Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 1093/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 489/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.12.2005 insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der Gewährung implantologischer Leistungen im Bereich des Oberkiefers abgewiesen wurde. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 3.7.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2004 verurteilt, der Klägerin eine Versorgung mit Zahnimplantaten und implantatgestütztem Zahnersatz im Bereich des Oberkiefers zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu zwei Dritteln zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit Implantaten zur Abstützung von Zahnersatz (implantatgetragener Zahnersatz) als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die 1975 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, leidet (wie ihr Vater und dessen Zwillingsbruder) an einem Axenfeld-Rieger-Syndrom, einer dominant vererbbaren Krankheit, die (u.a.) mit der multiplen Nichtanlage von Zähnen im Ober- und Unterkiefer verbunden ist. Im Mai 2003 reichte sie eine Gebührenvorausberechnung für die Implantatversorgung (voraussichtliche Kosten 14.829,41 EUR) und einen Therapieplan des Zahnarztes K. ein. Dieser führte aus, die 7 Jahre alte Brücke im Oberkiefer müsse dringend entfernt werden. Die Zähne 21 und 26 seien inzwischen transkoronal endodontisch versorgt. Eine prothetische Neuversorgung sei festsitzend nicht mehr möglich. Es komme lediglich eine herausnehmbare Lösung in Betracht. Dies sollte allerdings wegen des jungen Alters der Klägerin ausgeschlossen werden.
Dem Therapieplan war ein Bericht der Universitätsaugenklinik Heidelberg vom 25.2.2003 beigefügt. Danach verursache das Axenfeld-Rieger-Syndrom (auch) eine komplexe Fehlbildung des Auges im Sinne einer mesodermalen Dysgenesie von Hornhaut und Iris mit der weiteren wesentlichen Folge eines Sekundärglaukoms (grüner Star). Weitere Veränderungen seien (neben den Entwicklungsdefiziten an Zähnen und Knochen) ein charakteristisches Gesichtsprofil sowie eine Mikrognathie.
Die Klägerin trug ergänzend vor, der Zahnarzt K. habe zu einer Versorgung mit Implantaten geraten, da trotz mehrfacher Zahnwurzelbehandlung die Zähne bzw. Zahnwurzeln überempfindlich seien und ein normaler Biss mit der derzeit vorhandenen Brücke nicht gewährleistet sei. Da sie seit Dezember 2002 nicht mehr vernünftig essen bzw. beißen könne, wären Implantate die vernünftigste Lösung. Eine herausnehmbare Lösung würde einen Mangel an Lebensqualität darstellen, da sie nach dem Studium erneut ins Berufsleben eintreten werde und erst 28 Jahre alt sei. Die Kosten für die Implantate könne sie als Leistung der Ausbildungsförderung beziehende Studentin nicht aufbringen.
Die Beklagte holte die Stellungnahme des Zahnarztes Dr. Sommer vom 27.6.2003 ein (Verwaltungsakte S. 12). Dieser führte aus, bei der Klägerin bestehe im Oberkiefer eine Brückenversorgung von 17 nach 27 auf den vorhandenen Zähnen 17, 16, 13, 23 und 27. Im Unterkiefer seien die Zähne 44, 45 und 35 nicht angelehnt. Da eine konventionelle Versorgung ohne Weiteres möglich sei und man bei der bestehenden Bezahnung nicht von einer generalisierten Nichtanlage von Zähnen ausgehen könne, bestehe eine Ausnahmeindikationen weder für die Implantate noch für die Suprakonstruktionen (§§ 28, 30 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V (a.F.)).
Mit Bescheid vom 3.7.2003 (Verwaltungsakte S. 17) lehnte es die Beklagte ab, die Kosten für die Versorgung mit Zahnimplantaten zu übernehmen.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin erhob die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. H. (Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung, Karlsruhe) vom 30.9.2003 (Verwaltungsakte S. 48). Der Gutachter untersuchte die Klägerin und führte aus, im Oberkiefer seien die Zähne 17, 16, 13, 23, 27 vorhanden und mit einem festsitzenden Zahnersatz versorgt. Im Unterkiefer fänden sich die Zähne 37, 36, 35, 33, 32, 31, 41, 43, 46 und 47. Die distalen Wurzeln der Zähne 36 und 46 seien unvollkommen ausgebildet. Im Unterkiefer gebe es keine Anzeichen für eine Nichterhaltungsfähigkeit der vorhandenen Pfeilerzähne. Die Klägerin habe Schmerzen im Oberkiefer angegeben; sie könne nicht essen. Der Ansicht des behandelnden Zahnarztes K. könne nicht gefolgt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum im Oberkiefer die Erneuerung des festsitzenden Zahnersatzes nicht möglich sein solle. Auch für den Fall, dass im Oberkiefer eine festsitzende Versorgung nicht in Betracht komme, wovon allerdings nicht auszugehen sei, wäre mit vertragsmäßigen Leistungen im Oberkiefer eine adäquate Neuversorgung möglich. Die Bezuschussung implantologischer Leistungen sei deshalb ausgeschlossen. Die Schaltlücke 43 bis 46 im Unterkiefer könne ebenfalls ohne besondere Schwierigkeiten mit einem festsitzenden Zahnersatz versorgt werden. Die vom behandelnden Zahnarzt geplante implantologische Versorgung der Schaltlücke im 4. Quadranten müsse insoweit zurückhaltend beurteilt werden, als das Knochenangebot in diesem Bereich sich mehr als ungenügend darstelle. Die im Heil- und Kostenplan vorgesehenen operativen Maßnahmen zur Lagerbildung beim Aufbau des Alveolarfortsatzes erschienen nicht ausreichend. Insgesamt liege eine Ausnahmeindikation gem. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. nach Maßgabe der einschlägigen Richtlinien eindeutig nicht vor. Eine konventionelle prothetische Versorgung sei adäquat und ohne Implantate möglich. Die implantologische Versorgung des rechten Unterkiefers wäre ohne größere invasive Maßnahmen zur Lagerbildung beim Aufbau des Alveolarfortsatzes nicht möglich und sei darüber hinaus durch konventionelle prothetische Maßnahmen vermeidbar und adäquat versorgbar.
Die Klägerin trug abschließend vor, wegen der psychischen Belastung durch die Folgen des Axenfeld-Rieger-Syndroms werde sie bereits psychiatrisch behandelt; der Gedanke, künftig ein Gebiss tragen zu müssen, sei für sie unerträglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.3.2004 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf das Gutachten des Prof. Dr. H. zurück. Die Leistungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Zahnimplantologische Leistungen gehörten grundsätzlich nicht zur (von den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährenden) zahnärztlichen Behandlung. Eine in den einschlägigen (Zahnbehandlungs-)Richtlinien festgelegte Ausnahmeindikation - hier die generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen – liege nicht vor, zumal Implantate auch dann nur im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbracht werden könnten, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich, namentlich das rekonstruierte Prothesenlager durch schleimhautgetragenen Zahnersatz nicht belastbar sei.
Am 21.4.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Sie trug ergänzend vor, eine vollprothetische Versorgung komme nicht in Betracht und sei angesichts ihres jungen Alters auch nicht zumutbar, zumal sie zu weiteren Problemen, etwa einer trockenen Mundschleimhaut und Druckempfindlichkeit führe. Sie sei außerdem Allergikerin und könne Medikamente wegen des Sekundärglaukoms nicht uneingeschränkt einnehmen. Das gelte insbesondere für nahezu alle Schmerzmittel. Prof. Dr. H. habe die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles im Sinne der generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen verkannt. Es komme ausschlaggebend darauf an, ob bei ihr eine übliche prothetische Versorgung möglich sei. Sie habe über diese Frage mit Prof. Dr. Dr. Z. (Universitätsklinik Köln) gesprochen. Dieser habe darauf hingewiesen, eine prothetische Lösung sei zwar technisch möglich. Von dieser Lösung müsse jedoch aus medizinischer Sicht abgeraten werden. Eine herausnehmbare Prothese bringe nur vordergründig für kurze Zeit eine Fixierung, müsse jedoch je nach Fortschreiten der Erkrankung, etwa der Zurückbildung von Knochen oder Zahnfleisch, immer wieder erneuert werden. Wenn dies, voraussichtlich in zwei bis drei Jahren, nicht mehr möglich sei, müssten doch Implantate gesetzt werden. Schließlich seien die psychischen Folgen einer herausnehmbaren Lösung zu berücksichtigen. Nach Auffassung ihrer behandelnden Psychiaterin Dr. E. könne eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen werden.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Prof. Dr. Dr. Z. (Direktor der Klinik und Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universität Köln) vom 18.10.2005 (SG-Akte S. 80).
Die Psychiaterin Dr. E. führte im Bericht vom 14.2.2005 (SG-Akte S. 56) aus, bei der Klägerin bestehe eine erhebliche depressive Symptomatik auf Grund der vorliegenden Störung im Bereich der Zähne mit dadurch verursachten Einschränkungen. Auf Grund des Alters der Klägerin und der bereits jetzt vorliegenden depressiven Symptomatik werde ein herausnehmbarer Zahnersatz für wenig sinnvoll erachtet. Es sei damit zu rechnen, dass sich die depressive Symptomatik wesentlich verstärken und die Klägerin in ihrer weiteren Lebensgestaltung erheblich einschränken werde. Das müsste entsprechend umfangreiche psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen nach sich ziehen.
Der Zahnarzt K. gab im Bericht vom 2.3.2005 (SG-Akte S. 57) an, auf Grund des geringen und vorgeschädigten Zahnangebots halte er eine festsitzende Versorgung auf dem Restzahnbestand für absolut kontraindiziert. Man müsse auch bedenken, dass die Klägerin derzeit erst 30 Jahre alt sei. Deshalb erscheine ihm der Ersatz der fehlenden Zähne durch Implantate als der beste Weg. Dem Gutachten des Prof. Dr. H. stimme er insofern nur bedingt zu, als er zum einen eine festsitzende Brückenversorgung bei dieser Restbezahnung sehr kritisch sehe, zum anderen in den vorliegenden Gutachten die genetisch bedingten Zahnaplasien gar nicht oder nur unzureichend gewürdigt seien. Die Implantation im Bereich 44, 45 sei selbstverständlich nur mit einer aufwändigen Knochenauflagerung möglich.
Prof. Dr. Dr. Z. untersuchte die Klägerin und führte in seinem Gutachten aus, die Klägerin werde wegen der Augenbeteiligung infolge des Axenfeld-Rieger-Syndroms regelmäßig augenärztlich behandelt. Sie müsse regelmäßig Augentropfen anwenden. Außerdem liege eine Pollenallergie vor. Bereits seit dem 10. Lebensjahr werde die Klägerin zudem kieferorthopädisch behandelt. Zähne seien nicht entfernt worden. Zur prothetischen Versorgung sei in den 90er Jahren eine Brücke im Oberkiefer mit nachfolgender Wurzelkanalbehandlung der Zähne 21 und 26 eingegliedert worden.
Der Gutachter erhob folgende Befunde: Nichtanlage der Zähne 18, 15, 14, 13, 12, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 38, 35, 42, 44, 45 und 48, prothetisch unzureichend versorgtes Gebiss mit Schaltlücke im Unterkiefer rechts (regio 044/045), eingegliedertes Langzeitprovisorium im Oberkiefer von 17 nach 26, chronische Parodontitis apikalis 21 und 26, horizontale und vertikale Alveolarfortsatzatropie regio 044/045, Verdacht auf anteriore Dikusluxation mit Reposition im Bereich des linken Kiefergelenkes sowie kieferorthopädisch bedingte Wurzelresorption an 36 und 46.
Im Bereich des rechten Unterkiefers sei zum Schluss der Zahnreihe eine prothetische Versorgung notwendig. Eine konventionelle Versorgung hätte den Nachteil, dass die kariesfreien Pfeilerzähne 46 und 43 geschliffen werden müssten. Zudem würde die vorliegende Alveolarfortsatzatropie dazu führen, dass die Kronen zum Ersatz der fehlenden Zähne 44 und 45 länger gespaltet werden müssten, um den Defekt auszugleichen. Durch die Eingliederung einer Brücke würde der Pfeilerzahn 46 vermehrt belastet. Wegen der deutlich verkürzten distalen Wurzel sei dessen prothetische Wertigkeit als Pfeilerzahn reduziert. Eine Langzeitprognose dieser prothetischen Versorgung sei eingeschränkt, weshalb operative Maßnahmen zur Lagerbildung und eine Implantatinsertion indiziert seien. Im Bereich des Oberkiefers sei die Klägerin derzeit mit einem Langzeitprovisorium versorgt. Hier sei eine Neuversorgung dringend notwendig. Zwar wäre insoweit eine festsitzende Versorgung mittels einer überspannten Brücke prinzipiell möglich, allerdings sei die Prognose der Zähne 21 und 26 auf Grund der Entzündung und der dadurch verursachten Beschwerden stark eingeschränkt. Gingen die Zähne 21 und 26 entzündungsbedingt verloren, käme als Versorgungsmöglichkeit allenfalls eine herausnehmbare Teilprothese in Betracht, da infolge der Anzahl und der Verteilung der Restpfeiler eine festsitzende Versorgung selbst bei Verlust nur eines der beiden Pfeiler nicht gegeben sei. Man müsse auch die unterschiedliche Wertigkeit der tragenden Pfeiler im Oberkiefer berücksichtigen. Da die Frontzähne 11 und 21 kieferorthopädisch auf die Positionen der Eckzähne bewegt worden seien (auf 13 und 23), hätten sie von Natur aus nicht dieselbe prothetische Wertigkeit wie die nicht angelegten Eckzähne. Deshalb erscheine die Planung für eine überspannte Brücke auf den Zähnen 17, 16, 11,21 und 26 mit dem Risiko des Misserfolgs behaftet. Dementsprechend sei eine teleskopierende Versorgung mit teleskopierenden Verankerungselementen auf den Zähnen 16 und 11 sowie einer Krone mit Modellgussklammer am Zahn 17 zu planen, was jedoch bei dem Alter der Klägerin nur eine eingeschränkte Langzeitprognose habe.
