Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4072/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4303/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung weiterer Unfallfolgen nach dem Unfall vom 8. Januar 2002 sowie die Gewährung von Verletztenrente.
Die Klägerin ist 1974 geboren und war im Unfallzeitpunkt als "Personalreserve" bei verschiedenen Geschäftsstellen der Sparkasse U. beschäftigt. Sie kam am 8. Januar 2002 mit ihrem Fahrzeug ins Schleudern, fuhr in ein parkendes Fahrzeug hinein und erlitt eine Halswirbelsäulen (HWS-)Distorsion (Durchgangsarztbericht Dr. S. vom 9. Januar 2002 bzw. dessen ärztliche Unfallmeldung, eingegangen bei der Beklagten im Februar 2002). Nach Inhalt des Zwischenberichts der Kreiskrankenhäuser N. und I. GmbH vom 28. Januar 2002 (Dr. R.) wurde bei noch geringer Blockierung von C 1 und C 2 und einer nahezu schmerzfreien HWS die Diagnose einer HWS- Distorsion bestätigt.
Im April 2004 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, sie habe weiter Beschwerden an der HWS und sei bei einem Durchgangsarzt in Behandlung. Der von ihr als behandelnder Arzt benannte Chirurg und Unfallmediziner Dr. D. teilte auf die Anfrage der Beklagten unter dem 1. Dezember 2004 mit, die Klägerin habe sich am 19. März 2004 erstmalig bei ihm vorgestellt (schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS in allen Ebenen; Druck- und Klopfschmerz über dem Dornfortsatz, keine peripheren neurologischen Defizite), die Behandlung sei bei rückläufigen Schmerzen am 7. Juni 2004 beendet worden. Der ebenfalls benannte Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. teilte am 24. November 2004 mit, ihm sei kein Unfall bekannt; die Klägerin sei einmalig am 19. März 2004 in Behandlung gewesen. Aktenkundig ist ein weiterer Durchgangsarztbericht von Dr. S., wonach die Klägerin seit einem Unfallereignis im Jahr 2003 unter rezidivierend anhaltenden Rückenbeschwerden im BWS-Bereich leide. Prof. Dr. H. stellte im Durchgangsarztbericht vom 19. Dezember 2004 fest, die Klägerin klage seit einer Woche über zunehmende Schmerzen der HWS ausstrahlend in den rechten Arm.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2005 erkannte die Beklagte einen Unfall vom "6. April 2005" (richtig: 8. Januar 2002) als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolge eine HWS-Distorsion fest. Anspruch auf Übernahme der Heilbehandlungskosten bestehe für maximal 3 Monate nach dem Unfall.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, seit dem Unfall durchgehend in ärztlicher Behandlung wegen Beschwerden an der HWS zu stehen. Der von der Klägerin als behandelnder Arzt benannte Dr. B. teilte am 23. Januar 2006 telefonisch mit, die Klägerin nur einmal zur Behandlung gesehen zu haben (Diagnose: HWS-Blockierung). Dr. S. teilte mit, er habe keinerlei Unterlagen über einen Unfall aus dem Jahr 2002. Beigefügt war ein Bericht des Katharinenhospitals S., Prof. Dr. H., über einen Unfall vom 7. Juli 2003, bei dem sich die Klägerin als angeschnallte Pkw-Fahrerin bei einer Kollision eine Commotio cerebri, eine Distorsion der HWS, eine Prellung des Thorax und eine Verbrennung 1. Grades am Arm zugezogen habe. Eine Verletzung der HWS habe ausgeschlossen werden können. Der Orthopäde Dr. S. teilte mit Schreiben vom 10. April 2006 mit, die Klägerin habe nach eigenen Angaben in den letzten Wochen wieder zunehmend unter Schmerzen im Bereich der HWS und BWS gelitten. Die Röntgenuntersuchung habe bei einer leichten BWS-Skoliose einen im Wesentlichen altersentsprechenden unauffälligen Befund ergeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 30. November 2006 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung ihren Vortrag aus den Widerspruchsverfahren wiederholt. Sie hat den Bericht über die MRT-Untersuchung der HWS vom 26. Februar 2007 (Dr. S.) vorgelegt. Danach liege im Segment C 5/6 ein Massenprolaps links paramedian mit subligamentärer Ausdehnung nach kranial und kaudal sowie eine Duralsackkompression und Nervenirritation rechts, paramedian Prolaps C 6/7 und eine Streckfehlhaltung vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen auf den Inhalt der