen nicht mehr möglich sei. Die Zeugenbekundung sei ebenfalls nicht geeignet, das Geburtsjahr 1930 zu belegen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Bekundung. Die Aussage des Zeugen T. Y. sei viel zu allgemein und angesichts des Zeitraums von fast 60 Jahren seit dem von dem Zeugen auf das Jahr 1930 datierten Ereignis zu zweifelhaft, als daß sie dieses Geburtsjahr belegen könnte. Auch eine Erinnerungsverfälschung sei nicht auszuschließen, da der Zeuge bei seiner Aussage immerhin bereits 85 Jahre alt gewesen sei. Auch die übrigen aktenkundigen Umstände sprächen nicht für ein im Jahr 1930 gelegenes Geburtsdatum. Das Geburtsjahr 1937 passe ganz zwanglos in die Reihe der dokumentierten Geburtsdaten der Geschwister des Klägers. Änderungen in deren Geburtsdaten, insbesondere bei den Brüdern des Klägers, seien nicht aktenkundig. Es sei mithin weder nachgewiesen noch auch nur wahrscheinlich gemacht, daß der Kläger tatsächlich im Jahr 1930 geboren sei.

Mit seiner am 1. August 1995 eingelegten Berufung wendet sich der Kläger gegen das ihm am 12. Juli 1985 zugestellte Urteil. Er trägt vor, ein weiteres Indiz zu seinen Gunsten sei, daß seine Ehefrau unstreitig am 18. März 1936 geboren sei. Gerade in der Türkei sei es vollkommen unüblich, eine ältere Frau zu heiraten. Dies sei allerdings dann der Fall, wenn das Geburtsdatum 1937 zutreffen sollte. Im übrigen seien die bisherigen Beweismittel ausreichend, das Geburtsjahr 1930 zu belegen. Er reicht eine schriftliche Aussage seines Vaters M. O. vom 13. November 1995 sowie des T. Y. vom 1. Dezember 1995 ein, außerdem eine Bestätigung des M. O. vom 11. Juli 1996. Der Kläger vertritt außerdem die Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihm mitzuteilen, daß die Änderung der Versicherungsnummer nicht gleichzeitig eine Anerkennung des geänderten Geburtsdatums bedeute.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. März 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. August 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1993 zu verurteilen, ihm auf der Grundlage des Geburtsdatums 1. Januar 1930 Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und durch die Aussagen des M. O. und T. Y. nicht für widerlegt. Die Änderung der Versicherungsnummer durch die LVA Hessen begründe keinen Vertrauensschutz für die Anerkennung des geänderten Geburtsdatums. Die Versicherungsnummer habe lediglich eine verwaltungsinterne Ordnungsfunktion. Der Kläger habe sich nicht darauf verlassen können, daß auch die Beklagte bei Beantragung altersabhängiger Regelleistungen das geänderte Geburtsdatum zugrunde legen würde, zumal ihm mit Schreiben vom 17. Oktober 1988 ausdrücklich mitgeteilt worden sei, daß eine Anerkennung des geänderten Geburtsdatums durch die Beklagte nicht erfolgen könne.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten im übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten, die vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise übereinstimmend einverstanden erklärt haben (§§ 110, 124 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung ist zulässig, aber sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung einer Altersrente hat, weil er noch nicht wenigstens 60 Jahre alt ist. Außerdem hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, als Geburtsdatum des Klägers den 1930 zugrunde zu legen.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe sieht der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab und bezieht sich auf die ausführlichen Gründe der angefochtenen Entscheidung, denen er sich anschließt. Insbesondere hält der Senat die Beweiswürdigung des Gerichts, wonach das Geburtsdatum 1937 als das zutreffende angesehen wird, für richtig. Die im Berufungsverfahren vorgelegten Zeugenaussagen des M. O. und des T. Y. sind demgegenüber nicht geeignet, ein anderes Beweisergebnis zu begründen, zumal es sich um Tatbestände handelt, die bereits 50 bis 60 Jahre zurückliegen.

Nach alledem mußte die Berufung erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.
Rechtskraft
Aus
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