Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 998/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 RJ 172/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. September 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 1. April 2002.
Die 1956 geborene Klägerin hat keine Lehre durchlaufen. Sie war als Melkerin, Landarbeiterin, Reinigungskraft, Köchin und zuletzt seit 1991 als Hauswirtschaftspflegerin abhängig beschäftigt. Im Mai 2001 wurde sie arbeitsunfähig krank und musste sich im August 2001 in der Orthopädischen Klinik des Ohauses in P einer Nukleotomie bei subligamentärem Bandscheibenvorfall L 4/5 links unterziehen. Aus der anschließenden Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik H wurde sie mit weiteren qualitativen Einschränkungen mit einem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten für täglich sechs Stunden und mehr entlassen (Entlassungsbericht vom 8. November 2001).
Im März 2002 beantragte sie bei der Beklagten, ihr wegen ständiger Rückenschmerzen und einem Taubheitsgefühl in der linken Körperhälfte eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg in einem im Mai 2002 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen war, die Klägerin sei jedenfalls weiter arbeitsunfähig, ließ die Beklagte die Klägerin durch den Arzt für Orthopädie Dr. M begutachten. Dr. M stellte in seinem Gutachten vom 22. Mai 2002 fest, dass die Klägerin zwar an einem Lendenwirbelsäulensyndrom bei Zustand nach Nukleotomie im August 2001 bei Prolaps L 4/5 links nach Rezidivprolaps, einer Spondylosithesis mit leichtem Gleiten sowie einer Coxa saltans ohne Beschwerden bei der Provokation leide, sie jedoch mit weiteren qualitativen Einschränkungen noch leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten täglich sechs Stunden und mehr leisten könne. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit ihrem Ablehnungsbescheid vom 14. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2002 mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert; es liege auch keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor, weil die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne und dort mindestens sechs Stunden täglich einsatzfähig sei. Ausweislich des Ab-Vermerks wurde der Widerspruchsbescheid am 1. Oktober 2002 mit einfachem Brief an die Klägerin versandt.
Gegen die Ablehnung ihres Rentenantrages hat die Klägerin am 7. November 2002 bei dem Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und ausgeführt: Die Beklagte habe ihr Leistungsvermögen völlig unzureichend eingeschätzt. Tatsächlich könne sie wegen anhaltender starker Schmerzen keinerlei Arbeiten mehr verrichten.
Im Laufe des Klageverfahrens unterzog sich die Klägerin im November/Dezember 2001 nochmals einer stationären Behandlung im Ohaus in P, wo eine Erweiterung des knöchernen Spinalkanals sowie eine Versteifungsoperation L 4/5 und L 5/S 1 durchgeführt wurden. Aus der sich anschließenden Rehabilitationsbehandlung in den H-U-Kliniken in K wurde sie als für weitere vier bis sechs Wochen arbeitsunfähig entlassen; nach Erreichen der Arbeitsfähigkeit könne sie wieder leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen im Umfang von täglich sechs Stunden und mehr erbringen (Entlassungsbericht vom 30. Januar 2003).
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Ärztin Dr. B und des Facharztes für Neurochirurgie Dr. S vom 8. August und 11. Oktober 2003 eingeholt, in denen die Klägerin als nicht mehr vollschichtig einsatzfähig beschrieben worden war. Sodann hat es den Orthopäden Dr. A mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. A hat in seinem Gutachten vom 22. März 2004 ausgeführt: Die Klägerin leide an einem chronisch pseudoradikulären sowie der Nervenwurzel L 5 zuzurechnenden Nerven- und Muskelreizzustand, einem Zustand nach operierter Bandscheibenentfernung der Etage L 4/5, einem Zustand nach Revisionsoperation mit Spinalerweiterung und Versteifung der Wirbelsegmente L 4/5 und L 5/S 1 sowie einer Fehlhaltung der Halswirbelsäule mit Erhöhung des paravertebralen Muskeltonus und zeitweiligen Reizerscheinungen. Leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Hitze, Staub, Feuchtigkeit oder Zugluft, die nicht mit Zwangshaltungen und einseitigen körperlichen Belastungen sowie dem Heben und Tragen von Lasten über 5 kg verbunden seien, könne sie sechs Stunden täglich verrichten.
Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts nur noch beantragt hatte, die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu verurteilen, ihr ab dem 1. April 2002 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. A stehe der Klägerin ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. April 2002 nicht zu. Denn sie sei trotz der festgestellten Leiden in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen mit weiteren qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich zu erbringen.
Gegen dieses ihr am 22. Oktober 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. November 2004 bei Gericht eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie im Wesentlichen geltend macht: Die von ihr erhobene Klage sei zulässig. Sie könne sich zwar aktuell nicht mehr daran erinnern, wann sie den Widerspruchsbescheid erhalten habe. Dessen Zugangsdatum lasse sich jedoch möglicherweise ermitteln, weil sie noch am Nachmittag des Tages, an dem der Widerspruchsbescheid bei ihr eingegangen sei, ihre frühere Prozessbevollmächtigte aufgesucht habe, um mit ihr hierüber zu sprechen. Die Klage sei auch begründet. Denn ebenso wie schon die Beklagte habe auch das Sozialgericht ihr Leistungsvermögen fehlerhaft eingeschätzt. Vor allem habe es unberücksichtigt gelassen, dass sie an einer mittlerweile chronifizierten Schmerzkrankheit leide, die sich – ebenso wie ihr Gesundheitszustand im Übrigen – im Laufe des gesamten Verfahrens deutlich verschlechtert habe. Da insbesondere die Schmerzen immer mehr zugenommen hätten, könne sie keinerlei Arbeiten mehr verrichten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. September 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 14. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2002 zu verurteilen, ihr ab dem 1. April 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren,
hilfsweise eine psychosomatisches Gutachten eines Arztes für psychosomatische Medizin einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Befundberichte der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. G und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Evom 8. und 15. August 2005 eingeholt. Sodann hat er den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 9. November 2005 hat Dr. C im Wesentlichen ausgeführt: Die Hauptbeschwerden der Klägerin lägen im orthopädischen Bereich und seien im Rahmen des vorliegenden orthopädischen Gutachtens hinreichend gewürdigt worden. Auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet bestünden eine depressive Reaktion mit abklingender Tendenz (der im Ehekonflikt begründete Focus werde durch den Auszug der Klägerin sozusagen saniert) sowie eine leichte Minderbegabung. Unter Berücksichtigung des orthopädischen Befunds sei die Klägerin trotz der bei ihr festgestellten Leiden vollschichtig einsatzfähig für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Kälte, Nässe und Zugluft sowie von Überkopfarbeiten. Zwangshaltungen seien nur gelegentlich zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg sei möglich. In geistiger Hinsicht kämen sehr einfache Tätigkeiten in Frage. Arbeiten unter Zeitdruck seien nicht zumutbar. Arbeiten in Wechselschicht, allerdings ohne Nachtschicht, seien möglich. An die geistige Flexibilität könnten nur geringe, an die Übersicht, das Verantwortungsbewusstsein und die Zuverlässigkeit durchschnittliche Anforderungen gestellt werden. Wegen der Ablenkbarkeit durch Schmerzen könnten an das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit ebenfalls nur leichtere Anforderungen gestellt werden.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat in der Folgezeit den Facharzt für Anästhesiologie Dr. G mit der Erstattung eines weiteren Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. G hat in seinem Gutachten vom 13. August 2006 festgestellt: Die Klägerin leide an einer chronisch degenerativen Wirbelsäulenveränderung, einem Postnukleotomie- und Postlaminektomiesyndrom, einer chronischen Schmerzkrankheit (3. Chronifizierungsgrad nach Gerbershagen), einer Angststörung und einer Depression mit somatiformen Störungen. Da sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln (Schmerzmedikamente und Schmerzbewältigungsstrategien) nicht in der Lage sei, ihre Schmerzkrankheit zu beherrschen, sei sie derzeit nur noch weniger als sechs Stunden täglich einsatzfähig. Hierbei erschienen Arbeiten mit einseitiger Körperhaltung, im Freien, in Kälte, Nässe und Zugluft, auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die mit einem dauernden Heben und Bücken, Überkopfarbeiten und dem Tragen von mehr als 5 kg verbunden seien, nicht zumutbar. Schwierige und mittelschwierige geistige Arbeiten, Arbeiten unter Zeitdruck sowie solche, die besondere Anforderungen an das Reaktionsvermögen, die Aufmerksamkeit und die Zuverlässigkeit stellten, seien nicht möglich.
