L 3 SB 3612/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1295/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3612/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) von wenigstens 50, mithin die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, streitig.

Bei dem 1960 geborenen Kläger ist seit 1997 ein GdB von 40 unter Berücksichtigung einer Einnierigkeit (Teil-GdB 30) und eines Wirbelsäulenschmerzsyndroms (Teil-GdB 20) festgestellt (Bescheid vom 16.09.1997). Mehrere nachfolgende Neufeststellungsanträge des Klägers blieben ohne Erfolg. Aufgrund einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. Hübert vom 06.12.2001 berücksichtigte der Beklagte jedoch seit diesem Zeitpunkt einen Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden. Eine Änderung der Gesamtbeurteilung folgte hieraus jedoch nicht.

Am 28.10.2004 stellte der Kläger erneut einen Neufeststellungsantrag und verwies auf eine Verschlimmerung seines Wirbelsäulenleidens, auf beidseitige Kniebeschwerden und einen Tennisarm. Unter Berücksichtigung eines radiologischen Befundberichtes (Kernspintomographie der HWS und LWS sowie Kernspintomographie der Hüftgelenke) und eines Befundberichtes des Orthopäden Dr. R. bewertete Prof. Dr. K. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 22.01.2005 das Fehlen der linken Niere mit einem Teil-GdB von 30, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden mit einem Teil-GdB von 30 sowie eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes und eine Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenkes mit einem Teil-GdB von 10. Eine Meniskusverletzung am rechten Knie und ein Zustand nach einer Operation eines Carpaltunnelsyndroms rechts stellten keine Funktionsbeeinträchtigung dar und bewirkten daher keinen GdB von wenigstens 10. Insgesamt hielt er den GdB auch weiterhin mit 40 für angemessen bewertet. Der Beklagte lehnte hierauf den Antrag auf Neufeststellung des GdB ab (Bescheid vom 01.02.2005). Zur Begründung führte er aus, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht eingetreten sei. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass bereits aus den Teil-GdB-Werten von zweimal 30 ein Gesamt-GdB von 50 erreicht sei. Einen GdB von 30 habe der Beklagte auch schon seit 04.12.2001 berücksichtigt. Hinzu trete noch eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes sowie eine Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenkes, die unzureichend mit einem Teil-GdB von nur 10 bewertet seien. Darüber hinaus bestünde eine Funktionsbehinderung der rechten Hand mit Taubheitsgefühl. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit Bescheid vom 03.06.2005 lehnte der Beklagte den im Widerspruchsverfahren gestellten Antrag ab, den GdB mit 50 seit dem 04.12.2001 festzustellen.

Bereits am 30.05.2005 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er hat daran festgehalten, dass der Gesamt-GdB nicht richtig berechnet sei. Der Rechtsprechung zufolge sei der GdB für die zweite Behinderung zur Hälfte anzurechnen. Dies bedeute, dass allein durch das Fehlen der linken Niere sowie durch die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ein Gesamt-GdB von 45, aufgerundet 50, bestehe. Jedenfalls liege unter Berücksichtigung der Funktionsbehinderungen am linken Schultergelenk sowie am rechten Ellenbogengelenk die Schwerbehinderteneigenschaft vor. Darüber hinaus sei seines Erachtens die Einzelbewertung der Funktionsbeeinträchtigungen an der gesamten Wirbelsäule mit schmerzreduzierter Beweglichkeit um 2/3, wie dies Dr. R. angegeben habe, zu niedrig bemessen worden. Die Funktionsbehinderungen am linken Schultergelenk und am rechten Ellenbogengelenk seien getrennt zu bewerten. Hierfür sei jeweils mindestens ein GdB von 10 anzusetzen.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen von sachverständigen Zeugenaussagen beim Orthopäden Dr. R. und der Hausärztin Dr. O ... Der Orthopäde hat ein chronisches therapieresistentes LWS-Syndrom, eine chronische Epicondylose rechts, ein Impingement der linken Schulter, eine Cervikobrachialgie bei Bandscheibenvorfällen HWK 5/6 und 6/7, rezidivierende Reizzustände im Kniegelenk rechts und die operative Versorgung eines Carpaltunnelsyndroms rechts im November 2004 als Diagnosen angegeben. Er hat gleichbleibende chronische Beschwerden hauptsächlich im Bereich der HWS und LWS beschrieben. Der GdB wurde von ihm mit 40 eingeschätzt. Der sachverständigen Zeugenaussagen waren zahlreiche orthopädische, schmerztherapeutische und neurochirurgische Befundberichte verschiedener Behandler und Einrichtungen beigefügt. Die behandelnde Hausärztin Dr. O. hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 17.10.2005 eine arterielle Hypertonie - hyperkinetisches Herzsyndrom, einen Diabetes mellitus Typ II (nur Diät), eine Fettleber, eine Hyperuricämie, und einen proktitischen Rezidivabszess als Diagnosen angegeben. Die arterielle Hypertonie sowie der Diabetes mellitus II seien nur leichteren Grades und bislang ohne Komplikationen oder Folgeschäden. Sie schränkten das Leistungsvermögen des Klägers nicht ein. Auf ihrem Fachgebiet schätze sie den GdB auf 10 bis 15.

Unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 15.11.2005 hat der Beklagte an seiner Entscheidung festgehalten. Der diätetisch führbare Diabetes sei bei einem normalen Blutzuckerwert und HbA1c-Wert nicht als Behinderung zu werten. Der Teil-GdB für die fehlende Niere links erreiche einen GdB von 30 nur im Rahmen der Aufrundung. Die Halswirbelsäule habe sich nach den vorliegenden Befundberichten nur lediglich leichtgradig behindert und die Rumpfwirbelsäule bei einem Fingerbodenabstand von 0 cm (bei einer vollständigen Entfaltbarkeit der Lenden- sowie der Brustwirbelsäule) als weitgehend unbehindert gezeigt. Lediglich aufgrund der vorbeschriebenen Bandscheibenschäden sei der bisher festgestellte GdB von 30 weiterhin gerechtfertigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.06.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat den GdB für das Wirbelsäulenleiden mit 30 für angemessen bewertet gehalten. Auch unter Berücksichtigung eines GdB von 30 für den Verlust der Niere und der Funktionsbehinderungen am linken Schultergelenk und am rechten Ellenbogengelenk sei der Gesamt-GdB mit 40 angemessen bewertet.

Gegen den dem Kläger am 20.06.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 20.07.2006 Berufung eingelegt. Mit ihr verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft weiter. Er legt einen Bericht des G.-Klinikums über eine stationäre Behandlung vom 19.04. bis 27.04.2006 (operative Versorgung eines Bandscheibenvorfallrezidivs in Höhe LWK 4/5) vor, außerdem das arbeitsamtsärztliche Gutachten der Agentur für Arbeit Konstanz vom 30.08.2006, woraus sich neben dem Hauptleiden, den therapieresistenten Schmerzen und dem Belastungsdefizit des Stütz- und Bewegungsapparates, auch ein Bluthochdruck und eine Stoffwechselstörung entnehmen lässt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die schriftliche Vernehmung des Facharztes für Innere Medizin Dr. J., des Neurochirurgen Dr. H. und des Orthopäden Dr. R ... In seiner Zeugenaussage vom 01.12.2006 hat Dr. J. mitgeteilt, dass der Diabetes mellitus diätetisch gut und die Harnsäure mit Tabletten gut eingestellt und der Blutdruck trotz medikamentöser Therapie leicht erhöht sei. Für die Einzel-Niere setze er einen GdB von 30, für den Diabetes und für den Bluthochdruck jeweils einen GdB von 20 und für die Harnsäure einen GdB von 10 an. Insgesamt halte er einen GdB von 50 und unter Mitberücksichtigung der orthopädischen Erkrankungen einen GdB von 70 für angemessen. Der Neurochirurg Dr. H. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 18.12.2006 die Auffassung vertreten, dass bei massiven chronischen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule ein GdB von 80 anzusetzen sei. Der Kläger klage über ausgeprägte Rücken- und Beinschmerzen mit einer seit dem Jahr 2000 deutlichen Verschlechterung der Symptomatik. Der Orthopäde Dr. R. hat einen Zustand nach subacromialer Dekompression der linken Schulter 7/2002, eine chronische Lumbalgie, einen Innenmeniskus-Hinterhornriss rechts, den Ausschluss einer Coxarthrose, eine Tendinitis calcarea der linken Schulter, einen Prolaps L5/S1 mit Nervenkompression, eine Protrusion L 4/5 und eine spinale Enge, eine Unkarthrose C 3/4, ein operiertes Carpaltunnelsyndrom rechts 11/04, ein HWS-Syndrom, eine Innenmeniskusreizung links, eine bekannte Borreliose, eine Nukleotomie L5/S1, eine Re-Operation mit Sequesterentfernung 11/06 beschrieben und insgesamt auf seinem Fachgebiet einen GdB von 50 für angemessen erachtet, allerdings hat er die Einschränkungen an der Wirbelsäule mit einem GdB von 60 bewertet.

