Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3338/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2580/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Verfahren erster und zweiter Instanz jeweils auf 10.715,10 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit geht um eine Beitragsnachforderung von 10.715,10 Euro. Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob das auf Grund einer Allgemeinverbindlicherklärung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung tariflich geschuldete Arbeitsentgelt der Beitragsnachforderung zu Grunde gelegt werden durfte.
Die Klägerin betreibt eine Wäscherei und ist im Wesentlichen für Krankenhäuser, Altersheime, Restaurants, Hotels, Handwerker und auch Privatpersonen tätig und zwar in Deutschland und in Frankreich. Sie beschäftigte im hier streitigen Zeitraum zwischen dem 1.1.1997 und dem 31. 8. 2001 zahlreiche Arbeitnehmer in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, darunter auch die Beigeladenen Nr. 7-16. Mit ihnen schloss die Beklagte Anstellungsverträge für eine geringfügige Beschäftigung ab, in denen eine monatliche Arbeitszeit zwischen 50 und 60 Stunden sowie ein Bruttolohn von DM 11 bzw. DM 12 vereinbart wurde. Der für die Klägerin maßgebende Tarifvertrag des Wäschereigewerbes, vereinbart zwischen dem Industrieverband T.-I. e.V. sowie der tarifpolitischen Arbeitsgemeinschaft Textilreinigung im deutschen Textilreinigungs-Verband, Bonn, einerseits und der Industriegewerkschaft Metall, Frankfurt, andererseits wurde durch Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung u.a. vom 19.10.2000 bzw. 07.09.1999 für allgemeinverbindlich erklärt.
Anlässlich einer Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV - für den Prüfungszeitraum 1.1.1997 bis 31.8.2001 wurde im September 2001 (neben zwei weiteren Punkten) beanstandet, dass die Beigeladenen Nr. 7-16 als geringfügig Beschäftigte bezahlt und (beitragsrechtlich) behandelt wurden, obwohl ihnen bei Anwendung des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages für das Wäschereigewerbe höheres Arbeitsentgelt (14,33 DM bzw. 15,17 DM statt 11 bzw. 12 DM) zustand und sie wegen des höheren geschuldeten Arbeitsentgelts der Versicherungspflicht unterlagen.
Mit Bescheid vom 25.9.2001 stellte die Beklagte eine Nachforderung über 21.403,74 DM fest und wies die Klägerin darauf hin, dass die gleichzeitig festgestellten zuviel gezahlten pauschalen Beiträge in Höhe von 8.839,98 DM von den Krankenkassen zurückerstattet würden. Die Höhe des Beitragsanspruches richte sich nach den vom Arbeitgeber geschuldeten Leistungen. Die Entstehung des Beitragsanspruches sei nicht davon abhängig, ob das geschuldete Arbeitsentgelt ausgezahlt und dem Arbeitnehmer zugeflossen sei. Gem. § 4 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits tarifgebundenen, aber auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sofern es sich um einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag handele. Dies habe zur Folge, dass die normativen Tarifbestimmungen automatisch den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gestalteten, ohne dass es auf die Billigung oder auch Kenntnis der Parteien ankomme. Mit Wirkung vom 1.5.1997, 1.5.1999 und 1.8.2000 sei der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Wäschereigewerbe der alten Bundesländer durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die Klägerin und ihre Beschäftigten unterlägen sowohl dem räumlichen, fachlichen als auch dem persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages. In der Zeit vom 1.11.1998 bis 31.8.2001 seien für verschiedene Aushilfsbeschäftigte (Daueraushilfen) die geschuldeten Mindestarbeitsentgelte einzelvertraglich unterschritten worden. Somit seien aus den nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag zustehenden Arbeitsentgelten Sozialversicherungsbeiträge nachzuberechnen.
Die Klägerin erhob Widerspruch und machte Vertrauensschutz geltend. Bereits zum Zeitpunkt der letzten Betriebsprüfung am 30.4.1995 habe ihr Unternehmen (ebenso wie in den vergangenen Jahren) die Aushilfskräfte mit einem geringeren Entgelt bezahlt, obwohl auch damals bereits die Allgemeinverbindlichkeit bestanden habe. Da es aber bei der damaligen Prüfung keine Beanstandung gegeben habe, sei sie der Ansicht gewesen, dass bis zur nächsten Prüfung insoweit Vertrauensschutz bestehe. Dies bestätige auch ein Urteil des SG Gelsenkirchen vom 2.11.2001 - S 24 KR 125/00. Weil bei einem Arbeitnehmer ein zu hoher Stundenlohn zu Grunde gelegt worden war, half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als die Höhe der Nachforderung auf insgesamt 10.715,10 Euro reduziert wurde (Bescheid vom 8.7.2002). Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2002 wies sie den Widerspruch im Übrigen zurück. Bei der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass in der Zeit vom 1.11.1998 bis 31.8.2001 für verschiedene Aushilfsbeschäftige (Daueraushilfen), die nach den allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für das Wäschereigewerbe geschuldeten Mindestarbeitslöhne einzelvertraglich unterschritten worden seien. Die zutreffenden Arbeitslöhne seien gem. § 2 i. V. mit den Anlagen 1-3 der jeweils gültigen Tarifverträge ermittelt und für die Beurteilung der Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit zu Grunde gelegt worden. Bei mehren Aushilfsbeschäftigten habe dies dazu geführt, dass bei Berücksichtigung dieser Entgelte die Geringfügigkeitsgrenzen des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IV überschritten worden seien und daher Versicherungspflicht vorgelegen habe. Die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge seien nachgefordert worden. Die Entstehung des Beitragsanspruchs hänge nicht davon ab, ob das geschuldete Arbeitsentgelt auch tatsächlich gezahlt worden sei. Unterschreite der tatsächlich gezahlte Lohn den durch die Allgemeinverbindlicherklärung festgesetzten Mindestlohn, sei die Differenz der Beitragsberechnung zu Grunde zu legen. Ein die Beitragsnachforderung ausschließender Vertrauensschutz bestehe nicht. Dem Rechtsgedanken des Vertrauensschutzes sei grundsätzlich bereits durch die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 SGB IV Rechnung getragen worden. Soweit in der Prüfpraxis bislang keine Nachforderungen auf Grund untertariflicher Lohn- und Gehaltszahlung erhoben worden seien, begründe dies keinen Vertrauensschutz. Eine insoweit verbindliche Zusage über die beitragsrechtliche Bewertung sei nicht getroffen worden. Frühere Betriebsprüfungen schafften selbst dann keinen Vertrauensschutz, wenn die Nichtabführung von Beiträgen durch die Betriebsprüfer nicht beanstandet worden sei. Das Vertrauen, Sozialversicherungsbeiträge nur für das tatsächlich gezahlte untertarifliche Arbeitsentgelt entrichten zu müssen, sei auch nicht schutzwürdig. Der Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmern nicht das aus einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag zustehende Arbeitsentgelt zahle, handele rechtswidrig. Er könne nicht darauf vertrauen, nunmehr in Fortsetzung dieses rechtswidrigen Verhaltens auch die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen zu müssen.
Die Klägerin erhob hiergegen am 18.11.2002 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Freiburg. Zum Einen bestehe unverändert Vertrauensschutz; der jetzt zu einer Nachforderung führende Sachverhalt habe bereits am 30.4.1995 bei der letzten Betriebsprüfung vorgelegen, damals sei die Behandlung der Aushilfskräfte nicht gerügt worden. Sie habe deshalb auf die Prüfpraxis vertrauen dürfen. Da die Beklagte ihr keine entsprechenden Arbeitgeberinfos habe zukommen lassen, gelte der Vertrauensschutz jedenfalls bis zum Beginn der erneuten Betriebsprüfung am 18. 9. 2001 weiter.
