Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 19 Ar 2540/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 906/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 12. Juni 1992 bis zum 3. August 1992.
Der im Jahre 1940 geborene Kläger war von 1983 bis 1988 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Vom 8. August 1988 bis zum 30. September 1991 betrieb er einen Kiosk. Vom 1. Mai 1990 bis zum 30. September 1991, dem Tag der Aufgabe des Kioskes, war er als Selbständiger freiwillig bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) versichert. Von dieser bezog der Kläger für die Zeit vom 4. Oktober 1991 bis zum 11. Juni 1992 Krankengeld in Höhe von 60,– DM täglich.
Am 10. Juni 1992 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe. In der Zeit bis zur Beendigung seiner Arbeitslosigkeit am 4. August 1992 erzielte seine mit ihm in ehelicher Gemeinschaft lebende Ehefrau ein Nettoeinkommen von monatlich 1.800,– DM. Über ein Vermögen von mehr als 8.000,– DM verfügten beide nicht.
Durch Bescheid vom 9. Juli 1992 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, der Kläger habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Arbeitslosengeld bezogen noch mindestens 150 Kalendertage in einer die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) begründenden Beschäftigung gestanden; ein Ersatztatbestand liege ebenfalls nicht vor. Den am 3. August 1992 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1992 zurück.
Auf die am 2. November 1992 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 12. Juni 1992 bis zum 3. August 1992 Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß der Kläger den eine beitragspflichtige Beschäftigung ersetzenden Tatbestand des § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erfülle, weil er innerhalb der Vorfrist 249 Kalendertage Krankengeld von der KKH, also Leistungen der Sozialversicherung, bezogen habe. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Gesetzeszusammenhang ergebe sich, daß dem Kläger Arbeitslosenhilfe zustehe.
Gegen dieses ihr am 6. September 1994 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 28. September 1994 eingegangenen und vom SG zugelassenen Berufung. Entgegen der Auffassung des SG sei der Ersatztatbestand des § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht erfüllt. Zwar habe der Kläger innerhalb der Vorfrist mehr als 240 Kalendertage Krankengeld von der KKH bezogen; auch handele es sich bei dieser um eine Einrichtung der Sozialversicherung. Da der Kläger von der KKH jedoch Krankengeld aufgrund einer freiwilligen Versicherung bezogen habe, sei die genannte Vorschrift nicht erfüllt, so daß auch kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestehe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei den Sachverhalten des § 134 Abs. 3 AFG gemeinsam, daß wegen einer Beeinträchtigung des Leistungsvermögens die kleine Anwartschaft nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 AFG nicht habe erworben werden können und der Bezug von Lohnersatzleistungen die Annahme rechtfertige, ohne die Behinderung wäre eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt worden. Von dieser Annahme könne vorliegend nicht ausgegangen werden, da der Kläger vor dem Krankengeldbezug als Selbständiger tätig gewesen sei. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1497), das bestimmte Personengruppen, darunter Selbständige, von dem Bezug von Arbeitslosenhilfe habe ausschließen wollen, um eine Haushaltskonsolidierung zu erreichen, sei es nicht gerechtfertigt, dem Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe zuzuerkennen. Nach der Intention des Gesetzgebers solle der Krankengeldbezug nur dann einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe begründen, wenn der Bezug von Sozialleistungen durch eine frühere Arbeitnehmertätigkeit ermöglicht worden sei. Einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sollten nämlich grundsätzlich nur beitragspflichtige Personen haben. Aus diesem Grund könne auch nur das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung, welches Arbeitnehmern gemäß § 44 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zu zahlen sei, zur Erfüllung eines Ersatztatbestandes dienen. Die Verpflichtung zur Krankengeldzahlung bestehe bei freiwilliger Mitgliedschaft nicht. Für diesen Personenkreis habe der Gesetzgeber den Krankenkassen das Recht eingeräumt, den Krankengeldbezug auszuschließen und ihn damit von einer Zusatzversicherung abhängig gemacht. Im Falle des Klägers sei der Krankengeldbezug lediglich aufgrund einer Zusatzversicherung erfolgt. Die Leistungsgewährung durch die Ersatzkasse könne in einem solchen Fall nicht anders beurteilt werden als die Gewährung von Leistungen einer privaten Krankenversicherung, was ebenfalls nicht zur Begründung des Ersatztatbestandes nach § 134 Abs. 3 AFG führen könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Für den Kläger ist nicht entscheidend, daß das Krankengeld aufgrund freiwilliger Versicherung gewährt worden sei. Vielmehr komme es, so führt er aus, ausschließlich darauf an, daß er davon seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Auch aus dem Gesetzeszusammenhang ergebe sich, daß dem § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG eine eigenständige Bedeutung zukomme. Dies ergebe sich auch aus dem Umkehrschluß des § 186 AFG, der gerade an die Unterbrechung einer beitragspflichtigen Beschäftigung anknüpfe. Diese Zeiten seien gemäß § 134 Abs. 1 AFG in Verbindung mit § 134 Abs. 4 AFG mit beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten gleichgestellt. Auf den Ersatztatbestand des § 134 Abs. 3 AFG komme es in diesen Fällen nicht mehr an. Wenn die Beklagte darauf abstelle, der Krankengeldbezug sei vorliegend wie eine Leistung einer privaten Krankenversicherung zu beurteilen, könne dem nicht gefolgt werden. Durch die freiwillige Mitgliedschaft und schließlich durch die Zahlung des Krankengeldes aufgrund der freiwilligen Mitgliedschaft habe er eine spezifische Nähe zur Versichertengemeinschaft der Sozialversicherung gewahrt. Diese habe er niemals aufgegeben, was aber bei der Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung durchaus der Fall sei.