L 3 R 948/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 10 R 864/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 948/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 07. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die Klägerin hat nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis vom 01. September 1981 bis zum 15. Juli 1983 erfolgreich eine Ausbildung zum Facharbeiter für Postverkehr durchlaufen (Facharbeiterbrief vom 15. Juli 1983). Vom 01. August 1983 bis zur betriebsbedingten Kündigung am 03. Mai 1995 war sie als Schalterangestellte beim Post- und Fernmeldeamt B beschäftigt. Seither ist sie arbeitslos. Sie bezieht derzeit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Am 22. Dezember 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, in welchem sie sich seit Dezember 2003 wegen eines Carpaltunnelsyndroms beider Hände für erwerbsgemindert hielt.

Die Beklagte berücksichtigte zunächst Unterlagen aus einem Reha- Verfahren der Klägerin, unter anderem sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) vom 16. Juni 2003 und 08. Januar 2004 sowie Berichte des behandelnden Facharztes für Chirurgie Dipl. med. R vom 26. Januar, 01. September und 22. September 2003. Die Beklagte veranlasste außerdem eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. In seinem Gutachten vom 13. Juni 2004 stellte er ein Carpaltunnelsyndrom (CTS) beidseits nach erfolgter Operation sowie ein neuropathisches Schmerzsyndrom der Hände beidseits (rechts mehr als links) fest und hielt die Klägerin deshalb nur noch für in der Lage, täglich regelmäßig leichte körperliche Arbeiten zeitweise im Stehen, zeitweise im Gehen, überwiegend jedoch im Sitzen in Tagesschicht unter Vermeidung von Akkordarbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Arbeiten, die den ständigen ausgesprochenen Gebrauch beider Hände und Arme erforderten, seien nicht möglich. Ihre erlernte Tätigkeit könne sie nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Es müsse noch eine suffiziente Schmerztherapie durchgeführt werden.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juli 2004 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei.

Auf den Widerspruch der Klägerin hiergegen holte die Beklagte zunächst einen Befundbericht von Dipl. med. R ein, worin dieser wesentliche Funktionseinschränkungen aller Gelenke und der Wirbelsäule nicht bestätigen konnte (Bericht vom 15. Septem-ber 2004). Er bescheinigte einen Verdacht auf Chronifizierung und Fibromyalgie-Syndrom (FMS). Ein weiterer Bericht vom 15. März 2005 enthielt im Wesentlichen die gleichen Aussagen. Sodann beauftragte die Beklagte den Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie/Homöopathie Dr. B mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin. In seinem Gutachten vom 25. Juli 2005 diagnostizierte er ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom mit gesicherten degenerativen, ligamentären und myalgieformen Veränderungen sowie ein Schmerzsyndrom beider Hände bei Zustand nach mehrfacher CTS-Operation. Die Klägerin könne täglich regelmäßig noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten zeitweise im Gehen, zeitweise im Stehen und zeitweise im Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien die Wirbelsäule belastende Tätigkeiten wie Heben und Tragen schwerer Lasten sowie anhaltende Zwangshaltungen, anhaltende Belastungen der Hände und Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Feinmotorik sowie an die komplexe Koordinierung. Als Angestellte im Postverkehr könne sie nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam hat die Klägerin geltend gemacht, ihre Beschwerden hätten sich im Laufe der Zeit eher verschlechtert. Sie habe ständig Schmerzen in den Händen, Taubheitsgefühle und Kraftlosigkeit. Seit einem Bandscheibenvorfall im September 2004 habe sie zudem große Rückenprobleme mit Schmerzen, die in die Beine ausstrahlten, und ein Taubheitsgefühl im linken Fuß.

Das SG hat zunächst Befundberichte von dem behandelnden Orthopäden Dr. Z vom 30. März 2006 und von Dipl. med. R vom 11. September 2006 eingeholt. Anschließend hat es den Orthopäden Dr. M mit der Untersuchung der Klägerin und der Erstellung eines Fachgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 15. Februar 2007 hat er folgende Diagnosen gestellt: - Chronisches Lumbalsyndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung - Bandscheibenprolaps L4/5 links-median - Bandscheibenprotrusion L5/S1 median - Adipositas per magna, myostatische Rumpfinsuffizienz - Impingement-Syndrom linke Schulter - Postoperatives Schmerzsyndrom beider Hände - Zustand nach Neurolyse Nervus medianus wegen CTS rechts 09 + 12/2002 - Zustand nach Neurolyse Nervus medianus wegen CTS links 10/2002 - Venöse Insuffizienz beider Beine - Senk- und Spreizfuß beidseits - Hypertonie - Fettstoffwechselstörung.