Eine Allgemeinverbindlichkeit der in den Bescheiden der Beklagten angegebenen Tarifverträge liege gar nicht vor. Dies resultiere daraus, dass ein Antrag der Verbandsgruppierung I. auf Allgemeinverbindlichkeit des neu abgeschlossenen Tarifvertrages vom Tarifausschuss, der vom Bundesarbeitsministerium eingesetzt worden sei, zurückgewiesen wurde. Für eine erneute Allgemeinverbindlicherklärung habe kein öffentliches Interesse bestanden: Durch das Fehlen einer für allgemeinverbindlich erklärten Tarifregelung drohten keine wesentlichen Nachteile bei den betroffenen Arbeitnehmern. Von 40.700 Arbeitnehmern der Branche fielen unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages ca. 22.000 Arbeitnehmer. Der allgemeinverbindliche Tarifvertrag gefährde aber bestehende Arbeitsplätze. Größere Betriebe könnten Lohnkostensteigerungen durch entsprechende Rationalisierungsbemühungen wesentlich effizienter umsetzen. Dadurch seien gerade kleine und mittlere Unternehmen auf Grund des fehlenden Rationalisierungspotenzials benachteiligt und müssten auf Grund des Kostendrucks Arbeitsplätze abbauen. Zudem bestehe ein starker Importwettbewerb angrenzend an die osteuropäischen Länder. Die Betriebe, die relativ nahe an den Grenzen der ehemaligen Ostblockstaaten ihren Betriebssitz hätten, könnten die Löhne eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages nicht umsetzen. Diese Sachverhalte hätten bereits für den Prüfzeitraum 1.11.1998 bis 31. 8. 2001 vorgelegen.
Das Sozialgericht habe eine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der Rechtswirksamkeit eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages. Da der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag für die Klägerin im Prüfungszeitraum nicht gelte, könne auch keine Unterbezahlung der Arbeitnehmer vorliegen, mit der weiteren Folge, dass auch keine Sozialversicherungsbeiträge wegen einer angeblichen Lohn/Gehaltsdifferenz zwischen der tatsächlichen Bezahlung und dem vermeintlich für allgemeinverbindlich gehaltenen Tarifvertrag nachgefordert werden könnten. Vielmehr hätten die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge überhaupt gar nicht für allgemein verbindlich erklärt werden dürfen, weil hierfür ein öffentliches Interesse fehle. Damit scheide eine rechtswirksame Tarifbindung aus.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, für ihre Betriebsprüfung sei allein maßgeblich, dass ein Tarifvertrag eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung erlangt habe. Die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung sei vom prüfenden Rentenversicherungsträger nicht zu überprüfen.
Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Vertrauensgrundlage müsse in einem konkreten Verhalten bestehen, das bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt habe, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werden könne. Das bloße Nichtstun reiche hierfür nicht aus. Ein Unterlassen könne ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann begründen, wenn das Nichtstun nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachtet werden müsse. Vertrauensschutz folge nicht deswegen, weil bei Betriebsprüfungen durch den Träger der Rentenversicherung das rechtlich zustehende Arbeitsentgelt nicht festgestellt worden sei.
Mit Urteil vom 22.2.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, Vertrauensschutz bestehe schon deshalb nicht, weil den früheren Betriebsprüfungen nicht der Zweck inne gewohnt habe, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm "Entlastung" zu erteilen. Seien die Prüfbehörden ihrem Auftrag zur vollständigen Beitragserhebung nur unzureichend nachgekommen, rechtfertige dies keine "Übergangsregelung" zu Gunsten von Arbeitgebern, welche die Gesamtsozialversicherungsbeiträge bei untertariflicher Bezahlung nach dem Zuflussprinzip berechnet hätten.
Unstreitig sei, dass der maßgebende Gehaltstarifvertrag für das Wäschereigewerbe für allgemeinverbindlich erklärt worden sei. Eine Rechtswidrigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung könne nicht festgestellt werden. Das Ministerium habe bei der Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheine, einen außerordentlich weiten Beurteilungsspielraum. Eine gerichtliche Überprüfung komme deshalb nur insoweit in Betracht, als der Behörde wesentliche Fehler vorzuwerfen seien. Dies komme schon darin zum Ausdruck, dass ein öffentliches Interesse nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorliegen müsse, sondern nur "geboten erscheinen sein müsse". Zum Anderen biete auch die verfahrensmäßige Absicherung der Interessensabwägung durch Beteiligung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern ausreichende Gewähr dafür, dass das zuständige Ministerium seinen weiten Beurteilungsspielraum sachgemäß nutze. Aus dem Umstand, dass ein neuer Tarifvertrag mit Wirkung ab 1.7.2002 nicht mehr für allgemeinverbindlich erklärt worden sei, könne nicht geschlossen werden, dass schon bei früheren Allgemeinverbindlicherklärungen das Ministerium den Begriff des "öffentlichen Interesses" verkannt habe. Wenn die Klägerseite anführe, ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag gefährde bestehende Arbeitsplätze, weil größere Betriebe Lohnkostensteigerungen durch entsprechende Rationalisierungen wesentlich effizienter umsetzen könnten als kleinere, wodurch es zu einem Konzentrationsprozess in der Branche komme, so gelte dieses Argument im Grundsatz bei sämtlichen Tarifverträgen aller denkbaren Branchen, die für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Wäre das Argument entscheidend, könnte das öffentliche Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung niemals bejaht werden. Der zusätzliche starke Importwettbewerb habe sich in den 90er Jahren angebahnt und in den letzten Jahren verstärkt. Wenn der neue Tarifvertrag erst im Sommer 2002 nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sei, bedeutet dies nicht, dass die Verzerrungen durch den starken Importwettbewerb erst zu diesem Zeitpunkt aufgetreten wären. Insgesamt vermochte das SG nicht erkennen, dass das zuständige Bundesministerium schon früheren Tarifverträgen die Allgemeinverbindlicherklärung hätte versagen müssen.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 18.4.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. 5. 2006 Berufung eingelegt. Die Vorinstanz halte zwar die im Streit befindliche Allgemeinverbindlicherklärung für justiziabel, wolle jedoch die Rechtsüberprüfungskompetenz auf erkennbare wesentliche Fehler der Behörde beschränken. Hierfür gäbe es keine gesetzliche Vorschrift. Außerdem seien die Entscheidungen bzgl. der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erkennbar mit Fehlern behaftet. Sie habe ausdrücklich vorgetragen, dass Industriebetriebe einen Lohnkostenanteil von 35 % hätten, mittelständische und kleinere Unternehmen hingegen einen Lohnkostenanteil von 50 %. Dies bedeute, dass in jeder Erhöhung der Lohnkosten auf Grund eines bindenden Tarifvertrages sich die Wettbewerbssituation mittelständischer Unternehmer und erst Recht kleinerer Unternehmer verschlechtere. Insoweit sei es gerade geboten, und zwar im öffentlichem Interesse, keine Allgemeinverbindlichkeit zu erklären. Bei einer derartigen Lohnkostendifferenz liege ein wesentlicher Fehler des Ministeriums vor, wenn dieses eine Allgemeinverbindlichkeit erkläre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Februar 2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2001 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 8. Juli 2002, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2002 insoweit aufzuheben, als die Beklagte der Beitragsnachberechnung tarifliche Mindestlöhne für die Beigeladenen Nr. 7-16 anstelle der tatsächlich gezahlten niedrigeren Entgelte zu Grunde gelegt habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend.
Die Beigeladenen Nr. 3, 5 und 6 halten das Urteil des SG für zutreffend, die übrigen Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren weder geäußert noch Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündlicher Verhandlung zugestimmt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die bei einem Nachforderungsbetrag von 10.715,10 Euro gem. § 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das SG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist nicht begründet. Der angefochtene Nachforderungsbescheid ist rechtmäßig. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beigeladenen Nr. 7-16 waren in den von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 25.09.2001 aufgeführten Zeiträumen versicherungspflichtig beschäftigt.