Alternativ zur dargestellten Versorgung käme auch eine Neuversorgung mit enossalen Implantaten in Frage. Im Unterkiefer könnten die fehlenden Zähne 44 und 45 durch Implantate ersetzt werden; dazu müsste ein ausreichendes Implantatlager geschaffen werden. Im Oberkiefer sei zur Erzielung eines langfristigen Implantaterfolges die Insertion von fünf Implantaten notwendig. Erforderlich seien außerdem ggf. vorbereitende operative Maßnahmen. Im Gegensatz zu konventionellen prothetischen Rekonstruktionsmaßnahmen sei die implantologische Versorgung aufwändiger und kostenintensiver. Im Fall der 30 Jahre alten Klägerin sei aber zu berücksichtigen, dass es bei einer umfassenden Neuversorgung auch darum gehe, Folgeschäden durch die unangemessene Belastung der Restzähne und eine voranschreitende Alveolarfortsatzatropie in den zahnlosen Bereichen zu verhindern. Durch das Einbringen von künstlichen Zahnwurzeln (Implantaten) in den Kieferknochen würden langfristig Pfeiler geschaffen, die zu einer günstigeren Verteilung der Kaukräfte führten und zur Stabilität der natürlichen Pfeilerzähne beitrügen. Zusätzlich werde dem Abbau des Kieferknochens aktiv entgegengewirkt. Auch Folgeerkrankungen müssten gewürdigt werden. So führten funktionelle Störungen der Kaumuskulatur zu orthopädischen, neurologischen und krankengymnastischen Folgebehandlungen, möglicherweise bei Erreichen eines Costen-Syndroms sogar zur Frühberentung.
Bei dem Axenfeld-Rieger-Syndrom lägen neben Fehlbildungen im Bereich der Augen die Ologodontie (genetische Nichtanlage und Unterentwicklung von Zähnen) sowie eine Hypoplasie (Unterentwicklung) des Mittelgesichts vor. Insgesamt seien bei der Klägerin im Oberkiefer 5 von 16 Zähnen und im Unterkiefer 10 von 16 Zähnen vorhanden. Von 32 Zähnen seien 15 angelegt. Die Annahme eines besonders schweren Falles i. S. des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V sei gerechtfertigt. Eine umfassende prothetisch implantologische Behandlung sei bei der Klägerin als Teil der medizinischen Gesamtbehandlung zu sehen, da die Fehlbildungen im Bereich der Augen zur Verhütung eines Glaukoms bis auf Weiteres mit Augentropfen behandelt werden müssten. Einschränkend sei zu erwähnen, dass das Prothesenlager prinzipiell durch schleimhautgetragenen Zahnersatz belastbar sei. Jedoch führe die Eingliederung von dental-tegumental abgestütztem Zahnersatz zu einer einseitigen Atropie, die unter langzeitprognostischen Faktoren eine weitere prothetische Versorgung weiter erschwere. Insofern lägen alle Voraussetzungen einer Ausnahmeindikation für implantologische Leistungen vor.
Abweichend von der Auffassung des Prof. Dr. H. sei eine Erneuerung des festsitzenden Zahnersatzes sowohl auf Grund der statischen Situation wie wegen des Zustandes der beiden Pfeiler im linken Oberkiefer (21 und 26) nicht ohne zusätzliche implantologische Maßnahmen möglich. Die Zähne 21 und 26 wiesen nämlich chronische periakipale Entzündungen auf. Außerdem seien die Zähne 21 und 11 von geringerer prothetischer Wertigkeit als Eckzähne. Richtig sei, dass mit vertragsmäßigen Leistungen eine herausnehmbare Versorgung der Klägerin möglich wäre. Dies sei jedoch medizinisch nicht adäquat, da bei der jungen Klägerin durch den Versuch, eine konventionelle Behandlung durchzuführen, zwei Zähne hätten wurzelkanalbehandelt werden müssen. Eine weitere Versorgung ohne Unterstützung von Implantaten sei nicht erfolgversprechend, da die Versorgung nur halbseitig abgestützt werden könne und nicht zu verantwortende Folgebehandlungen zu erwarten seien. Aufgrund des Alters der Klägerin von 30 Jahren und des (noch) guten Knochenangebots sei eine konventionelle prothetische Versorgung möglich. Dies würde aber zur Folge haben, dass eine herausnehmbare Prothese mit ungünstigen statischen Eigenschaften (einseitige Belastung des linken Oberkiefers) zu einem verstärkten Abbau des Alveolarknochens führen werde. Weitere umfangreiche und kostenintensive zahnärztliche Behandlungsmaßnahmen in Form von Korrekturen an der Prothese, der Verlust weiterer Pfeilerzähne durch die ungünstigen Hebelverhältnisse sowie gegebenenfalls eine Verschlimmerung der Beschwerden im linken Kiefergelenk wären die Folge. Hypothetisch betrachtet sei zum jetzigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass durch die herausnehmbare Prothese im Oberkiefer bezogen auf die Dauer der nächsten 40 Jahre das Prinzip der Wirtschaftlichkeit nicht eingehalten werde. Im Unterkiefer sei eine konventionelle prothetische Versorgung adäquat und ohne Implantate nur bedingt aufgrund des vorgeschädigten Zahnes 46 zu vertreten.
Mit Urteil vom 16.12.2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, die auch die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktion umfasse. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehörten funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen; diese dürften auch nicht bezuschusst werden. Gleiches gelte für implantologische Leistungen, es sei denn, es lägen seltene, in Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor (§ 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V). Als besonders schwerer Fall gelte unter anderem die generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen. Implantate könnten allerdings nur dann beansprucht werden, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung nicht möglich sei. Bei generalisierter Nichtanlage von Zähnen gelte dies außerdem nur in dem Fall, dass das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgetragenen Zahnersatz nicht belastbar sei. Die Implantatversorgung sei nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn eine funktionsfähige Versorgung auf herkömmlichem Weg nicht erreicht werden könne (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.9.2002, - L 4 KR 1957/02 -). Hier liege ein Ausnahmetatbestand für eine implantologische Versorgung nicht vor. Auch die Erkenntnisse des Prof. Dr. Dr. Z. in dessen gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten reichten dafür nicht aus.
Von einem besonders schweren Fall in Form der generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen sei zwar auszugehen. Prof. Dr. Dr. Z. habe jedoch aufgezeigt, dass bei der Klägerin aufgrund ihres Alters und des noch guten Knochenangebots eine konventionelle prothetische Versorgung möglich sei. Dies bedeute lediglich, dass dies technisch machbar sei, zumindest langfristig gesehen aber keine sinnvolle Lösung darstelle. Im Oberkiefer würde eine herausnehmbare Prothese mit ungünstigen statischen Eigenschaften zu einem verstärkten Abbau des Alveolarknochens führen mit weiteren Folgen, wie umfangreichen Behandlungsmaßnahmen oder dem Verlust weiterer Pfeilerzähne; auch die Beschwerden im linken Kiefergelenk könnten zunehmen. Freilich müssten die allgemeinen Kriterien des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, erfüllt sein. Daran bestünden nach den Bewertungen des Gutachters erhebliche Zweifel. Das gelte zumindest hinsichtlich der prothetischen Versorgung des Oberkiefers, während eine Implantatversorgung im Unterkiefer noch als bedingt adäquat angesehen werden könne. Eine abschließende Klärung dieser Frage sei aber nicht notwendig. Denn Prof. Dr. Dr. Z. habe ausdrücklich festgestellt, dass das Prothesenlager der Klägerin prinzipiell noch durch schleimhautgetragenen Zahnersatz belastbar sei. Auch wenn hier unter Umständen die Langzeitprognose ungünstig sei, könne aktuell noch keine Ausnahmeindikation angenommen werden, ungeachtet dessen, dass eine Implantatversorgung die sinnvollste Lösung darstelle. Die hier einschlägigen Vorschriften müssten zudem eng ausgelegt werden.
Auf das ihr am 4.1.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.1.2006 Berufung eingelegt. Sie hat das Berufungsverfahren zunächst nicht betreiben und sich statt dessen über längere Zeit um eine außergerichtliche Lösung bemüht. In diesem Zusammenhang hat sie auch einen (neuen) Heil- und Kostenplan des Zahnarztes K. vom 29.11.2007 über Kosten einer Implantatversorgung von 9.709,06 EUR vorgelegt. Die Beklagte könnte sich hieran mit einem Zuschuss von 1.224,77 EUR beteiligen, was der Klägerin, jedoch nicht ausreicht.
Die Klägerin hat sich schließlich dazu entschlossen, das Berufungsverfahren zu betreiben. In der Berufungsbegründung vom 20.12.2007 wiederholt und bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt sie unter Hinweis auf das Gutachten des Prof. Dr. Dr. Z. vor, das Sozialgericht habe übersehen, dass die Eingliederung von dental-tegumental abgestütztem Zahnersatz zu einer einseitigen Atropie führe, die unter Berücksichtigung einer Langzeitprognose eine weitere prothetische Versorgung massiv erschwere. Außerdem seien die negativen psychischen Folgen, die eine herausnehmbare Prothese mit sich brächten, nicht gewürdigt worden. Bei ihr läge aktuelle Suizidgefahr vor, müsste sie sich mit der von der Beklagten angebotenen Gebissversorgung abfinden.
Ergänzend teilt die Klägerin mit, das Langzeitprovisorium (im Oberkiefer) sei am 15.7.2004, 14.2.2005 und am 1.9.2005 abgenommen und wieder befestigt worden. Am 10.1.2006 habe außerdem eine Augenoperation (wegen Tensioentgleisung bei Axenfeld-Rieger-Syndrom) in der Universitätsaugenklinik Mannheim stattgefunden (Kurzbericht Senatsakte S. 80); eine zweite Operation sei ebenfalls bereits durchgeführt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.12.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2004 zu verurteilen, ihr eine Versorgung mit Zahnimplantaten und implantatgestütztem Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, eine Ausnahmeindikation im Sinne einer generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen setze das mehrheitliche Fehlen der typischerweise in einem Kiefer angelegten Zähne voraus. Bei der Klägerin bestehe in beiden Kiefern die Möglichkeit zur Eingliederung vertraglichen Zahnersatzes. Schließlich müsse die Implantatversorgung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erfolgen. Diese kumulativ notwendigen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Besonderheiten im Fall der Klägerin, wie deren Alter, der Verlust von Zahnsubstanz durch Beschleifen von Zähnen u.a., könnten nicht berücksichtigt werden. Es komme auch nicht darauf an, ob die Eingliederung vertragsmäßigen (konventionellen) Zahnersatzes langfristig sinnvoll sei oder nicht, und welche Auswirkungen damit prognostisch verbunden wären, zumal verlässliche Haltbarkeitsprognosen kaum möglich seien. Allein maßgeblich sei der jetzige Gebissbefund. Die vorliegenden Gutachten bestätigten ihre, der Beklagten, Rechtsauffassung. Nach Einführung der befundorientierten Festzuschüsse (§§ 55, 56 SGB V) zum 1.1.2005 habe die Klägerin Anspruch auf eine entsprechende Leistungsprüfung; hierzu sei ein neuer Heil- und Kostenplan eingereicht worden. Eine weitergehende Kostenbeteiligung komme nicht in Betracht.
Der Senat hat – nunmehr von Amts wegen - die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. Z. vom 19.6.2008 erhoben (Senatsakte S. 59). Darin ist ausgeführt, bei der Klägerin liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Axenfeld-Rieger-Syndrom vor. In Übereinstimmung mit einem aktuellen Fallbericht aus dem Jahr 2005 seien die Beteiligung des Auges in Form eines Glaukoms (grüner Star) sowie einer verminderten Anzahl von Zähnen (Hypodontie) und weitere Zahn- und Kieferfehlbildungen nachweisbar. Wichtiger Bestandteil der zur Linderung der Krankheitsauswirkungen danach notwendigen medizinischen Gesamtbehandlung sei die Applikation von Augentropfen zur Senkung des Augeninnendrucks, um weitere Augenschäden zu vermeiden. Langfristig könne das Axenfeld-Rieger-Syndrom zu einer Verminderung der Sehkraft führen.