Sie könne noch leichte körperliche Arbeiten regelmäßig acht Stunden täglich verrichten. Das Heben und Tragen sollte auf Lasten bis zu 5 kg begrenzt werden, zeitweise seien bis zu 10 kg möglich. Die Arbeit solle im Wechsel der Haltungsarten durchgeführt werden, einseitige körperliche Belastungen oder Zwangshaltungen seien zu vermeiden. Die Arbeiten sollten bevorzugt in klimatisierten Räumen ausgeübt werden. Computerarbeiten seien möglich. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Die Schmerzsymptomatik im Bereich beider Handgelenke sei nicht eindeutig zu klären. Der klinische Untersuchungsbefund sei relativ unauffällig, die Narben seien reizfrei, es bestünden keine sensiblen oder motorischen Ausfallerscheinungen der Hände.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 07. Mai 2007 abgewiesen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung sei die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Die Ergebnisse des Gutachtens des vom Gericht beauftragten Sachverständigen Dr. M stimmten hinsichtlich des quantitativen Leistungsvermögens im Wesentlichen mit den Gutachten im Verwaltungsverfahren von Dr. S und Dr. B überein. Auch der behandelnde Arzt Dipl. med. R halte in seinem Befundbericht die Ausübung einer sitzenden Tätigkeit noch für möglich. Dr. M habe ausführliche Untersuchungsbefunde beider Hände erhoben. Dem Befundbericht des Dr. Z sei lediglich eine Reduktion der statodynamischen Belastbarkeit des lumbalen Wirbelsäulenabschnitts hinsichtlich schwerer Hebe- und Tragearbeiten, einseitiger statischer Belastungen und Zwangshaltungen zu entnehmen. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Anzeichen für schwere spezifische Leistungseinschränkungen seien nicht ersichtlich. Gegen das am 08. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05. Juli 2007 Berufung erhoben und vorgetragen, ihre umfangreichen Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Insbesondere dem Schmerzsyndrom beider Hände sei nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Sie könne auch leichte Lasten nicht mehr heben und tragen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 07. Mai 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 01. Januar 2004 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unbegründet.

Das Gericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 21. Juni 2008 hat er

- degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschädigungen L4/5 und L5/S1, sensible Wurzelschädigung im Bereich der ersten Sakralwurzel des Ischiasnervs links - extreme Stammfettsucht mit myostatischer Rumpfinsuffizienz - Krampfaderleiden beider Beine - arterielle Bluthochdruckerkrankung, medikamentös eingestellt - Fettstoffwechselstörung - mehrfach operiertes CTS der mittleren Armnerven - Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung

festgestellt. Die Bewegungs- und Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht schwerwiegend beeinträchtigt, ebenso wenig die allgemeine Bewegungsfähigkeit. Hierbei seien die Einschränkungen durch die extreme Adipositas berücksichtigt. Die Wegefähigkeit sei nicht gravierend eingeschränkt. Ein wesentlicher Anteil der Beschwerden werde durch psychoreaktive Belastungsreaktionen verursacht. Die Klägerin könne – unter Berücksichtigung der Feststellungen des Dr. M - körperlich leichte Arbeiten unter Witterungsschutz möglichst im Wechsel der Haltungsarten, aber auch überwiegend im Sitzen, in Tag- und Wechselschicht ohne einseitige körperliche Belastungen, ohne Akkord- und Fließbandarbeit, nicht auf Leitern und Gerüsten, auch überwiegend oder teilweise am Computer täglich acht Stunden lang verrichten. Regelmäßig könnten nur Lasten bis zu 5 kg gehoben und getragen werden, kurzzeitig auch Lasten bis zu 10 kg. Arbeiten mit Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit seien gegenwärtig nicht zulässig, ebenso wenig solche mit Anforderungen an die Belastbarkeit der Wirbelsäule sowie der Hände und Füße. Die Leistungsminderung durch die Einschränkungen der Funktionsfähigkeit beider Hände könne durch konservative Behandlung, ggf. operative Interventionen im Carpaltunnel ganz, im ungünstigsten Falle teilweise, behoben werden. Therapiereserven bestünden auch hinsichtlich psychotherapeutischer Maßnahmen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. Juni 2008 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, denn er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Ihr steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu.

Der ab dem 01. Januar 2004 geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich nach § 43 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung.

Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI).

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach Auswertung der im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von dem Neuro-logen und Psychiater Dr. S vom 13. Juni 2004, dem Orthopäden Dr. B vom 25. Juli 2005 sowie der im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten von dem Orthopäden Dr. M vom 15. Februar 2007 und dem Neurologen und Psychiater Dr. L vom 21. Juni 2008 ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin weder voll noch teilweise er-werbsgemindert ist. Die Klägerin ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufs-unfähigkeit gemäß § 240 SGB VI, denn sie ist 1965 geboren und gehört somit nach § 240 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht zu dem Personenkreis, auf den diese Regelung anwendbar ist ("vor dem 02. Januar 1961 geboren").

Die Klägerin leidet auf internistischem Gebiet an einem Krampfaderleiden beider Beine, einer arteriellen Bluthochdruckerkrankung, einer extremen Stammfettsucht sowie einer Fettstoffwechselstörung. Auf orthopädischem Gebiet bestehen degenerative Veränderungen der LWS mit Bandscheibenschädigungen L4/5 und L5/S1, ein Impingement-Syndrom der linken Schulter sowie ein Senk- und Spreizfuß beidseits. Auf neurologischem Gebiet bestehen schließlich ein CTS beiderseits nach mehrfachen Operationen sowie eine sensible Wurzelschädigung im Bereich der ersten Sakralwurzel des Ischiasnervs. Letztlich ist auf psychiatrischem Gebiet der Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung geäußert worden. Die organischen Gesundheitsstörungen sind, wie sich aus den beigezogenen Befundberichten und den vorliegenden Befunden ergibt, von den die Klägerin behandelnden Ärzten im Wesentlichen bestätigt worden.

Im Vordergrund der Beschwerden stehen zunächst die Wirbelsäulenproblematik sowie die Schmerzen in den Händen. Die Funktion der Lendenwirbelsäule ist laut dem Gutachten des Dr. M vom 15. Februar 2007 – auch aufgrund der Adipositas – leicht beeinträchtigt, insbesondere bei der Rückneigung. Die Funktion der Halswirbelsäule ist erhalten. Als Ausdruck der Bandscheibenschädigung und der damit verbundenen Wurzelschädigung liegen außerdem eine – nach Dr. L fragliche - Fußheberschwäche links, eine Abschwächung der Patellar- und Achillessehnenreflexe beidseits sowie eine Abschwächung der Berührungssensibilität an der linken Oberschenkelaußenseite, Unterschenkelaußenseite in Groß- und Kleinzehe bzw. ein Verlust des Vibrationssinns im gesamten linken Bein vor. An den Händen fanden sich sowohl bei Dr. M als auch bei Dr. L unauffällige Haut-, Muskel- und Weichteilverhältnisse. Insbesondere fanden sich keine Anhaltspunkte für eine Muskelatrophie. Der Faustschluss war bei Dr. M komplett, die Beweglichkeit der Finger uneingeschränkt. Der Spitzgriff zu allen Fingern war möglich. Die Handinnenmuskulatur zeigte seitengleiche normale Strukturen. Die Prüfung der Unterarm- und Handmuskulatur durch Dr. L zeigte weder Paresen noch Sensibilitätsstörungen. Es fanden sich bei seiner Untersuchung am 12. Juni 2008 leichte, aber deutliche Arbeitsspuren, vor allem in der rechten Handinnenfläche. Der Carpaltunnel war sowohl bei Dr. M als auch bei Dr. L beidseitig druck- und klopfschmerzhaft. Die Prüfung der groben Kraft im Bereich beider Arme ergab keine Defizite im Seitenvergleich bei normaler Muskelfunktion.

