L 11 J 334/93

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 13 J 3989/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 11 J 334/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 1993 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) hat.

Der 1935 geborene Kläger absolvierte zwischen 1950 und 1953 eine Lehre zum Modellbauer. Von 1953 bis 1979 war er dann als Modellbauer (Holz, Kunststoff und Metall) berufstätig. Von Juni 1980 bis Dezember 1986 war der Kläger als Hausmeister bei der B. für F. beschäftigt. Er löste sein Beschäftigungsverhältnis zum 1. Januar 1987 auf und bezog alsdann Leistungen des Arbeitsamtes und der Krankenkasse im Wechsel. Seit dem 1. April 1995 bezieht der Kläger Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres.

Nachdem die Beklagte einen ersten Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 28. August 1986 abgelehnt hatte, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege, beantragte der Kläger am 24. Januar 1990 erneut die Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen der behandelnden Ärzte bei, u.a. einen Bericht der Wirbelsäulenklinik B. vom 12. August 1989, wo der Kläger vom 11. Juli bis 8. August 1989 wegen Dorsalgie ohne radikuläre Symptomatik, Coxarthrose beidseits und Bewegungsstörung beider Kreuz-Darmbeingelenke stationär behandelt worden war. Des weiteren holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten bei Dr. R. vom 20. Juni 1990 ein. Der Sachverständige stellte die folgenden Diagnosen:

1) Bewegungsstörungen an LWS und Hüftgelenken bei degenerativem Verschleiß
2) Psychovegetative Übererregbarkeit mit Neigung zu depressiver Verstimmung und Magenschleimhautreizungen
3) Fettstoffwechselstörungen
4) Leichtes Krampfaderleiden beidseits
5) Kälteempfindlichkeit des Kopfes.

Er vertrat die Auffassung, daß der Kläger in dem bisherigen Beruf als Hausmeister leichte Arbeiten im Wechselrhythmus vollschichtig mit gewissen Funktionseinschränkungen verrichten könne.

Unter Berücksichtigung dessen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 1990 die Gewährung der beantragten Leistungen ab: Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei zwar durch die oben genannten Krankheiten oder Gebrechen beeinträchtigt, der Kläger könne jedoch noch leichte Arbeiten mit Einschränkungen vollschichtig verrichten. Demnach könne er weiter in seinem jetzigen Beruf als Hausmeister tätig sein. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 2. August 1990, bei der Beklagten eingegangen am 6. August 1990, Widerspruch ein. Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren Auskunft ein beim Arbeitgeber des Klägers. Ausweislich der Auskunft vom 9. Oktober 1990 bestanden die einzelnen Tätigkeiten des Klägers in der Grundstückspflege, kleineren Reparaturen und Wartungsarbeiten sowie Überprüfung und Pflege der Haustechnik (z.B. Aufzug und Heizung). Es habe sich um eine ungelernte mittelschwere Tätigkeit und keine Facharbeitertätigkeit gehandelt. Die Entlohnung sei nach der Lohngruppe III MTB II erfolgt. Das Beschäftigungsverhältnis sei durch Auflösungsvertrag beendet worden, da sich nach Erweiterung und Ausbau der Anlage der Bundesanstalt für Flugsicherung ein Anforderungsprofil ergeben habe, dem der Kläger nicht mehr entsprochen habe.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 1990 zurück. Zur Begründung führte sie an, daß der Kläger nach Auswertung aller vorliegenden ärztlichen Gutachten und Unterlagen für fähig erachtet werde, leichte Arbeiten mit Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Der Kläger habe zwar nach eigenen Angaben eine Berufsausbildung als Modellbauer abgeschlossen, sich jedoch von diesem Beruf ohne zwingenden gesundheitlichen Grund und ohne betriebliche Anordnung gelöst. Als Hausmeister sei der Kläger der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzurechnen. Er müsse sich deshalb auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisen lassen, die seinem Leistungsvermögen entsprächen. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedürfe es nicht, weil keine besonderen Umstände vorlägen, die die Ausübung solcher Tätigkeiten in ungewöhnlicher Weise erschwerten.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Dezember 1990 vor dem Sozialgericht Frankfurt Klage erhoben. Er machte geltend, er sei erwerbsunfähig, jedenfalls aber berufsunfähig. Von seinem erlernten Beruf als Modellbauer habe er sich 1979 aus gesundheitlichen Gründen lösen müssen. Seit 1970 habe er unter Kreuzschmerzen gelitten und hierdurch in den Folgejahren immer wieder krankheitsbedingte Fehlzeiten aufzuweisen gehabt. Die Fehlzeiten hätten den damaligen Arbeitgeber dazu veranlaßt, bei der Hauptfürsorgestelle den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen zu stellen, woraufhin das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1979 aufgelöst worden sei.