Durch die Nichtanlage der Zähne bzw. durch das geringere Wachstum des Oberkiefers sei bei dem in Rede stehenden Krankheitsbild eine Veränderung des Gesichtsprofils erkennbar; die Patienten zeigten ein deutlich vorgealtertes Erscheinungsbild. Zudem komme es zu einem Hervortreten des Unterkiefers. Zum Ausgleich dieser Entwicklungsstörung sowie zur Verbesserung der Kaufähigkeit und Vermeidung von Fehlbelastungen der Kiefergelenke sei die prothetische Rekonstruktion als (weiterer) wichtiger Teil der medizinischen Gesamtbehandlung zu sehen. Allein durch die Insertion von enossalen Implantaten und gerade nicht durch die Eingliederung herausnehmbaren Zahnersatzes könne ein weiterer Knochenschwund im Bereich des Oberkiefers vermieden werden. Zudem wären die funktionellen Auswirkungen auf die Kaumuskulatur und die Kiefergelenke sowie das Erscheinungsbild der noch jungen Klägerin positiv zu beeinflussen. Die Eingliederung einer rein dental und schleimhautgetragenen Prothese führe in diesem Zusammenhang eher zu einem stärkeren Rückgang des Alveolarknochens im Sinne einer Druckatrophie und damit zu einem weiteren Rückgang des gesamten Oberkiefers, was zu einer aufgrund der nach einwärts und dorsal gerichteten Atropie zur Verstärkung der krankheitsbedingten Oberkieferrücklage führen könne.
Wie bereits bei der klinischen Untersuchung am 16.9.2005 festgestellt, sei im Bereich des rechten Kiefergelenks ein Knackgeräusch nachweisbar. Zudem sei eine intermediäre Abweichung des Unterkiefers bei Öffnung nach rechts erkennbar. Das seien deutliche Hinweise auf eine beginnende Arthropatie in Form einer anterioren Diskusluxation mit Reposition durch die Fehlbelastungen bei multipler Nichtanlage. Die gleichmäßigere Verteilung der Kaukräfte auf die Stützgewebe durch die Eingliederung von festsitzendem entsprechend okklusal adjustiertem Zahnersatz stelle hier eine wirksame Prophylaxe dar.
In der aktuellen Literatur finde sich bei dem Axenfeld-Rieger-Syndrom keine Auffälligkeit der Schleimhäute. Auf Grund der Nichtanlage mehrerer bleibender Zähne im Bereich des Ober- und Unterkiefers sei das Knochenangebot in diesen Regionen durch die fehlenden Zähne deutlich vermindert, so dass bei Eingliederung eines schleimhautgetragenen Zahnersatzes hier mit einem deutlichen Rückgang des schon reduzierten Restknochens zu rechnen sei, da sich der entstehende Kaudruck auf eine kleinere Knochenoberfläche verteilen müsse. Zwar scheine die Belastbarkeit der Schleimhaut prinzipiell gegeben zu sein. Die reduzierte Zahl der Zähne insbesondere im Bereich des Oberkiefers sowie der Zustand der Zähne im Oberkiefer (Zustand nach Wurzelkanalbehandlung) führten aber dazu, dass eine dauerhafte Abstützung von schleimhaut- und zahngetragenem Zahnersatz im Oberkiefer nicht möglich erscheine. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin derzeit 33 Jahre alt sei und mit dem gewählten Zahnersatz statistisch noch etwa 40 Jahre zu leben habe, müssten aus zahnärztlicher und kieferchirurgischer Sicht auch die Folgen der Eingliederung einer schleimhaut- und zahngetragenen herausnehmbaren Prothese betrachtet werden. Sowohl aus medizinischer Sicht als auch aus wirtschaftlicher Sicht erscheine hier die Implantatversorgung als einzige Möglichkeit, die Folgen der genetischen Erkrankung dauerhaft und nachhaltig zu mindern. Im Hinblick auf das im sozialgerichtlichen Verfahren gem. § 109 SGG erstattete Vorgutachten könne (im Hinblick auf die im neuerlichen Gutachtensauftrag des Senats gestellten Beweisfragen präzisierend) konstatiert werden, dass eine momentane Belastung des Integuments durch eine herausnehmbare, schleimhaut-/dentalverankerte Prothese zwar möglich sei. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Langzeitprognose sei aber zu bedenken, dass das Prothesenlager im individuellen Fall der Klägerin nicht belastbar sei. Aus medizinischer Sicht erscheine es dringend geboten, auch die langfristige, individuelle Situation der Klägerin zu berücksichtigen. Der weitere Verlust von Zähnen durch prothesebedingte Überlastung werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Situation der Klägerin für weitere prothetische Maßnahmen dauerhaft verschlechtern.
Durch die Eingliederung von schleimhautgetragenem Zahnersatz komme es unweigerlich zu einem Rückgang des Alveolarknochens im Bereich der Auflagen. Zudem würden die Restzähne, die zur Verankerung des Zahnersatzes dienten, durch den kontinuierlichen Umbau sowie die mechanischen Auswirkungen (Hebelwirkung) weiter geschädigt, so dass mittelfristig mit einem Totalverlust der Restbezahnung im Oberkiefer zu rechnen sei. Wie auf dem Röntgenbild des im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Vorgutachtens erkennbar, stünden im Oberkiefer nur noch 5 Zähne zur Verfügung, von denen zwei Zähne durch eine Wurzelkanalbehandlung als Pfeilerzähne nicht in Betracht kämen. Ergänzend sei zu erwähnen, dass durch das Axenfeld-Rieger-Syndrom auch im Bereich des Unterkiefers die beiden ersten Molaren (Sechser) eine verkürzte distale (hintere) Wurzel und damit eine Verringerung der Haltekraft aufwiesen. Ein solche Verkürzung der Wurzeln sei nach der Literatur ebenfalls mit dem Axenfeld-Rieger-Syndrom assoziiert.
Durch den Rückgang des Alveolarknochens aufgrund des Drucks der schleimhautgetragenen Prothese sowie durch den Verlust der noch verbleibenden Restzähne sei zum einen von einer weiteren Fehlbelastung des Kiefergelenkes mit weiteren Schmerzen und Beschwerden sowie von einer Verschlechterung des krankheitsbedingten Profils (altes Aussehen) auszugehen und mit der damit einhergehenden zunehmenden Belastung der noch vorhandenen Verankerungselemente mit dem Risiko des nicht altersentsprechenden Verlusts.
Bei Eingliederung eines herausnehmbaren schleimhautgetragenen Zahnersatzes sei davon auszugehen, dass der vorstehend beschriebene Zustand bei einem Verlust der Restzähne im Bereich des Oberkiefers mit Profilverschlechterung sich innerhalb der nächsten 4 bis 5 Jahre einstellen werde.
Wie bereits im für das Sozialgericht erstatteten Vorgutachten erwähnt, bestünde prinzipiell - rein technisch gesehen - die Möglichkeit einer konventionellen prothetischen Versorgung. Aus medizinischer Sicht, also bei Betrachtung der individuellen Lage der Klägerin und des bei ihr vorliegenden Krankheitsbilds (Axenfeld-Rieger-Syndrom), müsse aber aus gutachterlicher Sicht eine konventionelle prothetische Versorgung ausgeschlossen werden. Die folgenden (zusammengefassten) Gründe sprächen aus medizinischer Sicht gegen die konventionelle Versorgung:
1. Stelle man hinsichtlich des Erfordernisses der Nichtanlage der Mehrzahl bleibender Zähne auf eine rein zahlenmäßige Betrachtung ab, bleibe der aus medizinischer Sicht entscheidende Faktor, nämlich die unterschiedliche prothetische Wertigkeit der Zähne als Pfeiler, unberücksichtigt. Dies sollte in die Bewertung mit einbezogen werden. Bei der Klägerin fehlten 53 Prozent der Zähne. Im Bereich des Oberkiefers seien nur 5 von 16 Zähnen angelegt, so dass (auch bei rein zahlenmäßiger Betrachtung) die Voraussetzung einer generalisierten Nichtanlage erfüllt sei. Ergänzend müsse beachtet werden, dass, wie bereits angeführt, die Mahlzähne im Bereich des Unterkiefers (36 und 46) bedingt durch das Axenfeld-Rieger-Syndrom auch eine verkürzte distale Wurzel aufwiesen, weshalb sie in ihrer prothetischen Wertigkeit zur Eignung als Stützzähne einer Prothese von verminderter Qualität seien. Im Bereich des Oberkiefers seien 2 der noch vorhandenen 5 Zähne einer Wurzelkanalbehandlung unterzogen worden, was deren Wertigkeit als Pfeilerzähne ebenfalls einschränke. Durch die Wurzelkanalbehandlung sei mit einer vermehrten Brüchigkeit der Zähne bei Biegebelastung, insbesondere bei der Nutzung als Pfeilerzähne für eine herausnehmbare Prothese, zu rechnen und somit mit einer eingeschränkten mittelfristigen Prognose. Eine konventionelle Versorgung scheide in dem vorliegenden Fall auf Grund der genannten Gründe definitiv aus.
2. Wie bereits erwähnt komme es durch die Nichtanlage der Zähne im Bereich des Ober- und Unterkiefers zu einer verminderten Entwicklung insbesondere des Oberkiefers. Dies führe zu den schon dargestellten Profilauffälligkeiten. Außerdem müsse mit einem weiteren Rückgang des Alveolarknochens durch den Druck einer schleimhautgetragenen Prothese in diesem Bereich gerechnet werden. Häufige Korrekturen der Prothese sowie der schleichende Verlust der verbliebenen Pfeilerzähne wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Folge. Medizinische und wirtschaftliche Gründe sprächen daher eindeutig gegen die Eingliederung eines herausnehmbaren Zahnersatzes bei der Klägerin.
3. Bei der klinischen Untersuchung im Jahr 2005 hätten sich bei der Klägerin bereits Auffälligkeiten im Bereich des rechten Kiefergelenkes in Form einer abgewichenen Mundöffnung sowie von Knackgeräuschen gezeigt. Diese Symptome seien als Beginn einer Arthropathie im Bereich des rechten Kiefergelenkes zu deuten. Zur Behandlung sollte ein entsprechend okklusal adjustierter Zahnersatz mit einer guten Langzeitprognose eingegliedert werden. Der Verlust von Zähnen einerseits sowie die häufige Korrektur einer Prothese würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung der Beschwerden im Bereich des rechten Kiefergelenkes führen. Neben den zahnmedizinischen Folgekosten solle man im Übrigen auch Kosten für die Behandlung funktioneller Beschwerden im Bereich der Hals- und Nackenmuskulatur sowie der Wirbelsäule bedenken. Von daher erscheine eine implantatgestützte Versorgung auch im Hinblick auf die bestehende Arthropathie im rechten Kiefergelenk sinnvoll und geboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, ihr eine Versorgung mit Implantaten (implantatgetragenem Zahnersatz) im Oberkiefer als Sachleistung zu gewähren. Die Klägerin hat darauf Anspruch. Für eine implantologische Versorgung des Unterkiefers sind die Leistungsvoraussetzungen indessen nicht erfüllt. Insoweit hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Der Anspruch gesetzlich Versicherter auf Gewährung implantologischer Leistungen richtet sich nach den Regelungen in §§ 27 und 28 SGB V und den ergänzenden Bestimmungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (zuvor Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen) in den Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung vom 4.6.2003/24.9.2003 (BAnz 2003, S. 24966, zuletzt geändert am 1.3.2006, BAnz 2006, S. 4466 - Zahnbehandlungs-RL) getroffen hat. Da die Behandlung hier noch nicht durchgeführt worden ist, sind die genanten Bestimmungen in der derzeit geltenden Fassung maßgeblich.
Gem. § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die zahnärztliche Behandlung, wozu die Versorgung mit Zahnersatz, einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen gehört (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 2a SGB V). Nähere Bestimmungen zur zahnärztlichen Behandlung trifft § 28 Abs. 2 SGB V. Danach umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz, einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Implantologische Leistungen gehören grundsätzlich nicht zur (von den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährenden) zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen auch nicht bezuschusst werden. Anderes gilt nur dann, wenn seltene, vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vorliegen, in denen die Krankenkasse implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt (§ 28 Abs. 2 Satz 8 und 9 SGB V).
Die Zahnbehandlungs-RL legen unter B VII Nr. 1 Satz 2 fest, dass der Gemeinsame Bundesausschuss den in § 28 Abs. 2 Satz 8 und 9 SGB V hervortretenden Intentionen des Gesetzgebers folgt, wonach Versicherte nur in zwingend notwendigen Ausnahmefällen implantologische Leistungen erhalten sollen. Ausnahmeindikationen für Implantate und Suprakonstruktionen i. S. v. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V liegen daher nur in näher bezeichneten besonders schweren Fällen vor, wobei hier allein die "generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen" (B VII Nr. 2 Satz 3 c Zahnbehandlungs-RL) in Betracht kommt. Auch bei Vorliegen einer Ausnahmeindikation ist weitere Voraussetzung für die Gewährung von Implantaten zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung, dass eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. Im Fall der generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen gilt dies also nur dann, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist (B VII Nr. 2 Satz 1 und 2 Zahnbehandlungs-RL).