streitgegenständlichen Bescheide verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin bei dem angeschuldigten Unfall keine schwerwiegenden Verletzungen davongetragen habe. Festgestellt worden sei lediglich eine HWS-Distorsion, die innerhalb weniger Wochen ausheile, was die nur 20 Tage umfassende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nach dem Unfall belege. Auch wenn die Klägerin mittlerweile unter erheblichen HWS- Beschwerden leide, sei deren Zusammenhang mit dem Unfall nicht wahrscheinlich. Denn es treffe schon nicht zu, dass die Klägerin nach dem Unfall durchgehend in ärztlicher Behandlung gestanden habe. Darüber hinaus sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Unfall eine wesentliche Ursache der bestehenden Bandscheibenvorfälle darstelle. Diese beruhten vielmehr auf degenerativen Veränderungen. Dies bestätige auch die unfallmedizinische Literatur, da isolierte traumatische Bandscheibenverletzungen nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht existent seien. Denn traumabedingte Bandscheibenvorfälle seien stets mit, auch minimalen, knöchernen oder ligamentären Verletzungen begleitet, die bei der Klägerin ausgeschlossen worden seien. Auch der von Dr. D. im Jahr 2004 behauptete verzögerte Heilungsverlauf könne nicht überzeugen, da die HWS-Distorsion, die sich die Klägerin im Januar 2002 zugezogen habe, bei Behandlungsbeginn durch Dr. D. schon längst ausgeheilt gewesen sei.
Gegen den am 1. August 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 3. September 2007, einem Montag, Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen erneut ausgeführt, sie habe in fortlaufender ärztlicher Behandlung gestanden. Darüber hinaus hätte das SG die Feststellung, dass die 2007 festgestellten Bandscheibenvorfälle nicht auf dem Unfallereignis beruhten, nicht ohne ärztliches Sachverständigengutachten treffen dürfen. Auch sei der Rückschluss, dass die Klägerin wenige Wochen nach dem Unfall wieder gearbeitet habe und deshalb beschwerdefrei gewesen sei, nicht zulässig. Vorgelegt hat die Klägerin das "freie orthopädische Gutachten" des Dr. Z. vom 25. Juli 2007, auf das inhaltlich verwiesen wird.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Juli 2007 aufzuheben und den Bescheid vom 8. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2006 abzuändern, weitere Unfallfolgen festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Weder sind weitere Verletzungsfolgen festzustellen noch ist Verletztenrente zu gewähren.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das SG zutreffend und ohne Rechtsfehler erkannt, dass weder weitere Unfallfolgen festzustellen sind noch ein Anspruch auf Verletztenrente besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung insoweit auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil auf Seiten 4 unten bis 6 der Entscheidungsgründe nach eigener Prüfung verwiesen und von weiteren Ausführungen abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
Soweit sie - wiederholt - vorgebracht hat, seit Januar 2002 in fortlaufender ärztlicher Behandlung gestanden zu haben, was das Fortbestehen von Beschwerden belege, hat sie auf Aufforderung des Gerichts, die betreffenden Ärzte zu benennen und die Behandlungszeiträume darzulegen, nach mehrfacher Erinnerung lediglich eine Liste der Ärzte vorgelegt, deren Äußerungen bereits im Verwaltungsverfahren aktenkundig sind und nicht belegen, dass sich die Klägerin fortlaufend in ärztlicher Behandlung befunden hat. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren deshalb nicht veranlasst. Darüber hinaus ist auch nach dem aktenkundigen Stand der ärztlichen Behandlungen zwischen 2002 und 2004 keinerlei ärztliche Behandlung erfolgt, was wiederum den Schluss zulässt, dass keine (akuten) Beschwerden bestanden haben. Ein so langes, im Wesentlichen beschwerdefreies Intervall ist Beleg dafür, dass die durch den Unfall vom 8. Januar 2002 verursachte HWS-Distorsion jedenfalls nach Ablauf von 3 Monaten ausgeheilt war.
Daher ist das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie sei nach dem Jahr 2004 für einen längeren Zeitraum nicht krankenversichert gewesen, unerheblich.