Auf Veranlassung des Senats hat Dr. Cam 20. März 2007 zu diesem Gutachten ergänzend ausgeführt: Aus psychiatrischer Sicht erscheine ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden nur dann plausibel, wenn sich der Gesundheitszustand der Klägerin entgegen seiner damaligen Einschätzung nicht verbessert, sondern verschlechtert haben sollte. Seinerzeit habe er nicht den Eindruck gehabt, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte psychiatrische Symptomatik oder ein schweres Schmerzsyndrom vorgelegen hätten. Dr. G hat am 4. Juni 2007 ergänzend dargelegt: Die Klägerin leide aus anästhesiologischer Sicht an einer bio-psycho-sozial determinierten Schmerzkrankheit, die sich deutlich verschlechtert habe. Eine weitere Begutachtung halte er nicht für sachdienlich. Vielmehr sollte alsbald eine juristische Entscheidung getroffen werden, damit endlich wieder therapeutisch eingegriffen werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Mit dieser Berufung begehrt die Klägerin allein die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 1. April 2002, und zwar vorrangig in der Gestalt einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit, und nachrangig in Gestalt einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit. Nicht Gegen-stand des Berufungsverfahrens ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufungsunfähigkeit, die gegenüber einer Rente wegen Erwerbsminderung in den zuvor genannten Spielarten kein Minus, sondern eine abtrennbare selbstständige Leistung im Sinne eines sog. aliuds darstellt. Eine solche Rente ist bei sachdienlicher Auslegung des in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts gestellten Klageantrags zuletzt auch nicht mehr Gegen-stand des Klageverfahrens gewesen und auch das Sozialgericht hat hierüber bei sachdienlicher Auslegung des mit der Berufung angegriffenen Urteils vom 16. September 2004 nicht mehr entschieden.
Die Entscheidung des Sozialgerichts, die nach den vorstehenden Ausführungen zuletzt nur noch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. April 2002 gerichtete Klage abzuweisen, ist nicht zu beanstanden. Hierbei kann offen bleiben, ob diese Klage überhaupt zulässig ist. Aus Sicht des Senats bestehen hieran zwar mit Blick auf die Einhaltung der in § 87 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geregelten Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides Zweifel, weil die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 30. September 2002 ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Ab-Vermerks bereits am 1. Oktober 2002 an die Klägerin versandt hat, die Klage aber erst am 7. November 2002 bei Gericht eingegangen ist. Diesen Zweifeln, die nach § 37 Abs. 2 Satz 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches dann ausgeräumt wären, wenn ihr der Widerspruchsbescheid erst am 7. Oktober 2002 zugegangen sein sollte, muss der Senat jedoch nicht weiter nachgehen, weil die Klage jedenfalls unbegründet ist.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist nämlich der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, soweit die Beklagte mit ihm die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn der Klägerin steht der von ihr verfolgte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit, bzw. teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit, für die Zeit ab dem 1. April 2002 nicht zu.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Danach hängt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung – ungeachtet ihrer Einstufung als Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung – u. a. davon ab, dass der betroffene Versicherte in rechtlich erheblicher Weise in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Dies ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nur dann der Fall, wenn der betroffene Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig sein kann. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Denn die Klägerin ist bis heute in der Lage, körperlich leichte und geistig sehr einfache Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten, wobei lediglich in qualitativer Hinsicht Einschränkungen zu beachten sind. So sind ihr Arbeiten nur noch im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Kälte, Nässe und Zugluft zumutbar. Zu vermeiden sind ferner Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen, unter Zeitdruck und in Nachtschicht sowie das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg. Schließlich kommen für sie nur noch solche Arbeiten in Betracht, bei denen an die geistige Flexibilität, das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit nur geringe und an die Übersicht, das Verantwortungsbewusstsein und die Zuverlässigkeit nur durchschnittliche Anforderungen gestellt werden.