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht als verpflichtet angesehen, dem Kläger für den Zeitraum vom 12. Juni 1992 bis zum 3. August 1992 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 AFG hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer (1.) arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosenhilfe beantragt hat, (2.) keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, weil die Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) nicht erfüllt, (3.) bedürftig ist und (4.) innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erfüllt sind (Vorfrist), (a) Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs. 3 AFG erloschen ist, oder (b) mindestens 150 Kalendertage, sofern der letzte Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nach § 119 Abs. 3 AFG erloschen ist, danach mindestens 240 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können. Diese Voraussetzungen sind – mit Ausnahme der nicht erfüllten sog. kleinen Anwartschaftszeit (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG) – gegeben. Der Kläger hat sich am 10. Juni 1992 unter gleichzeitiger Beantragung von Arbeitslosenhilfe beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, ohne einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, weil er – mangels einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung von 360 Kalendertagen innerhalb der Rahmenfrist – die Anwartschaftszeit nach § 104 AFG nicht erfüllte, und war auch bedürftig, weil er im streitigen Zeitraum keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einnahmen hatte, seine Ehefrau lediglich ein monatliches Nettoeinkommen von maximal 1.800,– DM hatte, von dem bis zum Inkrafttreten der den früheren – wegen sehr niedriger Freibeträge verfassungswidrigen (BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87 –) – § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG ersetzenden Neuregelung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) am 1. Januar 1994 ein Betrag von 1.300,– DM als Mindestselbstbehalt des Ehegatten anrechnungsfrei war (s. die DA der BA vom 22. Januar 1993). Außerdem verfügten beide über kein Vermögen von mehr als 8.000,– DM (zu dieser Freibetragsgrenze siehe § 6 Abs. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung). Dies alles sowie den Umstand, daß der Kläger bis zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit am 4. August 1992 arbeitslos gewesen ist und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, räumt auch die Beklagte ein.
Zutreffend hat das SG erkannt, daß das Fehlen einer Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG dem geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht entgegensteht. Zwar kann sich der Kläger nicht auf Zeiten stützen, für die wegen des Bezuges von Krankengeld gem. § 186 AFG Beiträge zu zahlen waren und die nach § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a AFG den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehen und deshalb zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können. Der Bezug des Krankengeldes unterlag nämlich nicht der Beitragspflicht, weil der Kläger nicht im Sinne des § 186 Abs. 1 Satz 1 AFG unmittelbar vor der Leistungsbezug weder in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden und auch nicht eine laufende Sozialleistung nach dem AFG bezogen hat. Des weiteren vermag sich der Kläger auch nicht auf Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses berufen, die gemäß § 134 Abs. 2 AFG einer den Arbeitslosenhilfeanspruch begründenden Beschäftigung gleichgestellt sind. Letztlich ist dies jedoch vorliegend unschädlich. Nach § 134 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz AFG ist nämlich zur Begründung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe eine vorherige Beschäftigung nicht erforderlich, wenn der Arbeitslose innerhalb der Vorfrist für mindestens 240 Kalendertage, sofern der letzte Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nach § 119 Abs. 3 erloschen ist, danach für mindestens 240 Kalendertage (1.) wegen Krankheit, Minderung der Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit Leistungen der Sozialversicherung, (2.) wegen Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt, (3.) wegen einer Maßnahme zur Rehabilitation Leistungen eines öffentlich-rechtlichen Rehabilitationsträgers zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bezogen hat und solche Leistungen nicht mehr bezieht, weil die für ihre Gewährung maßgebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr vorliegt oder die Maßnahme zur Rehabilitation abgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind vorliegend die Voraussetzungen der Nr. 1 dieser Vorschrift erfüllt. Der Kläger hat vom 4. Oktober 1991 bis zum 11. Juni 1992, und damit innerhalb der Vorfrist (12. Juni 1991 bis 11. Juni 1992) für mehr als 240 Kalendertage wegen Krankheit Leistungen der Sozialversicherung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bezogen.
Bei dem von der KKH bezogenen Krankengeld handelt es sich um Leistungen der Sozialversicherung. Wie bereits nach früherem Recht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20. August 1986 – 8 RK 69/84 – SozR 2200 § 183 Nr. 50) gehören die Ersatzkassen zur Sozialversicherung. Nicht nur gelten für sie weitgehend die allgemeinen Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung wie sie seit dem 1. Januar 1989 im SGB V geregelt sind. § 4 Abs. 2 dieses Gesetzes bestimmt daher folgerichtig, daß zu den Kassenarten, in die die gesetzliche Krankenversicherung gegliedert ist, auch die Ersatzkassen gehören.