Soweit weiter gerügt worden ist, das SG habe sich ohne eigene medizinische Sachkunde erlaubt, den Zusammenhang der mittlerweile dokumentierten Bandscheibenvorfälle mit dem angeschuldigten Unfallereignis zu beurteilen, greift auch dieser Einwand nicht durch. Medizinische Sachverhaltsermittlungen durch die Beauftragung eines Gutachters von Amts wegen sind nicht dann schon veranlasst, wenn medizinische Fragestellungen, wozu auch der ursächliche Zusammenhang der geklagten Beschwerden mit dem angeschuldigten Unfall zählen, in Frage stehen. Vielmehr ist es zunächst richterliche Aufgabe, Anknüpfungstatsachen zu erkennen und zu formulieren, die weitere Ermittlungen nahe legen. Dafür ist es erforderlich und geboten, den Stand der aktuellen unfallmedizinischen Literatur zu ermitteln und in die richterliche Beurteilung einfließen zu lassen. Denn nur dann, wenn überhaupt geeignet erscheinende medizinische Anknüpfungstatsachen vorliegen, sind weitere Ermittlungen angezeigt.
Da keiner der die Klägerin im Jahr 2002 oder auch ab dem Jahr 2004 behandelnden Ärzte jedoch neben den erst 2007 gesicherten Bandscheibenvorfällen knöcherne oder ligamentäre Verletzungen festgestellt hat, insbesondere auch nicht die erstbehandelnden Ärzte nach dem Unfall, fehlt es vorliegend an Anknüpfungstatsachen für einen möglichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Autounfall und den geklagten Beschwerden. Darüber hinaus sind die im Durchgangsarztbericht vom 28. Januar 2002 mitgeteilten Blockierungen den Wirbelkörpern C 1 und C 2 zugeordnet, während die 2007 gesicherten Bandscheibenvorfälle gänzlich andere Bereiche der Wirbelsäule, nämlich das Segment C 5/6 mit Massenprolaps und das Segment C 6/7 betreffen. Auch deshalb sieht der Senat keinen weiteren Sachaufklärungsbedarf in Gestalt weiterer medizinischer Ermittlungen.
Auch das private Gutachten des Dr. Z. vermochte den Senat nicht von der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zu überzeugen. Dr. Z. schildert zwar anschaulich und ausführlich die Probleme bei der Diagnose von HWS-Schleuderverletzungen. Zur Frage, warum bei der Klägerin - eine solche als Diagnose unterstellt - diese zu den fortbestehenden Beschwerden führt, schweigt sich Dr. Z. jedoch aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung weiterer Unfallfolgen nach dem Unfall vom 8. Januar 2002 sowie die Gewährung von Verletztenrente.
Die Klägerin ist 1974 geboren und war im Unfallzeitpunkt als "Personalreserve" bei verschiedenen Geschäftsstellen der Sparkasse U. beschäftigt. Sie kam am 8. Januar 2002 mit ihrem Fahrzeug ins Schleudern, fuhr in ein parkendes Fahrzeug hinein und erlitt eine Halswirbelsäulen (HWS-)Distorsion (Durchgangsarztbericht Dr. S. vom 9. Januar 2002 bzw. dessen ärztliche Unfallmeldung, eingegangen bei der Beklagten im Februar 2002). Nach Inhalt des Zwischenberichts der Kreiskrankenhäuser N. und I. GmbH vom 28. Januar 2002 (Dr. R.) wurde bei noch geringer Blockierung von C 1 und C 2 und einer nahezu schmerzfreien HWS die Diagnose einer HWS- Distorsion bestätigt.