Der Senat hat hierauf Prof. Dr. W., Freiburg, mit der Erstellung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 28.06.2007 (Untersuchung am 18.06.2007) beschreibt der Sachverständige die Rumpfmuskulatur kräftig entwickelt und nicht verspannt oder druckempfindlich. Ein Fingerbodenabstand von minimal 10 cm sei erreicht worden, bei der Beweglichkeitsprüfung der Hals- und Brustwirbelsäule seien keine Schmerzen geäußert worden, die Beweglichkeit der Hals- und Brustwirbelsäule sei frei, die der Lendenwirbelsäule nur leicht eingeschränkt gewesen. Das Lasègue´sche Zeichen sei beidseits negativ und es seien auch keine pathologischen Reflexe festzustellen gewesen. Beim Durchbewegen beider Kniegelenke habe der Kläger Schmerzen angegeben, die Beweglichkeit hat der Sachverständige beidseits mit 0/0/140 angegeben. Insgesamt seien bei der Begutachtung an den Stütz- und Bewegungsorganen nur geringfügige Veränderungen festzustellen gewesen. Es handele sich um eine leichte Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, um diverse Operationsnarben (rechter Ellenbogen, rechtes Handgelenk, linke Schulter, Lendenwirbelsäule) und um eine leichtgradige Wirbelsäulendeformität im Sinne eines Flachrückens. Die Funktionsstörungen der Lendenwirbelsäule sei Symptom einer chronischen bandscheibenbedingten Erkrankung. Bei den operativen Eingriffen im Jahr 2006 seien Bandscheibenvorfälle im Bewegungssegment L 4/5 entfernt worden. Die Eingriffe seien wegen der angegebenen Schmerzen und nicht wegen sensibler, motorischer oder vegetativer Lähmungserscheinungen durchgeführt worden. Im Bereich der Lendenwirbelsäule sei von einer mittelgradigen Behinderung auszugehen, die in den letzten Jahren im Wesentlichen unverändert sei. Präoperativ könne für das Jahr 2006 von vorübergehenden Phasen einer schlechteren Wirbelsäulensymptomatologie ausgegangen werden, die jedoch nicht für längere Zeit angehalten habe. Am rechten Ellenbogengelenk seien derzeit und nach operativer Behandlung einer Epicondylitis humeri radialis keine krankhaften Veränderungen vorhanden. An der linken Schulter gebe es lediglich diskrete Hinweiszeichen für eine Periarthritis humero scapularis in der Sonderform eines Supraspinatussyndroms ohne relevante Funktionsdefizite. Insgesamt hält er einen GdB von 20 für angemessen.