Mit dem Krankengeld der KKH hat der Kläger auch eine Leistung wegen Krankheit und zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bezogen. Daß insoweit zunächst eine Leistung wegen Krankheit vorliegt, bestreitet auch die Beklagte nicht. In ihren Durchführungsanweisungen zu § 134 (19. Ergänzungslieferung 12/95, S. 12 zu 10.2) wird das Krankengeld unter Bezugnahme auf § 44 Abs. 1 SGB V, der auch Rechtsgrundlage für die vom Kläger bezogene Leistung war, ausdrücklich genannt und dabei anerkannt, daß es sich bei ihm um "Barleistungen mit Lohnersatzfunktion” handelt. Ihrer Auffassung, daß Krankengeld dann nicht zu Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 3 Nr. 1 AFG gehöre, wenn es aufgrund einer freiwilligen Versicherung bezogen worden sei, vermag der Senat nicht zu folgen.
Gegen die Auffassung der Beklagten spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes. Er bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß solche Personen, die Krankengeld auf der Grundlage einer freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V beziehen, anders behandelt werden sollen, als Personen, deren Leistungsbezug darauf beruht, daß sie der Versicherungspflicht nach § 5 SGB V unterliegen. Vor dem Hintergrund, daß der Personenkreis der zur freiwilligen Krankenversicherung Berechtigten, erheblich und nicht nur eine Ausnahmeentscheidung ist, hätte der Gesetzgeber eine ausdrückliche Einschränkung vorgenommen, wenn er den Bezug von Krankengeld eines Sozialversicherungsträgers nur bei Pflichtversicherten zur Begründung eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe hätte ausreichend sein lassen wollen. Dem Gesetzgeber zu unterstellen, er habe die Möglichkeit des Krankengeldbezuges durch freiwillig Versicherte übersehen, geht nicht an.
Sinn und Zweck der Vorschrift, der sich regelmäßig aus der Entstehungsgeschichte der Norm einschließlich der Gesetzesbegründung auf der Grundlage der Gesetzesmaterialien erschließt, stützt nicht die Auffassung der Beklagten. Diese weist zwar zutreffend darauf hin, daß es ausweislich des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum AFKG (BT-Drs. 9/846 S. 46 f. zu Nr. 46) auch eine Zielsetzung des AFKG war, bestimmte Personengruppen vom Arbeitslosenhilfebezug auszuschließen, um eine Konsolidierung des Haushalts zu erreichen. Grundsätzlich sollten nur (ausreichend lange) beitragspflichtige Beschäftigungen den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe begründen können. Insbesondere Selbständige, deren hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit gemäß § 1 Nr. 3 der bis dahin geltenden Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929) einer Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG gleichgestellt war, sollte der Zugang zur Arbeitslosenhilfe verwehrt werden. Dementsprechend hob der Gesetzgeber u.a. diese Vorschrift der Arbeitslosenhilfe-Verordnung durch Art. 1.6 AFKG auf. Die so umschriebene Zielsetzung des AFKG trifft indes den Fall des Klägers nicht. Dieser stützt die geltend gemachte Arbeitslosenhilfe nicht auf die von ihm früher verrichtete Tätigkeit als Selbständiger, sondern auf den Bezug von Krankengeld, der als Ersatztatbestand eine Ausnahme vom grundsätzlichen Erfordernis einer beitragspflichtigen Beschäftigung darstellt, ein Erfordernis im übrigen, welches schon deshalb nicht überbewertet werden darf, weil die Bundesregierung mit ihrem Bestreben, nur noch beitragspflichtige Tätigkeiten zur Begründung eines Arbeitslosenhilfe-Anspruchs ausreichen zu lassen, nicht durchgedrungen ist (vgl. § 134 Abs. 2 AFG und die Stellungnahme des Bundesrates zum von der Bundesregierung geplanten Wegfall der sog. originären Arbeitslosenhilfe).
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die höchstrichterliche Rechtsprechung. Zutreffend hat das BSG im Urteil vom 17. März 1988 als Regelungszweck des § 134 Abs. 3 AFG erkannt, dem Arbeitslosen, der etwa durch eine längere, ernsthafte Erkrankung an der Erfüllung der sog. kleinen Anwartschaft nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG verhindert gewesen ist, nach der Ausheilung den Schutz der Arbeitslosenhilfe zu geben, indem die fehlende entlohnte Beschäftigung durch Leistungen eines öffentlich-rechtlichen Trägers zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ersetzt wird. Den Sachverhalten des § 134 Abs. 3 AFG sei gemeinsam, daß wegen einer Beeinträchtigung des Leistungsvermögens die kleine Anwartschaft nicht habe erworben werden können, der Bezug von Lohnersatzleistungen zumindest bei pauschaler Betrachtungsweise die Annahme rechtfertige, ohne die Behinderung (Erkrankung) wäre eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt worden und diese Lohnersatzleistung wegen Fortfalls der Beeinträchtigung mit rückwirkender Kraft wieder aufgehoben worden sei (BSG, a.a.O.). Diese Annahme erscheint auch im Falle des Klägers gerechtfertigt, nachdem er seine selbständige Tätigkeit am 30. September 1991 aufgegeben hatte. Der im Anschluß daran erfolgende Bezug des Krankengeldes, das als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung den Lohn- oder Einkommensverlust des (freiwillig oder Pflicht-)Versicherten im gesetzlich vorgesehenen Umfang ersetzen, mithin sein individuelles, auf seiner Arbeitsleistung beruhendes Nettoeinkommen in angemessener Weise sichern soll (BSG, Urteil vom 20. August 1986, a.a.O.), indiziert das Unvermögen des Klägers, in der Zeit des Krankengeldbezuges durch eine Beschäftigung die "kleine Anwartschaftszeit” zu erfüllen. Da nach Aufgabe seines Betriebes nichts für die Fortsetzung einer selbständigen Tätigkeit sprach, erscheint die Annahme, der Kläger hätte ohne den Leistungsbezug eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt, gerechtfertigt.