Eine für die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -), in der Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -), in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) vorausgesetzte Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt lag - was von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt wird - vor. Entgegen der Beurteilung der Klägerin waren die Beigeladenen Nr. 7-16 jedoch nicht wegen Verrichtung einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV (in den im streitigen Zeitraum geltenden Fassungen) versicherungsfrei. Zwar war vertraglich ein Stundenlohn von 11 bzw. 12 DM vereinbart, sodass das nach den geleisteten Arbeitsstunden tatsächlich gezahlte Entgelt stets unter der Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV lag. Jedoch wurde auf Grund des tarifvertraglich geschuldeten Entgeltes die Grenze einer geringfügigen Beschäftigung überschritten.
Im Zeitraum vom 1.11.1998 - 31.8.2001 galt für gewerbliche Arbeitnehmer, also auch für die Beigeladenen Nr. 7-16, der maßgebende Lohntarifvertrag für das Wäschereigewerbe, der mit Wirkung vom 1.5.1997, 1.5.1999 und 1.8.2000 durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für allgemeinverbindlich erklärt worden war. Dieser sah in Lohngruppe I ab 1.5.1999 einen Stundenlohn von 14,33 DM, ab 1.7.1999 einen von 14,79 DM bzw. ab 1.8.2000 von 15,17 DM vor. Auf Grund der Allgemeinverbindlicherklärungen erfassten die Tarifverträge gem. § 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) in ihrem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit durch die Allgemeinverbindlicherklärung auf nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer hängt dabei nicht von deren Kenntnis ab (vgl. BSG Urt. v. 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - Rn 30 m.w.N.). Die Rechtsnormen des Tarifvertrages gelten somit nicht nur unmittelbar und zwingend zwischen den tarifgebunden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG), sondern auch zwischen den nichtorganisierten Arbeitgebern und deren Arbeitnehmern. Die zwingende Ordnung eines Tarifvertrages verbietet somit jede nachteilige Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers, sie verschafft diesem - etwa zur Höhe des Entgelts - eine nicht entziehbare tarifliche Rechtsposition (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12. Auflage, § 204 Rdnr. 15).
Den Beigeladenen Nr. 7-16 stand somit ungeachtet der abweichenden - unwirksamen - individualvertraglichen Vereinbarungen im fraglichen Zeitraum tariflich ein höheres als das tatsächlich gezahlte Entgelt zu. Unter Zugrundelegung des tariflichen Stundenlohns wurden die Entgeltgrenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV jeweils deutlich überschritten. Dies ist zwischen den Beteiligten weder dem Grunde nach noch in rechnerischer Hinsicht streitig.
Entscheidend ist sowohl für die Versicherungspflicht als auch für die Beitragshöhe das geschuldete Arbeitsentgelt. Es gilt nach ständiger Rechtssprechung des BSG das Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip (hierzu zuletzt grundlegend BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 7/04 R -). Maßgebend für die Berechnung der Beiträge ist damit nicht das tatsächlich ausgezahlte Entgelt, sondern das Entgelt, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit der Beiträge ein Rechtsanspruch bestand. Dies gilt auch ausdrücklich für eine untertarifliche Bezahlung und zwar selbst dann, wenn der Arbeitnehmer - wie hier - mit ihr einverstanden gewesen war. Würde anderes gelten, würden gerade die Arbeitgeber, die gegenüber ihren Arbeitnehmern rechtswidrig handeln, sich Vorteile gegenüber den Arbeitgebern verschaffen, welche die Entgelte ordnungsgemäß zahlten. Somit wären die Arbeitgeber im Vorteil, die die Allgemeinverbindlicherklärung ignorieren im Vergleich zu den Arbeitgebern, die rechtstreu die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge anwenden. Nach der Rechtsprechung des BSG ist somit auch bei untertariflicher Bezahlung die Versicherungspflicht nach dem tariflich zustehenden und nicht lediglich nach dem tatsächlich den Arbeitnehmern zugeflossenen Arbeitsentgelt zu beurteilen (BSG Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 7/04 R Juris Umdruck RN 26 -). Soweit ersichtlich wird die grundsätzliche Geltung des Entstehungsprinzips von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt.
Die Klägerin bestreitet vielmehr die Verbindlichkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Sie ist der Auffassung, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen bei zutreffender Würdigung des Begriffes des "öffentlichen Interesses" nicht hätte erfolgen dürfen. Mit dieser Auffassung kann sie bereits beitragsrechtlich nicht durchdringen. Davon abgesehen hält der Senat ihr Vorbringen aber auch sonst nicht für stichhaltig.
Für den Beginn der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und damit für den Beginn der Versicherungsverhältnisse kommt es nach dem Schutzzweck der Sozialversicherung nicht darauf an, ob und wann der Arbeitgeber das mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsentgelt tatsächlich zahlt und dieses dem Arbeitnehmer zufließt (vgl. BSG E 75,61,65). Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch verzögerte oder verkürzte Zahlung des Arbeitsentgelts über den Versicherungsschutz des Arbeitsnehmers zu verfügen. Ob ein bestimmter Arbeitnehmer in seiner Beschäftigung der Versicherungspflicht unterliegt, muss bei Aufnahme der Beschäftigung und danach zu jeder Zeit mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können.
Gem. § 22 Abs. 1 SGB IV entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Das BSG (vgl. zu alledem Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 7/04 R RN 36 ff. sowie BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - Juris Umdruck RN 34) hat daraus abgeleitet, dass die Vorschrift keine Unterscheidung danach duldet, ob der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt zahlt und der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es noch verlangen könnte. Derartige Bedingungen würden das Entstehen oder den endgültigen Bestand einer Beitragsforderung von zahlreichen Unsicherheiten abhängig machen, wie beispielsweise von der Geltendmachung des Anspruchs auf nichtgezahltes Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer, dem Eingreifen tariflicher Ausschlussklauseln, der Verjährung des Anspruchs, der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber oder einem etwaigen Verzicht des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt. Unter derartige Vorbehalte sind Beitragsansprüche nach dem SGB IV nicht gestellt (BSG Urt. v. 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - Rn 34).
Ist eine entsprechende Beitragsforderung jedoch einmal entstanden, so können die Arbeitsvertragsparteien das Versicherungsverhältnis in seiner öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung durch ein späteres Verhalten für die Vergangenheit nicht mehr beeinflussen, sondern seine Änderung lediglich für die Zukunft nach Maßgabe der neuen Entgeltvereinbarungen bewirken. So führt beispielsweise die Vereinbarung einer rückwirkenden Lohnerhöhung nicht dazu, dass schon in der Vergangenheit auch ein höheres Entgelt entstanden ist (vgl. BSG E 22,162). Entsprechend vermag eine rückwirkende Verringerung des Entgelts eine einmal entstandene Beitragsforderung nicht zum Erlöschen zu bringen. Auch ist es für den Beitragsanspruch ohne Einfluss, wenn der entstandene Entgeltanspruch später verfällt (BSG Urteil vom 30.8.1994 - 12 RK 59/92).
Diese Rechtsauffassung führt zwar zu einer gewissen Inkongruenz zwischen Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, wenn der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich eine tarifliche Entlohnung jedenfalls nach einer gewissen Zeit wegen tariflicher Ausschlussklauseln, Verjährung oder Verzicht nicht mehr durchsetzen kann, gleichwohl aber selbst dann noch Beiträge gegenüber dem Arbeitgeber festgesetzt werden dürfen. Gerechtfertigt wird dies mit dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung, wenn Versicherungsverhältnisse auf der Grundlage bestehender Tarifverträge durchgeführt werden müssen und dadurch eine untertarifliche Bezahlung weder den Versicherungsschutz der Arbeitnehmer beeinträchtigen darf noch sich Arbeitgeber Vorteile gegenüber tariflich zahlenden Arbeitgebern verschaffen können (BSG aaO Rn 43).
