L 2 U 70/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 216/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 70/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 20. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1945 geborene Kläger, ein Fließenleger, beantragte am 21. Oktober 2005 die Anerkennung seiner Knieerkrankung als Berufskrankheit. In einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern vom 22. Januar 2004 wird u.a. eine Gonarthrose beiderseits, links mehr als rechts, angegeben. Der Allgemeinarzt Dr. K. stellte am 2. März 2004 die Diagnosen: Coxarthrose links stärker als rechts, Gonarthrose beiderseits. Der Entlassungsbericht vom Heilverfahren vom 5. Mai bis 26. Mai 2004 enthält als Diagnosen Coxarthrose beiderseits, Gonarthrose, Verdacht auf Hämochromatose und Adipositas. Das Aufnahmegewicht betrug 90 kg bei einer Größe von 174 cm.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten bestätigte in der Stellungnahme vom 15. März 2006, der Kläger habe kniebelastende Tätigkeiten im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2102 verrichtet.

Im Gutachten vom 19. April 2006 führte der Orthopäde Dr. H. aus, es bestünden beidseits eine chronische Schleimbeutelentzündung über der Kniescheibe und eine fortgeschrittene Kniearthrose mit Beteiligung der Kniescheibe und der Menisken. Sowohl vom Beschwerdebild als auch vom Röntgenbild liege eine arthrotische Veränderung der gesamten Kniee vor. Bei Berücksichtigung der degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule und an beiden Hüften sei von einer anlagebedingten Knorpelschwäche auszugehen. Die Beschwerden seien eher für eine Arthrose typisch als für eine isolierte Meniskusschädigung. Es sprächen also mehr Gründe für das Vorliegen einer schicksalhaften Knieerkrankung als für eine berufsbedingte Meniskusschädigung oder Arthrose.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 6. Juli 2006 die Gewährung von Leistungen ab, da keine Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2102 der Anlage zur BKV vorliege.

Zur Begründung des Widerspruchs übersandte der Kläger ein Attest des Dr. K. vom 31. Juli 2006. Darin wird ausgeführt, die Kniegelenke seien einer überdurchschnittlichen Belastung während der langjährigen Tätigkeit als Fliesenleger ausgesetzt gewesen. Daher seien nicht nur Meniskusschäden, sondern gonarthritische und Coxarthroseschäden aufgetreten. Der Arbeitgeber bestätigte am 10. August 2006, dass der Kläger über 40 Jahre in dem Betrieb tätig gewesen sei. Im 37. Jahr habe er über starke Schmerzen in beiden Kniegelenken geklagt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 zurück.

Der im Klageverfahren vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. D. führte im Gutachten vom 9. November 2006 aus, ein degenerativer Meniskusschaden mit Rissbildung im Bereich beider Kniegelenke sei durch die kernspintomographische Untersuchung vom 21. Juli 2005 objektiviert. Im Bereich beider Kniegelenke seien ausschließlich beide Innenmenisken, speziell im Hinterhornbereich, betroffen. Ursache hierfür seien nicht die berufliche Belastung, sondern die biomechanische Fehlstellung beider Kniegelenke (O-Beine) und das Übergewicht, die zu einer Degeneration geführt hätten und so zu einer weiteren Zunahme der Achsabweichung beider Kniegelenke im Sinne einer Varusfehlstellung und sekundär durch Zermürbung zu einer degenerativen Meniskopathie.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Dr. L. führte im Gutachten vom 5. Juli 2007 aus, die geringfügige O-Beinstellung habe nicht primär als konkurrierende Ursache anlagemäßig bestanden, sondern sei vielmehr Folge der sich entwickelnden Kniearthrose. Die berufsbedingte Belastung habe zu einer deutlichen Verminderung des Knorpelbelags geführt und so zu einer Progression auch der Achsenfehlstellung, die also das Resultat der Meniskusschädigung und der nachfolgenden Gonarthrose sei. Im Übrigen handele es sich bei dem konstitutionellen O-Bein nicht um eine konkurrierende Ursache für die Entstehung der Meniskusschädigung, sondern um eine Schadensanlage. Belege für eine ursächliche Relevanz fehlten. Der Hausarzt habe auf Nachfrage ein Körpergewicht von 86 kg bei Antragstellung bestätigt. Dies stelle keine ernsthafte konkurrierende Ursache dar. Die MdE sei mit 30 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte übersandte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr. S. vom 9. Oktober 2007. Wenn es durch eine Verminderung des Innenmeniskusvolumens zu einer O-Beinstellung komme, sei immer eine funktionelle Lockerung des Innenbandes festzustellen, als Folge der Annäherung von Oberschenkel- und Unterschenkelknochen. Da alle Untersucher Bandstabilität beschrieben hätten, sei es ausgeschlossen, dass die O-Beinstellung durch die Meniskusschädigung entstanden sei. Entscheidend sei aber im vorliegenden Fall das Alter des Klägers. Nur wenn ein Meniskusschaden ausgeprägter sei, als es vom Alter des zu Beurteilenden zu erwarten sei, könnten berufliche Belastungen als ursächlich angesehen werden. Der Befund, wie er bei dem Kläger mit 62 Jahren vorliege, sei jedoch alterstypisch. Die Gonarthrose müsse gleichfalls als alterstypisch angesehen werden, zumal auch vergleichbare Verschleißveränderungen an den Hüftgelenken vorlägen.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2007 ab und stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. D. und Dr. S ...