Die Beklagte war der Auffassung, es sei nicht erwiesen, daß sich der Kläger von seinem Beruf als Modellbauer aus zwingenden gesundheitlichen Gründen gelöst habe.

Das Sozialgericht Frankfurt hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten eingeholt sowie die Schwerbehindertenakte des Klägers vom Versorgungsamt F. M. und das Gutachten des Dr. R. vom Ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes F. N. vom 12. März 1991 beigezogen. Die dortigen Diagnosen lauten:

Zustand nach Verwachsungsoperation der rechten Hand, wiederkehrendes Lendenwirbelsyndrom bei Verschleißerscheinungen, Abnutzungserscheinungen beider Hüftgelenke, Reizmagen, gestörtes räumliches Sehvermögen.

Der Kläger könne überwiegend leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit bestimmten weiteren Einschränkungen vollschichtig ausüben. Des weiteren hat das Sozialgericht Frankfurt zur Frage, ob der Kläger seinen Beruf als Modellbauer 1979 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben mußte. Anfragen an den behandelnden Arzt Dr. , den Landeswohlfahrtsverband Hessen und das Arbeitsamt Frankfurt am Main, Dienststelle L., gerichtet. Die befragten Stellen sowie Dr. konnten übereinstimmend keine Auskunft zur Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses 1979 erteilen. Der Kläger hat darüber hinaus im Klageverfahren den Antrag der Firma vom 9. Oktober 1979 an den Landeswohlfahrtsverband – Hauptfürsorgestelle – auf Erteilung der Zustimmung zur fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegt.

Durch Urteil vom 25. Februar 1993 wies das Sozialgericht Frankfurt die Klage mit der Begründung ab, der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Der Kläger könne noch eine leichte Arbeit unter Beachtung bestimmter Arbeitsbedingungen vollschichtig ausüben. Damit sei das Leistungsvermögen noch nicht unter die gesetzliche Grenze herabgesunken und führe nicht zur Feststellung der Erwerbsunfähigkeit. Das Gericht stützte sich zur Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers auf die ärztlichen Gutachten von Dr. R. vom 20. Juni 1990 und Dr. R. vom Ärztlichen Dienst des Arbeitsamts F. M. vom 18. März 1991. Der Kläger sei darüber hinaus auch nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei der bisherige Beruf des Klägers. Dies sei der bis Ende 1986 ausgeübte Beruf des Hausmeisters. Von seinem erlernten Beruf als Modellbauer habe sich der Kläger gelöst, ohne daß hierfür gesundheitliche Gründe maßgebend gewesen seien. Für den Beruf des Hausmeisters habe der Kläger keine berufliche Qualifikation aufzuweisen. Nach der Arbeitgeberauskunft habe es sich um eine ungelernte Tätigkeit gehandelt, so daß der Kläger nach dem Mehr-Stufen-Schema als ungelernter Arbeitnehmer auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne.

Gegen das dem Kläger am 29. März 1993 zugestellte Urteil hat er am 13. April 1993 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Schriftsatz vom 30. November 1993 hat er das Berufungsverfahren auf das Ziel der Gewährung einer Rente wegen Berufungsunfähigkeit beschränkt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Stellenausschreibung für die Tätigkeit als Hausmeister bei der Bundesanstalt für Flugsicherung vorgelegt, aus der hervorgeht, daß für die Einstellung eine abgeschlossene handwerkliche Berufsausbildung erforderlich war. Darüber hinaus hat der Kläger ein Zeugnis der Bundesanstalt für Flugsicherung vom 16. Februar 1987 vorgelegt. Hieraus geht hervor, daß er aufgrund seiner Facharbeiterausbildung als Modellbauer über umfangreiche handwerkliche Fähigkeiten auf den unterschiedlichen Gebieten, wie sie in einer Hausmeisterei benötigt werden, verfügte. Er sei neben den allgemeinen zur Pflege der Liegenschaft anfallenden Aufgaben auch mit Aufgaben aus den Handwerksbereichen Tischler, Maurer, Installateur, Maler und Klimatechnik betraut worden. Schließlich liegt dem Senat ein Manteltarif für die Arbeiter des Bundes (MTB II) in der am 1. Dezember 1975 gültigen Fassung vor.