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 13.7.2004, - B 1 KR 37/02 R -), die sich auf eine Auskunft des (damaligen) Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen vom 20.7.2007 stützt und der der Senat folgt, ist unter "generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen" im Sinne der Nr. B VIII Nr. 2 Satz 3 c Zahnbehandlungs-RL nicht allein das gänzliche Fehlen von Zähnen bzw. die vollständige Zahnlosigkeit zu verstehen. Denn im Begriff "generalisierte Nichtanlage" zur Eingrenzung des Phänomens der Zahnlosigkeit kommt zum Ausdruck, dass ein Stadium mit einem ausgeprägten Fehlen von Zähnen ausreichen soll. Dieses muss aber der vollständigen Zahnlosigkeit (Anodontie) eher nahe kommen als dem Fehlen nur einzelner Zähne (Hypodontie bzw. Oligodontie) bei ansonsten noch als regelrecht anzusehenden Gebissverhältnissen. In der Medizin wird unter dem Begriff "generalisiert" nämlich eine Ausbreitung über den ganzen Körper bzw. zumindest ein ganzes Organsystem verstanden. Übertragen auf die Verhältnisse bei Zahn- und Kieferkrankheiten bedeutet das, dass die zur Behandlung Anlass gebende körperliche Regelwidrigkeit zumindest in einem der Kiefer in besonderer Weise ausgeprägt sein muss. Ein Kiefer - verstanden als Organsystem, das bei einem erwachsenen Menschen im Regelfall mit einer bestimmten Anzahl bleibender Zähne versehen ist - muss sich danach von seinem Erscheinungsbild her wesentlich durch die Nichtanlage von Zähnen auszeichnen. Ein solcher Zustand wiederum lässt sich nur bejahen, wenn zumindest die überwiegende Zahl der typischerweise bei einem Menschen angelegten Zähne fehlt. Eine unterhalb dieser in praktikabeler Weise nur zahlenmäßig zu ermittelnden Schwelle liegende Nichtanlage - verstanden als Hypodontie bzw. Oligodontie - ist dagegen nicht mehr charakteristisch für die Beurteilung eines Kiefers als anlagebedingt zahnlos. Sind dem Betroffenen (noch) mehrheitlich bleibende Zähne gewachsen und ist somit teilweise - wenn auch unter Einschränkungen - die Kaufunktion bzw. die Möglichkeit zur Zerkleinerung fester Nahrung erhalten, kann von einer generalisierten Nichtanlage regelmäßig nicht gesprochen werden. Eine darüber hinausgehende Sichtweise ist mit dem differenzierenden und einer erweiternden Auslegung bzw. Analogie nicht zugänglichen Wortlaut der Ausnahmeindikation in den Zahnbehandlungs-RL nicht vereinbar (BSG, a. a. O.). Für die nach diesen Maßgaben durchzuführende Prüfung einer Ausnahmeindikation sind Ober- und Unterkiefer als eigenständiges Organsystem jeweils gesondert zu betrachten.
Neben dem in § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. den Zahnbehandlungs-RL geregelten Anspruch auf Versorgung mit implantologischen Leistungen (implantatgetragener Zahnersatz) besteht ggf. ein Anspruch auf Gewährung befundbezogener Festzuschüsse gem. §§ 55, 56 SGB V i. V. m. der Festzuschuss-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 3.11.2004 (BAnz 2004, S. 24463, zuletzt geändert am 4.6.2008, BAnz 2008, S. 2103). Hierauf richtet sich das Begehren der Klägerin indessen nicht; die Beklagte ist im Übrigen bereit, der Klägerin die gesetzmäßigen Festzuschüsse zu zahlen.
II. Davon ausgehend stehen der Klägerin Implantate zur Abstützung von Zahnersatz (implantatgetragener Zahnersatz) für den Oberkiefer zu. Dort sind, genetisch bedingt durch das Axenfeld-Rieger-Syndrom, nur 5 von 16 Zähnen angelegt. Damit liegt bei der nach der Rechtsprechung des BSG maßgeblichen rein zahlenmäßigen (quantitativen) Betrachtungsweise eine "generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen" als Ausnahmeindikation i.S.d. Nr. B VII Nr. 2 Satz 3 c Zahnbehandlungs-RL vor. Im Unterkiefer ist dies nicht der Fall, da dort 10 von 16 Zähnen angelegt sind. Ein Anspruch auf implantologische Leistungen scheidet insoweit von vornherein aus. Eine qualitative Betrachtungsweise findet nicht statt. Daher kommt es auch auf die prothetische Wertigkeit der im Unterkiefer angelegten Zähne nicht an. Ebenso wenig ist von Belang, dass bei einer konventionellen Versorgung gesunde (kariesfreie) Zähne (die Zähne 46 und 43) beschliffen werden müssen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese enge Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen bestehen, wie das BSG ebenfalls bereits entschieden hat (vgl. BSG, a. a. O. sowie Urt. v. 19.6.2001, BSGE 88, 166 und - B 1 KR 2/03 R -), nicht.
Nach Auffassung des Senats sind im Hinblick auf den Oberkiefer auch die übrigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt. Die Implantatversorgung ist im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung zu gewähren (§ 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. Nr. B VII Nr. 1 Satz 1 Zahnbehandlungs-RL). Eine konventionelle prothetische Versorgung ist im besonderen Fall der Klägerin ohne Implantate nicht möglich; das rekonstruierte Prothesenlager ist durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar (Nr. B VII Nr. 2 Satz 1 und 2 Zahnbehandlungs-RL). Das geht zur Überzeugung des Senats aus dem auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten des Prof. Dr. Dr. Z. vom 18.10.2005 bzw. aus dessen vom Senat im Berufungsverfahren von Amts wegen erhobenen – das Erstgutachten präzisierenden - Ergänzungsgutachten vom 19.6.2008 hervor.
Das durch das Axenfeld-Rieger-Syndrom, eine Erbkrankheit, verursachte vielfältige Beschwerdebild der Klägerin erfordert eine medizinische Gesamtbehandlung, als deren Teil die begehrte Versorgung mit Zahnimplantaten zu verstehen ist. Die Erbkrankheit hat zunächst die (hier im Vordergrund stehende) Nichtanlage von Zähnen im Ober- und Unterkiefer zur Folge. Außerdem verursacht sie bei der Klägerin (so der Bericht der Universitätsaugenklinik Heidelberg vom 25.2.2003) eine komplexe Fehlbildung des Auges im Sinne einer mesodermalen Dysgenesie von Hornhaut und Iris sowie ein darauf zurückgehendes Sekundärglaukom. Das geringere Wachstum des Oberkiefers bewirkt weiter eine Veränderung des Gesichtsprofils mit einem vorgealterten Erscheinungsbild. Hinzukommt schließlich ein Hervortreten des Unterkiefers mit darauf zurückgehenden Fehlbelastungen, die wiederum zu arthropatischen Erkrankungen, wie einer anterioren Diskusluxation, und damit verbundenen Schmerzen und Kaubeschwerden führen. Deswegen fanden bzw. finden zahnärztliche, kieferorthopädische, augenärztliche bzw. augenchirurgische und ergänzend auch schmerztherapeutisch/psychiatrische Behandlungen statt. Alle Therapiemaßnahmen sind durch das genetisch bedingte Axenfeld-Rieger-Syndrom und seine vielfältigen Auswirkungen inhaltlich miteinander verknüpft und aufeinander bezogen und stellen damit eine Gesamtbehandlung gem. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V dar. Die anstehende zahnprothetische Behandlung durch Insertion von Implantaten fügt sich als weiterer Behandlungsteil in diese Gesamtbehandlung ein. Neben den unmittelbar auf die Kaufunktion gerichteten Wirkungen dient die implantologische Behandlung der Vermeidung von Fehlbelastungen der Kiefergelenke und außerdem der Verhinderung weiteren Knochenschwunds, insbesondere im Oberkiefer, um so der andernfalls eintretenden zusätzlichen Verschlechterung der Knochenentwicklungsdefizite entgegenzuwirken. Zusätzlich zur Verhütung von Schmerzen infolge einer Zunahme der krankheitsbedingten Oberkieferrücklage ist damit auch das Erscheinungsbild der noch jungen Klägerin positiv zu beeinflussen. Prof. Dr. Dr. Z. hat all das in seinem Ergänzungsgutachten vom 19.6.2008 im Einzelnen überzeugend dargelegt.
Der Senat entnimmt dem genannten Ergänzungsgutachten außerdem, dass eine konventionelle prothetische Versorgung, namentlich durch schleimhautgelagerten Zahnersatz bei der Klägerin nicht möglich ist. Zwar hatte der Gutachter in seinem für das Sozialgericht erstatteten (Erst-)Gutachten dargelegt, derzeit sei eine momentane Belastung des Integuments durch eine herausnehmbare, schleimhaut- bzw. dentalverankerte Prothese sowie eine festsitzende Versorgung mittels einer überspannten Brücke prinzipiell möglich. Hierzu hat er im Ergänzungsgutachten aber präzisierend klargestellt, dass es sich dabei um (nur) prinzipiell - reich technisch gesehen - in Betracht kommende Versorgungsvarianten handelt, die jedoch aus medizinischen Gründen wegen der besonderen Zahn- und Kieferverhältnisse der Klägerin ausscheiden müssen. Das gilt insbesondere für die dauerhafte Abstützung eines schleimhaut- und zahngetragenen Zahnersatzes. Die hierfür zu nutzenden Zähne sind wegen eines chronischen Entzündungsgeschehens nämlich zum Teil bereits einer Wurzelkanalbehandlung unterzogen worden, weshalb sie infolge vermehrter Brüchigkeit bei Biegebelastung als Pfeilerzähne ausscheiden. Die Zähne 11 und 21 sind (ursprünglich als Frontzähne) außerdem kieferorthopädisch auf die Position der Eckzähne (auf 13 und 23) bewegt worden, was ihre prothetische Wertigkeit – hinsichtlich einer überspannten Brücke auf den Zähnen 17, 16, 11, 21 und 26 - ebenfalls vermindert. Außerdem wird die Eingliederung schleimhautgetragenen Zahnersatzes wegen der Einwirkung des Kaudrucks auf eine kleinere Knochenoberfläche zu einem deutlichen Rückgang des infolge des Axenfeld-Rieger-Syndroms bereits reduzierten Restknochens (Alveolarknochen) führen. Im Zusammenwirken mit der mechanischen (Hebel-)Belastung der (Rest-)Zähne durch dentalverankerten Zahnersatz wird dies nach den überzeugenden Darlegungen des Gutachters einen Totalverlust der noch verbliebenen Zähne im Oberkiefer bewirken, was wiederum Fehlbelastungen des Kiefergelenks und infolge dessen arthropatische Schmerzen und Beschwerde nach sich ziehen und außerdem das krankheitsbedingt beeinträchtigte Gesichtsprofil der Klägerin im Sinne eines vorgealterten Erscheinungsbilds weiter verschlechtern wird. Dabei kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Therapie von Schmerzen im Rahmen der Gesamtbehandlung dadurch zusätzlich erschwert ist, dass die meisten Schmerzmedikamente wegen nachteiliger Auswirkungen auf die Therapie des Sekundärglaukoms nicht angewendet werden dürfen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der dargestellten Entwicklung nicht um bloße Spekulation und auch nicht um eine unsichere Langzeitprognose zur Haltbarkeit von Zahnprothesen. Der Gutachter hat vielmehr klar zum Ausdruck gebracht, dass es bei der Eingliederung schleimhautgelagerten Zahnersatzes zum Verlust der Restzähne des Oberkiefers und den damit zusammenhängenden weiteren Folgen innerhalb der nächsten 4 bis 5 Jahre kommen wird. Der Senat kann dies bei der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen, namentlich der Belastbarkeit des rekonstruierten Prothesenlagers mit schleimhautgelagertem Zahnersatz (Nr. B VII Nr. 2 Satz 2 der Zahnbehandlungs-RL), nicht unberücksichtigt lassen. Insgesamt geht aus dem Ergänzungsgutachten des Prof. Dr. Dr. Z. somit schlüssig hervor, dass am Oberkiefer der Klägerin eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich bzw. das rekonstruierte Prothesenlager dort durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist. Daher hat sie Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Auffassung des Dr. Sommer und des Prof. Dr. H. kann demgegenüber nicht überzeugen. Beide haben das Vorliegen einer Ausnahmeindikation gem. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. der Zahnbehandlungs-RL mit im Kern allgemein gehaltenen Ausführungen abgelehnt, ohne hinreichend auf die besonderen gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin einzugehen. Demgegenüber hat Prof. Dr. Dr. Z. seine Einschätzung im vom Senat erhobenen Ergänzungsgutachten unter differenzierter Würdigung aller rechtlich beachtlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalls schlüssig und nachvollziehbar begründet. Er hat auch die Ansicht des Prof. Dr. H., der eine Erneuerung des festsitzenden Zahnersatzes (im Oberkiefer) für möglich erachtete, überzeugend widerlegt und hierbei im Wesentlichen auf die chronische periakipale Entzündung der als Pfeiler nicht hinreichend nutzbaren Zähne 21 und 26 abgestellt. Weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten nicht auf.