Hinsichtlich dieses Leistungsvermögens folgt der Senat der Einschätzung des im Berufungsverfahren mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens sowie einer ergänzenden Stellungnahme beauftragten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C, der insbesondere in seinem Gutachten vom 9. November 2005 ausgeführt hat, dass die Beschwerden der Klägerin hauptsächlich im orthopädischen Bereich lägen und in dem im Klageverfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. A hinreichend gewürdigt worden seien. Auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet bestünden nach seiner Einschätzung lediglich eine depressive Reaktion mit abklingender Tendenz sowie eine leichte Minderbegabung, aus denen sich jedoch ebenso wie aus den orthopädischen Leiden nur qualitative, nicht jedoch quantitative Beschränkungen des Leistungsvermögens herleiten ließen. Diese Ausführungen hält der Senat für überzeugend. Denn sie bauen auf den ihrerseits in sich stimmigen und nachvollziehbaren Darlegungen des Orthopäden Dr. A in seinem Gutachten vom 22. März 2004 auf, die wiederum mit dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik H vom 8. November 2001, dem Entlassungsbericht der H-U-Kliniken vom 30. Januar 2003 sowie den Ausführungen des im Verwaltungsverfahren mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragten Arztes für Orthopädie Dr. Mvom 22. Mai 2002 im Einklang stehen. Sie beruhen zudem auf einer eigenen körperlichen Untersuchung der Klägerin und einer umfassenden Auswertung der sonstigen zu den Akten gelangten ärztlichen Unterlagen.
Das im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin erstattete Gutachten des Facharztes für Anästhesiologie Dr. G vom 13. August 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 4. Juni 2007 vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Dr. G ist in seinen Ausführungen zwar zu dem Ergebnis gelangt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auch in quantitativer Hinsicht eingeschränkt sei. Dieser Einschätzung, die Dr. Gin zeitlicher Hinsicht nicht näher präzisiert hat, kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn abgesehen davon, dass sich der Sachverständige im Rahmen seiner Untersuchung auf Fragebögen gestützt hat, die zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken in der Schmerztherapie entwickelt worden sind und vor diesem Hintergrund nur in sehr begrenztem Umfang Rückschlüsse auf das Restleistungsvermögen des Untersuchten zulassen, ist er auch bei seiner Leistungsbeurteilung im Wesentlichen von den Angaben der Klägerin ausgegangen, ohne selbige kritisch zu hinterfragen. Zudem lassen seine Ausführungen erkennen, dass er bei der Beurteilung des Leistungsvermögens vom untherapierten Zustand ausgegangen ist, auf den es jedoch in rentenrechtlicher Hinsicht nicht ankommt. Ferner erweisen sich seine Darlegungen insoweit nicht als stimmig, als er insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Juni 2007 betont hat, dass die Klägerin an einer bio-psycho-sozial determinierten Schmerzkrankheit leide, er jedoch bei der Aufzählung der leistungsrelevanten Diagnosen die chronische Schmerzkrankheit erst an dritter Stelle nach der von ihm vorrangig benannten chronisch degenerativen Wirbelsäulenveränderung sowie dem Postnukleotomie- und Postlaminektomiesyndrom aufgeführt hat. Die von ihm des Weiteren festgestellte Angststörung und die Depression mit somatiformen Störungen folgen dann erst an vierter und letzter Stelle. Schließlich erscheinen seine Ausführungen nicht nachvollziehbar, soweit er dargelegt hat, dass es auch in der Zeit zwischen der Begutachtung durch Dr. C und der Begutachtung durch ihn zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin gekommen sei, die sich vor allem aus der Steigerung der Analgetikagabe ableiten lasse. Denn eine nochmalige Steigerung der Analgetikagabe nach der Begutachtung durch Dr. Clässt sich den Akten nicht entnehmen, weil die Tagesdosis des Analgetikums Oxygesic, auf das Dr. Gim vorstehenden Zusammenhang im Wesentlichen abgehoben hat, bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. C 80 mg betragen hat und Dr. C diese Dosis in seinem Gutachten vom 9. November 2005 im Rahmen der allgemeinen Anamnese ausdrücklich erwähnt hat und gleichwohl nicht zu der Einschätzung gelangt ist, dass bei der Klägerin ein schweres Schmerzsyndrom und/oder eine ausgeprägte psychiatrische Symptomatik vorliegen könnte(n).
