Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1346/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1407/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer höheren vorläufigen Rente wegen des Unfalls vom 16.3.2003 sowie die Gewährung einer Rente über den 30.9.2005 hinaus.
Der 1949 geborene Kläger, der als Restaurantleiter tätig war, stolperte am 16.3.2003 bei Reinigungs- und Aufräumarbeiten im Restaurant über eine Stufe und stürzte mit der linken Schulter gegen das Waschbecken (Angaben im DA-Bericht vom 19.3.2003). Dr. Sch. stellte beim Kläger am 17.03.2003 eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks bei Abduktion und Rotation des Armes sowie einen heftigen Druckschmerz am Tuberculum majus humeri fest. Beim Röntgen des linken Schultergelenks zeigte sich ein dislozierter Abriss des Tuberculum majus humeri mit einer Distraktion von ca. 1 cm. Er diagnostizierte einen Abriss des Tuberculum majus humeri links mit Dislokation sowie eine Schulterprellung und nahm eine Versorgung mit einem Gilchrist-Verband vor, empfahl eine Röntgenkontrolle in kurzem Zeitabstand und gegebenenfalls eine operative Fixation des Tuberculum. Vom 23.3. bis 3.4.2003 befand sich der Kläger in der Chirurgischen Klinik des Klinikums Konstanz, wo am 24.3.2003 eine offene Reposition sowie Schraubenosteosynthese vorgenommen wurde. Am 21.8.2003 wurde wegen deutlicher Bewegungseinschränkung eine Arthroskopie des linken Schultergelenks in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vorgenommen. Dabei wurden die einliegenden Schrauben mit Unterlegscheiben entfernt und ein arthroskopisches Debridement im Bereich des Subacromialraums vorgenommen. Ab dem 22.12.2003 wurde Arbeitsfähigkeit bescheinigt (Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 22.12.2003).
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Privatdozent Dr. W., Chefarzt der Chirurgischen Klinik Friedrichshafen, das Gutachten vom 12.10.2004. Er stellte beim Kläger als Unfallfolgen bewegungsabhängige Schulterschmerzen links sowie nächtliche Ruheschmerzen und endgradige Bewegungseinschränkung insbesondere für die Abduktion fest und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 22.12.2003 bis 31.3.2004 auf 30 vH, vom 1.4.2004 bis 30.6.2004 auf 25 vH und ab 1.7.2004 auf 20 vH. Er führte aus, der bisherige Verlauf habe gezeigt, dass insgesamt eine langsame, aber zunehmende funktionelle und symptomatische Besserung eingetreten sei. Eine nochmalige Untersuchung sei zwei Jahre nach dem Unfall zu empfehlen.
Mit Bescheid vom 22.11.2004 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe von 30% vom 23.12.2003 bis 31.3.2004, 25% vom 1.4.2004 bis 30.6.2004 sowie von 20% vom 1.7.2004 bis auf weiteres. Als Folgen des Arbeitsunfalls anerkannte sie: Knöchern konsolidierte Fraktur des Tuberculum majus links, persistierendes subacromiales Impingementsyndrom links, röntgenologische Veränderungen, Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Schultergelenks. Den Widerspruch des Klägers vom 22.12.2004, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.4.2005, dem Kläger zugestellt am 3.5.2005, zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 3.6.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz, mit der er die Gewährung einer höheren Rente (MdE von 35 % für die Zeit vom 23.12.2003 bis 31.3.2004, 30% vom 1.4. bis 30.6.2004 und 25 % vom 1.7. bis 30.9.2004) begehrte.
Die Beklagte legte dem SG das Gutachten von Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor des Departments Orthopädie und Traumatologie der Universitätsklinik Freiburg, vom 21.6.2005 vor, der gegenüber dem letzten maßgeblichen Gutachten vom 12.10.2004 eine wesentliche Änderung verneinte und die MdE mit 20 % einschätzte. Hierzu holte die Beklagte eine Stellungnahme bei Dr. T. vom 13.7.2005 ein, der ausführte, die Gesamtbewegungseinschränkung beim Kläger betrage lediglich 10 Grad, und zwar bezüglich der seitlichen Armanhebung. Sämtliche anderen Bewegungsausmaße der Schulter würden als seitengleich frei beschrieben, ebenso wie die Muskelkraft und das Muskelrelief. Eine messbare MdE lasse sich damit nicht begründen.
