L 3 R 1084/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 97 R 5475/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 1084/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Zeit vom 01. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1971 als Pflichtbeitragszeit in der Rentenversicherung vorzumerken ist.

Der 1937 in M geborene und nunmehr dort lebende Kläger stellte am 09. März 2005 formlos einen Antrag auf Gewährung einer Altersrente bei der LVA Schwaben, der an die hiesige Beklagte weitergeleitet wurde. Der Kläger gab an, von 1969 bis 1970 bei B gearbeitet zu haben. Dem Antrag beigefügt war ein Schreiben der LVA Rheinprovinz an M M A vom 03. Juli 1984, in dem diesem mitgeteilt wurde, dass die Versicherungszeit vom 09. Mai 1970 bis 1972 bei der Firma H trotz Rückfragen bei allen zuständigen Krankenkassen nicht nachgewiesen worden sei. Handschriftlich hatte der Kläger darauf vermerkt, er habe mit dem M M A bei der Firma H zusammengearbeitet und zwar von 1969 bis 1971. Er habe damals den Namen O M B H geführt. Der Kläger gab auf ausdrückliche Nachfrage der Beklagten an, keine Nachweise über die geltend gemachten Beitragszeiten zu haben. Die Beklagte werde gebeten, die Abrechnung seiner Versicherungszeiten ohne die Jahre 1969 und 1970 zu machen. Er sei 1969 nach Deutschland eingereist, um für seine Familie dort zu arbeiten. Er sei nach B gekommen und habe dort eine Arbeit bei einer Firma mit einer Baustelle in T mit Herrn N bekommen. Er habe hier von 1969 bis 1971 als Vertragsarbeiter gearbeitet. Die Unterlagen über seine Beschäftigung habe er verloren. Er habe keine Arbeitsbescheinigung oder auch keine Lohnabrechnung mehr. In einem weiteren Schreiben vom 24. Januar 2006 bezeichnete der Kläger die Baustelle als in T Dorf, Kreis B befindlich. Er habe "K (später K bzw. K) Nr. Haus " gewohnt, die genaue Anschrift wisse er nicht mehr. Mit Schreiben vom 27. Mai 2006 gab der Kläger nunmehr an, von 1969 bis 1972 bei der Firma H gearbeitet zu haben. Später erklärte er, 1972 krank geworden und in seine Heimat zurückgekehrt zu sein. Ermittlungen der Beklagten im Versicherungskartenarchiv der LVA Rheinprovinz und bei der AOK Rheinland verliefen ergebnislos.

Daraufhin lehnte die Beklagte die Anerkennung der Zeit vom 01. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1971 als Beitragszeit mit Bescheid vom 11. Mai 2006 ab, weil weder in den vorhandenen Versicherungsunterlagen Beiträge bescheinigt seien noch die Beitragszahlung nach dem Ergebnis der Ermittlungen glaubhaft erscheine und Beiträge auch nicht als gezahlt gelten würden. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02. November 2006 zurück. Aufgrund der von dem Kläger gemachten Angaben habe weder der Name noch die Anschrift des ehemaligen Arbeitgebers - sofern er überhaupt noch existiere - ermittelt werden können. Sie, die Beklagte, habe daher im Rahmen des ihr obliegenden Amtermittlungsprinzips Ermittlungen bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland und der AOK Rheinland durchgeführt. Weitergehende Ermittlungen seien aufgrund der von dem Kläger gemachten Angaben nicht möglich gewesen. Bei dem Umfang der behaupteten Beitragsentrichtung hätte mindestens eine Versicherungskarte vorhanden sein müssen, die nach erfolgter Aufrechnung auch in das Kontenarchiv bei ihr bzw. den Regionaldirektionen (vormals LVA) hätte gelangen müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Versicherungsunterlagen hätten trotz eingehender Nachforschungen auch unter ähnlich klingenden Namen nicht ermittelt werden können.

Dagegen hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er geltend gemacht hat, von 1969 an drei Jahre in Deutschland gearbeitet zu haben. Er habe für die Firma H T in T, Hauptstadt B, K, gearbeitet und bei der Firma gewohnt.