Der Kläger trägt vor, aufgrund seiner Einstufung zunächst in die Lohngruppe IV, später in die Lohngruppe III MTB II sei er als Facharbeiter entlohnt worden. Des weiteren habe er auf Facharbeiterebene gearbeitet. Die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten seien ihm subjektiv und teilweise objektiv nicht zumutbar.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 1993 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Juli 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1990 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Februar 1990 bis zum 31. März 1995 Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,

und für den Fall, daß dem Sachantrag nicht stattgegeben wird, hilfsweise, zum Beweis dafür, daß die Tätigkeit eines Telefonisten sowie eines Pförtners mit Fernsprechvermittlungsdienst innerhalb einer Einarbeitungszeit von bis zu 3 Monaten nach der Vergütungsgruppe VIII des BAT bzw. Lohngruppe 3 des HLT tarifvertraglich einzustufen und somit sozial zumutbar ist, die Einholung einer Auskunft des Vorstandsvorsitzenden oder einer anderen auskunftsberechtigten Person der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder, B., HB-Straße , des Hessischen Arbeitgeberverbandes der Gemeinden und Kommunalverbände sowie der Gewerkschaft öffentlicher Dienste, Transport und Verkehr.

Sie vertritt die Auffassung, daß der Kläger noch in der Lage sei, die von ihr mit Schriftsätzen vom 13. September 1994 und 8. Juli 1996 genannten Verweisungstätigkeiten eines Vervielfältigers, eines Materialverwalters, eines Pförtners mit Fernsprechvermittlungsdienst, eines Ordners, eines Galerie- oder Museumsaufsehers, eines Wächters oder eines Boten, eines Kommissionierers, eines Warenaufmachers, eines Registrators, eines Poststellenmitarbeiters und eines Telefonisten zu verrichten, selbst wenn man zugunsten des Klägers bejahen wollte, daß er aufgrund der tariflichen Einstufung in eine Facharbeiterlohngruppe Berufsschutz als Facharbeiter genieße.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Sachverständigen Frau W. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 1996. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Des weiteren hat der Senat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine berufs- und wirtschaftskundliche Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 29. Oktober 1996, auf die wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, eingeholt.

Darüber hinaus hat der Senat die Personalakte des Klägers beigezogen und den Beteiligten zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151, 146 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Soweit der Kläger mit ihr seinen vor dem Sozialgericht gestellten Klageantrag hinsichtlich des begehrten Versicherungsfalles auf die Berufsunfähigkeit beschränkt hat, bestehen dagegen keine Bedenken. Nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG ist es unter anderem nicht als Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache beschränkt wird.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit richtet sich noch nach § 1246 RVO, da der Rentenantrag bereits im Januar 1990 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden ist und sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 bezieht (§ 300 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI –).

Nach § 1246 Abs. 2 RVO ist ein Versicherter berufsunfähig, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderung seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Bisheriger Beruf im Sinne des § 1246 Abs. 2 RVO ist, wie das Bundessozialgericht (BSG) in zahlreichen Entscheidungen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164 mit weiteren Nachweisen) ausgesprochen hat, regelmäßig die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn diese die qualitativ höchste ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 66). Eine zuletzt ausgeübte geringerwertige Tätigkeit ist dann unbeachtlich, wenn die vorangegangene höherwertige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde (BSG SozR Nr. 33 zu § 1246 RVO).

Als bisheriger Beruf des Klägers ist die von ihm seit 1980 ausgeübte Tätigkeit als Hausmeister bei der B. für F. zugrunde zulegen. Zwar hat der Kläger davor auch den von ihm erlernten Beruf als Modellbauer ausgeübt. Er hat sich aber von diesem Beruf im Jahr 1979 nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst. Gegen die entsprechenden Feststellungen des Sozialgerichts Frankfurt hat der Kläger keinerlei Einwände erhoben.

