L 13 AS 3658/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 2048/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3658/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Sozialgericht (SG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie selbst bei Anwendung des ab 1. April 2008 geltenden Verfahrensrechts statthaft (vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung (BGBl. I S. 444)). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Antragsteller können im Wege der einstweiligen Anordnung nicht die Verpflichtung des Antragsgegners verlangen, ihnen vorläufig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren.

Prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistung für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2005 - L 13 AS 4106/05 ER-B). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens, herbeizuführen ist, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B - veröffentlicht in Juris). Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - veröffentlicht in Juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 a.a.O. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der Senat kann offen lassen, ob die Antragsteller sich auf einen den Erlass der begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG rechtfertigenden Anordnungsgrund berufen können; Zweifel bestehen insoweit, als sich die Antragsteller nach eigenem Bekunden (zuletzt) seit Dezember 2007 im Bundesgebiet aufhalten und weder über Einkünfte noch über Vermögen verfügen, gleichwohl aber in der Lage waren, seither ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, z. B eine Wohnung anzumieten, für die Mietzahlungen von insgesamt 375,00 EUR monatlich zu leisten sind und die von den Antragstellern jedenfalls bis März 2008 auch gezahlt wurden. Jedenfalls haben die Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, als jeweils zuständiger Träger vorläufig Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII zu gewähren, besteht nicht. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das SG entschieden, dass ein entsprechender Anspruch der Antragsteller durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen wird. Der Senat nimmt deshalb gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Gründe der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung des SG Bezug und sieht insoweit von einer eigenen Begründung ab.

Auch zur vollen Überzeugung des Senats sind die Ausschlusstatbestände des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, auch wenn sie - von einem Anspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) abgesehen - zu einem vollständigen Leistungsausschluss führen, jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden mit sekundärem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Die vom 7. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2008 (L 7 AS 3031/08 ER-B, veröffentlicht in Juris) vertretene Rechtsansicht führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Der 7. Senat hat in diesem Beschluss ausgeführt, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könnten Zweifel bestehen, ob der an ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht anknüpfende völlige Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II oder SGB XII mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG vereinbar sei. Dies gelte jedenfalls für Fälle, in denen die Grundsicherung oder Sozialhilfe nicht unmittelbar nach der Einreise in Anspruch genommen werden soll, sondern der Hilfesuchende im Aufnahmestaat zunächst eine gewisse Zeit abhängig oder selbständig beschäftigt war (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnr. 24). Dass im Fall der Antragsteller eine solche Konstellation vorliegt, ist nicht glaubhaft gemacht. Nach ihrem eigenen Vorbringen sind die Antragsteller zuletzt im Dezember 2007 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; bereits am 27. März 2008 erfolgte die Antragstellung nach dem SGB II, nachdem die Antragstellerin zu 1. zuvor an einem Einführungsseminar "Antragstellung" bei der Fördergesellschaft der Handwerkskammer Freiburg, Außenstelle Kehl, teilgenommen hatte. Einer selbständigen oder abhängigen Erwerbstätigkeit ist die Antragstellerin zu 1. ausweislich ihrer Angaben seit ihrem Zuzug im Dezember 2007 und auch zuvor in der Bundesrepublik Deutschland nicht nachgegangen. Der erkennende Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob er die vom 7. Senat geäußerten Zweifel an der Vereinbarkeit der § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII mit Gemeinschaftsrecht teilt, denn eine Fallkonstellation, auf die der 7. Senat seine Zweifel bezogen hat, liegt hier nicht vor. Deshalb kommt im vorliegenden Fall auch eine dem Ziel der Existenzsicherung Rechnung tragende Interessen- und Folgenabwägung nicht in Betracht.

Ob die Antragsteller - insbesondere im Hinblick auf die Schwangerschaft der Antragstellerin zu 1. - einen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG haben, braucht der Senat ebenfalls nicht zu entscheiden. Solche Leistungen haben die Antragsteller im Verfahren nicht begehrt; es wurde von ihnen auch nicht vorgetragen, dass ein entsprechender Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt, bearbeitet oder beschieden worden wäre. Vor diesem Hintergrund könnte die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht begehrt werden; es ist (zunächst) Sache der Antragsteller sich mit einem entsprechenden Begehren an die zuständige Behörde zu wenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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