Der Kläger legt hierauf einen Bericht des G.-Klinikums S. vom 02.07.2007 über einen stationären Aufenthalt vom 25.06.2007 bis 02.07.2007 vor. Dort wurde am 26.06.2007 eine Spondylodese mit Schrauben- und Stabsystem und intervertebralem Cage durchgeführt. Außerdem legt der Kläger ein orthopädisch-traumatologisches Gutachten von Dr. A., Konstanz, vom 31.05.2007 (Untersuchung am 11.05.2007) vor, das im Auftrag des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in einem Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (L 10 R 783/06) erstellt worden war, vor. In diesem Gutachten wird bei der Funktionsprüfung der Wirbelsäule bei der Rotation nach links endgradig eine Schmerzangabe beschrieben. Beim Vorneigen bleibe ein Fingerbodenabstand von 10 cm beim Rückneigen bestünde ein scharfer Schmerz. Ebenso sei das Seitneigen endgradig schmerzhaft, es finde sich ein ausgeprägtes Nervenwurzel-Reizzeichen mit einem Lasègue´sche Zeichen rechts von 70 Grad und ein Bragard-Zeichen, das beidseits positiv sei. Die Sensibilität sei seitengleich, die Patellar-Sehnenreflexe seien beidseits abgeschwächt, aber vorhanden. Die Achilles-Sehnenreflexe seien beidseits auch mit Kunstgriff nicht auslösbar gewesen. Die Brustwirbelsäule weise eine vermehrte Kyphose, die Lendenwirbelsäule eine vermehrte Lordose auf. Schultergelenke, Ellenbogengelenke und Handgelenke sowie auch Hüft- und Kniegelenke seien seitengleich frei beweglich. Nur am rechten Kniegelenk bestehe ein starker endgradiger Schmerz bei der Beugung. Dr. A. geht von einem sog. Postdisektomiesyndrom als Folgeerkrankung der Bandscheibenoperationen aus. Dies führe zu massiven Schmerzen in der Lendenwirbelsäule bei schwerer degenerativer Veränderung der Bandscheibe und der kleinen Wirbelgelenke. Die Schmerzen seien auch mit Schmerzmitteln nicht mehr beeinflussbar, die Klagen des Klägers glaubhaft.

Hierauf hat der Senat erneut Dr. H. als sachverständigen Zeugen gehört. Er beschreibt in seiner Aussage vom 28.03.2008 ein chronisches Schmerzsyndrom bei multisegmentalen LWS-Degenerationen, einen Zustand nach Spondylodese am 26.06.2007 im Bereich der LWK 4/5 und ein HWS-Syndrom. Die computertomographische Untersuchung der LWS zeige einen regelrechten postoperativen Zustand, mit einer regelrechten Lage der Schrauben in den Wirbelkörpern, ohne Nachweis eines neu aufgetretenen Bandscheibenvorfalls oder einer Spinalkanaleinengung. Die S1- Wurzeln seien beidseits eindeutig frei, so dass das Ziehen auf der dorsalen Seite der Oberschenkel nicht als radiculäre Symptomatik angesehen werden könne. Bei deutlichen Spondylarthrosen auf der Etage LWK5/SWK1 seien diese im Sinne von pseudoradiculären Ausstrahlungen zu deuten. Nach der Spondylodese (Versteifung) auf der Etage LWK 4/5 sei eine minimale Bewegungseinschränkung aufgetreten. Aufgrund der Schmerzsymtomatik könne der Kläger allerdings nicht belastet werden, bzw. bestimmte Bewegungen nicht durchführen. Der Schmerz habe einen undulierenden Verlauf mit Schmerzspitzen und einem zusätzlichen Grundschmerz, der permanent vorhanden sei. Die Schmerzen seien nur im Rücken lokalisiert mit pseudoradikulärer Ausstrahlung auf die dorsale Seite des Oberschenkels, die nicht aufgrund einer Nervenkompression zustande käme. Eine Verschlechterung des neurologischen Zustandes sei postoperativ nicht eingetreten. Neurologische Ausfälle bestünden nicht, die Schmerzsymptomatik müsse als schwer bezeichnet werden und bedürfe der ständigen Therapie. Die Behandlung finde bereits seit längerer Zeit mit hoch dosierten Opiaten und auch peripheren Analgetika statt. Des weiteren müssten bei Schmerzspitzen Facettenblockaden durchgeführt werden, die zu einer deutlichen Linderung der Symptomatik führten.