Den Beruf als Hausmeister konnte der Kläger nicht mehr ausüben. Insoweit kann ebenfalls auf den Widerspruchsbescheid vom 28. November 1990 sowie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 25. Februar 1993 verwiesen werden. Nach den von den Beteiligten nicht angegriffenen Feststellungen konnte der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten, wenn er hierbei die Möglichkeit wechselnder Körperhaltung hatte, die Arbeit in geschlossenen Räumen stattfand und häufiges Bücken, Heben und Tragen sowie Zeitdruck vermieden worden wäre. Dem Kläger steht deshalb nur dann keine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu, wenn er eine Tätigkeit ausüben konnte, die ihm als ehemaligem Hausmeister zuzumuten war. § 1246 RVO geht von dem Gedanken des Berufsschutzes aus. Dem Versicherten soll ein zu starkes Absinken im Beruf erspart bleiben, wenn er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der bisherigen Weise arbeiten kann. Die Rechtsprechung des BSG hat zur Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1246 Abs. 2 RVO die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die jeweilige Einstufung in dieses Berufsmuster bestimmt die Berufstätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden kann. Die von der Rechtsprechung hierfür zugrunde gelegten Berufsgruppen sind, ausgehend von der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufes hat, nach Leitberufen gebildet worden. Sie sind charakterisiert durch den Beruf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters. Hierbei handelt es sich aber lediglich um Leitberufe. Aus der Dauer der Ausbildung ist zu schließen, daß die Kenntnisse und Fertigkeiten, die zu vermitteln sind, diese Lehrdauer benötigen und entsprechend umfangreich sind (Leitberufe, Qualitätsstufen kraft Ausbildung).

Das BSG (vgl. Urteil vom 18. Januar 1995, Aktenzeichen: 5 RJ 18/94) hat mehrfach deutlich gemacht, daß für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer diesen Gruppen nicht allein die Ausbildung, sondern die Qualitätsanforderungen der verrichteten Arbeit insgesamt ausschlaggebend sind, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert der Arbeit für den Betrieb auf der Grundlage der in § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale der Dauer und des Umfangs der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit. Es kommt somit auf das Gesamtbild an. Aufgrund dieses Gesamtbildes kann eine Tätigkeit, die nicht diese Ausbildungsdauer erfordert, einer gelernten oder angelernten gleichgestellt sein. Die Tätigkeit eines Versicherten, der nicht die geforderte Lernzeit durchlaufen hat, kann im Einzelfall der eines gelernten gleichstehen, z.B. ein ungelernter Maurer einem gelernten (Gleichgestellter).

Der Beruf des Hausmeisters gehört nach den vorstehenden Ausführungen im allgemeinen nur zum angelernten Bereich (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 28.09.1987 – L-2/J-46/87). Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Zeugnisses vom 16. Februar 1987 wurde er neben den allgemeinen, zur Pflege der Liegenschaft anfallenden Aufgaben auch mit Aufgaben aus den Hand-Werksbereichen Tischler, Maurer, Installateur, Maler und Klimatechnik betraut. Hieraus folgt ohne weiteres, daß die Hausmeistertätigkeit nur Teilgebiete mehrerer unterschiedlicher Facharbeitertätigkeit enthält. Ein eigenes Berufsbild existiert nicht. Dafür, daß die vom Kläger ausgeübte Hausmeistertätigkeit nur zum angelernten Bereich gehört, spricht weiterhin die Angabe der Bundesanstalt für Flugsicherung, wonach der Kläger keine Facharbeitertätigkeit, sondern nur ungelernte Tätigkeiten ausführte.