Mit Blick auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Chält der Senat den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht für ausreichend geklärt und die Einholung weiterer Gutachten nicht für erforderlich. Insbesondere sieht er keinen Anlass, dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gestellten Antrag zu folgen, ein psychosomatisches Gutachten eines Arztes für psychosomatische Medizin einzuholen. Denn den im Fall der Klägerin vorliegenden ärztlichen Unterlagen lässt sich nicht entnehmen, dass bei ihr ein psychosomatisches Beschwerdebild vorliegen könnte. Lediglich Dr. Ghat in seinem Gutachten vom 13. August 2006 mitgeteilt, dass die Klägerin u. a. an einer Depression mit somatiformen Störungen leide. Dies reicht jedoch nicht aus, bei der Klägerin eine psychosomatische Erkrankung anzunehmen, zumal Dr. Gdie aus seiner Sicht bei der Klägerin bestehende Schmerzkrankheit in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gestellt und ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er eine weitere Begutachtung der Klägerin nicht für sachdienlich halte. Letzterem schließt sich der Senat an.
Ob die Klägerin nach der Lage auf dem Arbeitsmarkt eine offene Stelle finden kann, ist für die Entscheidung ihres Falles unerheblich. Denn dieses Risiko ist bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Versicherten in der Regel nicht von der Rentenversicherung, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen. Ein Fall, in dem wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung trotz vollschichtigen Leistungsvermögens ausnahmsweise eine Verschiebung des abzudeckenden Risikos auf die Rentenversicherung in Betracht kommen könnte, ist nicht gegeben. Die Klägerin unterliegt zwar einer Reihe von qualitativen Leistungseinschränkungen, sie halten sich jedoch im Rahmen dessen, was durch den Begriff "leichte körperliche Tätigkeiten" umrissen wird. Dass die Klägerin in geistiger Hinsicht nur sehr einfache Tätigkeiten verrichten kann und in kognitiver Hinsicht den oben wieder gegebenen weiteren Beschränkungen unterliegt, ändert an diesem Ergebnis nichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 1. April 2002.
Die 1956 geborene Klägerin hat keine Lehre durchlaufen. Sie war als Melkerin, Landarbeiterin, Reinigungskraft, Köchin und zuletzt seit 1991 als Hauswirtschaftspflegerin abhängig beschäftigt. Im Mai 2001 wurde sie arbeitsunfähig krank und musste sich im August 2001 in der Orthopädischen Klinik des Ohauses in P einer Nukleotomie bei subligamentärem Bandscheibenvorfall L 4/5 links unterziehen. Aus der anschließenden Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik H wurde sie mit weiteren qualitativen Einschränkungen mit einem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten für täglich sechs Stunden und mehr entlassen (Entlassungsbericht vom 8. November 2001).
Im März 2002 beantragte sie bei der Beklagten, ihr wegen ständiger Rückenschmerzen und einem Taubheitsgefühl in der linken Körperhälfte eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg in einem im Mai 2002 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen war, die Klägerin sei jedenfalls weiter arbeitsunfähig, ließ die Beklagte die Klägerin durch den Arzt für Orthopädie Dr. M begutachten. Dr. M stellte in seinem Gutachten vom 22. Mai 2002 fest, dass die Klägerin zwar an einem Lendenwirbelsäulensyndrom bei Zustand nach Nukleotomie im August 2001 bei Prolaps L 4/5 links nach Rezidivprolaps, einer Spondylosithesis mit leichtem Gleiten sowie einer Coxa saltans ohne Beschwerden bei der Provokation leide, sie jedoch mit weiteren qualitativen Einschränkungen noch leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten täglich sechs Stunden und mehr leisten könne. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit ihrem Ablehnungsbescheid vom 14. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2002 mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert; es liege auch keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor, weil die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne und dort mindestens sechs Stunden täglich einsatzfähig sei. Ausweislich des Ab-Vermerks wurde der Widerspruchsbescheid am 1. Oktober 2002 mit einfachem Brief an die Klägerin versandt.