Der Kläger hält daran fest, dass die gravierenden Schmerzzustände der Wirbelsäule nicht berücksichtigt seien. Im Übrigen müsse auch bei zweimal 50 v.H. (gemeint wohl 30 v.H.) sowie dreimal 10 v.H. sicherlich die Schwerbehinderteneigenschaft anerkannt werden.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2006 den Bescheid vom 01. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2005 und den Bescheid vom 03. Juni 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von mindestens 50 seit 04. Dezember 2001 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegen getreten. Er hält zunächst die von den sachverständigen Zeugen vertretenen GdB-Einschätzungen für überhöht. Ein diätetisch einstellbarer Diabetes mellitus sei nach den AHP mit einem GdB von 10 zu bewerten. Bezüglich des Bluthochdruckes seien wesentliche Folgeschäden nicht angegeben worden oder aktenkundig. Auch hierfür sei ein maximaler GdB von 10 anzusetzen. Das Gutachten von Prof. Dr. W. belege eine freie Beweglichkeit der Hals- und Brustwirbelsäule und eine allenfalls geringgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Würde man diese geringgradigen Bewegungseinschränkungen zugrunde legen, ergäbe sich für das Wirbelsäulenleiden allenfalls ein Teil-GdB von 10. Mit dem bisher zuerkannten Teil-GdB von 30 müssten die in der Auskunft von Dr. H. beschriebenen Schmerzen als mitberücksichtigt angesehen werden. Neben dem Fehlen der linken Niere sei eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, der Bandscheibenschaden und ein chronisches Schmerzsyndrom ebenfalls mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes und die Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenkes rechtfertigten einen Teil-GdB von 10, der Diabetes mellitus (mit Diät einstellbar) und der Bluthochdruck jeweils ebenfalls einen Teil-GdB von 10. Insgesamt sei daher auch weiterhin ein GdB von 40 festzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger verfolgt sein auf Feststellung eines höheren GdB gerichtetes Begehren auch im Berufungsverfahren mit der - allein - statthaften kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gem. § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weiter. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Ablehnung der Neufeststellung des GdB auf den Änderungsantrag des Klägers vom 28.10.2004 hin sowie (gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) die an § 44 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zu messende Ablehnung des Beklagten, den Bescheid vom 16.09.1997 mit Wirkung ab 4.12.2001 abzuändern und ab diesem Zeitpunkt den GdB mit 50 festzustellen.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, auch wenn es ausdrücklich nicht auch über die rückwirkende Feststellung des begehrten GdB entschieden hat. Beim Kläger ist keine wesentliche Änderung in seinen gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten, die einen Gesamt-GdB von mehr als 40 rechtfertigen könnte.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn und soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt dann vor, wenn sich durch das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen oder durch eine Verschlimmerung der anerkannten Gesundheitsstörungen der Gesundheitszustand so verschlechtert, dass sich hierdurch der GdB um mehr als 5 senkt oder erhöht.

Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehindert anzuerkennen ist, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.

Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP), die derzeit in der Ausgabe 2008 vorliegen, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R in J.is), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätze wird die Bewertung des GdB mit insgesamt 40 den vorliegenden Einschränkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in ausreichendem Maße gerecht. Eine Schwerbehinderung, und sei es auch nur für einen vorübergehenden Zeitraum, liegt nicht vor.

Die Einschränkungen an der Wirbelsäule sind mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. Diese isoliert höhere Bewertung des GdB (im Vergleich zu der, die dem Bescheid vom 16.09.1997 noch zugrunde gelegen hat) hat der Beklagte bereits seiner Bewertung aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Hübert vom 06.12.2001 berücksichtigt, freilich ohne dass sich hierdurch - und zu Recht (wie noch ausgeführt wird) - der Gesamt-GdB erhöht hat. Dies ist auch nach Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden.