Ausgehend hiervon kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, der zuständige Bundesminister hätte damals die Allgemeinverbindlicherklärung wegen fehlenden öffentlichen Interesses nicht aussprechen dürfen. Mit diesem Argument führt die Klägerin (viele Jahre später) eine Bedingung in das Arbeitsverhältnis ein, das im nachhinein den Bestand der Beitragsforderung in Frage stellen könnte. Dies ist mit dem Grundsatz unvereinbar, dass die Beitragsforderung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses dem Grunde und der Höhe nach feststehen muss. Wie alle erst nach Entstehung der Beitragsforderung gegen das Arbeitsverhältnis gerichteten Einwendungen kann auch hier die Einrede der zu Unrecht erfolgten Allgemeinverbindlicherklärung unter der Geltung des Entstehungsprinzips beitragsrechtlich nicht berücksichtigt werden. War somit der Entgeltanspruch ohne Bedingung entstanden und Grundlage von Versicherungsverhältnissen mit Beitragsforderungen, ist daraus abzuleiten, dass auch eine nachträgliche Erkenntnis, dass das zuständige Ministerium die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht hätte aussprechen dürfen, nicht zu einem Wegfall der Beitragsforderungen führen kann. Es wäre Sache der Klägerin bzw. des sie vertretenden Interessenverbandes gewesen, die Allgemeinverbindlicherklärung zeitnah gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies ist nicht geschehen. Deshalb ist davon auszugehen, dass bei Entstehung der Beitragsforderung objektiv Tarifvertragsrecht galt.
Aber auch bei Zugrundelegung des Rechtsstandpunktes der Klägerin könnte ihrer Meinung, das Bundesministerium hätte den Tarifvertrag nicht für allgemeinverbindlich erklären dürfen, nicht gefolgt werden.
Nach § 5 TVG in der vom 1.11.1974 bis 27.11.2003 geltenden Fassung kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären, wenn 1.) die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 von 100 der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und
2.) die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.
Von diesen Voraussetzungen liegt nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die erste vor. Von ca. 41.700 Arbeitnehmern des Wäschereigewerbes waren 22.000 gewerkschaftlich organisiert und fielen deswegen unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages. Soweit die Allgemeinverbindlicherklärung weiter voraussetzt, dass sie "im öffentlichen Interesse geboten erscheint", ist der zuständigen Behörde ein außerordentlich weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. Eine gerichtliche Überprüfung kommt deshalb nur insoweit in Betracht, als der Behörde wesentliche Fehler vorzuwerfen sind. Dies folgt bereits daraus, dass nach dem Gesetzeswortlaut ein öffentliches Interesse nur "geboten erscheinen" muss. Zum Anderen bietet die verfahrensmäßige Absicherung der Interessenabwägung eine ausreichende Gewähr dafür, dass das für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Ministerium seinen kraft Gesetzes weiten Beurteilungsspielraum sachgemäß nutzt (BAG Urteil vom 22.9.1993 - 10 AZR 371/92).
Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das zuständige Ministerium seinen Beurteilungsspielraum nicht sachgemäß ausgeübt hätte. Die Klägerin argumentiert im Wesentlichen damit, ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung mit Wirkung ab 1.7.2002 sei vom Tarifausschuss wegen mangelnden öffentlichen Interesses an der Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages zurückgewiesen worden. Die Klägerin meint, wegen der durch die Allgemeinverbindlicherklärung hervorgerufenen Lohnsteigerungen wäre sonst ein Konzentrationsprozess in Gang gesetzt worden, der zum Verlust von Arbeitsplätzen geführt hätte, was nicht im öffentlichen Interesse liege. Außerdem wären Konzernbetriebe mit geringem Personalkostenanteil im Vorteil gegenüber mittelständischen Unternehmen mit Personalkosten von knapp 50 %. Zu Recht hat das SG insoweit bereits darauf hingewiesen, dass die Argumente der zu erwartenden Rationalisierungen nach Lohnkostensteigerung bzw. der Begünstigung von weniger personalintensiven Einheiten gegenüber personalintensiven Firmen im Grundsatz bei sämtlichen Tarifverträgen aller denkbarer Branchen gelten, die für allgemeinverbindlich erklärt werden. Die Argumente gelten aber nicht nur für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge, sondern im Prinzip auch für sämtliche tariflichen Einkommenssteigerungen. Auch diese zwingen Arbeitgeber zu verstärkten Rationalisierungsbemühungen und belasten Firmen - je nach deren wirtschaftlicher Situation - unterschiedlich. Übersehen wird bei der Argumentation der Klägerin allerdings, dass die Allgemeinverbindlicherklärung nicht ein Instrument ist, um vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebunden Firmen herzustellen, sondern in erster Linie dazu gedacht ist, tariflich ungebundenen Arbeitnehmern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern. Den Arbeitnehmern soll durch die Allgemeinverbindlicherklärung der im Tarifvertrag vereinbarte Lohn gesichert werden, um Lohnabweichungen nach unten zu verhindern. Das Abstellen allein auf die Situation der Unternehmen verkennt somit den Schutzzweck der Allgemeinverbindlicherklärungen (vgl. in diesem Zusammenhang auch BAG v. 24.1.1979 - AP 16 zu § 5 TVG , wonach die Allgemeinverbindlicherklärung grundsätzlich nicht mit Wettbewerbserwägungen der Unternehmen untereinander begründet werden kann).
Insgesamt vermag der Senat damit die Argumente der Klägerin nicht als so schwerwiegend anzusehen, dass daraus auf das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Entscheidung des Ministeriums geschlossen werden könnte. Damit kommt auch nach der Rechtsprechung des BAG ( A. A.O sowie Urteil vom 28.3.1990 - 4 AZR 536/89) eine gerichtliche Kontrolle der Einhaltung des Beurteilungsspielraums nicht in Betracht. Es bestand somit für den Senat kein Anlass, die Akten über die damaligen Allgemeinverbindlicherklärungen heranzuziehen und die Entscheidungen des Ministeriums im Nachhinein zu überprüfen.
Die Beklagte und das SG haben schließlich zu Recht Vertrauensschutz verneint. Der Umstand, dass bei früheren Betriebsprüfungen die auch damals bereits geltende Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für das Wäschereigewerbe nicht beanstandet wurde, rechtfertigt kein Vertrauen darauf, dass auch zukünftig von Beitragsforderungen abgesehen wird. Ein Verwirkungstatbestand liegt insoweit nicht vor. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen für die Sozialversicherung anerkannt (vgl. etwa BSGE 47,194,196 sowie Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 10/02 R -). Allerdings hat weder die Beklagte noch vorher eine Einzugsstelle der Klägerin durch ein konkretes Verhalten das Vertrauen vermittelt, die Entgelte für die als geringfügig Beschäftigte angestellten Wäschereimitarbeiter seien unter den bisherigen Umständen in jedem Fall beitragsfrei.
Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen von nichtversicherungspflichtigen Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen. Auch den Prüfberichten kommt keine andere Bedeutung zu (vgl. dazu BSG Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 10/02 R -). Dass in früheren Prüfberichten sich die Betriebsprüfer mit der Allgemeinverbindlicherklärung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse auseinandergesetzt hätten, ist von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Konkreter Vertrauensschutz aus irgendwelchen schriftlichen Dokumenten wird insoweit auch nicht behauptet. Das bloße Unterlassen einer entsprechenden Beanstandung führt aber nach der zitierten Rechtsprechung des BSG noch nicht zur Annahme von Vertrauensschutz.
Nach alledem erweist sich die Nachforderung der Beklagten über insgesamt 10.715,10 Euro als rechtmäßig. Dies hat das SG zutreffend entschieden, weswegen die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a i.V.m. § 154 VwGO. Der Streitwert entspricht der Höhe des Nachforderungsbetrages.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Verfahren erster und zweiter Instanz jeweils auf 10.715,10 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit geht um eine Beitragsnachforderung von 10.715,10 Euro. Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob das auf Grund einer Allgemeinverbindlicherklärung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung tariflich geschuldete Arbeitsentgelt der Beitragsnachforderung zu Grunde gelegt werden durfte.