Zu prüfen bleibt, ob sich aus der tariflichen Einstufung des Klägers etwas anderes zu seinen Gunsten ergibt. In diesem Rahmen hat das BSG nämlich tariflichen Regelungen Bedeutung beigemessen, und zwar unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen der abstrakten – "tarifvertraglichen” – Klassifizierung der Tätigkeit (im Sinne eines verselbständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrages (vgl. dazu zuletzt BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 164), zum anderen der – "tariflichen” – Eingruppierung des Versicherten in eine bestimmte Tarifgruppe des jeweiligen Tarifvertrages durch den Arbeitgeber (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 22). In beiden Bereichen sind die Folgerungen für die Wertigkeit einer Arbeit verschieden. Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, daß die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen, in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht; denn die Tarifparteien als unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligte nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehr-Stufen-Schemas und der Qualität des Berufs in bezug auf die in § 1246 Abs. 2 RVO genannten Merkmale entspricht. Demgemäß läßt die abstrakte tarifvertragliche Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, der auch Facharbeiter eingeordnet sind, regelmäßig den Schluß zu, daß diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrages als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Das rechtfertigt sich aus der Annahme, daß Tarifvertragsparteien, die die genaue Art der Arbeit im Geltungsbereich des Tarifvertrages kennen, und die solche Einstufungen auch vornehmen, die Tätigkeit richtig eingeordnet haben. Von dem Grundsatz, daß von der tarifvertraglichen Einstufung bei der Berufsart auszugehen ist, gelten Ausnahmen, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 13, 22). Der Kläger ist von seinem Arbeitgeber nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes – MTB II – entlohnt worden, wie er bis zum Ende der Tätigkeit des Klägers 1986 galt. Der Tarifvertrag enthält eine abstrakte Einordnung des Hausmeisters in mehrere Tarifgruppen. In die Lohngruppe IV, in die der Kläger zunächst eingruppiert war, und die hier maßgebend ist, werden Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 2 1/2 Jahren, die in ihrem oder einem diesem verwandten Beruf beschäftigt werden, eingruppiert. Aus dem Tarifvertrag läßt sich daher im vorliegenden Fall herleiten, daß im Geltungsbereich des Tarifvertrages Hausmeister den Facharbeitern gleichstehen, so daß dem Kläger aufgrund der tariflichen Einstufung seiner Tätigkeit Berufsschutz als Facharbeiter zusteht.

Weiterhin ist nunmehr zu prüfen, ob der Kläger nicht durch andere zumutbare Erwerbstätigkeiten, die sog. Verweisungstätigkeiten, noch wenigstens die gesetzliche Lohnhälfte erwerben konnte. Zumutbar verwiesen werden im Sinne des § 1246 Abs. 2 Satz 2 kann der Kläger jeweils nur auf Tätigkeiten der gleichen oder nächstniedrigeren Gruppe im Mehr-Stufen-Schema. Verwiesen werden kann also nur ein Versicherter mit dem Leitberuf Facharbeiter auf andere Facharbeiten, auf Tätigkeiten in Anlernberufen oder auf Arbeiten, die qualitativ gleichwertig und auch tariflich gleich hoch eingestuft sind. Voraussetzung für eine Verweisung ist, daß die in Aussicht genommene Verweisungstätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entspricht. Er muß also nach seinem restlichen körperlichen Leistungsvermögen in der Lage sein, die Tätigkeit auszuüben. Die Tätigkeit muß aber auch seinen Fähigkeiten entsprechen, er muß also in der Lage sein, die in Aussicht genommene Verweisungstätigkeit nach einer Einweisungs- oder Einarbeitungszeit von längstens 3 Monaten im wesentlichen vollwertig zu verrichten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 101). Kann der Versicherte also seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, so genügt für die Verweisung auf andere, sozial zumutbare Berufstätigkeiten grundsätzlich nicht eine allgemeine ("formelhafte”) Bezeichnung der in Aussicht genommenen Verweisungstätigkeiten. Es bedarf vielmehr regelmäßig der konkreten Benennung zumindest einer zumutbaren Verweisungstätigkeit, damit die Zulässigkeit der Verweisung konkret nachgeprüft werden kann (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. September 1994 als Verweisungstätigkeiten beispielhaft die eines Vervielfältigers (Lohngruppe VI, Ziff. 1.5 des vom Kläger vorgelegten Tarifvertrages), eines Materialverwalters (Ziff. 5.10) oder eines Pförtners mit Fernsprechvermittlungsdienst (Ziff. 5.13) benannt. Ergänzend hat die Beklagte auf die Tätigkeiten eines Ordners, eines Galerie- oder Museumsaufsehers, eines Wächters oder eines Boten aus dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder sowie eines Kommissionierers, Warenaufmachers, Registrators, Poststellenmitarbeiters und Telefonisten verwiesen.

Unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens sowie der weiteren Sachaufklärung des Senats ist der Kläger während des streitbefangenen Zeitraums nicht berufsunfähig gewesen. Auch wenn der Kläger seine zuletzt verrichtete Beschäftigung als Hausmeister nicht mehr ausüben konnte, so kam für ihn zumindest noch die Tätigkeit eines Pförtners/Tagespförtners, Telefonisten bzw. dementsprechend eines Pförtners mit Fernsprechvermittlungsdienst in Betracht. Für diese Feststellung stützt sich der Senat vor allem auf die Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 29. Oktober 1996. Wie das Landesarbeitsamt Hessen in dieser Auskunft weiter ausführt, handelt es sich bei diesen Tätigkeiten um ungelernte Arbeiten, für die eine besondere Ausbildung nicht erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden kann. Aus der Beschreibung dieser Berufstätigkeiten ergibt sich, daß es sich jedoch nicht um allereinfachste Arbeiten handelt, so daß der Kläger sich auf diese Tätigkeiten zumutbar verweisen lassen muß. Dem steht nicht entgegen, daß es sich insoweit um ungelernte Arbeiten handelt. Wie oben ausgeführt, war der Kläger aufgrund der tariflichen Einstufung seiner Tätigkeit als Facharbeiter anzusehen. Denn gemäß § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO kann der Versicherte zumutbar auf Tätigkeiten der gleichen oder der nächstniedrigeren Gruppe im Mehr-Stufen-Schema verwiesen werden. Verwiesen werden kann also ein Versicherter mit dem Leitberuf Facharbeiter auf andere Facharbeiten, auf Tätigkeiten in Anlernberufen oder auf Arbeiten, die qualitativ gleichwertig und auch tariflich gleich hoch eingestuft sind (Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, S. 377). Dies bedeutet, daß der Kläger auch als Facharbeiter auf die von der Beklagten genannten ungelernten Tätigkeiten, die tariflich jeweils angelernten Tätigkeiten gleichgestellt sind, zumutbar verwiesen werden konnte (BSG, Urteil vom 08.09.1993 – 5 RJ 34/93). Aus dem von dem Kläger mit Schriftsatz vom 27. Januar 1994 vorgelegten Tarifvertrag ergibt sich unter Ziffer 5.13, daß es sich bei der Tätigkeit eines Pförtners mit Fernsprechvermittlungsdienst zumindest tariflich um eine solche im Anlernbereich handelt. Da mit dem Beruf eines Pförtners mit Telefondienst eine zumutbare Verweisungstätigkeit für den Kläger vorhanden war, kann dahinstehen, ob die weiteren vom Landesarbeitsamt Hessen genannten Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde und Warensortierer ebenfalls in Betracht kämen.

Wie von dem Landesarbeitsamt Hessen in seiner Auskunft weiter ausgeführt worden ist, ist davon auszugehen, daß der Kläger auch in der Lage war, diese Verweisungstätigkeit nach einer Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von maximal 3 Monaten Dauer vollwertig zu verrichten. Es besteht kein Anlaß, an der entsprechenden Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers zu zweifeln.

Dem Kläger war der Arbeitsmarkt auch nicht verschlossen, weil er die genannte Verweisungstätigkeit als Pförtner mit Fernsprechvermittlungsdienst noch vollschichtig ausüben konnte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß für vollschichtige Tätigkeiten Arbeitsplätze bestehen. Dies ist auch von dem Landesarbeitsamt Hessen in seiner Auskunft für die genannte Verweisungstätigkeit ausdrücklich bestätigt worden.

Der Senat hat keinen Anlaß, an der Richtigkeit der Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen zu zweifeln. Es ist davon auszugehen, daß das Landesarbeitsamt Hessen sachkundig beurteilen kann, welche Berufstätigkeiten für einen eingeschränkt erwerbsfähigen Versicherten noch in Betracht kommen können. Gegen die Richtigkeit der Auskunft sind von den Beteiligten auch keine substantiierten Einwände erhoben worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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