Der GdB in dieser Höhe rechtfertigt sich allein aus den im Bereich der Lendenwirbelsäule lokalisierten Schmerzen. Für diesen Bereich geht der Senat von schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt aus, die nach den AHP 2008, Seite 116, aufgrund der vorliegenden, durch die Befundberichte der behandelnden Ärzte einerseits wie auch durch die vorliegenden Gutachten andererseits bestätigten häufig rezidivierenden und Wochen andauernden ausgeprägten Wirbelsäulensyndrome die Annahme eines GdB von 30 rechtfertigen. Die Gutachten von Prof. Dr. W. und von Dr. A. belegen übereinstimmend eine nur unwesentlich eingeschränkte Funktion der Wirbelsäule. So wird übereinstimmend der Finger-Boden-Abstand mit 10 cm angegeben. Im Übrigen entsprechen die mitgeteilten Bewegungsmaße im Gutachten von Prof. Dr. W. der Beweglichkeit der Gelenke gesunder Menschen nach der Neutral-Null-Methode. Wesentlich andere Befunde beschreibt auch Dr. A. nicht. Seine Befundbeschreibung weicht von der des Prof. Dr. W. nur insoweit ab, als bei der Rotation nach links sowie beim Seitneigen ein endgradiger Schmerz und ein scharfer Schmerz beim Rückneigen angegeben wird. Auch die Versteifungsoperation im Juni 2007 hat nach der Auskunft von Dr. H. nur zu einer "minimalen Bewegungseinschränkung" geführt. Wesentlich für die Bewertung des GdB sind damit allein die von Prof. Dr. W. noch als somatoforme Schmerzstörung, von Dr. A. als Postdisektomiesyndrom oder von Dr. H. als pseudoradikuläre Ausstrahlungen bezeichneten Beschwerden.

Im Gegensatz zur Begutachtung bei Prof. Dr. W. (Untersuchung Juni 2007) fanden sich bei der im Mai 2007 durchgeführten gutachterlichen Untersuchung ausgeprägte Nervenwurzel-reizzeichen mit einem Lasègue´schen Zeichen rechts von 70 Grad und einem Bragard Zeichen, das beidseits positiv war. Deutlich schlechter als bei der Begutachtung bei Prof. W. fielen bei Dr. A. die Reflexprüfungen aus. Stellte Prof. Dr. W. hier keinen pathologischen Befund fest, waren im Mai 2007 die Patellar-Sehnenreflexe beidseits nur abgeschwächt vorhanden und der Achillessehnenreflex beidseits auch "mit Kunstgriff" nicht auslösbar. Einen hiermit übereinstimmenden Befund hat auch Dr. H. mitgeteilt (PSR seitengleich schwach auslösbar, ausgefallene ASR beidseits). Das Lasègue´sche Zeichen gibt er im klassischen Sinn als beidseits negativ an, berichtet aber von einem Ziehen auf der dorsalen Seite der Oberschenkel beidseits. Sensomotorische Ausfälle, Lähmungserscheinungen, neurologische Ausfälle werden aber von keinem der Begutachter oder behandelnden Ärzte beschrieben. Die deutlich besseren Befunde der Untersuchung bei Prof. Dr. W. belegen ein noch schwankendes Beschwerdebild, das insgesamt aufgrund der übereinstimmenden Schilderungen der Beschwerden durch Dr. A. und durch Dr. H. einen GdB von 30 rechtfertigt.

Dieser GdB von 30 ist nicht deshalb zu erhöhen, weil auch im Bereich der Halswirbelsäule Einschränkungen vorliegen. Zwar bestätigt die MRT vom 19.10.2004 (Bl. 146 der Akten der Beklagten) eine Unkarthrose C 3/4 links mit linksseitiger leichter Foraminastenose, die insoweit vorliegenden Befund- und Behandlungsberichte belegen aber keine wenigstens als mittelgradig zu bezeichnenden funktionellen Auswirkungen in diesem Wirbelsäulenabschnitt. Abgesehen von der linksseitigen leichten Foraminastenose werden die übrigen cervikalen Bandscheibensegmente als regelrecht beschrieben. Die MRT hat darüber hinaus keinen Hinweis auf einen Bandscheibenprolaps, keinen Hinweis auf eine Myelonkompression, keinen Hinweis auf eine Myelopathie und auch keinen Hinweis auf entzündliche oder maligne Markrauminfiltrationen gegeben. Auch Dr. H., der den Kläger nach seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 18.12.2006 seit November 2005 ein bis zwei Mal monatlich kontinuierlich behandelt, berichtet insoweit lediglich von Einschränkungen, die von der Lendenwirbelsäule ausgehen. Und auch der behandelnde Orthopäde Dr. R. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 27.12.2006 lediglich die Diagnose der Unkartrose C 3/4 links angegeben, gleichzeitig aber (nur) beschrieben, dass der Kläger regelmäßig über Schmerzen in der LWS, beiden Hüften und beiden Schultern klage. Insoweit wird von ihm auch nur ein HWS-Syndrom ohne weiteren Befund angegeben. Übereinstimmend hiermit haben sowohl Prof. Dr. W. als auch Dr. A. in ihren Gutachten keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen der Halswirbelsäule feststellen können. Insoweit rechtfertigen die in diesem Bereich festgestellten nur im bildgebenden Verfahren nachgewiesenen Veränderungen keine Erhöhung des GdB für die Wirbelsäule insgesamt.