Mit Bescheid vom 20.9.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit an Stelle der Rente als vorläufige Entschädigung bestehe nicht. Die Entziehung der Rente werde zum 30.9.2005 wirksam. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Knöchern konsolidierte Ausrissfraktur des linken Tuberculum majus, röntgenologische Veränderungen, endgradige Einschränkung der seitlichen Armhebung links, reizlose Narbenbildung im Bereich des linken Sulcus deltoideus pectorale, posttraumatisches Impingementsyndrom im Bereich der linken Schulter". Hiergegen legte der Kläger am 17.10.2005 Widerspruch ein.
Das SG beauftragte den Orthopäden Dr. B. mit der Begutachtung des Klägers. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 13.8.2006 folgende Unfallfolgen fest: Endgradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter, reizlose Narbenbildung an der linken Schulter, residuelle röntgenologische Veränderungen, glaubhafte posttraumatische Impingementbeschwerden. Er schätzte die MdE für die Zeit vom 22.12.2003 bis 21.9.2004 auf 20 % und ab 22.9.2004 bis zum 20.6.2005 auf 10% und ab den 21.6.2005 auf weniger als 10%.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.2.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dem Kläger stehe eine höhere Rente als vorläufige Entschädigung nicht zu und ab dem 1.10.2005 habe er keinen Anspruch auf Rente mehr. Das SG stütze sich dabei auf das nachvollziehbare Gutachten von Dr. B. vom 13.8.2006. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 16.2.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.3.2007 Berufung eingelegt, ohne diese trotz mehrmaliger Erinnerungen zu begründen. Ferner hat er den Kostenvorschuss für die Einholung eines Gutachtens gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. Z. weder in der bis zum 26.2.2008 gesetzten Frist noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 19.08.2008 eingezahlt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2005 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente nach einer MdE um 35 % vom 23. Dezember 2003 bis 31. März 2004, um 30 % vom 1. April bis 30. Juni 2004, um 25 % vom 1. Juli bis 30. September 2004 sowie um 20 % ab 1. Oktober 2005 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf höhere Rente als vorläufige Entschädigung für die Zeit vom 23.12.2003 bis 30.9.2004 und auf Gewährung von Rente (auf unbestimmte Zeit) über den 30.9.2005 hinaus hat.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 16. März 2003 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen - wie vorliegend mit Bescheid vom 22.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.4.2005 geschehen -, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden (§ 62 Abs. 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).
Ausgehend hiervon vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.4.2005 zu Unrecht eine zu niedrige Rente gewährt hat. Die Beklagte hat sich vielmehr auf die für den Kläger günstige Beurteilung von Dr. W. im Gutachten vom 12.10.2004 gestützt. Hiervon zu Gunsten des Klägers abweichende ärztliche Beurteilungen liegen nicht vor. Darüber hinaus lässt sich eine um 5 vH höhere MdE auch nicht begründen, da solche Abweichungen innerhalb der Schwankungsbreite ärztlicher Schätzungen liegen. So hat das Bundessozialgericht (BSG) eine MdE von 10 vH als untere Grenze dessen angesehen, was medizinisch und wirtschaftlich messbar ist (BSGE 32, 245,249). Dies bedeutet, dass eine Schätzung der MdE durch den Versicherungsträger solange als rechtmäßig anzusehen ist, als eine spätere Schätzung - bei gleichen Schätzungsgrundlagen - durch das Gericht bzw. den von ihm gehörten Sachverständigen nicht um mehr als 5 vH von der früheren abweicht (BSGE 43, 53,54).
Der Bescheid der Beklagten vom 20.9.2005, der gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn schon Professor Dr. S. hatte auf Grund der gutachterliche Untersuchung vom 21.6.2005 beim Kläger lediglich eine geringgradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter (140-0-40° gegenüber 150-0-40° rechts) bei der Abduktion festgestellt, die selbst bei Berücksichtigung von posttraumatischen Impingementbeschwerden allenfalls eine MdE um 10 vH bedingt. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund der Beurteilungen von Dr. T. in der Stellungnahme vom 13.7.2005 sowie von Dr. B. im Gutachten vom 13.8.2006, die im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 604) stehen.
Da trotz mehrmaliger Erinnerungen eine Berufungsbegründung nicht erfolgt und der Kostenvorschuss für ein Gutachten nach § 109 SGG weder fristgemäß bis zum 26.2.2008 noch bis zur mündlichen Verhandlung vom 19.8.2008 eingezahlt worden ist, haben sich im Berufungsverfahren auch keine neuen Gesichtspunkte ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer höheren vorläufigen Rente wegen des Unfalls vom 16.3.2003 sowie die Gewährung einer Rente über den 30.9.2005 hinaus.