Die Klägerin betreibt eine Wäscherei und ist im Wesentlichen für Krankenhäuser, Altersheime, Restaurants, Hotels, Handwerker und auch Privatpersonen tätig und zwar in Deutschland und in Frankreich. Sie beschäftigte im hier streitigen Zeitraum zwischen dem 1.1.1997 und dem 31. 8. 2001 zahlreiche Arbeitnehmer in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, darunter auch die Beigeladenen Nr. 7-16. Mit ihnen schloss die Beklagte Anstellungsverträge für eine geringfügige Beschäftigung ab, in denen eine monatliche Arbeitszeit zwischen 50 und 60 Stunden sowie ein Bruttolohn von DM 11 bzw. DM 12 vereinbart wurde. Der für die Klägerin maßgebende Tarifvertrag des Wäschereigewerbes, vereinbart zwischen dem Industrieverband T.-I. e.V. sowie der tarifpolitischen Arbeitsgemeinschaft Textilreinigung im deutschen Textilreinigungs-Verband, Bonn, einerseits und der Industriegewerkschaft Metall, Frankfurt, andererseits wurde durch Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung u.a. vom 19.10.2000 bzw. 07.09.1999 für allgemeinverbindlich erklärt.
Anlässlich einer Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV - für den Prüfungszeitraum 1.1.1997 bis 31.8.2001 wurde im September 2001 (neben zwei weiteren Punkten) beanstandet, dass die Beigeladenen Nr. 7-16 als geringfügig Beschäftigte bezahlt und (beitragsrechtlich) behandelt wurden, obwohl ihnen bei Anwendung des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages für das Wäschereigewerbe höheres Arbeitsentgelt (14,33 DM bzw. 15,17 DM statt 11 bzw. 12 DM) zustand und sie wegen des höheren geschuldeten Arbeitsentgelts der Versicherungspflicht unterlagen.
Mit Bescheid vom 25.9.2001 stellte die Beklagte eine Nachforderung über 21.403,74 DM fest und wies die Klägerin darauf hin, dass die gleichzeitig festgestellten zuviel gezahlten pauschalen Beiträge in Höhe von 8.839,98 DM von den Krankenkassen zurückerstattet würden. Die Höhe des Beitragsanspruches richte sich nach den vom Arbeitgeber geschuldeten Leistungen. Die Entstehung des Beitragsanspruches sei nicht davon abhängig, ob das geschuldete Arbeitsentgelt ausgezahlt und dem Arbeitnehmer zugeflossen sei. Gem. § 4 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits tarifgebundenen, aber auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sofern es sich um einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag handele. Dies habe zur Folge, dass die normativen Tarifbestimmungen automatisch den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gestalteten, ohne dass es auf die Billigung oder auch Kenntnis der Parteien ankomme. Mit Wirkung vom 1.5.1997, 1.5.1999 und 1.8.2000 sei der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Wäschereigewerbe der alten Bundesländer durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die Klägerin und ihre Beschäftigten unterlägen sowohl dem räumlichen, fachlichen als auch dem persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages. In der Zeit vom 1.11.1998 bis 31.8.2001 seien für verschiedene Aushilfsbeschäftigte (Daueraushilfen) die geschuldeten Mindestarbeitsentgelte einzelvertraglich unterschritten worden. Somit seien aus den nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag zustehenden Arbeitsentgelten Sozialversicherungsbeiträge nachzuberechnen.
Die Klägerin erhob Widerspruch und machte Vertrauensschutz geltend. Bereits zum Zeitpunkt der letzten Betriebsprüfung am 30.4.1995 habe ihr Unternehmen (ebenso wie in den vergangenen Jahren) die Aushilfskräfte mit einem geringeren Entgelt bezahlt, obwohl auch damals bereits die Allgemeinverbindlichkeit bestanden habe. Da es aber bei der damaligen Prüfung keine Beanstandung gegeben habe, sei sie der Ansicht gewesen, dass bis zur nächsten Prüfung insoweit Vertrauensschutz bestehe. Dies bestätige auch ein Urteil des SG Gelsenkirchen vom 2.11.2001 - S 24 KR 125/00. Weil bei einem Arbeitnehmer ein zu hoher Stundenlohn zu Grunde gelegt worden war, half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als die Höhe der Nachforderung auf insgesamt 10.715,10 Euro reduziert wurde (Bescheid vom 8.7.2002). Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2002 wies sie den Widerspruch im Übrigen zurück. Bei der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass in der Zeit vom 1.11.1998 bis 31.8.2001 für verschiedene Aushilfsbeschäftige (Daueraushilfen), die nach den allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für das Wäschereigewerbe geschuldeten Mindestarbeitslöhne einzelvertraglich unterschritten worden seien. Die zutreffenden Arbeitslöhne seien gem. § 2 i. V. mit den Anlagen 1-3 der jeweils gültigen Tarifverträge ermittelt und für die Beurteilung der Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit zu Grunde gelegt worden. Bei mehren Aushilfsbeschäftigten habe dies dazu geführt, dass bei Berücksichtigung dieser Entgelte die Geringfügigkeitsgrenzen des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IV überschritten worden seien und daher Versicherungspflicht vorgelegen habe. Die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge seien nachgefordert worden. Die Entstehung des Beitragsanspruchs hänge nicht davon ab, ob das geschuldete Arbeitsentgelt auch tatsächlich gezahlt worden sei. Unterschreite der tatsächlich gezahlte Lohn den durch die Allgemeinverbindlicherklärung festgesetzten Mindestlohn, sei die Differenz der Beitragsberechnung zu Grunde zu legen. Ein die Beitragsnachforderung ausschließender Vertrauensschutz bestehe nicht. Dem Rechtsgedanken des Vertrauensschutzes sei grundsätzlich bereits durch die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 SGB IV Rechnung getragen worden. Soweit in der Prüfpraxis bislang keine Nachforderungen auf Grund untertariflicher Lohn- und Gehaltszahlung erhoben worden seien, begründe dies keinen Vertrauensschutz. Eine insoweit verbindliche Zusage über die beitragsrechtliche Bewertung sei nicht getroffen worden. Frühere Betriebsprüfungen schafften selbst dann keinen Vertrauensschutz, wenn die Nichtabführung von Beiträgen durch die Betriebsprüfer nicht beanstandet worden sei. Das Vertrauen, Sozialversicherungsbeiträge nur für das tatsächlich gezahlte untertarifliche Arbeitsentgelt entrichten zu müssen, sei auch nicht schutzwürdig. Der Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmern nicht das aus einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag zustehende Arbeitsentgelt zahle, handele rechtswidrig. Er könne nicht darauf vertrauen, nunmehr in Fortsetzung dieses rechtswidrigen Verhaltens auch die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen zu müssen.
Die Klägerin erhob hiergegen am 18.11.2002 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Freiburg. Zum Einen bestehe unverändert Vertrauensschutz; der jetzt zu einer Nachforderung führende Sachverhalt habe bereits am 30.4.1995 bei der letzten Betriebsprüfung vorgelegen, damals sei die Behandlung der Aushilfskräfte nicht gerügt worden. Sie habe deshalb auf die Prüfpraxis vertrauen dürfen. Da die Beklagte ihr keine entsprechenden Arbeitgeberinfos habe zukommen lassen, gelte der Vertrauensschutz jedenfalls bis zum Beginn der erneuten Betriebsprüfung am 18. 9. 2001 weiter.