Ein höherer GdB für diesen Bereich ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen nach den AHP (26.18) auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallserscheinungen GdB Werte über 30 in Betracht kommen. Der GdB wird hier im Wesentlichen und ohne weitergehende Einschränkungen an der Wirbelsäule durch die schmerzbedingte Beeinträchtigung begründet und ist insoweit auch mit den Vorgaben schwerer funktioneller Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vergleichbar.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der der Beurteilung des Beklagten zugrundeliegenden AHP 1996 und 2004, die keine abweichende Beurteilung der Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule enthalten. Seit 2001 lässt sich ein im Wesentlichen gleichbleibender Befund feststellen, wie Prof Dr. W. in seinem Gutachten (vgl. Bl. 81 d. Senatsakten) ausgeführt hat.

Das Fehlen einer Niere bei Gesundheit der anderen Niere wird nach den AHP 2008, 26.12 (und damit übereinstimmend auch nach den AHP 1996 und 2004) mit einem GdB von 25 bewertet. Dieser Wert ist nach den AHP 2008, 18 (4) auf den über dem Fünfergrad gelegenen Zehnergrad zu erhöhen, wenn die Gesundheitsstörung dem beschriebenen genau entspricht oder etwas ungünstiger ist. Der vom Beklagten hierfür berücksichtigte GdB von 30 ist daher nicht zu beanstanden. Die von Dr. J. beschriebenen mit Tabletten gut eingestellten Harnsäurewerte sind in diesem GdB bereits berücksichtigt.

Weitergehende Einschränkungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, die für sich gesehen einen GdB von mehr als 10 bedingen, liegen nicht vor. Der erstmals im Dezember 2006 von Dr. J. beschriebene allein diätetisch gut eingestellte Diabetes mellitus ist nach den AHP 2008, 26.15 (wie auch nach den AHP 2004) mit einem GdB von 10 ausreichend und angemessen bewertet. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 24.04.2008 (a.a.O.). Ausschlaggebend für die Beurteilung der Einschränkungen der Teilhabe ist danach die tatsächlich erreichte Stoffwechsellage und der hierfür erforderliche Therapieaufwand. Aufgrund der allein durch Diät erreichten guten Stoffwechsellage ist ein GdB von 10 nicht zu beanstanden.

Dies gilt auch für die Bluthochdruckerkrankung, die zwar unter Einnahme blutdrucksenkender Medikamente noch leicht erhöht (vgl. insoweit die Aussage von Dr. J.), aber bislang ohne Folgeerkrankungen geblieben ist (vgl. Aussage von Dr. O. vom 17.10.2005). Die Borreliose ist im Gegensatz zu den Aussagen der Hausärztin und des Internisten nur im Befundbericht des Orthopäden Dr. R. erwähnt worden. Insoweit sind auf Dauer vorliegende Einschränkungen weder mitgeteilt worden noch nach Aktenlage ersichtlich. Der Kläger selbst hat diesbezüglich auch keine Einschränkungen geltend gemacht, sodass nicht von einer wesentlichen Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgegangen werden kann.

Auch auf orthopädischem Fachgebiet ergeben sich, wie sich den Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. A. übereinstimmend entnehmen läst, keine weiteren funktionellen Einschränkungen, die sich erhöhend auf den Gesamt-GdB auswirken könnten. So waren sämtliche großen Gelenke frei beweglich. Nach der operativen Behandlung der Epicondylitis humeri radialis am rechten Ellenbogengelenk hat Prof. Dr. W. auch keine krankhaften Veränderungen mehr feststellen können. Ohne relevante Funktionseinschränkung war auch der Befund an der linken Schulter aufgrund des dort festgestellten Supraspinatussyndroms. Dr. A. bestätigt in seinem Gutachten trotz der dort geäußerten Schmerzen an Schultern und Ellenbogen ebenfalls eine seitengleich ausgeprägte freie Beweglichkeit der Gelenke. Der vom Beklagten diesbezüglich angenommene Teil-GdB von 10 wird den vorliegenden Einschränkungen daher in vollem Umfang gerecht. Den Akten lassen sich Befunde, die einen GdB von wenigstens 20 für einen früheren Zeitraum rechtfertigen könnten ebenfalls nicht entnehmen.