Durch Gerichtsbescheid vom 25. Juni 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung der Zeit vom 01. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1971 als Beitragszeit gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Es bestünden keine plausiblen Anhaltspunkte dafür, dass für den Kläger Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung aufgrund einer versicherungspflichtigen Tätigkeit in der Zeit von Januar 1969 bis Dezember 1971 oder freiwillige Beiträge gezahlt worden seien. Bei Beschäftigungszeiten, die den Trägern der Rentenversicherung ordnungsgemäß gemeldet worden seien, werde vermutet, dass während dieser Zeit ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe und der Beitrag dafür wirksam gezahlt worden sei (§ 199 Satz 1 SGB VI). Verlorene, unbrauchbare oder zerstörte Versicherungskarten würden durch die Träger der Rentenversicherung vorbehaltlich des § 286 a Abs. 1 SGB VI ersetzt. Nachgewiesene Beiträge und Arbeitsentgelte würden beglaubigt übertragen. Hinweise auf konkrete Beschäftigungszeiten bestünden hier jedoch nicht. Soweit der Kläger geltend mache, über keinerlei rentenversicherungsrelevante Unterlagen mehr zu verfügen, weil er diese verloren habe, fehle es am Nachweis von erzielten Arbeitsentgelten und hierfür abgeführten Beiträgen.

Hiergegen richtet sich die eingelegte Berufung, mit der der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

Auf Befragen des Senats hat der Kläger erklärt, er habe auf einer Baustelle gearbeitet und in der Firma N (oder N) gewohnt. Er sei 1969 nach Deutschland gereist und habe vom Arbeitsamt B eine Arbeitserlaubnis erhalten. Er habe auch eine Aufenthaltser-laubnis in B gehabt. Er habe nur für eine Firma gearbeitet und auf einer Baustelle gearbeitet. Er sei in der kleinen Stadt T K zwei Kilometer von B entfernt gewesen. Er habe damals keine Sozialhilfe erhalten. Er sei bei einer Krankenkasse gemeldet gewesen. Er habe vier DM pro Stunde verdient. Jeden Monat seien ihm 700 bis 800 Mark gezahlt worden. Er habe das Geld nicht bei einer Bank gespart. Als er krank geworden sei, habe er Deutschland verlassen und sei in seine Heimat zurückgekehrt.

Die Nachfrage des Senats bei der Agentur für Arbeit B ist ergebnislos verlaufen. Für den Kläger ist kein Datensatz festgestellt worden (Schreiben der Agentur für Arbeit B vom 17. Oktober 2007).

Dem Vorbringen des Klägers ist sinngemäß der Antrag zu entnehmen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2006 zu verurteilen, die Zeit vom 01. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1971 als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Zeit vom 01. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1971 als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen.

Rechtsgrundlage für die streitige Vormerkung von Versicherungszeittatbeständen ist § 149 Abs. 5 SGB VI. Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest.

Die Anerkennung der von dem Kläger geltend gemachten Beitragszeiten richtet sich nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI. Danach sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten.

Da der Kläger nicht behauptet hat, in Deutschland freiwillige Beiträge gezahlt zu haben und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von fiktiven Pflichtbeiträgen bestehen, kommt - und dies entspricht am ehesten dem Vorbringen des Klägers - nur die Entrichtung von Pflichtbeiträgen aufgrund einer gegen Arbeitsentgelt verrichteten Tätigkeit, die nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig ist, in Betracht.

Zur Überzeugung des Senats hat der Kläger jedoch weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, in der Zeit von 1969 bis 1971 eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt und Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet zu haben.

Der Nachweis einer behaupteten Tatsache ist erbracht, wenn ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit besteht, dass kein vernünftiger Zweifel an ihrer Richtigkeit der besteht (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 118 Rdnr. 5). Demgegenüber ist nach § 23 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Tatsache als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.