Das Sozialgericht hat die Klage nach alledem insoweit zu Unrecht abgewiesen, als der Klägerin die begehrte Implantatversorgung für den Oberkiefer zu gewähren ist. Insoweit hat die Berufung der Klägerin Erfolg. Hinsichtlich einer Implantatversorgung des Unterkiefers hat das angefochtene Urteil indessen Bestand. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu zwei Dritteln zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit Implantaten zur Abstützung von Zahnersatz (implantatgetragener Zahnersatz) als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die 1975 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, leidet (wie ihr Vater und dessen Zwillingsbruder) an einem Axenfeld-Rieger-Syndrom, einer dominant vererbbaren Krankheit, die (u.a.) mit der multiplen Nichtanlage von Zähnen im Ober- und Unterkiefer verbunden ist. Im Mai 2003 reichte sie eine Gebührenvorausberechnung für die Implantatversorgung (voraussichtliche Kosten 14.829,41 EUR) und einen Therapieplan des Zahnarztes K. ein. Dieser führte aus, die 7 Jahre alte Brücke im Oberkiefer müsse dringend entfernt werden. Die Zähne 21 und 26 seien inzwischen transkoronal endodontisch versorgt. Eine prothetische Neuversorgung sei festsitzend nicht mehr möglich. Es komme lediglich eine herausnehmbare Lösung in Betracht. Dies sollte allerdings wegen des jungen Alters der Klägerin ausgeschlossen werden.
Dem Therapieplan war ein Bericht der Universitätsaugenklinik Heidelberg vom 25.2.2003 beigefügt. Danach verursache das Axenfeld-Rieger-Syndrom (auch) eine komplexe Fehlbildung des Auges im Sinne einer mesodermalen Dysgenesie von Hornhaut und Iris mit der weiteren wesentlichen Folge eines Sekundärglaukoms (grüner Star). Weitere Veränderungen seien (neben den Entwicklungsdefiziten an Zähnen und Knochen) ein charakteristisches Gesichtsprofil sowie eine Mikrognathie.
Die Klägerin trug ergänzend vor, der Zahnarzt K. habe zu einer Versorgung mit Implantaten geraten, da trotz mehrfacher Zahnwurzelbehandlung die Zähne bzw. Zahnwurzeln überempfindlich seien und ein normaler Biss mit der derzeit vorhandenen Brücke nicht gewährleistet sei. Da sie seit Dezember 2002 nicht mehr vernünftig essen bzw. beißen könne, wären Implantate die vernünftigste Lösung. Eine herausnehmbare Lösung würde einen Mangel an Lebensqualität darstellen, da sie nach dem Studium erneut ins Berufsleben eintreten werde und erst 28 Jahre alt sei. Die Kosten für die Implantate könne sie als Leistung der Ausbildungsförderung beziehende Studentin nicht aufbringen.
Die Beklagte holte die Stellungnahme des Zahnarztes Dr. Sommer vom 27.6.2003 ein (Verwaltungsakte S. 12). Dieser führte aus, bei der Klägerin bestehe im Oberkiefer eine Brückenversorgung von 17 nach 27 auf den vorhandenen Zähnen 17, 16, 13, 23 und 27. Im Unterkiefer seien die Zähne 44, 45 und 35 nicht angelehnt. Da eine konventionelle Versorgung ohne Weiteres möglich sei und man bei der bestehenden Bezahnung nicht von einer generalisierten Nichtanlage von Zähnen ausgehen könne, bestehe eine Ausnahmeindikationen weder für die Implantate noch für die Suprakonstruktionen (§§ 28, 30 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V (a.F.)).
Mit Bescheid vom 3.7.2003 (Verwaltungsakte S. 17) lehnte es die Beklagte ab, die Kosten für die Versorgung mit Zahnimplantaten zu übernehmen.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin erhob die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. H. (Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung, Karlsruhe) vom 30.9.2003 (Verwaltungsakte S. 48). Der Gutachter untersuchte die Klägerin und führte aus, im Oberkiefer seien die Zähne 17, 16, 13, 23, 27 vorhanden und mit einem festsitzenden Zahnersatz versorgt. Im Unterkiefer fänden sich die Zähne 37, 36, 35, 33, 32, 31, 41, 43, 46 und 47. Die distalen Wurzeln der Zähne 36 und 46 seien unvollkommen ausgebildet. Im Unterkiefer gebe es keine Anzeichen für eine Nichterhaltungsfähigkeit der vorhandenen Pfeilerzähne. Die Klägerin habe Schmerzen im Oberkiefer angegeben; sie könne nicht essen. Der Ansicht des behandelnden Zahnarztes K. könne nicht gefolgt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum im Oberkiefer die Erneuerung des festsitzenden Zahnersatzes nicht möglich sein solle. Auch für den Fall, dass im Oberkiefer eine festsitzende Versorgung nicht in Betracht komme, wovon allerdings nicht auszugehen sei, wäre mit vertragsmäßigen Leistungen im Oberkiefer eine adäquate Neuversorgung möglich. Die Bezuschussung implantologischer Leistungen sei deshalb ausgeschlossen. Die Schaltlücke 43 bis 46 im Unterkiefer könne ebenfalls ohne besondere Schwierigkeiten mit einem festsitzenden Zahnersatz versorgt werden. Die vom behandelnden Zahnarzt geplante implantologische Versorgung der Schaltlücke im 4. Quadranten müsse insoweit zurückhaltend beurteilt werden, als das Knochenangebot in diesem Bereich sich mehr als ungenügend darstelle. Die im Heil- und Kostenplan vorgesehenen operativen Maßnahmen zur Lagerbildung beim Aufbau des Alveolarfortsatzes erschienen nicht ausreichend. Insgesamt liege eine Ausnahmeindikation gem. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. nach Maßgabe der einschlägigen Richtlinien eindeutig nicht vor. Eine konventionelle prothetische Versorgung sei adäquat und ohne Implantate möglich. Die implantologische Versorgung des rechten Unterkiefers wäre ohne größere invasive Maßnahmen zur Lagerbildung beim Aufbau des Alveolarfortsatzes nicht möglich und sei darüber hinaus durch konventionelle prothetische Maßnahmen vermeidbar und adäquat versorgbar.
Die Klägerin trug abschließend vor, wegen der psychischen Belastung durch die Folgen des Axenfeld-Rieger-Syndroms werde sie bereits psychiatrisch behandelt; der Gedanke, künftig ein Gebiss tragen zu müssen, sei für sie unerträglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.3.2004 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf das Gutachten des Prof. Dr. H. zurück. Die Leistungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Zahnimplantologische Leistungen gehörten grundsätzlich nicht zur (von den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährenden) zahnärztlichen Behandlung. Eine in den einschlägigen (Zahnbehandlungs-)Richtlinien festgelegte Ausnahmeindikation - hier die generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen – liege nicht vor, zumal Implantate auch dann nur im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbracht werden könnten, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich, namentlich das rekonstruierte Prothesenlager durch schleimhautgetragenen Zahnersatz nicht belastbar sei.
Am 21.4.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Sie trug ergänzend vor, eine vollprothetische Versorgung komme nicht in Betracht und sei angesichts ihres jungen Alters auch nicht zumutbar, zumal sie zu weiteren Problemen, etwa einer trockenen Mundschleimhaut und Druckempfindlichkeit führe. Sie sei außerdem Allergikerin und könne Medikamente wegen des Sekundärglaukoms nicht uneingeschränkt einnehmen. Das gelte insbesondere für nahezu alle Schmerzmittel. Prof. Dr. H. habe die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles im Sinne der generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen verkannt. Es komme ausschlaggebend darauf an, ob bei ihr eine übliche prothetische Versorgung möglich sei. Sie habe über diese Frage mit Prof. Dr. Dr. Z. (Universitätsklinik Köln) gesprochen. Dieser habe darauf hingewiesen, eine prothetische Lösung sei zwar technisch möglich. Von dieser Lösung müsse jedoch aus medizinischer Sicht abgeraten werden. Eine herausnehmbare Prothese bringe nur vordergründig für kurze Zeit eine Fixierung, müsse jedoch je nach Fortschreiten der Erkrankung, etwa der Zurückbildung von Knochen oder Zahnfleisch, immer wieder erneuert werden. Wenn dies, voraussichtlich in zwei bis drei Jahren, nicht mehr möglich sei, müssten doch Implantate gesetzt werden. Schließlich seien die psychischen Folgen einer herausnehmbaren Lösung zu berücksichtigen. Nach Auffassung ihrer behandelnden Psychiaterin Dr. E. könne eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen werden.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Prof. Dr. Dr. Z. (Direktor der Klinik und Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universität Köln) vom 18.10.2005 (SG-Akte S. 80).
Die Psychiaterin Dr. E. führte im Bericht vom 14.2.2005 (SG-Akte S. 56) aus, bei der Klägerin bestehe eine erhebliche depressive Symptomatik auf Grund der vorliegenden Störung im Bereich der Zähne mit dadurch verursachten Einschränkungen. Auf Grund des Alters der Klägerin und der bereits jetzt vorliegenden depressiven Symptomatik werde ein herausnehmbarer Zahnersatz für wenig sinnvoll erachtet. Es sei damit zu rechnen, dass sich die depressive Symptomatik wesentlich verstärken und die Klägerin in ihrer weiteren Lebensgestaltung erheblich einschränken werde. Das müsste entsprechend umfangreiche psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen nach sich ziehen.
Der Zahnarzt K. gab im Bericht vom 2.3.2005 (SG-Akte S. 57) an, auf Grund des geringen und vorgeschädigten Zahnangebots halte er eine festsitzende Versorgung auf dem Restzahnbestand für absolut kontraindiziert. Man müsse auch bedenken, dass die Klägerin derzeit erst 30 Jahre alt sei. Deshalb erscheine ihm der Ersatz der fehlenden Zähne durch Implantate als der beste Weg. Dem Gutachten des Prof. Dr. H. stimme er insofern nur bedingt zu, als er zum einen eine festsitzende Brückenversorgung bei dieser Restbezahnung sehr kritisch sehe, zum anderen in den vorliegenden Gutachten die genetisch bedingten Zahnaplasien gar nicht oder nur unzureichend gewürdigt seien. Die Implantation im Bereich 44, 45 sei selbstverständlich nur mit einer aufwändigen Knochenauflagerung möglich.
Prof. Dr. Dr. Z. untersuchte die Klägerin und führte in seinem Gutachten aus, die Klägerin werde wegen der Augenbeteiligung infolge des Axenfeld-Rieger-Syndroms regelmäßig augenärztlich behandelt. Sie müsse regelmäßig Augentropfen anwenden. Außerdem liege eine Pollenallergie vor. Bereits seit dem 10. Lebensjahr werde die Klägerin zudem kieferorthopädisch behandelt. Zähne seien nicht entfernt worden. Zur prothetischen Versorgung sei in den 90er Jahren eine Brücke im Oberkiefer mit nachfolgender Wurzelkanalbehandlung der Zähne 21 und 26 eingegliedert worden.
Der Gutachter erhob folgende Befunde: Nichtanlage der Zähne 18, 15, 14, 13, 12, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 38, 35, 42, 44, 45 und 48, prothetisch unzureichend versorgtes Gebiss mit Schaltlücke im Unterkiefer rechts (regio 044/045), eingegliedertes Langzeitprovisorium im Oberkiefer von 17 nach 26, chronische Parodontitis apikalis 21 und 26, horizontale und vertikale Alveolarfortsatzatropie regio 044/045, Verdacht auf anteriore Dikusluxation mit Reposition im Bereich des linken Kiefergelenkes sowie kieferorthopädisch bedingte Wurzelresorption an 36 und 46.
Im Bereich des rechten Unterkiefers sei zum Schluss der Zahnreihe eine prothetische Versorgung notwendig. Eine konventionelle Versorgung hätte den Nachteil, dass die kariesfreien Pfeilerzähne 46 und 43 geschliffen werden müssten. Zudem würde die vorliegende Alveolarfortsatzatropie dazu führen, dass die Kronen zum Ersatz der fehlenden Zähne 44 und 45 länger gespaltet werden müssten, um den Defekt auszugleichen. Durch die Eingliederung einer Brücke würde der Pfeilerzahn 46 vermehrt belastet. Wegen der deutlich verkürzten distalen Wurzel sei dessen prothetische Wertigkeit als Pfeilerzahn reduziert. Eine Langzeitprognose dieser prothetischen Versorgung sei eingeschränkt, weshalb operative Maßnahmen zur Lagerbildung und eine Implantatinsertion indiziert seien. Im Bereich des Oberkiefers sei die Klägerin derzeit mit einem Langzeitprovisorium versorgt. Hier sei eine Neuversorgung dringend notwendig. Zwar wäre insoweit eine festsitzende Versorgung mittels einer überspannten Brücke prinzipiell möglich, allerdings sei die Prognose der Zähne 21 und 26 auf Grund der Entzündung und der dadurch verursachten Beschwerden stark eingeschränkt. Gingen die Zähne 21 und 26 entzündungsbedingt verloren, käme als Versorgungsmöglichkeit allenfalls eine herausnehmbare Teilprothese in Betracht, da infolge der Anzahl und der Verteilung der Restpfeiler eine festsitzende Versorgung selbst bei Verlust nur eines der beiden Pfeiler nicht gegeben sei. Man müsse auch die unterschiedliche Wertigkeit der tragenden Pfeiler im Oberkiefer berücksichtigen. Da die Frontzähne 11 und 21 kieferorthopädisch auf die Positionen der Eckzähne bewegt worden seien (auf 13 und 23), hätten sie von Natur aus nicht dieselbe prothetische Wertigkeit wie die nicht angelegten Eckzähne. Deshalb erscheine die Planung für eine überspannte Brücke auf den Zähnen 17, 16, 11,21 und 26 mit dem Risiko des Misserfolgs behaftet. Dementsprechend sei eine teleskopierende Versorgung mit teleskopierenden Verankerungselementen auf den Zähnen 16 und 11 sowie einer Krone mit Modellgussklammer am Zahn 17 zu planen, was jedoch bei dem Alter der Klägerin nur eine eingeschränkte Langzeitprognose habe.