Das selbe gilt für die Hüft- und Kniegelenke, die in beiden Gutachten übereinstimmend als frei beweglich beschrieben werden. Die in den Gutachten angegebenen Schmerzen bei der Beugung (am rechten Kniegelenk, Dr. A. spricht von endgradiger Beugeunfähigkeit, die ein Arbeiten in der Hockstellung nicht erlauben würde) rechtfertigen noch keinen GdB von mehr als 10, wenn man berücksichtigt, dass die AHP (26.18) erst Streck- und Beugebehinderungen mittleren Grades mit einem GdB von 20 bewerten.

Insgesamt betrachtet wird durch die vorliegenden funktionellen Einschränkungen, wie das SG zu Recht festgestellt hat, die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist dann, wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegen, der GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Eine Addition der einzelnen Grade sowie eine andere Rechenmethode zur Bildung des Gesamt-GdB sind dabei - entgegen der Auffassung des Klägers - unzulässig. Auch eine entsprechende obergerichtliche Rechtsprechung, die die vom Kläger vorgenommene Berechnungsmethode anwendet, ist dem Senat nicht bekannt. Vielmehr ist grundsätzlich zunächst von der schwersten Funktionsbeeinträchtigung auszugehen und unter Beachtung der weiteren Beeinträchtigungen eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, in aller Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte (vgl. AHP Nr. 19 (4) S. 26). Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Ausgehend von der Funktionsbeeinträchtigung, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, hier also den Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30, ist die Erhöhung dieses GdB durch den Verlust einer Niere, der ebenfalls - aufgerundet - mit einem GdB von 30 zu berücksichtigen ist, nur insoweit vorzunehmen, als sich hierdurch ein GdB von 40 ergibt. Eine weitergehende Erhöhung ist nicht gerechtfertigt. Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird durch den Verlust der Niere bei voller Funktionsübernahme durch die erhaltene Niere - wie hier - zunächst im Wesentlichen durch die Ängste und Sorgen bezüglich der Gefährdung des noch erhaltenen Organteils beeinträchtigt. Dieser Umstand vermag zu einer Schonung und zu einer besonderen Umsicht und Vorsicht Anlass geben, die in vorliegendem Fall aber durch die Einschränkungen aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung bereits ohnehin überlagert werden. Denn aufgrund dieser Einschränkungen ist der Kläger voll erwerbsgemindert und in seiner Bewegungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Die Anhebung des GdB um 10 auf insgesamt 40 wird daher den Einschränkungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in ausreichendem Maße gerecht. Darüber hinaus ist der Kläger auch noch deutlich besser gestellt, als beispielsweise behinderte Menschen, die unter Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen leiden. Ein GdB von 50 wird hier erst bei einer völligen Versteifung großer Teile der Wirbelsäule oder bei einer erforderlichen Ruhigstellung durch eine Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst, erreicht.

Schließlich ist auch nicht von einem zeitweiligen aber über 6 Monate andauernden Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft auszugehen. Damit erweist sich auch der Bescheid des Beklagten vom 03.06.2005 nicht als rechtswidrig. Rückblickend betrachtet lässt sich eine anhaltende Verschlimmerung der Wirbelsäulensymptomatik nicht feststellen. Dies gilt auch für das Jahr 2006, in dem allein drei operative Eingriffe erfolgt sind. Nach den Angaben gegenüber Prof. Dr. W. bewertete der Kläger diese - wie auch den späteren - als erfolglos, weil die Eingriffe allenfalls über einen begrenzten Zeitraum hinweg zu einer Linderung der Schmerzen geführt haben. Auch für die Zeit vor der Antragstellung ergeben sich nach Aktenlage keine Befunde, die in der Gesamtschau die Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigen könnten.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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