Im April 2004 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, sie habe weiter Beschwerden an der HWS und sei bei einem Durchgangsarzt in Behandlung. Der von ihr als behandelnder Arzt benannte Chirurg und Unfallmediziner Dr. D. teilte auf die Anfrage der Beklagten unter dem 1. Dezember 2004 mit, die Klägerin habe sich am 19. März 2004 erstmalig bei ihm vorgestellt (schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS in allen Ebenen; Druck- und Klopfschmerz über dem Dornfortsatz, keine peripheren neurologischen Defizite), die Behandlung sei bei rückläufigen Schmerzen am 7. Juni 2004 beendet worden. Der ebenfalls benannte Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. teilte am 24. November 2004 mit, ihm sei kein Unfall bekannt; die Klägerin sei einmalig am 19. März 2004 in Behandlung gewesen. Aktenkundig ist ein weiterer Durchgangsarztbericht von Dr. S., wonach die Klägerin seit einem Unfallereignis im Jahr 2003 unter rezidivierend anhaltenden Rückenbeschwerden im BWS-Bereich leide. Prof. Dr. H. stellte im Durchgangsarztbericht vom 19. Dezember 2004 fest, die Klägerin klage seit einer Woche über zunehmende Schmerzen der HWS ausstrahlend in den rechten Arm.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2005 erkannte die Beklagte einen Unfall vom "6. April 2005" (richtig: 8. Januar 2002) als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolge eine HWS-Distorsion fest. Anspruch auf Übernahme der Heilbehandlungskosten bestehe für maximal 3 Monate nach dem Unfall.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, seit dem Unfall durchgehend in ärztlicher Behandlung wegen Beschwerden an der HWS zu stehen. Der von der Klägerin als behandelnder Arzt benannte Dr. B. teilte am 23. Januar 2006 telefonisch mit, die Klägerin nur einmal zur Behandlung gesehen zu haben (Diagnose: HWS-Blockierung). Dr. S. teilte mit, er habe keinerlei Unterlagen über einen Unfall aus dem Jahr 2002. Beigefügt war ein Bericht des Katharinenhospitals S., Prof. Dr. H., über einen Unfall vom 7. Juli 2003, bei dem sich die Klägerin als angeschnallte Pkw-Fahrerin bei einer Kollision eine Commotio cerebri, eine Distorsion der HWS, eine Prellung des Thorax und eine Verbrennung 1. Grades am Arm zugezogen habe. Eine Verletzung der HWS habe ausgeschlossen werden können. Der Orthopäde Dr. S. teilte mit Schreiben vom 10. April 2006 mit, die Klägerin habe nach eigenen Angaben in den letzten Wochen wieder zunehmend unter Schmerzen im Bereich der HWS und BWS gelitten. Die Röntgenuntersuchung habe bei einer leichten BWS-Skoliose einen im Wesentlichen altersentsprechenden unauffälligen Befund ergeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 30. November 2006 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung ihren Vortrag aus den Widerspruchsverfahren wiederholt. Sie hat den Bericht über die MRT-Untersuchung der HWS vom 26. Februar 2007 (Dr. S.) vorgelegt. Danach liege im Segment C 5/6 ein Massenprolaps links paramedian mit subligamentärer Ausdehnung nach kranial und kaudal sowie eine Duralsackkompression und Nervenirritation rechts, paramedian Prolaps C 6/7 und eine Streckfehlhaltung vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen auf den Inhalt der streitgegenständlichen Bescheide verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin bei dem angeschuldigten Unfall keine schwerwiegenden Verletzungen davongetragen habe. Festgestellt worden sei lediglich eine HWS-Distorsion, die innerhalb weniger Wochen ausheile, was die nur 20 Tage umfassende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nach dem Unfall belege. Auch wenn die Klägerin mittlerweile unter erheblichen HWS- Beschwerden leide, sei deren Zusammenhang mit dem Unfall nicht wahrscheinlich. Denn es treffe schon nicht zu, dass die Klägerin nach dem Unfall durchgehend in ärztlicher Behandlung gestanden habe. Darüber hinaus sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Unfall eine wesentliche Ursache der bestehenden Bandscheibenvorfälle darstelle. Diese beruhten vielmehr auf degenerativen Veränderungen. Dies bestätige auch die unfallmedizinische Literatur, da isolierte traumatische Bandscheibenverletzungen nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht existent seien. Denn traumabedingte Bandscheibenvorfälle seien stets mit, auch minimalen, knöchernen oder ligamentären Verletzungen begleitet, die bei der Klägerin ausgeschlossen worden seien. Auch der von Dr. D. im Jahr 2004 behauptete verzögerte Heilungsverlauf könne nicht überzeugen, da die HWS-Distorsion, die sich die Klägerin im Januar 2002 zugezogen habe, bei Behandlungsbeginn durch Dr. D. schon längst ausgeheilt gewesen sei.