Wenn das BSG im Zusammenhang mit § 134 Abs. 3 AFG davon spricht, die in den Nrn. 1 bis 3 dieser Vorschrift genannten Leistungen müßten "Lohnersatzfunktion” haben, so bedeutet dies nicht, wie die Beklagte anzunehmen scheint, daß sie konkret unselbständiges Erwerbseinkommen ersetzten müßten. Wenn das BSG im Urteil vom 29. November 1988 – 11/7 RAr 37/87 – (SozR 4100 § 134 Nr. 34) auf diese besondere Funktion aufmerksam gemacht hat, diente dies lediglich dazu, Leistungen aus dem Anwendungsbereich des § 134 Abs. 3 AFG auszuschließen, die schon ihrer Höhe nach – wie bei der Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ohne Zahlung von Übergangsgeld der Fall – nicht ausreichten, um als Leistung "zur Bestreitung des Lebensunterhalts” angesehen werden zu können. Diese Entscheidung rechtfertigt nicht die Folgerungen, die die Beklagte ihr entnimmt. Zu Recht wird deshalb darauf hingewiesen, daß auch solche Leistungen, die an die Stelle selbständiger Erwerbseinkünfte treten, den Ersatztatbestand des § 134 Abs. 3 AFG erfüllen können (vgl. Gagel/Ebsen, AFG, 10. Ergänzungslieferung, § 134 Anm. 170).
Die Rechtsprechung des BSG verdeutlicht im übrigen ebenfalls, daß mit dem Begriff "Lohnersatzfunktion”, die die Sozialleistungen des § 134 Abs. 3 AFG haben müßten, nicht gemeint ist, diese müßten konkret an die Stelle unselbständigen Erwerbseinkommens (Arbeitsentgelt) treten. So hat das BSG in bezug auf die Nr. 3 von § 134 Abs. 3 AFG, wonach die fehlende entlohnte Beschäftigung nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG durch alle Leistungen eines öffentlich-rechtlichen Rehabilitationsträgers zur Bestreitung des Lebensunterhalts wegen einer Maßnahme der Rehabilitation ersetzt wird, betont, es komme ersichtlich nicht darauf an, daß der Arbeitslose vor seiner Arbeitslosmeldung zum Kreis der Arbeitnehmer gehört habe, wenn er in seiner Person nur bis zur Arbeitslosmeldung einen bestimmten Anspruch auslösenden Sachverhalt verwirklicht und nunmehr die Arbeitnehmereigenschaft erfülle, wie sie insbesondere in den Voraussetzungen der Verfügbarkeit nach § 103 AFG zum Ausdruck komme (BSG, Urteil vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 24/82 – SozR 4220 § 3 Nr. 1).
Schließlich führt auch die systematische Auslegung nicht zu der von der Beklagten für erforderlich erachteten Auslegung des § 134 Abs. 3 Nr. 1 AFG. Da der Bezug von Krankengeld in den Fällen, in denen der Bezieher unmittelbar zuvor beitragspflichtig beschäftigt war, eine Zeit ist, die direkt über § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchstabe a AFG der Erfüllung der sog. kleinen Anwartschaftszeit dienen kann, ist § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG für diesen Personenkreis der Krankengeldbezieher ohne Bedeutung. Eine solche erwächst ihr erst dann, wenn – wie im Falle des Klägers – unmittelbar vor Eintritt der Krankheit (Arbeitsunfähigkeit) keine der Beitragspflicht unterliegende Beschäftigung bestanden hat (vgl. Gagel/Ebsen a.a.O. Anm. 166).
Schließlich wendet die Beklagte zu Unrecht ein, es sei kein Grund dafür ersichtlich, den Kläger als freiwillig bei einer Ersatzkasse Versicherten mit der Anerkennung des Ersatztatbestandes der Nr. 1 von § 134 Abs. 3 Satz 1 AFG besser zu stellen als solche (ehemals) Selbständigen, die Leistungen wegen Krankheit von einem Träger der privaten Krankenversicherung erhalten haben. Der Kläger war nur deshalb zur freiwilligen Versicherung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigt, weil er als Mitglied (einer gesetzlichen Krankenversicherung) aus der Versicherungspflicht ausgeschieden war und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert war (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Mit seinem Beitritt hat er sich dafür entschieden, der Solidargemeinschaft der Krankenversicherung (§ 1 Satz 1 SGB V) als eines Zweiges der gesetzlichen Sozialversicherung anzugehören, die insbesondere für – auch ehemalige – versicherte Arbeitnehmer soziale Schutzfunktionen wahrzunehmen hat. Dies ist bei Personen, die die Voraussetzungen für einen Beitritt zur Solidargemeinschaft der Krankenversicherung nicht erfüllten oder sich dafür entschieden haben, ihr nicht anzugehören, nicht der Fall.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 12. Juni 1992 bis zum 3. August 1992.