Der Kläger verfügt über keinerlei Unterlagen aus der Zeit von 1969 bis 1971, die seine Angaben zu einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachweisen oder aus denen sich zumindest Anhaltspunkte dafür ergeben, wo und bei wem er in der Zeit gelebt und gearbeitet hat. Die Angaben des Klägers selbst zu seiner Beschäftigung in Deutschland sind mehr als vage und kaum verständlich. Seinem Vorbringen kann allenfalls die Behauptung entnommen werden, von 1961 bis 1971 im Raum B gearbeitet zu haben. Nachprüfbare Einzelheiten zu seinem Arbeitgeber, dem Wohnort oder der Krankenkasse kann der Kläger nicht machen. Unterlagen konnten weder beim Versicherungskartenarchiv der LVA Rheinprovinz noch bei der AOK Rheinland und der Agentur für Arbeit B ermittelt werden. Es fehlen selbst Nachweise dafür, dass er sich von 1969 bis 1971 in Deutschland aufgehalten hat. Allein das Schreiben der LVA Rheinprovinz vom 03. Juli 1984 an den ihm bekannten M M A ist kein Beleg für die Richtigkeit seiner Behauptung, von 1969 bis 1971 in Deutschland gearbeitet zu haben. Aus dem Schreiben ergibt sich vielmehr, dass die von Herrn A geltend gemachte Versicherungszeit vom 09. Mai 1970 bis 1972 gerade nicht nachgewiesen ist. Im Übrigen bezieht sich hier die geltend gemachte Arbeit auf eine Tätigkeit bei einer Firma H, der Kläger selbst gibt in seinen späteren Schreiben aber eine Arbeit bei der Firma N bzw. N an. Zeugen für seine Behauptung hat der Kläger ebenfalls nicht benannt.

Der Kläger kann sich nicht auf die Beweiserleichterung der Regelung in § 286 Abs. 4 SGB VI berufen, die sich auf Zeiten bis zum 31. Dezember 1972 bezieht. Danach werden verlorene, unbrauchbare oder zerstörte Versicherungskarten durch die Träger der Rentenversicherung vorbehaltlich des § 286 a Abs. 1 ersetzt. Dies setzt wiederum den Nachweis von Beiträgen und Arbeitsentgelten voraus. Daran fehlt es hier jedoch gerade.

Dem Kläger ist auch nicht die Glaubhaftmachung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gemäß § 286 Abs. 5 SGB VI gelungen. Machen danach Versicherte für Zeiten vor dem 01. Januar 1973 glaubhaft, dass sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt haben, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegt oder nicht auf der Karte bescheinigt ist, und für diese Beschäftigungszeit entsprechende Beiträge gezahlt worden sind, ist die Beschäftigungszeit als Beitragszeit anzuerkennen. Voraussetzung dafür ist, dass die Beschäftigung in einer Versicherungskarte einzutragen gewesen wäre. Im Übrigen ist es unerheblich, ob eine Versicherungskarte überhaupt ausgestellt wurde oder die Eintragung tatsächlich erfolgt ist und ein Ersatz nach Abs. 4 mangels Nachweises etwa von Beiträgen oder Arbeitsentgelt nicht mehr gelingt (vgl. Kasseler Kommentar-Gürtner, Stand März 2005, § 286 Rdnr. 20). Der Senat hält es jedoch nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger von 1969 bis 1971 auf einer Baustelle in der Bundesrepublik gearbeitet, ein Arbeitsentgelt dafür bezogen und Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet hat. Die Angaben des Klägers zu seinem eigenen Umfeld wie dem Wohnort sind, wie bereits oben ausgeführt, zu vage und geben keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen. Er kann noch nicht einmal genau angeben, wann er in Deutschland eingereist ist und wo er gelebt hat, bei welcher Krankenkasse er versichert war und wie sein Arbeitgeber hieß. Auch die durchgeführten Ermittlungen haben die vagen Erklärungen des Klägers nicht im Ansatz bestätigt. Der Senat hält es deshalb nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger in dem behaupteten Umfang eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und Beiträge entrichtet hat.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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