Gegen den am 1. August 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 3. September 2007, einem Montag, Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen erneut ausgeführt, sie habe in fortlaufender ärztlicher Behandlung gestanden. Darüber hinaus hätte das SG die Feststellung, dass die 2007 festgestellten Bandscheibenvorfälle nicht auf dem Unfallereignis beruhten, nicht ohne ärztliches Sachverständigengutachten treffen dürfen. Auch sei der Rückschluss, dass die Klägerin wenige Wochen nach dem Unfall wieder gearbeitet habe und deshalb beschwerdefrei gewesen sei, nicht zulässig. Vorgelegt hat die Klägerin das "freie orthopädische Gutachten" des Dr. Z. vom 25. Juli 2007, auf das inhaltlich verwiesen wird.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Juli 2007 aufzuheben und den Bescheid vom 8. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2006 abzuändern, weitere Unfallfolgen festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Weder sind weitere Verletzungsfolgen festzustellen noch ist Verletztenrente zu gewähren.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das SG zutreffend und ohne Rechtsfehler erkannt, dass weder weitere Unfallfolgen festzustellen sind noch ein Anspruch auf Verletztenrente besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung insoweit auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil auf Seiten 4 unten bis 6 der Entscheidungsgründe nach eigener Prüfung verwiesen und von weiteren Ausführungen abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
Soweit sie - wiederholt - vorgebracht hat, seit Januar 2002 in fortlaufender ärztlicher Behandlung gestanden zu haben, was das Fortbestehen von Beschwerden belege, hat sie auf Aufforderung des Gerichts, die betreffenden Ärzte zu benennen und die Behandlungszeiträume darzulegen, nach mehrfacher Erinnerung lediglich eine Liste der Ärzte vorgelegt, deren Äußerungen bereits im Verwaltungsverfahren aktenkundig sind und nicht belegen, dass sich die Klägerin fortlaufend in ärztlicher Behandlung befunden hat. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren deshalb nicht veranlasst. Darüber hinaus ist auch nach dem aktenkundigen Stand der ärztlichen Behandlungen zwischen 2002 und 2004 keinerlei ärztliche Behandlung erfolgt, was wiederum den Schluss zulässt, dass keine (akuten) Beschwerden bestanden haben. Ein so langes, im Wesentlichen beschwerdefreies Intervall ist Beleg dafür, dass die durch den Unfall vom 8. Januar 2002 verursachte HWS-Distorsion jedenfalls nach Ablauf von 3 Monaten ausgeheilt war.
Daher ist das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie sei nach dem Jahr 2004 für einen längeren Zeitraum nicht krankenversichert gewesen, unerheblich.
Soweit weiter gerügt worden ist, das SG habe sich ohne eigene medizinische Sachkunde erlaubt, den Zusammenhang der mittlerweile dokumentierten Bandscheibenvorfälle mit dem angeschuldigten Unfallereignis zu beurteilen, greift auch dieser Einwand nicht durch. Medizinische Sachverhaltsermittlungen durch die Beauftragung eines Gutachters von Amts wegen sind nicht dann schon veranlasst, wenn medizinische Fragestellungen, wozu auch der ursächliche Zusammenhang der geklagten Beschwerden mit dem angeschuldigten Unfall zählen, in Frage stehen. Vielmehr ist es zunächst richterliche Aufgabe, Anknüpfungstatsachen zu erkennen und zu formulieren, die weitere Ermittlungen nahe legen. Dafür ist es erforderlich und geboten, den Stand der aktuellen unfallmedizinischen Literatur zu ermitteln und in die richterliche Beurteilung einfließen zu lassen. Denn nur dann, wenn überhaupt geeignet erscheinende medizinische Anknüpfungstatsachen vorliegen, sind weitere Ermittlungen angezeigt.
Da keiner der die Klägerin im Jahr 2002 oder auch ab dem Jahr 2004 behandelnden Ärzte jedoch neben den erst 2007 gesicherten Bandscheibenvorfällen knöcherne oder ligamentäre Verletzungen festgestellt hat, insbesondere auch nicht die erstbehandelnden Ärzte nach dem Unfall, fehlt es vorliegend an Anknüpfungstatsachen für einen möglichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Autounfall und den geklagten Beschwerden. Darüber hinaus sind die im Durchgangsarztbericht vom 28. Januar 2002 mitgeteilten Blockierungen den Wirbelkörpern C 1 und C 2 zugeordnet, während die 2007 gesicherten Bandscheibenvorfälle gänzlich andere Bereiche der Wirbelsäule, nämlich das Segment C 5/6 mit Massenprolaps und das Segment C 6/7 betreffen. Auch deshalb sieht der Senat keinen weiteren Sachaufklärungsbedarf in Gestalt weiterer medizinischer Ermittlungen.
Auch das private Gutachten des Dr. Z. vermochte den Senat nicht von der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zu überzeugen. Dr. Z. schildert zwar anschaulich und ausführlich die Probleme bei der Diagnose von HWS-Schleuderverletzungen. Zur Frage, warum bei der Klägerin - eine solche als Diagnose unterstellt - diese zu den fortbestehenden Beschwerden führt, schweigt sich Dr. Z. jedoch aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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