Alternativ zur dargestellten Versorgung käme auch eine Neuversorgung mit enossalen Implantaten in Frage. Im Unterkiefer könnten die fehlenden Zähne 44 und 45 durch Implantate ersetzt werden; dazu müsste ein ausreichendes Implantatlager geschaffen werden. Im Oberkiefer sei zur Erzielung eines langfristigen Implantaterfolges die Insertion von fünf Implantaten notwendig. Erforderlich seien außerdem ggf. vorbereitende operative Maßnahmen. Im Gegensatz zu konventionellen prothetischen Rekonstruktionsmaßnahmen sei die implantologische Versorgung aufwändiger und kostenintensiver. Im Fall der 30 Jahre alten Klägerin sei aber zu berücksichtigen, dass es bei einer umfassenden Neuversorgung auch darum gehe, Folgeschäden durch die unangemessene Belastung der Restzähne und eine voranschreitende Alveolarfortsatzatropie in den zahnlosen Bereichen zu verhindern. Durch das Einbringen von künstlichen Zahnwurzeln (Implantaten) in den Kieferknochen würden langfristig Pfeiler geschaffen, die zu einer günstigeren Verteilung der Kaukräfte führten und zur Stabilität der natürlichen Pfeilerzähne beitrügen. Zusätzlich werde dem Abbau des Kieferknochens aktiv entgegengewirkt. Auch Folgeerkrankungen müssten gewürdigt werden. So führten funktionelle Störungen der Kaumuskulatur zu orthopädischen, neurologischen und krankengymnastischen Folgebehandlungen, möglicherweise bei Erreichen eines Costen-Syndroms sogar zur Frühberentung.
Bei dem Axenfeld-Rieger-Syndrom lägen neben Fehlbildungen im Bereich der Augen die Ologodontie (genetische Nichtanlage und Unterentwicklung von Zähnen) sowie eine Hypoplasie (Unterentwicklung) des Mittelgesichts vor. Insgesamt seien bei der Klägerin im Oberkiefer 5 von 16 Zähnen und im Unterkiefer 10 von 16 Zähnen vorhanden. Von 32 Zähnen seien 15 angelegt. Die Annahme eines besonders schweren Falles i. S. des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V sei gerechtfertigt. Eine umfassende prothetisch implantologische Behandlung sei bei der Klägerin als Teil der medizinischen Gesamtbehandlung zu sehen, da die Fehlbildungen im Bereich der Augen zur Verhütung eines Glaukoms bis auf Weiteres mit Augentropfen behandelt werden müssten. Einschränkend sei zu erwähnen, dass das Prothesenlager prinzipiell durch schleimhautgetragenen Zahnersatz belastbar sei. Jedoch führe die Eingliederung von dental-tegumental abgestütztem Zahnersatz zu einer einseitigen Atropie, die unter langzeitprognostischen Faktoren eine weitere prothetische Versorgung weiter erschwere. Insofern lägen alle Voraussetzungen einer Ausnahmeindikation für implantologische Leistungen vor.
Abweichend von der Auffassung des Prof. Dr. H. sei eine Erneuerung des festsitzenden Zahnersatzes sowohl auf Grund der statischen Situation wie wegen des Zustandes der beiden Pfeiler im linken Oberkiefer (21 und 26) nicht ohne zusätzliche implantologische Maßnahmen möglich. Die Zähne 21 und 26 wiesen nämlich chronische periakipale Entzündungen auf. Außerdem seien die Zähne 21 und 11 von geringerer prothetischer Wertigkeit als Eckzähne. Richtig sei, dass mit vertragsmäßigen Leistungen eine herausnehmbare Versorgung der Klägerin möglich wäre. Dies sei jedoch medizinisch nicht adäquat, da bei der jungen Klägerin durch den Versuch, eine konventionelle Behandlung durchzuführen, zwei Zähne hätten wurzelkanalbehandelt werden müssen. Eine weitere Versorgung ohne Unterstützung von Implantaten sei nicht erfolgversprechend, da die Versorgung nur halbseitig abgestützt werden könne und nicht zu verantwortende Folgebehandlungen zu erwarten seien. Aufgrund des Alters der Klägerin von 30 Jahren und des (noch) guten Knochenangebots sei eine konventionelle prothetische Versorgung möglich. Dies würde aber zur Folge haben, dass eine herausnehmbare Prothese mit ungünstigen statischen Eigenschaften (einseitige Belastung des linken Oberkiefers) zu einem verstärkten Abbau des Alveolarknochens führen werde. Weitere umfangreiche und kostenintensive zahnärztliche Behandlungsmaßnahmen in Form von Korrekturen an der Prothese, der Verlust weiterer Pfeilerzähne durch die ungünstigen Hebelverhältnisse sowie gegebenenfalls eine Verschlimmerung der Beschwerden im linken Kiefergelenk wären die Folge. Hypothetisch betrachtet sei zum jetzigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass durch die herausnehmbare Prothese im Oberkiefer bezogen auf die Dauer der nächsten 40 Jahre das Prinzip der Wirtschaftlichkeit nicht eingehalten werde. Im Unterkiefer sei eine konventionelle prothetische Versorgung adäquat und ohne Implantate nur bedingt aufgrund des vorgeschädigten Zahnes 46 zu vertreten.
Mit Urteil vom 16.12.2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, die auch die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktion umfasse. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehörten funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen; diese dürften auch nicht bezuschusst werden. Gleiches gelte für implantologische Leistungen, es sei denn, es lägen seltene, in Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor (§ 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V). Als besonders schwerer Fall gelte unter anderem die generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen. Implantate könnten allerdings nur dann beansprucht werden, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung nicht möglich sei. Bei generalisierter Nichtanlage von Zähnen gelte dies außerdem nur in dem Fall, dass das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgetragenen Zahnersatz nicht belastbar sei. Die Implantatversorgung sei nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn eine funktionsfähige Versorgung auf herkömmlichem Weg nicht erreicht werden könne (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.9.2002, - L 4 KR 1957/02 -). Hier liege ein Ausnahmetatbestand für eine implantologische Versorgung nicht vor. Auch die Erkenntnisse des Prof. Dr. Dr. Z. in dessen gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten reichten dafür nicht aus.
Von einem besonders schweren Fall in Form der generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen sei zwar auszugehen. Prof. Dr. Dr. Z. habe jedoch aufgezeigt, dass bei der Klägerin aufgrund ihres Alters und des noch guten Knochenangebots eine konventionelle prothetische Versorgung möglich sei. Dies bedeute lediglich, dass dies technisch machbar sei, zumindest langfristig gesehen aber keine sinnvolle Lösung darstelle. Im Oberkiefer würde eine herausnehmbare Prothese mit ungünstigen statischen Eigenschaften zu einem verstärkten Abbau des Alveolarknochens führen mit weiteren Folgen, wie umfangreichen Behandlungsmaßnahmen oder dem Verlust weiterer Pfeilerzähne; auch die Beschwerden im linken Kiefergelenk könnten zunehmen. Freilich müssten die allgemeinen Kriterien des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, erfüllt sein. Daran bestünden nach den Bewertungen des Gutachters erhebliche Zweifel. Das gelte zumindest hinsichtlich der prothetischen Versorgung des Oberkiefers, während eine Implantatversorgung im Unterkiefer noch als bedingt adäquat angesehen werden könne. Eine abschließende Klärung dieser Frage sei aber nicht notwendig. Denn Prof. Dr. Dr. Z. habe ausdrücklich festgestellt, dass das Prothesenlager der Klägerin prinzipiell noch durch schleimhautgetragenen Zahnersatz belastbar sei. Auch wenn hier unter Umständen die Langzeitprognose ungünstig sei, könne aktuell noch keine Ausnahmeindikation angenommen werden, ungeachtet dessen, dass eine Implantatversorgung die sinnvollste Lösung darstelle. Die hier einschlägigen Vorschriften müssten zudem eng ausgelegt werden.
Auf das ihr am 4.1.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.1.2006 Berufung eingelegt. Sie hat das Berufungsverfahren zunächst nicht betreiben und sich statt dessen über längere Zeit um eine außergerichtliche Lösung bemüht. In diesem Zusammenhang hat sie auch einen (neuen) Heil- und Kostenplan des Zahnarztes K. vom 29.11.2007 über Kosten einer Implantatversorgung von 9.709,06 EUR vorgelegt. Die Beklagte könnte sich hieran mit einem Zuschuss von 1.224,77 EUR beteiligen, was der Klägerin, jedoch nicht ausreicht.
Die Klägerin hat sich schließlich dazu entschlossen, das Berufungsverfahren zu betreiben. In der Berufungsbegründung vom 20.12.2007 wiederholt und bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt sie unter Hinweis auf das Gutachten des Prof. Dr. Dr. Z. vor, das Sozialgericht habe übersehen, dass die Eingliederung von dental-tegumental abgestütztem Zahnersatz zu einer einseitigen Atropie führe, die unter Berücksichtigung einer Langzeitprognose eine weitere prothetische Versorgung massiv erschwere. Außerdem seien die negativen psychischen Folgen, die eine herausnehmbare Prothese mit sich brächten, nicht gewürdigt worden. Bei ihr läge aktuelle Suizidgefahr vor, müsste sie sich mit der von der Beklagten angebotenen Gebissversorgung abfinden.
Ergänzend teilt die Klägerin mit, das Langzeitprovisorium (im Oberkiefer) sei am 15.7.2004, 14.2.2005 und am 1.9.2005 abgenommen und wieder befestigt worden. Am 10.1.2006 habe außerdem eine Augenoperation (wegen Tensioentgleisung bei Axenfeld-Rieger-Syndrom) in der Universitätsaugenklinik Mannheim stattgefunden (Kurzbericht Senatsakte S. 80); eine zweite Operation sei ebenfalls bereits durchgeführt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.12.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2004 zu verurteilen, ihr eine Versorgung mit Zahnimplantaten und implantatgestütztem Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, eine Ausnahmeindikation im Sinne einer generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen setze das mehrheitliche Fehlen der typischerweise in einem Kiefer angelegten Zähne voraus. Bei der Klägerin bestehe in beiden Kiefern die Möglichkeit zur Eingliederung vertraglichen Zahnersatzes. Schließlich müsse die Implantatversorgung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erfolgen. Diese kumulativ notwendigen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Besonderheiten im Fall der Klägerin, wie deren Alter, der Verlust von Zahnsubstanz durch Beschleifen von Zähnen u.a., könnten nicht berücksichtigt werden. Es komme auch nicht darauf an, ob die Eingliederung vertragsmäßigen (konventionellen) Zahnersatzes langfristig sinnvoll sei oder nicht, und welche Auswirkungen damit prognostisch verbunden wären, zumal verlässliche Haltbarkeitsprognosen kaum möglich seien. Allein maßgeblich sei der jetzige Gebissbefund. Die vorliegenden Gutachten bestätigten ihre, der Beklagten, Rechtsauffassung. Nach Einführung der befundorientierten Festzuschüsse (§§ 55, 56 SGB V) zum 1.1.2005 habe die Klägerin Anspruch auf eine entsprechende Leistungsprüfung; hierzu sei ein neuer Heil- und Kostenplan eingereicht worden. Eine weitergehende Kostenbeteiligung komme nicht in Betracht.
Der Senat hat – nunmehr von Amts wegen - die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. Z. vom 19.6.2008 erhoben (Senatsakte S. 59). Darin ist ausgeführt, bei der Klägerin liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Axenfeld-Rieger-Syndrom vor. In Übereinstimmung mit einem aktuellen Fallbericht aus dem Jahr 2005 seien die Beteiligung des Auges in Form eines Glaukoms (grüner Star) sowie einer verminderten Anzahl von Zähnen (Hypodontie) und weitere Zahn- und Kieferfehlbildungen nachweisbar. Wichtiger Bestandteil der zur Linderung der Krankheitsauswirkungen danach notwendigen medizinischen Gesamtbehandlung sei die Applikation von Augentropfen zur Senkung des Augeninnendrucks, um weitere Augenschäden zu vermeiden. Langfristig könne das Axenfeld-Rieger-Syndrom zu einer Verminderung der Sehkraft führen.