Darüber hinaus hat der Gutachter Dr. L in der zusammenfassenden Bewertung des Beschwerdevortrags, der medizinischen Unterlagen, der Alltagsgestaltung und des Verhaltens in der Untersuchungssituation den Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung geäußert, was bedeutet, dass ein wesentlicher Anteil der geklagten Beschwerden durch psychoreaktive Belastungsreaktionen verursacht wird. Ein wesentliches Kriterium für diese Störung ist die Diskrepanz zwischen den geäußerten Beschwerden und den organischen Befunden bzw. den Funktionsstörungen. Die Klägerin leidet an Schmerzen im Bewegungsapparat durch das Zusammentreffen der degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, der extremen Adipositas und einer deutlichen Muskel- und Bindegewebsinsuffizienz. Ebenso sind Missempfindungen und Schmerzen im Bereich der Hände und Arme nachvollziehbar, allerdings nicht in der vorgetragenen Weise, nach der eine annähernde Gebrauchsunfähigkeit der Hände und Arme in bestimmten Situationen beschrieben wird. Dagegen sprechen sowohl der weitgehend unauffällige neurologische Befund als auch die Hinweise auf einen regelmäßigen Gebrauch der Hände. Zu dem Bild der somatoformen Schmerzstörung gehört auch, dass die vielfältige Inanspruchnahme von medizinischen Einrichtungen keinen bessernden Einfluss auf das Störungsbild hatte. Ein weiteres diagnostisches Kriterium sind emotionale Konflikte und psychosoziale Belastungen, die so ausgeprägt sein müssen, dass sie von sich alleine das Ausmaß der geklagten Beschwerden erklären können. Von psychosozialen Belastungen kann nach den Erhebungen des Dr. L ausgegangen werden, eine neurotische Konstellation wird von ihm ebenfalls als Verdacht geäußert. Die Alltagsgestaltung ist schwer zu beurteilen. Die Klägerin hat einen regelmäßigen Tagesablauf mit Verrichtungen im eigenen Haushalt und in dem der Mutter. Angesichts der Arbeitsspuren ist auch von regelmäßigen Verrichtungen mit den Händen auszugehen. Gemessen an der Lebenssituation – Leben auf dem Dorf ohne Auto bei langer Arbeitslosigkeit und geringen finanziellen Möglichkeiten – besteht eine angemessene soziale Teilhabe mit Kontakten zu einer Freundin, der Familie und den ihr bekannten Dorfbewohnern.

Diese Gesundheitsstörungen bedingen aber keine Minderung der quantitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin. Ihnen wird im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass ihr schwere oder mittelschwere Arbeiten nicht mehr zugemutet werden. Sie kann vielmehr mit den festgestellten Gesundheitsstörungen nur noch leichte Arbeiten mit den vom Sozialgericht und Dr. M sowie Dr. L ausgeführten qualitativen Einschränkungen verrichten. Alle Gutachter – auch die im Verwaltungsverfahren und der von der Klägerin als Arzt ihres Vertrauens benannte Dr. L - haben bestätigt, dass sie noch in der Lage ist, zumindest sechs Stunden täglich bei Beachtung qualitativer Einschränkungen zu arbeiten. Danach kann sie trotz der Gesundheitsstörungen körperlich leichte Arbeiten unter Witterungsschutz bzw. in klimatisierten Räumen möglichst im Wechsel der Haltungsarten, aber auch überwiegend im Sitzen, in Tag- und Wechselschicht ohne einseitige körperliche Belastungen, ohne Zwangshaltungen, ohne Akkord- und Fließbandarbeit, nicht auf Leitern und Gerüsten, auch überwiegend oder teilweise am Computer täglich acht Stunden lang verrichten. Regelmäßig könnten nur Lasten bis zu 5 kg gehoben und getragen werden, kurzzeitig auch Lasten bis zu 10 kg. Arbeiten mit Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit sind gegenwärtig nicht zulässig, ebenso wenig solche mit Anforderungen an die Belastbarkeit der Wirbelsäule sowie an die Belastbarkeit der Hände und Füße.

Die Klägerin ist hiernach nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB VI).

Eine über die genannten Beeinträchtigungen hinausgehende Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung kann nicht angenommen werden. Eine über die genannten qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit hinausgehende schwere spezifische Leistungsbehinderung kann jedenfalls nicht in der Funktionsminderung beider Hände gesehen werden.

Bei der Klägerin bestehen nämlich keine objektivierbaren gravierenden Funktionsstörungen im Bereich der Hände. Weder ist die Beweglichkeit der Hände und Finger herabgesetzt noch bestehen schwerwiegende Störungen wie Lähmungen. Zwar folgen aus dem beidseitigen CTS nachvollziehbare Beschwerden, denen allerdings durch Vermeidung einer ausgesprochenen Belastung der Hände und Arme, erhöhter Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit sowie Beschränkungen hinsichtlich der zu hebenden und tragenden Lasten hinreichend Rechnung getragen wird. Die Hände sind jedoch – wie auch die Gebrauchsspuren zeigen – nutzbar, insbesondere für leichte Verrichtungen wie beispielsweise Blättern, Schreiben, gelegentliches Tastenbedienen, Telefonbedienung, Bewegen leichter Gegenstände.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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