Der im Jahre 1940 geborene Kläger war von 1983 bis 1988 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Vom 8. August 1988 bis zum 30. September 1991 betrieb er einen Kiosk. Vom 1. Mai 1990 bis zum 30. September 1991, dem Tag der Aufgabe des Kioskes, war er als Selbständiger freiwillig bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) versichert. Von dieser bezog der Kläger für die Zeit vom 4. Oktober 1991 bis zum 11. Juni 1992 Krankengeld in Höhe von 60,– DM täglich.
Am 10. Juni 1992 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe. In der Zeit bis zur Beendigung seiner Arbeitslosigkeit am 4. August 1992 erzielte seine mit ihm in ehelicher Gemeinschaft lebende Ehefrau ein Nettoeinkommen von monatlich 1.800,– DM. Über ein Vermögen von mehr als 8.000,– DM verfügten beide nicht.
Durch Bescheid vom 9. Juli 1992 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, der Kläger habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Arbeitslosengeld bezogen noch mindestens 150 Kalendertage in einer die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) begründenden Beschäftigung gestanden; ein Ersatztatbestand liege ebenfalls nicht vor. Den am 3. August 1992 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1992 zurück.
Auf die am 2. November 1992 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 12. Juni 1992 bis zum 3. August 1992 Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß der Kläger den eine beitragspflichtige Beschäftigung ersetzenden Tatbestand des § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erfülle, weil er innerhalb der Vorfrist 249 Kalendertage Krankengeld von der KKH, also Leistungen der Sozialversicherung, bezogen habe. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Gesetzeszusammenhang ergebe sich, daß dem Kläger Arbeitslosenhilfe zustehe.
Gegen dieses ihr am 6. September 1994 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 28. September 1994 eingegangenen und vom SG zugelassenen Berufung. Entgegen der Auffassung des SG sei der Ersatztatbestand des § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht erfüllt. Zwar habe der Kläger innerhalb der Vorfrist mehr als 240 Kalendertage Krankengeld von der KKH bezogen; auch handele es sich bei dieser um eine Einrichtung der Sozialversicherung. Da der Kläger von der KKH jedoch Krankengeld aufgrund einer freiwilligen Versicherung bezogen habe, sei die genannte Vorschrift nicht erfüllt, so daß auch kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestehe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei den Sachverhalten des § 134 Abs. 3 AFG gemeinsam, daß wegen einer Beeinträchtigung des Leistungsvermögens die kleine Anwartschaft nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 AFG nicht habe erworben werden können und der Bezug von Lohnersatzleistungen die Annahme rechtfertige, ohne die Behinderung wäre eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt worden. Von dieser Annahme könne vorliegend nicht ausgegangen werden, da der Kläger vor dem Krankengeldbezug als Selbständiger tätig gewesen sei. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1497), das bestimmte Personengruppen, darunter Selbständige, von dem Bezug von Arbeitslosenhilfe habe ausschließen wollen, um eine Haushaltskonsolidierung zu erreichen, sei es nicht gerechtfertigt, dem Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe zuzuerkennen. Nach der Intention des Gesetzgebers solle der Krankengeldbezug nur dann einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe begründen, wenn der Bezug von Sozialleistungen durch eine frühere Arbeitnehmertätigkeit ermöglicht worden sei. Einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sollten nämlich grundsätzlich nur beitragspflichtige Personen haben. Aus diesem Grund könne auch nur das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung, welches Arbeitnehmern gemäß § 44 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zu zahlen sei, zur Erfüllung eines Ersatztatbestandes dienen. Die Verpflichtung zur Krankengeldzahlung bestehe bei freiwilliger Mitgliedschaft nicht. Für diesen Personenkreis habe der Gesetzgeber den Krankenkassen das Recht eingeräumt, den Krankengeldbezug auszuschließen und ihn damit von einer Zusatzversicherung abhängig gemacht. Im Falle des Klägers sei der Krankengeldbezug lediglich aufgrund einer Zusatzversicherung erfolgt. Die Leistungsgewährung durch die Ersatzkasse könne in einem solchen Fall nicht anders beurteilt werden als die Gewährung von Leistungen einer privaten Krankenversicherung, was ebenfalls nicht zur Begründung des Ersatztatbestandes nach § 134 Abs. 3 AFG führen könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Für den Kläger ist nicht entscheidend, daß das Krankengeld aufgrund freiwilliger Versicherung gewährt worden sei. Vielmehr komme es, so führt er aus, ausschließlich darauf an, daß er davon seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Auch aus dem Gesetzeszusammenhang ergebe sich, daß dem § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG eine eigenständige Bedeutung zukomme. Dies ergebe sich auch aus dem Umkehrschluß des § 186 AFG, der gerade an die Unterbrechung einer beitragspflichtigen Beschäftigung anknüpfe. Diese Zeiten seien gemäß § 134 Abs. 1 AFG in Verbindung mit § 134 Abs. 4 AFG mit beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten gleichgestellt. Auf den Ersatztatbestand des § 134 Abs. 3 AFG komme es in diesen Fällen nicht mehr an. Wenn die Beklagte darauf abstelle, der Krankengeldbezug sei vorliegend wie eine Leistung einer privaten Krankenversicherung zu beurteilen, könne dem nicht gefolgt werden. Durch die freiwillige Mitgliedschaft und schließlich durch die Zahlung des Krankengeldes aufgrund der freiwilligen Mitgliedschaft habe er eine spezifische Nähe zur Versichertengemeinschaft der Sozialversicherung gewahrt. Diese habe er niemals aufgegeben, was aber bei der Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung durchaus der Fall sei.