Eine Allgemeinverbindlichkeit der in den Bescheiden der Beklagten angegebenen Tarifverträge liege gar nicht vor. Dies resultiere daraus, dass ein Antrag der Verbandsgruppierung I. auf Allgemeinverbindlichkeit des neu abgeschlossenen Tarifvertrages vom Tarifausschuss, der vom Bundesarbeitsministerium eingesetzt worden sei, zurückgewiesen wurde. Für eine erneute Allgemeinverbindlicherklärung habe kein öffentliches Interesse bestanden: Durch das Fehlen einer für allgemeinverbindlich erklärten Tarifregelung drohten keine wesentlichen Nachteile bei den betroffenen Arbeitnehmern. Von 40.700 Arbeitnehmern der Branche fielen unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages ca. 22.000 Arbeitnehmer. Der allgemeinverbindliche Tarifvertrag gefährde aber bestehende Arbeitsplätze. Größere Betriebe könnten Lohnkostensteigerungen durch entsprechende Rationalisierungsbemühungen wesentlich effizienter umsetzen. Dadurch seien gerade kleine und mittlere Unternehmen auf Grund des fehlenden Rationalisierungspotenzials benachteiligt und müssten auf Grund des Kostendrucks Arbeitsplätze abbauen. Zudem bestehe ein starker Importwettbewerb angrenzend an die osteuropäischen Länder. Die Betriebe, die relativ nahe an den Grenzen der ehemaligen Ostblockstaaten ihren Betriebssitz hätten, könnten die Löhne eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages nicht umsetzen. Diese Sachverhalte hätten bereits für den Prüfzeitraum 1.11.1998 bis 31. 8. 2001 vorgelegen.
Das Sozialgericht habe eine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der Rechtswirksamkeit eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages. Da der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag für die Klägerin im Prüfungszeitraum nicht gelte, könne auch keine Unterbezahlung der Arbeitnehmer vorliegen, mit der weiteren Folge, dass auch keine Sozialversicherungsbeiträge wegen einer angeblichen Lohn/Gehaltsdifferenz zwischen der tatsächlichen Bezahlung und dem vermeintlich für allgemeinverbindlich gehaltenen Tarifvertrag nachgefordert werden könnten. Vielmehr hätten die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge überhaupt gar nicht für allgemein verbindlich erklärt werden dürfen, weil hierfür ein öffentliches Interesse fehle. Damit scheide eine rechtswirksame Tarifbindung aus.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, für ihre Betriebsprüfung sei allein maßgeblich, dass ein Tarifvertrag eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung erlangt habe. Die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung sei vom prüfenden Rentenversicherungsträger nicht zu überprüfen.
Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen. Die Vertrauensgrundlage müsse in einem konkreten Verhalten bestehen, das bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt habe, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werden könne. Das bloße Nichtstun reiche hierfür nicht aus. Ein Unterlassen könne ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann begründen, wenn das Nichtstun nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachtet werden müsse. Vertrauensschutz folge nicht deswegen, weil bei Betriebsprüfungen durch den Träger der Rentenversicherung das rechtlich zustehende Arbeitsentgelt nicht festgestellt worden sei.
Mit Urteil vom 22.2.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, Vertrauensschutz bestehe schon deshalb nicht, weil den früheren Betriebsprüfungen nicht der Zweck inne gewohnt habe, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm "Entlastung" zu erteilen. Seien die Prüfbehörden ihrem Auftrag zur vollständigen Beitragserhebung nur unzureichend nachgekommen, rechtfertige dies keine "Übergangsregelung" zu Gunsten von Arbeitgebern, welche die Gesamtsozialversicherungsbeiträge bei untertariflicher Bezahlung nach dem Zuflussprinzip berechnet hätten.
Unstreitig sei, dass der maßgebende Gehaltstarifvertrag für das Wäschereigewerbe für allgemeinverbindlich erklärt worden sei. Eine Rechtswidrigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung könne nicht festgestellt werden. Das Ministerium habe bei der Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheine, einen außerordentlich weiten Beurteilungsspielraum. Eine gerichtliche Überprüfung komme deshalb nur insoweit in Betracht, als der Behörde wesentliche Fehler vorzuwerfen seien. Dies komme schon darin zum Ausdruck, dass ein öffentliches Interesse nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorliegen müsse, sondern nur "geboten erscheinen sein müsse". Zum Anderen biete auch die verfahrensmäßige Absicherung der Interessensabwägung durch Beteiligung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern ausreichende Gewähr dafür, dass das zuständige Ministerium seinen weiten Beurteilungsspielraum sachgemäß nutze. Aus dem Umstand, dass ein neuer Tarifvertrag mit Wirkung ab 1.7.2002 nicht mehr für allgemeinverbindlich erklärt worden sei, könne nicht geschlossen werden, dass schon bei früheren Allgemeinverbindlicherklärungen das Ministerium den Begriff des "öffentlichen Interesses" verkannt habe. Wenn die Klägerseite anführe, ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag gefährde bestehende Arbeitsplätze, weil größere Betriebe Lohnkostensteigerungen durch entsprechende Rationalisierungen wesentlich effizienter umsetzen könnten als kleinere, wodurch es zu einem Konzentrationsprozess in der Branche komme, so gelte dieses Argument im Grundsatz bei sämtlichen Tarifverträgen aller denkbaren Branchen, die für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Wäre das Argument entscheidend, könnte das öffentliche Interesse an der Allgemeinverbindlicherklärung niemals bejaht werden. Der zusätzliche starke Importwettbewerb habe sich in den 90er Jahren angebahnt und in den letzten Jahren verstärkt. Wenn der neue Tarifvertrag erst im Sommer 2002 nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sei, bedeutet dies nicht, dass die Verzerrungen durch den starken Importwettbewerb erst zu diesem Zeitpunkt aufgetreten wären. Insgesamt vermochte das SG nicht erkennen, dass das zuständige Bundesministerium schon früheren Tarifverträgen die Allgemeinverbindlicherklärung hätte versagen müssen.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 18.4.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. 5. 2006 Berufung eingelegt. Die Vorinstanz halte zwar die im Streit befindliche Allgemeinverbindlicherklärung für justiziabel, wolle jedoch die Rechtsüberprüfungskompetenz auf erkennbare wesentliche Fehler der Behörde beschränken. Hierfür gäbe es keine gesetzliche Vorschrift. Außerdem seien die Entscheidungen bzgl. der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erkennbar mit Fehlern behaftet. Sie habe ausdrücklich vorgetragen, dass Industriebetriebe einen Lohnkostenanteil von 35 % hätten, mittelständische und kleinere Unternehmen hingegen einen Lohnkostenanteil von 50 %. Dies bedeute, dass in jeder Erhöhung der Lohnkosten auf Grund eines bindenden Tarifvertrages sich die Wettbewerbssituation mittelständischer Unternehmer und erst Recht kleinerer Unternehmer verschlechtere. Insoweit sei es gerade geboten, und zwar im öffentlichem Interesse, keine Allgemeinverbindlichkeit zu erklären. Bei einer derartigen Lohnkostendifferenz liege ein wesentlicher Fehler des Ministeriums vor, wenn dieses eine Allgemeinverbindlichkeit erkläre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Februar 2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2001 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 8. Juli 2002, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2002 insoweit aufzuheben, als die Beklagte der Beitragsnachberechnung tarifliche Mindestlöhne für die Beigeladenen Nr. 7-16 anstelle der tatsächlich gezahlten niedrigeren Entgelte zu Grunde gelegt habe.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend.
Die Beigeladenen Nr. 3, 5 und 6 halten das Urteil des SG für zutreffend, die übrigen Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren weder geäußert noch Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündlicher Verhandlung zugestimmt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die bei einem Nachforderungsbetrag von 10.715,10 Euro gem. § 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das SG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist nicht begründet. Der angefochtene Nachforderungsbescheid ist rechtmäßig. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beigeladenen Nr. 7-16 waren in den von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid vom 25.09.2001 aufgeführten Zeiträumen versicherungspflichtig beschäftigt.
