Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 80 AL 17/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 217/08 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers war als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte (SG) mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung des SG liegt bisher nicht vor. Die bloße Untätigkeit des SG in Form der Nichtentscheidung der Klage kann nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht Gegenstand einer Beschwerde sein.
Darüber hinaus existiert derzeit keine gesetzliche Rechtsgrundlage für die von dem Kläger erhobene Untätigkeitsbeschwerde. Unter solchen Umständen sieht es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - jedenfalls außerhalb des Bereichs gerichtlicher Untätigkeit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen - als fraglich an, ob die gesetzlich nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde dem aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit genügen kann (vgl. BVerfG (Kammer), Beschluss vom 10. Juni 2005 - 1 BvR 2790/04NJW 2005, 2685; generell ablehnend: Beschluss des Plenums des BVerfG vom 30. April 2003, BVerfGE 107, 395, 416 = SozR 4-1100 Art 103 Nr. 1). Danach müssen die Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein (Beschluss des Plenums des BVerfG, BVerfGE 107, 395, 416). Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 87, 48, 65; 107, 395, 416). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 107, 395, 416). Es verstößt deshalb gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfG (Kammer) Beschluss vom 16. Januar 2007 - 1 BvR 2803/06, NJW 2007, 2538). Entsprechend geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) davon aus, dass eine richterrechtlich begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer ist (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 08. Juni 2006, EuGRZ 2007, 255 = NJW 2006, 2389). Im Hinblick auf diese Entscheidungen verbleibt kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage durch Richterrecht eine Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren einzuwirken (vgl. Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S =, SozR 4-1500 § 160a Nr. 17; vom 04. September 2007 – B 2 U 208/06 B = SozR 4-1500 § 160a Nr. 18; vom 06. Februar 2008 – B 6 KA 61/07 B, juris; vom 28. Februar 2008 – B 7 AL 109/07 B, juris). Dementsprechend haben auch der Bundesfinanzhof (so das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S, aaO, unter Nennung zweier Beschlüsse des BFH vom 04. Oktober 2005 - II S 10/05 - sowie vom 24. Mai 2006 - VII S 12/06) und das Bundesverwaltungsgericht (so ebenfalls das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S, aaO, unter Benennung eines Beschlusses des BVerwG vom 05. Dezember 2006 - 10 B 68/06) entschieden, dass es ein Rechtsinstitut der "verfassungsrechtlich gebotenen Untätigkeitsbeschwerde" nicht gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (so auch: Beschluss des BSG vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S, aaO). Ein Fall des § 17a Abs. 4 Satz 4 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) liegt nicht vor.
Gründe:
Die Untätigkeitsbeschwerde des Klägers war als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte (SG) mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung des SG liegt bisher nicht vor. Die bloße Untätigkeit des SG in Form der Nichtentscheidung der Klage kann nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht Gegenstand einer Beschwerde sein.
Darüber hinaus existiert derzeit keine gesetzliche Rechtsgrundlage für die von dem Kläger erhobene Untätigkeitsbeschwerde. Unter solchen Umständen sieht es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - jedenfalls außerhalb des Bereichs gerichtlicher Untätigkeit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen - als fraglich an, ob die gesetzlich nicht geregelte Untätigkeitsbeschwerde dem aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit genügen kann (vgl. BVerfG (Kammer), Beschluss vom 10. Juni 2005 - 1 BvR 2790/04NJW 2005, 2685; generell ablehnend: Beschluss des Plenums des BVerfG vom 30. April 2003, BVerfGE 107, 395, 416 = SozR 4-1100 Art 103 Nr. 1). Danach müssen die Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein (Beschluss des Plenums des BVerfG, BVerfGE 107, 395, 416). Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 87, 48, 65; 107, 395, 416). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 107, 395, 416). Es verstößt deshalb gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfG (Kammer) Beschluss vom 16. Januar 2007 - 1 BvR 2803/06, NJW 2007, 2538). Entsprechend geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) davon aus, dass eine richterrechtlich begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer ist (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 08. Juni 2006, EuGRZ 2007, 255 = NJW 2006, 2389). Im Hinblick auf diese Entscheidungen verbleibt kein Raum dafür, zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ohne gesetzliche Grundlage durch Richterrecht eine Untätigkeitsbeschwerde zu schaffen, um auf ein laufendes Verfahren einzuwirken (vgl. Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S =, SozR 4-1500 § 160a Nr. 17; vom 04. September 2007 – B 2 U 208/06 B = SozR 4-1500 § 160a Nr. 18; vom 06. Februar 2008 – B 6 KA 61/07 B, juris; vom 28. Februar 2008 – B 7 AL 109/07 B, juris). Dementsprechend haben auch der Bundesfinanzhof (so das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S, aaO, unter Nennung zweier Beschlüsse des BFH vom 04. Oktober 2005 - II S 10/05 - sowie vom 24. Mai 2006 - VII S 12/06) und das Bundesverwaltungsgericht (so ebenfalls das BSG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S, aaO, unter Benennung eines Beschlusses des BVerwG vom 05. Dezember 2006 - 10 B 68/06) entschieden, dass es ein Rechtsinstitut der "verfassungsrechtlich gebotenen Untätigkeitsbeschwerde" nicht gibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (so auch: Beschluss des BSG vom 21. Mai 2007 – B 1 KR 4/07 S, aaO). Ein Fall des § 17a Abs. 4 Satz 4 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) liegt nicht vor.
Rechtskraft
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