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht als verpflichtet angesehen, dem Kläger für den Zeitraum vom 12. Juni 1992 bis zum 3. August 1992 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 AFG hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer (1.) arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosenhilfe beantragt hat, (2.) keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, weil die Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) nicht erfüllt, (3.) bedürftig ist und (4.) innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erfüllt sind (Vorfrist), (a) Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs. 3 AFG erloschen ist, oder (b) mindestens 150 Kalendertage, sofern der letzte Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nach § 119 Abs. 3 AFG erloschen ist, danach mindestens 240 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können. Diese Voraussetzungen sind – mit Ausnahme der nicht erfüllten sog. kleinen Anwartschaftszeit (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG) – gegeben. Der Kläger hat sich am 10. Juni 1992 unter gleichzeitiger Beantragung von Arbeitslosenhilfe beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, ohne einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, weil er – mangels einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung von 360 Kalendertagen innerhalb der Rahmenfrist – die Anwartschaftszeit nach § 104 AFG nicht erfüllte, und war auch bedürftig, weil er im streitigen Zeitraum keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einnahmen hatte, seine Ehefrau lediglich ein monatliches Nettoeinkommen von maximal 1.800,– DM hatte, von dem bis zum Inkrafttreten der den früheren – wegen sehr niedriger Freibeträge verfassungswidrigen (BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87 –) – § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG ersetzenden Neuregelung des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) am 1. Januar 1994 ein Betrag von 1.300,– DM als Mindestselbstbehalt des Ehegatten anrechnungsfrei war (s. die DA der BA vom 22. Januar 1993). Außerdem verfügten beide über kein Vermögen von mehr als 8.000,– DM (zu dieser Freibetragsgrenze siehe § 6 Abs. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung). Dies alles sowie den Umstand, daß der Kläger bis zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit am 4. August 1992 arbeitslos gewesen ist und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, räumt auch die Beklagte ein.
Zutreffend hat das SG erkannt, daß das Fehlen einer Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG dem geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht entgegensteht. Zwar kann sich der Kläger nicht auf Zeiten stützen, für die wegen des Bezuges von Krankengeld gem. § 186 AFG Beiträge zu zahlen waren und die nach § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a AFG den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehen und deshalb zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können. Der Bezug des Krankengeldes unterlag nämlich nicht der Beitragspflicht, weil der Kläger nicht im Sinne des § 186 Abs. 1 Satz 1 AFG unmittelbar vor der Leistungsbezug weder in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden und auch nicht eine laufende Sozialleistung nach dem AFG bezogen hat. Des weiteren vermag sich der Kläger auch nicht auf Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses berufen, die gemäß § 134 Abs. 2 AFG einer den Arbeitslosenhilfeanspruch begründenden Beschäftigung gleichgestellt sind. Letztlich ist dies jedoch vorliegend unschädlich. Nach § 134 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz AFG ist nämlich zur Begründung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe eine vorherige Beschäftigung nicht erforderlich, wenn der Arbeitslose innerhalb der Vorfrist für mindestens 240 Kalendertage, sofern der letzte Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nach § 119 Abs. 3 erloschen ist, danach für mindestens 240 Kalendertage (1.) wegen Krankheit, Minderung der Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit Leistungen der Sozialversicherung, (2.) wegen Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt, (3.) wegen einer Maßnahme zur Rehabilitation Leistungen eines öffentlich-rechtlichen Rehabilitationsträgers zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bezogen hat und solche Leistungen nicht mehr bezieht, weil die für ihre Gewährung maßgebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr vorliegt oder die Maßnahme zur Rehabilitation abgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind vorliegend die Voraussetzungen der Nr. 1 dieser Vorschrift erfüllt. Der Kläger hat vom 4. Oktober 1991 bis zum 11. Juni 1992, und damit innerhalb der Vorfrist (12. Juni 1991 bis 11. Juni 1992) für mehr als 240 Kalendertage wegen Krankheit Leistungen der Sozialversicherung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bezogen.
Bei dem von der KKH bezogenen Krankengeld handelt es sich um Leistungen der Sozialversicherung. Wie bereits nach früherem Recht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20. August 1986 – 8 RK 69/84 – SozR 2200 § 183 Nr. 50) gehören die Ersatzkassen zur Sozialversicherung. Nicht nur gelten für sie weitgehend die allgemeinen Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung wie sie seit dem 1. Januar 1989 im SGB V geregelt sind. § 4 Abs. 2 dieses Gesetzes bestimmt daher folgerichtig, daß zu den Kassenarten, in die die gesetzliche Krankenversicherung gegliedert ist, auch die Ersatzkassen gehören.