Eine für die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -), in der Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -), in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) vorausgesetzte Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt lag - was von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt wird - vor. Entgegen der Beurteilung der Klägerin waren die Beigeladenen Nr. 7-16 jedoch nicht wegen Verrichtung einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV (in den im streitigen Zeitraum geltenden Fassungen) versicherungsfrei. Zwar war vertraglich ein Stundenlohn von 11 bzw. 12 DM vereinbart, sodass das nach den geleisteten Arbeitsstunden tatsächlich gezahlte Entgelt stets unter der Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV lag. Jedoch wurde auf Grund des tarifvertraglich geschuldeten Entgeltes die Grenze einer geringfügigen Beschäftigung überschritten.
Im Zeitraum vom 1.11.1998 - 31.8.2001 galt für gewerbliche Arbeitnehmer, also auch für die Beigeladenen Nr. 7-16, der maßgebende Lohntarifvertrag für das Wäschereigewerbe, der mit Wirkung vom 1.5.1997, 1.5.1999 und 1.8.2000 durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für allgemeinverbindlich erklärt worden war. Dieser sah in Lohngruppe I ab 1.5.1999 einen Stundenlohn von 14,33 DM, ab 1.7.1999 einen von 14,79 DM bzw. ab 1.8.2000 von 15,17 DM vor. Auf Grund der Allgemeinverbindlicherklärungen erfassten die Tarifverträge gem. § 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) in ihrem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit durch die Allgemeinverbindlicherklärung auf nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer hängt dabei nicht von deren Kenntnis ab (vgl. BSG Urt. v. 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - Rn 30 m.w.N.). Die Rechtsnormen des Tarifvertrages gelten somit nicht nur unmittelbar und zwingend zwischen den tarifgebunden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG), sondern auch zwischen den nichtorganisierten Arbeitgebern und deren Arbeitnehmern. Die zwingende Ordnung eines Tarifvertrages verbietet somit jede nachteilige Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers, sie verschafft diesem - etwa zur Höhe des Entgelts - eine nicht entziehbare tarifliche Rechtsposition (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12. Auflage, § 204 Rdnr. 15).
Den Beigeladenen Nr. 7-16 stand somit ungeachtet der abweichenden - unwirksamen - individualvertraglichen Vereinbarungen im fraglichen Zeitraum tariflich ein höheres als das tatsächlich gezahlte Entgelt zu. Unter Zugrundelegung des tariflichen Stundenlohns wurden die Entgeltgrenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV jeweils deutlich überschritten. Dies ist zwischen den Beteiligten weder dem Grunde nach noch in rechnerischer Hinsicht streitig.
Entscheidend ist sowohl für die Versicherungspflicht als auch für die Beitragshöhe das geschuldete Arbeitsentgelt. Es gilt nach ständiger Rechtssprechung des BSG das Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip (hierzu zuletzt grundlegend BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 7/04 R -). Maßgebend für die Berechnung der Beiträge ist damit nicht das tatsächlich ausgezahlte Entgelt, sondern das Entgelt, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit der Beiträge ein Rechtsanspruch bestand. Dies gilt auch ausdrücklich für eine untertarifliche Bezahlung und zwar selbst dann, wenn der Arbeitnehmer - wie hier - mit ihr einverstanden gewesen war. Würde anderes gelten, würden gerade die Arbeitgeber, die gegenüber ihren Arbeitnehmern rechtswidrig handeln, sich Vorteile gegenüber den Arbeitgebern verschaffen, welche die Entgelte ordnungsgemäß zahlten. Somit wären die Arbeitgeber im Vorteil, die die Allgemeinverbindlicherklärung ignorieren im Vergleich zu den Arbeitgebern, die rechtstreu die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge anwenden. Nach der Rechtsprechung des BSG ist somit auch bei untertariflicher Bezahlung die Versicherungspflicht nach dem tariflich zustehenden und nicht lediglich nach dem tatsächlich den Arbeitnehmern zugeflossenen Arbeitsentgelt zu beurteilen (BSG Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 7/04 R Juris Umdruck RN 26 -). Soweit ersichtlich wird die grundsätzliche Geltung des Entstehungsprinzips von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt.
Die Klägerin bestreitet vielmehr die Verbindlichkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Sie ist der Auffassung, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen bei zutreffender Würdigung des Begriffes des "öffentlichen Interesses" nicht hätte erfolgen dürfen. Mit dieser Auffassung kann sie bereits beitragsrechtlich nicht durchdringen. Davon abgesehen hält der Senat ihr Vorbringen aber auch sonst nicht für stichhaltig.
Für den Beginn der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und damit für den Beginn der Versicherungsverhältnisse kommt es nach dem Schutzzweck der Sozialversicherung nicht darauf an, ob und wann der Arbeitgeber das mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsentgelt tatsächlich zahlt und dieses dem Arbeitnehmer zufließt (vgl. BSG E 75,61,65). Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch verzögerte oder verkürzte Zahlung des Arbeitsentgelts über den Versicherungsschutz des Arbeitsnehmers zu verfügen. Ob ein bestimmter Arbeitnehmer in seiner Beschäftigung der Versicherungspflicht unterliegt, muss bei Aufnahme der Beschäftigung und danach zu jeder Zeit mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können.
Gem. § 22 Abs. 1 SGB IV entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Das BSG (vgl. zu alledem Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 7/04 R RN 36 ff. sowie BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - Juris Umdruck RN 34) hat daraus abgeleitet, dass die Vorschrift keine Unterscheidung danach duldet, ob der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt zahlt und der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es noch verlangen könnte. Derartige Bedingungen würden das Entstehen oder den endgültigen Bestand einer Beitragsforderung von zahlreichen Unsicherheiten abhängig machen, wie beispielsweise von der Geltendmachung des Anspruchs auf nichtgezahltes Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer, dem Eingreifen tariflicher Ausschlussklauseln, der Verjährung des Anspruchs, der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber oder einem etwaigen Verzicht des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt. Unter derartige Vorbehalte sind Beitragsansprüche nach dem SGB IV nicht gestellt (BSG Urt. v. 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - Rn 34).
Ist eine entsprechende Beitragsforderung jedoch einmal entstanden, so können die Arbeitsvertragsparteien das Versicherungsverhältnis in seiner öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung durch ein späteres Verhalten für die Vergangenheit nicht mehr beeinflussen, sondern seine Änderung lediglich für die Zukunft nach Maßgabe der neuen Entgeltvereinbarungen bewirken. So führt beispielsweise die Vereinbarung einer rückwirkenden Lohnerhöhung nicht dazu, dass schon in der Vergangenheit auch ein höheres Entgelt entstanden ist (vgl. BSG E 22,162). Entsprechend vermag eine rückwirkende Verringerung des Entgelts eine einmal entstandene Beitragsforderung nicht zum Erlöschen zu bringen. Auch ist es für den Beitragsanspruch ohne Einfluss, wenn der entstandene Entgeltanspruch später verfällt (BSG Urteil vom 30.8.1994 - 12 RK 59/92).
Diese Rechtsauffassung führt zwar zu einer gewissen Inkongruenz zwischen Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, wenn der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich eine tarifliche Entlohnung jedenfalls nach einer gewissen Zeit wegen tariflicher Ausschlussklauseln, Verjährung oder Verzicht nicht mehr durchsetzen kann, gleichwohl aber selbst dann noch Beiträge gegenüber dem Arbeitgeber festgesetzt werden dürfen. Gerechtfertigt wird dies mit dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung, wenn Versicherungsverhältnisse auf der Grundlage bestehender Tarifverträge durchgeführt werden müssen und dadurch eine untertarifliche Bezahlung weder den Versicherungsschutz der Arbeitnehmer beeinträchtigen darf noch sich Arbeitgeber Vorteile gegenüber tariflich zahlenden Arbeitgebern verschaffen können (BSG aaO Rn 43).