Durch die Nichtanlage der Zähne bzw. durch das geringere Wachstum des Oberkiefers sei bei dem in Rede stehenden Krankheitsbild eine Veränderung des Gesichtsprofils erkennbar; die Patienten zeigten ein deutlich vorgealtertes Erscheinungsbild. Zudem komme es zu einem Hervortreten des Unterkiefers. Zum Ausgleich dieser Entwicklungsstörung sowie zur Verbesserung der Kaufähigkeit und Vermeidung von Fehlbelastungen der Kiefergelenke sei die prothetische Rekonstruktion als (weiterer) wichtiger Teil der medizinischen Gesamtbehandlung zu sehen. Allein durch die Insertion von enossalen Implantaten und gerade nicht durch die Eingliederung herausnehmbaren Zahnersatzes könne ein weiterer Knochenschwund im Bereich des Oberkiefers vermieden werden. Zudem wären die funktionellen Auswirkungen auf die Kaumuskulatur und die Kiefergelenke sowie das Erscheinungsbild der noch jungen Klägerin positiv zu beeinflussen. Die Eingliederung einer rein dental und schleimhautgetragenen Prothese führe in diesem Zusammenhang eher zu einem stärkeren Rückgang des Alveolarknochens im Sinne einer Druckatrophie und damit zu einem weiteren Rückgang des gesamten Oberkiefers, was zu einer aufgrund der nach einwärts und dorsal gerichteten Atropie zur Verstärkung der krankheitsbedingten Oberkieferrücklage führen könne.
Wie bereits bei der klinischen Untersuchung am 16.9.2005 festgestellt, sei im Bereich des rechten Kiefergelenks ein Knackgeräusch nachweisbar. Zudem sei eine intermediäre Abweichung des Unterkiefers bei Öffnung nach rechts erkennbar. Das seien deutliche Hinweise auf eine beginnende Arthropatie in Form einer anterioren Diskusluxation mit Reposition durch die Fehlbelastungen bei multipler Nichtanlage. Die gleichmäßigere Verteilung der Kaukräfte auf die Stützgewebe durch die Eingliederung von festsitzendem entsprechend okklusal adjustiertem Zahnersatz stelle hier eine wirksame Prophylaxe dar.
In der aktuellen Literatur finde sich bei dem Axenfeld-Rieger-Syndrom keine Auffälligkeit der Schleimhäute. Auf Grund der Nichtanlage mehrerer bleibender Zähne im Bereich des Ober- und Unterkiefers sei das Knochenangebot in diesen Regionen durch die fehlenden Zähne deutlich vermindert, so dass bei Eingliederung eines schleimhautgetragenen Zahnersatzes hier mit einem deutlichen Rückgang des schon reduzierten Restknochens zu rechnen sei, da sich der entstehende Kaudruck auf eine kleinere Knochenoberfläche verteilen müsse. Zwar scheine die Belastbarkeit der Schleimhaut prinzipiell gegeben zu sein. Die reduzierte Zahl der Zähne insbesondere im Bereich des Oberkiefers sowie der Zustand der Zähne im Oberkiefer (Zustand nach Wurzelkanalbehandlung) führten aber dazu, dass eine dauerhafte Abstützung von schleimhaut- und zahngetragenem Zahnersatz im Oberkiefer nicht möglich erscheine. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin derzeit 33 Jahre alt sei und mit dem gewählten Zahnersatz statistisch noch etwa 40 Jahre zu leben habe, müssten aus zahnärztlicher und kieferchirurgischer Sicht auch die Folgen der Eingliederung einer schleimhaut- und zahngetragenen herausnehmbaren Prothese betrachtet werden. Sowohl aus medizinischer Sicht als auch aus wirtschaftlicher Sicht erscheine hier die Implantatversorgung als einzige Möglichkeit, die Folgen der genetischen Erkrankung dauerhaft und nachhaltig zu mindern. Im Hinblick auf das im sozialgerichtlichen Verfahren gem. § 109 SGG erstattete Vorgutachten könne (im Hinblick auf die im neuerlichen Gutachtensauftrag des Senats gestellten Beweisfragen präzisierend) konstatiert werden, dass eine momentane Belastung des Integuments durch eine herausnehmbare, schleimhaut-/dentalverankerte Prothese zwar möglich sei. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Langzeitprognose sei aber zu bedenken, dass das Prothesenlager im individuellen Fall der Klägerin nicht belastbar sei. Aus medizinischer Sicht erscheine es dringend geboten, auch die langfristige, individuelle Situation der Klägerin zu berücksichtigen. Der weitere Verlust von Zähnen durch prothesebedingte Überlastung werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Situation der Klägerin für weitere prothetische Maßnahmen dauerhaft verschlechtern.
Durch die Eingliederung von schleimhautgetragenem Zahnersatz komme es unweigerlich zu einem Rückgang des Alveolarknochens im Bereich der Auflagen. Zudem würden die Restzähne, die zur Verankerung des Zahnersatzes dienten, durch den kontinuierlichen Umbau sowie die mechanischen Auswirkungen (Hebelwirkung) weiter geschädigt, so dass mittelfristig mit einem Totalverlust der Restbezahnung im Oberkiefer zu rechnen sei. Wie auf dem Röntgenbild des im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Vorgutachtens erkennbar, stünden im Oberkiefer nur noch 5 Zähne zur Verfügung, von denen zwei Zähne durch eine Wurzelkanalbehandlung als Pfeilerzähne nicht in Betracht kämen. Ergänzend sei zu erwähnen, dass durch das Axenfeld-Rieger-Syndrom auch im Bereich des Unterkiefers die beiden ersten Molaren (Sechser) eine verkürzte distale (hintere) Wurzel und damit eine Verringerung der Haltekraft aufwiesen. Ein solche Verkürzung der Wurzeln sei nach der Literatur ebenfalls mit dem Axenfeld-Rieger-Syndrom assoziiert.
Durch den Rückgang des Alveolarknochens aufgrund des Drucks der schleimhautgetragenen Prothese sowie durch den Verlust der noch verbleibenden Restzähne sei zum einen von einer weiteren Fehlbelastung des Kiefergelenkes mit weiteren Schmerzen und Beschwerden sowie von einer Verschlechterung des krankheitsbedingten Profils (altes Aussehen) auszugehen und mit der damit einhergehenden zunehmenden Belastung der noch vorhandenen Verankerungselemente mit dem Risiko des nicht altersentsprechenden Verlusts.
Bei Eingliederung eines herausnehmbaren schleimhautgetragenen Zahnersatzes sei davon auszugehen, dass der vorstehend beschriebene Zustand bei einem Verlust der Restzähne im Bereich des Oberkiefers mit Profilverschlechterung sich innerhalb der nächsten 4 bis 5 Jahre einstellen werde.
Wie bereits im für das Sozialgericht erstatteten Vorgutachten erwähnt, bestünde prinzipiell - rein technisch gesehen - die Möglichkeit einer konventionellen prothetischen Versorgung. Aus medizinischer Sicht, also bei Betrachtung der individuellen Lage der Klägerin und des bei ihr vorliegenden Krankheitsbilds (Axenfeld-Rieger-Syndrom), müsse aber aus gutachterlicher Sicht eine konventionelle prothetische Versorgung ausgeschlossen werden. Die folgenden (zusammengefassten) Gründe sprächen aus medizinischer Sicht gegen die konventionelle Versorgung:
1. Stelle man hinsichtlich des Erfordernisses der Nichtanlage der Mehrzahl bleibender Zähne auf eine rein zahlenmäßige Betrachtung ab, bleibe der aus medizinischer Sicht entscheidende Faktor, nämlich die unterschiedliche prothetische Wertigkeit der Zähne als Pfeiler, unberücksichtigt. Dies sollte in die Bewertung mit einbezogen werden. Bei der Klägerin fehlten 53 Prozent der Zähne. Im Bereich des Oberkiefers seien nur 5 von 16 Zähnen angelegt, so dass (auch bei rein zahlenmäßiger Betrachtung) die Voraussetzung einer generalisierten Nichtanlage erfüllt sei. Ergänzend müsse beachtet werden, dass, wie bereits angeführt, die Mahlzähne im Bereich des Unterkiefers (36 und 46) bedingt durch das Axenfeld-Rieger-Syndrom auch eine verkürzte distale Wurzel aufwiesen, weshalb sie in ihrer prothetischen Wertigkeit zur Eignung als Stützzähne einer Prothese von verminderter Qualität seien. Im Bereich des Oberkiefers seien 2 der noch vorhandenen 5 Zähne einer Wurzelkanalbehandlung unterzogen worden, was deren Wertigkeit als Pfeilerzähne ebenfalls einschränke. Durch die Wurzelkanalbehandlung sei mit einer vermehrten Brüchigkeit der Zähne bei Biegebelastung, insbesondere bei der Nutzung als Pfeilerzähne für eine herausnehmbare Prothese, zu rechnen und somit mit einer eingeschränkten mittelfristigen Prognose. Eine konventionelle Versorgung scheide in dem vorliegenden Fall auf Grund der genannten Gründe definitiv aus.
2. Wie bereits erwähnt komme es durch die Nichtanlage der Zähne im Bereich des Ober- und Unterkiefers zu einer verminderten Entwicklung insbesondere des Oberkiefers. Dies führe zu den schon dargestellten Profilauffälligkeiten. Außerdem müsse mit einem weiteren Rückgang des Alveolarknochens durch den Druck einer schleimhautgetragenen Prothese in diesem Bereich gerechnet werden. Häufige Korrekturen der Prothese sowie der schleichende Verlust der verbliebenen Pfeilerzähne wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Folge. Medizinische und wirtschaftliche Gründe sprächen daher eindeutig gegen die Eingliederung eines herausnehmbaren Zahnersatzes bei der Klägerin.
3. Bei der klinischen Untersuchung im Jahr 2005 hätten sich bei der Klägerin bereits Auffälligkeiten im Bereich des rechten Kiefergelenkes in Form einer abgewichenen Mundöffnung sowie von Knackgeräuschen gezeigt. Diese Symptome seien als Beginn einer Arthropathie im Bereich des rechten Kiefergelenkes zu deuten. Zur Behandlung sollte ein entsprechend okklusal adjustierter Zahnersatz mit einer guten Langzeitprognose eingegliedert werden. Der Verlust von Zähnen einerseits sowie die häufige Korrektur einer Prothese würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung der Beschwerden im Bereich des rechten Kiefergelenkes führen. Neben den zahnmedizinischen Folgekosten solle man im Übrigen auch Kosten für die Behandlung funktioneller Beschwerden im Bereich der Hals- und Nackenmuskulatur sowie der Wirbelsäule bedenken. Von daher erscheine eine implantatgestützte Versorgung auch im Hinblick auf die bestehende Arthropathie im rechten Kiefergelenk sinnvoll und geboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, ihr eine Versorgung mit Implantaten (implantatgetragenem Zahnersatz) im Oberkiefer als Sachleistung zu gewähren. Die Klägerin hat darauf Anspruch. Für eine implantologische Versorgung des Unterkiefers sind die Leistungsvoraussetzungen indessen nicht erfüllt. Insoweit hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Der Anspruch gesetzlich Versicherter auf Gewährung implantologischer Leistungen richtet sich nach den Regelungen in §§ 27 und 28 SGB V und den ergänzenden Bestimmungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (zuvor Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen) in den Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung vom 4.6.2003/24.9.2003 (BAnz 2003, S. 24966, zuletzt geändert am 1.3.2006, BAnz 2006, S. 4466 - Zahnbehandlungs-RL) getroffen hat. Da die Behandlung hier noch nicht durchgeführt worden ist, sind die genanten Bestimmungen in der derzeit geltenden Fassung maßgeblich.
Gem. § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die zahnärztliche Behandlung, wozu die Versorgung mit Zahnersatz, einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen gehört (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 2a SGB V). Nähere Bestimmungen zur zahnärztlichen Behandlung trifft § 28 Abs. 2 SGB V. Danach umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz, einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Implantologische Leistungen gehören grundsätzlich nicht zur (von den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährenden) zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen auch nicht bezuschusst werden. Anderes gilt nur dann, wenn seltene, vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vorliegen, in denen die Krankenkasse implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt (§ 28 Abs. 2 Satz 8 und 9 SGB V).
Die Zahnbehandlungs-RL legen unter B VII Nr. 1 Satz 2 fest, dass der Gemeinsame Bundesausschuss den in § 28 Abs. 2 Satz 8 und 9 SGB V hervortretenden Intentionen des Gesetzgebers folgt, wonach Versicherte nur in zwingend notwendigen Ausnahmefällen implantologische Leistungen erhalten sollen. Ausnahmeindikationen für Implantate und Suprakonstruktionen i. S. v. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V liegen daher nur in näher bezeichneten besonders schweren Fällen vor, wobei hier allein die "generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen" (B VII Nr. 2 Satz 3 c Zahnbehandlungs-RL) in Betracht kommt. Auch bei Vorliegen einer Ausnahmeindikation ist weitere Voraussetzung für die Gewährung von Implantaten zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung, dass eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. Im Fall der generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen gilt dies also nur dann, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist (B VII Nr. 2 Satz 1 und 2 Zahnbehandlungs-RL).