Mit dem Krankengeld der KKH hat der Kläger auch eine Leistung wegen Krankheit und zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bezogen. Daß insoweit zunächst eine Leistung wegen Krankheit vorliegt, bestreitet auch die Beklagte nicht. In ihren Durchführungsanweisungen zu § 134 (19. Ergänzungslieferung 12/95, S. 12 zu 10.2) wird das Krankengeld unter Bezugnahme auf § 44 Abs. 1 SGB V, der auch Rechtsgrundlage für die vom Kläger bezogene Leistung war, ausdrücklich genannt und dabei anerkannt, daß es sich bei ihm um "Barleistungen mit Lohnersatzfunktion” handelt. Ihrer Auffassung, daß Krankengeld dann nicht zu Leistungen im Sinne des § 134 Abs. 3 Nr. 1 AFG gehöre, wenn es aufgrund einer freiwilligen Versicherung bezogen worden sei, vermag der Senat nicht zu folgen.
Gegen die Auffassung der Beklagten spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes. Er bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß solche Personen, die Krankengeld auf der Grundlage einer freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V beziehen, anders behandelt werden sollen, als Personen, deren Leistungsbezug darauf beruht, daß sie der Versicherungspflicht nach § 5 SGB V unterliegen. Vor dem Hintergrund, daß der Personenkreis der zur freiwilligen Krankenversicherung Berechtigten, erheblich und nicht nur eine Ausnahmeentscheidung ist, hätte der Gesetzgeber eine ausdrückliche Einschränkung vorgenommen, wenn er den Bezug von Krankengeld eines Sozialversicherungsträgers nur bei Pflichtversicherten zur Begründung eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe hätte ausreichend sein lassen wollen. Dem Gesetzgeber zu unterstellen, er habe die Möglichkeit des Krankengeldbezuges durch freiwillig Versicherte übersehen, geht nicht an.
Sinn und Zweck der Vorschrift, der sich regelmäßig aus der Entstehungsgeschichte der Norm einschließlich der Gesetzesbegründung auf der Grundlage der Gesetzesmaterialien erschließt, stützt nicht die Auffassung der Beklagten. Diese weist zwar zutreffend darauf hin, daß es ausweislich des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum AFKG (BT-Drs. 9/846 S. 46 f. zu Nr. 46) auch eine Zielsetzung des AFKG war, bestimmte Personengruppen vom Arbeitslosenhilfebezug auszuschließen, um eine Konsolidierung des Haushalts zu erreichen. Grundsätzlich sollten nur (ausreichend lange) beitragspflichtige Beschäftigungen den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe begründen können. Insbesondere Selbständige, deren hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit gemäß § 1 Nr. 3 der bis dahin geltenden Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929) einer Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG gleichgestellt war, sollte der Zugang zur Arbeitslosenhilfe verwehrt werden. Dementsprechend hob der Gesetzgeber u.a. diese Vorschrift der Arbeitslosenhilfe-Verordnung durch Art. 1.6 AFKG auf. Die so umschriebene Zielsetzung des AFKG trifft indes den Fall des Klägers nicht. Dieser stützt die geltend gemachte Arbeitslosenhilfe nicht auf die von ihm früher verrichtete Tätigkeit als Selbständiger, sondern auf den Bezug von Krankengeld, der als Ersatztatbestand eine Ausnahme vom grundsätzlichen Erfordernis einer beitragspflichtigen Beschäftigung darstellt, ein Erfordernis im übrigen, welches schon deshalb nicht überbewertet werden darf, weil die Bundesregierung mit ihrem Bestreben, nur noch beitragspflichtige Tätigkeiten zur Begründung eines Arbeitslosenhilfe-Anspruchs ausreichen zu lassen, nicht durchgedrungen ist (vgl. § 134 Abs. 2 AFG und die Stellungnahme des Bundesrates zum von der Bundesregierung geplanten Wegfall der sog. originären Arbeitslosenhilfe).
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die höchstrichterliche Rechtsprechung. Zutreffend hat das BSG im Urteil vom 17. März 1988 als Regelungszweck des § 134 Abs. 3 AFG erkannt, dem Arbeitslosen, der etwa durch eine längere, ernsthafte Erkrankung an der Erfüllung der sog. kleinen Anwartschaft nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG verhindert gewesen ist, nach der Ausheilung den Schutz der Arbeitslosenhilfe zu geben, indem die fehlende entlohnte Beschäftigung durch Leistungen eines öffentlich-rechtlichen Trägers zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ersetzt wird. Den Sachverhalten des § 134 Abs. 3 AFG sei gemeinsam, daß wegen einer Beeinträchtigung des Leistungsvermögens die kleine Anwartschaft nicht habe erworben werden können, der Bezug von Lohnersatzleistungen zumindest bei pauschaler Betrachtungsweise die Annahme rechtfertige, ohne die Behinderung (Erkrankung) wäre eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt worden und diese Lohnersatzleistung wegen Fortfalls der Beeinträchtigung mit rückwirkender Kraft wieder aufgehoben worden sei (BSG, a.a.O.). Diese Annahme erscheint auch im Falle des Klägers gerechtfertigt, nachdem er seine selbständige Tätigkeit am 30. September 1991 aufgegeben hatte. Der im Anschluß daran erfolgende Bezug des Krankengeldes, das als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung den Lohn- oder Einkommensverlust des (freiwillig oder Pflicht-)Versicherten im gesetzlich vorgesehenen Umfang ersetzen, mithin sein individuelles, auf seiner Arbeitsleistung beruhendes Nettoeinkommen in angemessener Weise sichern soll (BSG, Urteil vom 20. August 1986, a.a.O.), indiziert das Unvermögen des Klägers, in der Zeit des Krankengeldbezuges durch eine Beschäftigung die "kleine Anwartschaftszeit” zu erfüllen. Da nach Aufgabe seines Betriebes nichts für die Fortsetzung einer selbständigen Tätigkeit sprach, erscheint die Annahme, der Kläger hätte ohne den Leistungsbezug eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt, gerechtfertigt.