Der 1949 geborene Kläger, der als Restaurantleiter tätig war, stolperte am 16.3.2003 bei Reinigungs- und Aufräumarbeiten im Restaurant über eine Stufe und stürzte mit der linken Schulter gegen das Waschbecken (Angaben im DA-Bericht vom 19.3.2003). Dr. Sch. stellte beim Kläger am 17.03.2003 eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks bei Abduktion und Rotation des Armes sowie einen heftigen Druckschmerz am Tuberculum majus humeri fest. Beim Röntgen des linken Schultergelenks zeigte sich ein dislozierter Abriss des Tuberculum majus humeri mit einer Distraktion von ca. 1 cm. Er diagnostizierte einen Abriss des Tuberculum majus humeri links mit Dislokation sowie eine Schulterprellung und nahm eine Versorgung mit einem Gilchrist-Verband vor, empfahl eine Röntgenkontrolle in kurzem Zeitabstand und gegebenenfalls eine operative Fixation des Tuberculum. Vom 23.3. bis 3.4.2003 befand sich der Kläger in der Chirurgischen Klinik des Klinikums Konstanz, wo am 24.3.2003 eine offene Reposition sowie Schraubenosteosynthese vorgenommen wurde. Am 21.8.2003 wurde wegen deutlicher Bewegungseinschränkung eine Arthroskopie des linken Schultergelenks in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vorgenommen. Dabei wurden die einliegenden Schrauben mit Unterlegscheiben entfernt und ein arthroskopisches Debridement im Bereich des Subacromialraums vorgenommen. Ab dem 22.12.2003 wurde Arbeitsfähigkeit bescheinigt (Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen vom 22.12.2003).
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Privatdozent Dr. W., Chefarzt der Chirurgischen Klinik Friedrichshafen, das Gutachten vom 12.10.2004. Er stellte beim Kläger als Unfallfolgen bewegungsabhängige Schulterschmerzen links sowie nächtliche Ruheschmerzen und endgradige Bewegungseinschränkung insbesondere für die Abduktion fest und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 22.12.2003 bis 31.3.2004 auf 30 vH, vom 1.4.2004 bis 30.6.2004 auf 25 vH und ab 1.7.2004 auf 20 vH. Er führte aus, der bisherige Verlauf habe gezeigt, dass insgesamt eine langsame, aber zunehmende funktionelle und symptomatische Besserung eingetreten sei. Eine nochmalige Untersuchung sei zwei Jahre nach dem Unfall zu empfehlen.
Mit Bescheid vom 22.11.2004 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe von 30% vom 23.12.2003 bis 31.3.2004, 25% vom 1.4.2004 bis 30.6.2004 sowie von 20% vom 1.7.2004 bis auf weiteres. Als Folgen des Arbeitsunfalls anerkannte sie: Knöchern konsolidierte Fraktur des Tuberculum majus links, persistierendes subacromiales Impingementsyndrom links, röntgenologische Veränderungen, Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Schultergelenks. Den Widerspruch des Klägers vom 22.12.2004, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.4.2005, dem Kläger zugestellt am 3.5.2005, zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 3.6.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz, mit der er die Gewährung einer höheren Rente (MdE von 35 % für die Zeit vom 23.12.2003 bis 31.3.2004, 30% vom 1.4. bis 30.6.2004 und 25 % vom 1.7. bis 30.9.2004) begehrte.
Die Beklagte legte dem SG das Gutachten von Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor des Departments Orthopädie und Traumatologie der Universitätsklinik Freiburg, vom 21.6.2005 vor, der gegenüber dem letzten maßgeblichen Gutachten vom 12.10.2004 eine wesentliche Änderung verneinte und die MdE mit 20 % einschätzte. Hierzu holte die Beklagte eine Stellungnahme bei Dr. T. vom 13.7.2005 ein, der ausführte, die Gesamtbewegungseinschränkung beim Kläger betrage lediglich 10 Grad, und zwar bezüglich der seitlichen Armanhebung. Sämtliche anderen Bewegungsausmaße der Schulter würden als seitengleich frei beschrieben, ebenso wie die Muskelkraft und das Muskelrelief. Eine messbare MdE lasse sich damit nicht begründen.