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 13.7.2004, - B 1 KR 37/02 R -), die sich auf eine Auskunft des (damaligen) Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen vom 20.7.2007 stützt und der der Senat folgt, ist unter "generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen" im Sinne der Nr. B VIII Nr. 2 Satz 3 c Zahnbehandlungs-RL nicht allein das gänzliche Fehlen von Zähnen bzw. die vollständige Zahnlosigkeit zu verstehen. Denn im Begriff "generalisierte Nichtanlage" zur Eingrenzung des Phänomens der Zahnlosigkeit kommt zum Ausdruck, dass ein Stadium mit einem ausgeprägten Fehlen von Zähnen ausreichen soll. Dieses muss aber der vollständigen Zahnlosigkeit (Anodontie) eher nahe kommen als dem Fehlen nur einzelner Zähne (Hypodontie bzw. Oligodontie) bei ansonsten noch als regelrecht anzusehenden Gebissverhältnissen. In der Medizin wird unter dem Begriff "generalisiert" nämlich eine Ausbreitung über den ganzen Körper bzw. zumindest ein ganzes Organsystem verstanden. Übertragen auf die Verhältnisse bei Zahn- und Kieferkrankheiten bedeutet das, dass die zur Behandlung Anlass gebende körperliche Regelwidrigkeit zumindest in einem der Kiefer in besonderer Weise ausgeprägt sein muss. Ein Kiefer - verstanden als Organsystem, das bei einem erwachsenen Menschen im Regelfall mit einer bestimmten Anzahl bleibender Zähne versehen ist - muss sich danach von seinem Erscheinungsbild her wesentlich durch die Nichtanlage von Zähnen auszeichnen. Ein solcher Zustand wiederum lässt sich nur bejahen, wenn zumindest die überwiegende Zahl der typischerweise bei einem Menschen angelegten Zähne fehlt. Eine unterhalb dieser in praktikabeler Weise nur zahlenmäßig zu ermittelnden Schwelle liegende Nichtanlage - verstanden als Hypodontie bzw. Oligodontie - ist dagegen nicht mehr charakteristisch für die Beurteilung eines Kiefers als anlagebedingt zahnlos. Sind dem Betroffenen (noch) mehrheitlich bleibende Zähne gewachsen und ist somit teilweise - wenn auch unter Einschränkungen - die Kaufunktion bzw. die Möglichkeit zur Zerkleinerung fester Nahrung erhalten, kann von einer generalisierten Nichtanlage regelmäßig nicht gesprochen werden. Eine darüber hinausgehende Sichtweise ist mit dem differenzierenden und einer erweiternden Auslegung bzw. Analogie nicht zugänglichen Wortlaut der Ausnahmeindikation in den Zahnbehandlungs-RL nicht vereinbar (BSG, a. a. O.). Für die nach diesen Maßgaben durchzuführende Prüfung einer Ausnahmeindikation sind Ober- und Unterkiefer als eigenständiges Organsystem jeweils gesondert zu betrachten.
Neben dem in § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. den Zahnbehandlungs-RL geregelten Anspruch auf Versorgung mit implantologischen Leistungen (implantatgetragener Zahnersatz) besteht ggf. ein Anspruch auf Gewährung befundbezogener Festzuschüsse gem. §§ 55, 56 SGB V i. V. m. der Festzuschuss-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 3.11.2004 (BAnz 2004, S. 24463, zuletzt geändert am 4.6.2008, BAnz 2008, S. 2103). Hierauf richtet sich das Begehren der Klägerin indessen nicht; die Beklagte ist im Übrigen bereit, der Klägerin die gesetzmäßigen Festzuschüsse zu zahlen.
II. Davon ausgehend stehen der Klägerin Implantate zur Abstützung von Zahnersatz (implantatgetragener Zahnersatz) für den Oberkiefer zu. Dort sind, genetisch bedingt durch das Axenfeld-Rieger-Syndrom, nur 5 von 16 Zähnen angelegt. Damit liegt bei der nach der Rechtsprechung des BSG maßgeblichen rein zahlenmäßigen (quantitativen) Betrachtungsweise eine "generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen" als Ausnahmeindikation i.S.d. Nr. B VII Nr. 2 Satz 3 c Zahnbehandlungs-RL vor. Im Unterkiefer ist dies nicht der Fall, da dort 10 von 16 Zähnen angelegt sind. Ein Anspruch auf implantologische Leistungen scheidet insoweit von vornherein aus. Eine qualitative Betrachtungsweise findet nicht statt. Daher kommt es auch auf die prothetische Wertigkeit der im Unterkiefer angelegten Zähne nicht an. Ebenso wenig ist von Belang, dass bei einer konventionellen Versorgung gesunde (kariesfreie) Zähne (die Zähne 46 und 43) beschliffen werden müssen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese enge Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen bestehen, wie das BSG ebenfalls bereits entschieden hat (vgl. BSG, a. a. O. sowie Urt. v. 19.6.2001, BSGE 88, 166 und - B 1 KR 2/03 R -), nicht.
Nach Auffassung des Senats sind im Hinblick auf den Oberkiefer auch die übrigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt. Die Implantatversorgung ist im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung zu gewähren (§ 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. Nr. B VII Nr. 1 Satz 1 Zahnbehandlungs-RL). Eine konventionelle prothetische Versorgung ist im besonderen Fall der Klägerin ohne Implantate nicht möglich; das rekonstruierte Prothesenlager ist durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar (Nr. B VII Nr. 2 Satz 1 und 2 Zahnbehandlungs-RL). Das geht zur Überzeugung des Senats aus dem auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten des Prof. Dr. Dr. Z. vom 18.10.2005 bzw. aus dessen vom Senat im Berufungsverfahren von Amts wegen erhobenen – das Erstgutachten präzisierenden - Ergänzungsgutachten vom 19.6.2008 hervor.
Das durch das Axenfeld-Rieger-Syndrom, eine Erbkrankheit, verursachte vielfältige Beschwerdebild der Klägerin erfordert eine medizinische Gesamtbehandlung, als deren Teil die begehrte Versorgung mit Zahnimplantaten zu verstehen ist. Die Erbkrankheit hat zunächst die (hier im Vordergrund stehende) Nichtanlage von Zähnen im Ober- und Unterkiefer zur Folge. Außerdem verursacht sie bei der Klägerin (so der Bericht der Universitätsaugenklinik Heidelberg vom 25.2.2003) eine komplexe Fehlbildung des Auges im Sinne einer mesodermalen Dysgenesie von Hornhaut und Iris sowie ein darauf zurückgehendes Sekundärglaukom. Das geringere Wachstum des Oberkiefers bewirkt weiter eine Veränderung des Gesichtsprofils mit einem vorgealterten Erscheinungsbild. Hinzukommt schließlich ein Hervortreten des Unterkiefers mit darauf zurückgehenden Fehlbelastungen, die wiederum zu arthropatischen Erkrankungen, wie einer anterioren Diskusluxation, und damit verbundenen Schmerzen und Kaubeschwerden führen. Deswegen fanden bzw. finden zahnärztliche, kieferorthopädische, augenärztliche bzw. augenchirurgische und ergänzend auch schmerztherapeutisch/psychiatrische Behandlungen statt. Alle Therapiemaßnahmen sind durch das genetisch bedingte Axenfeld-Rieger-Syndrom und seine vielfältigen Auswirkungen inhaltlich miteinander verknüpft und aufeinander bezogen und stellen damit eine Gesamtbehandlung gem. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V dar. Die anstehende zahnprothetische Behandlung durch Insertion von Implantaten fügt sich als weiterer Behandlungsteil in diese Gesamtbehandlung ein. Neben den unmittelbar auf die Kaufunktion gerichteten Wirkungen dient die implantologische Behandlung der Vermeidung von Fehlbelastungen der Kiefergelenke und außerdem der Verhinderung weiteren Knochenschwunds, insbesondere im Oberkiefer, um so der andernfalls eintretenden zusätzlichen Verschlechterung der Knochenentwicklungsdefizite entgegenzuwirken. Zusätzlich zur Verhütung von Schmerzen infolge einer Zunahme der krankheitsbedingten Oberkieferrücklage ist damit auch das Erscheinungsbild der noch jungen Klägerin positiv zu beeinflussen. Prof. Dr. Dr. Z. hat all das in seinem Ergänzungsgutachten vom 19.6.2008 im Einzelnen überzeugend dargelegt.
Der Senat entnimmt dem genannten Ergänzungsgutachten außerdem, dass eine konventionelle prothetische Versorgung, namentlich durch schleimhautgelagerten Zahnersatz bei der Klägerin nicht möglich ist. Zwar hatte der Gutachter in seinem für das Sozialgericht erstatteten (Erst-)Gutachten dargelegt, derzeit sei eine momentane Belastung des Integuments durch eine herausnehmbare, schleimhaut- bzw. dentalverankerte Prothese sowie eine festsitzende Versorgung mittels einer überspannten Brücke prinzipiell möglich. Hierzu hat er im Ergänzungsgutachten aber präzisierend klargestellt, dass es sich dabei um (nur) prinzipiell - reich technisch gesehen - in Betracht kommende Versorgungsvarianten handelt, die jedoch aus medizinischen Gründen wegen der besonderen Zahn- und Kieferverhältnisse der Klägerin ausscheiden müssen. Das gilt insbesondere für die dauerhafte Abstützung eines schleimhaut- und zahngetragenen Zahnersatzes. Die hierfür zu nutzenden Zähne sind wegen eines chronischen Entzündungsgeschehens nämlich zum Teil bereits einer Wurzelkanalbehandlung unterzogen worden, weshalb sie infolge vermehrter Brüchigkeit bei Biegebelastung als Pfeilerzähne ausscheiden. Die Zähne 11 und 21 sind (ursprünglich als Frontzähne) außerdem kieferorthopädisch auf die Position der Eckzähne (auf 13 und 23) bewegt worden, was ihre prothetische Wertigkeit – hinsichtlich einer überspannten Brücke auf den Zähnen 17, 16, 11, 21 und 26 - ebenfalls vermindert. Außerdem wird die Eingliederung schleimhautgetragenen Zahnersatzes wegen der Einwirkung des Kaudrucks auf eine kleinere Knochenoberfläche zu einem deutlichen Rückgang des infolge des Axenfeld-Rieger-Syndroms bereits reduzierten Restknochens (Alveolarknochen) führen. Im Zusammenwirken mit der mechanischen (Hebel-)Belastung der (Rest-)Zähne durch dentalverankerten Zahnersatz wird dies nach den überzeugenden Darlegungen des Gutachters einen Totalverlust der noch verbliebenen Zähne im Oberkiefer bewirken, was wiederum Fehlbelastungen des Kiefergelenks und infolge dessen arthropatische Schmerzen und Beschwerde nach sich ziehen und außerdem das krankheitsbedingt beeinträchtigte Gesichtsprofil der Klägerin im Sinne eines vorgealterten Erscheinungsbilds weiter verschlechtern wird. Dabei kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Therapie von Schmerzen im Rahmen der Gesamtbehandlung dadurch zusätzlich erschwert ist, dass die meisten Schmerzmedikamente wegen nachteiliger Auswirkungen auf die Therapie des Sekundärglaukoms nicht angewendet werden dürfen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der dargestellten Entwicklung nicht um bloße Spekulation und auch nicht um eine unsichere Langzeitprognose zur Haltbarkeit von Zahnprothesen. Der Gutachter hat vielmehr klar zum Ausdruck gebracht, dass es bei der Eingliederung schleimhautgelagerten Zahnersatzes zum Verlust der Restzähne des Oberkiefers und den damit zusammenhängenden weiteren Folgen innerhalb der nächsten 4 bis 5 Jahre kommen wird. Der Senat kann dies bei der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen, namentlich der Belastbarkeit des rekonstruierten Prothesenlagers mit schleimhautgelagertem Zahnersatz (Nr. B VII Nr. 2 Satz 2 der Zahnbehandlungs-RL), nicht unberücksichtigt lassen. Insgesamt geht aus dem Ergänzungsgutachten des Prof. Dr. Dr. Z. somit schlüssig hervor, dass am Oberkiefer der Klägerin eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich bzw. das rekonstruierte Prothesenlager dort durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist. Daher hat sie Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Auffassung des Dr. Sommer und des Prof. Dr. H. kann demgegenüber nicht überzeugen. Beide haben das Vorliegen einer Ausnahmeindikation gem. § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. der Zahnbehandlungs-RL mit im Kern allgemein gehaltenen Ausführungen abgelehnt, ohne hinreichend auf die besonderen gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin einzugehen. Demgegenüber hat Prof. Dr. Dr. Z. seine Einschätzung im vom Senat erhobenen Ergänzungsgutachten unter differenzierter Würdigung aller rechtlich beachtlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalls schlüssig und nachvollziehbar begründet. Er hat auch die Ansicht des Prof. Dr. H., der eine Erneuerung des festsitzenden Zahnersatzes (im Oberkiefer) für möglich erachtete, überzeugend widerlegt und hierbei im Wesentlichen auf die chronische periakipale Entzündung der als Pfeiler nicht hinreichend nutzbaren Zähne 21 und 26 abgestellt. Weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten nicht auf.
Das Sozialgericht hat die Klage nach alledem insoweit zu Unrecht abgewiesen, als der Klägerin die begehrte Implantatversorgung für den Oberkiefer zu gewähren ist. Insoweit hat die Berufung der Klägerin Erfolg. Hinsichtlich einer Implantatversorgung des Unterkiefers hat das angefochtene Urteil indessen Bestand. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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