Wenn das BSG im Zusammenhang mit § 134 Abs. 3 AFG davon spricht, die in den Nrn. 1 bis 3 dieser Vorschrift genannten Leistungen müßten "Lohnersatzfunktion” haben, so bedeutet dies nicht, wie die Beklagte anzunehmen scheint, daß sie konkret unselbständiges Erwerbseinkommen ersetzten müßten. Wenn das BSG im Urteil vom 29. November 1988 – 11/7 RAr 37/87 – (SozR 4100 § 134 Nr. 34) auf diese besondere Funktion aufmerksam gemacht hat, diente dies lediglich dazu, Leistungen aus dem Anwendungsbereich des § 134 Abs. 3 AFG auszuschließen, die schon ihrer Höhe nach – wie bei der Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ohne Zahlung von Übergangsgeld der Fall – nicht ausreichten, um als Leistung "zur Bestreitung des Lebensunterhalts” angesehen werden zu können. Diese Entscheidung rechtfertigt nicht die Folgerungen, die die Beklagte ihr entnimmt. Zu Recht wird deshalb darauf hingewiesen, daß auch solche Leistungen, die an die Stelle selbständiger Erwerbseinkünfte treten, den Ersatztatbestand des § 134 Abs. 3 AFG erfüllen können (vgl. Gagel/Ebsen, AFG, 10. Ergänzungslieferung, § 134 Anm. 170).
Die Rechtsprechung des BSG verdeutlicht im übrigen ebenfalls, daß mit dem Begriff "Lohnersatzfunktion”, die die Sozialleistungen des § 134 Abs. 3 AFG haben müßten, nicht gemeint ist, diese müßten konkret an die Stelle unselbständigen Erwerbseinkommens (Arbeitsentgelt) treten. So hat das BSG in bezug auf die Nr. 3 von § 134 Abs. 3 AFG, wonach die fehlende entlohnte Beschäftigung nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG durch alle Leistungen eines öffentlich-rechtlichen Rehabilitationsträgers zur Bestreitung des Lebensunterhalts wegen einer Maßnahme der Rehabilitation ersetzt wird, betont, es komme ersichtlich nicht darauf an, daß der Arbeitslose vor seiner Arbeitslosmeldung zum Kreis der Arbeitnehmer gehört habe, wenn er in seiner Person nur bis zur Arbeitslosmeldung einen bestimmten Anspruch auslösenden Sachverhalt verwirklicht und nunmehr die Arbeitnehmereigenschaft erfülle, wie sie insbesondere in den Voraussetzungen der Verfügbarkeit nach § 103 AFG zum Ausdruck komme (BSG, Urteil vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 24/82 – SozR 4220 § 3 Nr. 1).
Schließlich führt auch die systematische Auslegung nicht zu der von der Beklagten für erforderlich erachteten Auslegung des § 134 Abs. 3 Nr. 1 AFG. Da der Bezug von Krankengeld in den Fällen, in denen der Bezieher unmittelbar zuvor beitragspflichtig beschäftigt war, eine Zeit ist, die direkt über § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchstabe a AFG der Erfüllung der sog. kleinen Anwartschaftszeit dienen kann, ist § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG für diesen Personenkreis der Krankengeldbezieher ohne Bedeutung. Eine solche erwächst ihr erst dann, wenn – wie im Falle des Klägers – unmittelbar vor Eintritt der Krankheit (Arbeitsunfähigkeit) keine der Beitragspflicht unterliegende Beschäftigung bestanden hat (vgl. Gagel/Ebsen a.a.O. Anm. 166).
Schließlich wendet die Beklagte zu Unrecht ein, es sei kein Grund dafür ersichtlich, den Kläger als freiwillig bei einer Ersatzkasse Versicherten mit der Anerkennung des Ersatztatbestandes der Nr. 1 von § 134 Abs. 3 Satz 1 AFG besser zu stellen als solche (ehemals) Selbständigen, die Leistungen wegen Krankheit von einem Träger der privaten Krankenversicherung erhalten haben. Der Kläger war nur deshalb zur freiwilligen Versicherung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigt, weil er als Mitglied (einer gesetzlichen Krankenversicherung) aus der Versicherungspflicht ausgeschieden war und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert war (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Mit seinem Beitritt hat er sich dafür entschieden, der Solidargemeinschaft der Krankenversicherung (§ 1 Satz 1 SGB V) als eines Zweiges der gesetzlichen Sozialversicherung anzugehören, die insbesondere für – auch ehemalige – versicherte Arbeitnehmer soziale Schutzfunktionen wahrzunehmen hat. Dies ist bei Personen, die die Voraussetzungen für einen Beitritt zur Solidargemeinschaft der Krankenversicherung nicht erfüllten oder sich dafür entschieden haben, ihr nicht anzugehören, nicht der Fall.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.
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