Mit Bescheid vom 20.9.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit an Stelle der Rente als vorläufige Entschädigung bestehe nicht. Die Entziehung der Rente werde zum 30.9.2005 wirksam. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Knöchern konsolidierte Ausrissfraktur des linken Tuberculum majus, röntgenologische Veränderungen, endgradige Einschränkung der seitlichen Armhebung links, reizlose Narbenbildung im Bereich des linken Sulcus deltoideus pectorale, posttraumatisches Impingementsyndrom im Bereich der linken Schulter". Hiergegen legte der Kläger am 17.10.2005 Widerspruch ein.
Das SG beauftragte den Orthopäden Dr. B. mit der Begutachtung des Klägers. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 13.8.2006 folgende Unfallfolgen fest: Endgradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter, reizlose Narbenbildung an der linken Schulter, residuelle röntgenologische Veränderungen, glaubhafte posttraumatische Impingementbeschwerden. Er schätzte die MdE für die Zeit vom 22.12.2003 bis 21.9.2004 auf 20 % und ab 22.9.2004 bis zum 20.6.2005 auf 10% und ab den 21.6.2005 auf weniger als 10%.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.2.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dem Kläger stehe eine höhere Rente als vorläufige Entschädigung nicht zu und ab dem 1.10.2005 habe er keinen Anspruch auf Rente mehr. Das SG stütze sich dabei auf das nachvollziehbare Gutachten von Dr. B. vom 13.8.2006. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 16.2.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.3.2007 Berufung eingelegt, ohne diese trotz mehrmaliger Erinnerungen zu begründen. Ferner hat er den Kostenvorschuss für die Einholung eines Gutachtens gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. Z. weder in der bis zum 26.2.2008 gesetzten Frist noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 19.08.2008 eingezahlt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2005 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente nach einer MdE um 35 % vom 23. Dezember 2003 bis 31. März 2004, um 30 % vom 1. April bis 30. Juni 2004, um 25 % vom 1. Juli bis 30. September 2004 sowie um 20 % ab 1. Oktober 2005 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf höhere Rente als vorläufige Entschädigung für die Zeit vom 23.12.2003 bis 30.9.2004 und auf Gewährung von Rente (auf unbestimmte Zeit) über den 30.9.2005 hinaus hat.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 16. März 2003 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen - wie vorliegend mit Bescheid vom 22.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.4.2005 geschehen -, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden (§ 62 Abs. 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).
Ausgehend hiervon vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.4.2005 zu Unrecht eine zu niedrige Rente gewährt hat. Die Beklagte hat sich vielmehr auf die für den Kläger günstige Beurteilung von Dr. W. im Gutachten vom 12.10.2004 gestützt. Hiervon zu Gunsten des Klägers abweichende ärztliche Beurteilungen liegen nicht vor. Darüber hinaus lässt sich eine um 5 vH höhere MdE auch nicht begründen, da solche Abweichungen innerhalb der Schwankungsbreite ärztlicher Schätzungen liegen. So hat das Bundessozialgericht (BSG) eine MdE von 10 vH als untere Grenze dessen angesehen, was medizinisch und wirtschaftlich messbar ist (BSGE 32, 245,249). Dies bedeutet, dass eine Schätzung der MdE durch den Versicherungsträger solange als rechtmäßig anzusehen ist, als eine spätere Schätzung - bei gleichen Schätzungsgrundlagen - durch das Gericht bzw. den von ihm gehörten Sachverständigen nicht um mehr als 5 vH von der früheren abweicht (BSGE 43, 53,54).
Der Bescheid der Beklagten vom 20.9.2005, der gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn schon Professor Dr. S. hatte auf Grund der gutachterliche Untersuchung vom 21.6.2005 beim Kläger lediglich eine geringgradige Bewegungseinschränkung der linken Schulter (140-0-40° gegenüber 150-0-40° rechts) bei der Abduktion festgestellt, die selbst bei Berücksichtigung von posttraumatischen Impingementbeschwerden allenfalls eine MdE um 10 vH bedingt. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund der Beurteilungen von Dr. T. in der Stellungnahme vom 13.7.2005 sowie von Dr. B. im Gutachten vom 13.8.2006, die im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 604) stehen.
Da trotz mehrmaliger Erinnerungen eine Berufungsbegründung nicht erfolgt und der Kostenvorschuss für ein Gutachten nach § 109 SGG weder fristgemäß bis zum 26.2.2008 noch bis zur mündlichen Verhandlung vom 19.8.2008 eingezahlt worden ist, haben sich im Berufungsverfahren auch keine neuen Gesichtspunkte ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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