Ausgehend hiervon kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, der zuständige Bundesminister hätte damals die Allgemeinverbindlicherklärung wegen fehlenden öffentlichen Interesses nicht aussprechen dürfen. Mit diesem Argument führt die Klägerin (viele Jahre später) eine Bedingung in das Arbeitsverhältnis ein, das im nachhinein den Bestand der Beitragsforderung in Frage stellen könnte. Dies ist mit dem Grundsatz unvereinbar, dass die Beitragsforderung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses dem Grunde und der Höhe nach feststehen muss. Wie alle erst nach Entstehung der Beitragsforderung gegen das Arbeitsverhältnis gerichteten Einwendungen kann auch hier die Einrede der zu Unrecht erfolgten Allgemeinverbindlicherklärung unter der Geltung des Entstehungsprinzips beitragsrechtlich nicht berücksichtigt werden. War somit der Entgeltanspruch ohne Bedingung entstanden und Grundlage von Versicherungsverhältnissen mit Beitragsforderungen, ist daraus abzuleiten, dass auch eine nachträgliche Erkenntnis, dass das zuständige Ministerium die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht hätte aussprechen dürfen, nicht zu einem Wegfall der Beitragsforderungen führen kann. Es wäre Sache der Klägerin bzw. des sie vertretenden Interessenverbandes gewesen, die Allgemeinverbindlicherklärung zeitnah gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies ist nicht geschehen. Deshalb ist davon auszugehen, dass bei Entstehung der Beitragsforderung objektiv Tarifvertragsrecht galt.
Aber auch bei Zugrundelegung des Rechtsstandpunktes der Klägerin könnte ihrer Meinung, das Bundesministerium hätte den Tarifvertrag nicht für allgemeinverbindlich erklären dürfen, nicht gefolgt werden.
Nach § 5 TVG in der vom 1.11.1974 bis 27.11.2003 geltenden Fassung kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären, wenn 1.) die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 von 100 der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und
2.) die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.
Von diesen Voraussetzungen liegt nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die erste vor. Von ca. 41.700 Arbeitnehmern des Wäschereigewerbes waren 22.000 gewerkschaftlich organisiert und fielen deswegen unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages. Soweit die Allgemeinverbindlicherklärung weiter voraussetzt, dass sie "im öffentlichen Interesse geboten erscheint", ist der zuständigen Behörde ein außerordentlich weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. Eine gerichtliche Überprüfung kommt deshalb nur insoweit in Betracht, als der Behörde wesentliche Fehler vorzuwerfen sind. Dies folgt bereits daraus, dass nach dem Gesetzeswortlaut ein öffentliches Interesse nur "geboten erscheinen" muss. Zum Anderen bietet die verfahrensmäßige Absicherung der Interessenabwägung eine ausreichende Gewähr dafür, dass das für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Ministerium seinen kraft Gesetzes weiten Beurteilungsspielraum sachgemäß nutzt (BAG Urteil vom 22.9.1993 - 10 AZR 371/92).
Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das zuständige Ministerium seinen Beurteilungsspielraum nicht sachgemäß ausgeübt hätte. Die Klägerin argumentiert im Wesentlichen damit, ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung mit Wirkung ab 1.7.2002 sei vom Tarifausschuss wegen mangelnden öffentlichen Interesses an der Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages zurückgewiesen worden. Die Klägerin meint, wegen der durch die Allgemeinverbindlicherklärung hervorgerufenen Lohnsteigerungen wäre sonst ein Konzentrationsprozess in Gang gesetzt worden, der zum Verlust von Arbeitsplätzen geführt hätte, was nicht im öffentlichen Interesse liege. Außerdem wären Konzernbetriebe mit geringem Personalkostenanteil im Vorteil gegenüber mittelständischen Unternehmen mit Personalkosten von knapp 50 %. Zu Recht hat das SG insoweit bereits darauf hingewiesen, dass die Argumente der zu erwartenden Rationalisierungen nach Lohnkostensteigerung bzw. der Begünstigung von weniger personalintensiven Einheiten gegenüber personalintensiven Firmen im Grundsatz bei sämtlichen Tarifverträgen aller denkbarer Branchen gelten, die für allgemeinverbindlich erklärt werden. Die Argumente gelten aber nicht nur für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge, sondern im Prinzip auch für sämtliche tariflichen Einkommenssteigerungen. Auch diese zwingen Arbeitgeber zu verstärkten Rationalisierungsbemühungen und belasten Firmen - je nach deren wirtschaftlicher Situation - unterschiedlich. Übersehen wird bei der Argumentation der Klägerin allerdings, dass die Allgemeinverbindlicherklärung nicht ein Instrument ist, um vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebunden Firmen herzustellen, sondern in erster Linie dazu gedacht ist, tariflich ungebundenen Arbeitnehmern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern. Den Arbeitnehmern soll durch die Allgemeinverbindlicherklärung der im Tarifvertrag vereinbarte Lohn gesichert werden, um Lohnabweichungen nach unten zu verhindern. Das Abstellen allein auf die Situation der Unternehmen verkennt somit den Schutzzweck der Allgemeinverbindlicherklärungen (vgl. in diesem Zusammenhang auch BAG v. 24.1.1979 - AP 16 zu § 5 TVG , wonach die Allgemeinverbindlicherklärung grundsätzlich nicht mit Wettbewerbserwägungen der Unternehmen untereinander begründet werden kann).
Insgesamt vermag der Senat damit die Argumente der Klägerin nicht als so schwerwiegend anzusehen, dass daraus auf das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Entscheidung des Ministeriums geschlossen werden könnte. Damit kommt auch nach der Rechtsprechung des BAG ( A. A.O sowie Urteil vom 28.3.1990 - 4 AZR 536/89) eine gerichtliche Kontrolle der Einhaltung des Beurteilungsspielraums nicht in Betracht. Es bestand somit für den Senat kein Anlass, die Akten über die damaligen Allgemeinverbindlicherklärungen heranzuziehen und die Entscheidungen des Ministeriums im Nachhinein zu überprüfen.
Die Beklagte und das SG haben schließlich zu Recht Vertrauensschutz verneint. Der Umstand, dass bei früheren Betriebsprüfungen die auch damals bereits geltende Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für das Wäschereigewerbe nicht beanstandet wurde, rechtfertigt kein Vertrauen darauf, dass auch zukünftig von Beitragsforderungen abgesehen wird. Ein Verwirkungstatbestand liegt insoweit nicht vor. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen für die Sozialversicherung anerkannt (vgl. etwa BSGE 47,194,196 sowie Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 10/02 R -). Allerdings hat weder die Beklagte noch vorher eine Einzugsstelle der Klägerin durch ein konkretes Verhalten das Vertrauen vermittelt, die Entgelte für die als geringfügig Beschäftigte angestellten Wäschereimitarbeiter seien unter den bisherigen Umständen in jedem Fall beitragsfrei.
Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen von nichtversicherungspflichtigen Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen. Auch den Prüfberichten kommt keine andere Bedeutung zu (vgl. dazu BSG Urteil vom 14.7.2004 - B 12 KR 10/02 R -). Dass in früheren Prüfberichten sich die Betriebsprüfer mit der Allgemeinverbindlicherklärung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse auseinandergesetzt hätten, ist von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Konkreter Vertrauensschutz aus irgendwelchen schriftlichen Dokumenten wird insoweit auch nicht behauptet. Das bloße Unterlassen einer entsprechenden Beanstandung führt aber nach der zitierten Rechtsprechung des BSG noch nicht zur Annahme von Vertrauensschutz.
Nach alledem erweist sich die Nachforderung der Beklagten über insgesamt 10.715,10 Euro als rechtmäßig. Dies hat das SG zutreffend entschieden, weswegen die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a i.V.m. § 154 VwGO. Der Streitwert entspricht der Höhe des Nachforderungsbetrages.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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