Zur Begründung der Berufung verwies der Kläger auf Dr. L ...

Der Kläger wiederholt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 27.02.2008, mit der Abänderung, den Meniskusschaden als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Gemäß § 9 Abs. 1 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 1. Dezember 1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 623). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheiten bezeichnet und in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, d.h., die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rn. 3). Die rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285).

Unstreitig war die vom Kläger über lange Jahre ausgeübte Tätigkeit als Fliesenleger geeignet, eine Meniskusschädigung zu verursachen.

Die Beweisaufnahme des Sozialgerichts hat aber zur Überzeugung auch des Senats ergeben, dass die Kniegelenksveränderungen nicht wahrscheinlich ursächlich auf die berufsbedingten Einwirkungen zurückzuführen sind. Dies ergibt sich insbesondere aus den schlüssigen Ausführungen von Dr. H. , Dr. D. und Dr. S ...

Meniskusschädigungen, nämlich Abnutzungserscheinungen des Meniskusgewebes, können in jedem Lebensalter anlagebedingt in unterschiedlichem Ausmaß auftreten (vgl. Elster, Berufskrankheitenrecht, Nr. 2102, I, S. 126/3). Entscheidend für die Beurteilung, ob die schädigenden Einflüsse der Berufstätigkeit wesentlich für die Entwicklung des Meniskusschadens an beiden Kniegelenken waren, sind der Befund und das Beschwerdebild.

Wie Dr. D. erläutert hat, ist zwar ein degenerativer Meniskusschaden mit Rissbildung im Bereich beider Kniegelenke durch die kernspintomographische Untersuchung vom 21. Juli 2005 objektiviert. Ausschließlich die beiden Innenmenisken, speziell im Hinterhornbereich, sind betroffen. Daneben besteht eine Degeneration im Bereich des Femoro-patellargelenkanteils und am lateralen Gelenkanteil beider Kniegelenke. Insofern ist das Bild einer fortgeschrittenen medialen Gonarthrose festzustellen. Schon am 21. Juli 2005 fand sich eine Reizergussbldung mit Bakerzyste an beiden Kniegelenken. Im Hinblick auf die fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen auch an der Wirbelsäule und an beiden Hüften ist insofern von einer anlagebedingten Knorpelschwäche auszugehen. Im Übrigen können bei eingeschränkter Hüftfunktion verstärkte Knieschmerzen auftreten, worauf Dr. H. hinweist. Auch liegen die typischen Arthrosebeschwerden des gesamten Gelenkes, weniger die einer isolierten Meniskusschädigung vor.

Die Beschwerden traten zwar nach langjähriger belastender Tätigkeit auf, aber in einem Alter, in dem allgemein degenerative Meniskusschäden zu erwarten sind. Der Meniskusschaden ist nicht ausgeprägter, als es im Alter des Klägers zu erwarten ist. Somit liegt ein alterstypischer Befund vor. Eine berufsbedingte chronische Meniskopathie tritt aber früher auf, als bei der beruflich nicht belasteten Bevölkerung (vgl. Elster, a.a.O., S. 126/4-1). Damit ist als wesentliche konkurrierende Ursache das Alter des Klägers gegeben.

Nicht überzeugen können dagegen die Ausführungen von Dr. L ... Gegen eine durch die Meniskusschädigung verursachte O-Beinstellung, wie er sie vermutet, spricht die von allen Gutachtern festgestellte Bandstabilität. Durch eine Verminderung des Innenmeniskusvolumens können sich Ober- und Unterschenkelknochen einander annähern und es so zu einer O-Beinstellung kommen. Damit verbunden ist aber immer eine funktionelle Verlängerung des Innenbandes durch die Verminderung des Abstandes zwischen Ober- und Unterschenkelknochen, also eine Lockerung. Da eine derartige Bandlockerung fehlt, kann die O-Beinstellung nicht durch die Meniskusschädigung entstanden sein.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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