Gegen die Ablehnung ihres Rentenantrages hat die Klägerin am 7. November 2002 bei dem Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und ausgeführt: Die Beklagte habe ihr Leistungsvermögen völlig unzureichend eingeschätzt. Tatsächlich könne sie wegen anhaltender starker Schmerzen keinerlei Arbeiten mehr verrichten.
Im Laufe des Klageverfahrens unterzog sich die Klägerin im November/Dezember 2001 nochmals einer stationären Behandlung im Ohaus in P, wo eine Erweiterung des knöchernen Spinalkanals sowie eine Versteifungsoperation L 4/5 und L 5/S 1 durchgeführt wurden. Aus der sich anschließenden Rehabilitationsbehandlung in den H-U-Kliniken in K wurde sie als für weitere vier bis sechs Wochen arbeitsunfähig entlassen; nach Erreichen der Arbeitsfähigkeit könne sie wieder leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen im Umfang von täglich sechs Stunden und mehr erbringen (Entlassungsbericht vom 30. Januar 2003).
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Ärztin Dr. B und des Facharztes für Neurochirurgie Dr. S vom 8. August und 11. Oktober 2003 eingeholt, in denen die Klägerin als nicht mehr vollschichtig einsatzfähig beschrieben worden war. Sodann hat es den Orthopäden Dr. A mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. A hat in seinem Gutachten vom 22. März 2004 ausgeführt: Die Klägerin leide an einem chronisch pseudoradikulären sowie der Nervenwurzel L 5 zuzurechnenden Nerven- und Muskelreizzustand, einem Zustand nach operierter Bandscheibenentfernung der Etage L 4/5, einem Zustand nach Revisionsoperation mit Spinalerweiterung und Versteifung der Wirbelsegmente L 4/5 und L 5/S 1 sowie einer Fehlhaltung der Halswirbelsäule mit Erhöhung des paravertebralen Muskeltonus und zeitweiligen Reizerscheinungen. Leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Hitze, Staub, Feuchtigkeit oder Zugluft, die nicht mit Zwangshaltungen und einseitigen körperlichen Belastungen sowie dem Heben und Tragen von Lasten über 5 kg verbunden seien, könne sie sechs Stunden täglich verrichten.
Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts nur noch beantragt hatte, die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu verurteilen, ihr ab dem 1. April 2002 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. A stehe der Klägerin ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. April 2002 nicht zu. Denn sie sei trotz der festgestellten Leiden in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen mit weiteren qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich zu erbringen.
Gegen dieses ihr am 22. Oktober 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. November 2004 bei Gericht eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie im Wesentlichen geltend macht: Die von ihr erhobene Klage sei zulässig. Sie könne sich zwar aktuell nicht mehr daran erinnern, wann sie den Widerspruchsbescheid erhalten habe. Dessen Zugangsdatum lasse sich jedoch möglicherweise ermitteln, weil sie noch am Nachmittag des Tages, an dem der Widerspruchsbescheid bei ihr eingegangen sei, ihre frühere Prozessbevollmächtigte aufgesucht habe, um mit ihr hierüber zu sprechen. Die Klage sei auch begründet. Denn ebenso wie schon die Beklagte habe auch das Sozialgericht ihr Leistungsvermögen fehlerhaft eingeschätzt. Vor allem habe es unberücksichtigt gelassen, dass sie an einer mittlerweile chronifizierten Schmerzkrankheit leide, die sich – ebenso wie ihr Gesundheitszustand im Übrigen – im Laufe des gesamten Verfahrens deutlich verschlechtert habe. Da insbesondere die Schmerzen immer mehr zugenommen hätten, könne sie keinerlei Arbeiten mehr verrichten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. September 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 14. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2002 zu verurteilen, ihr ab dem 1. April 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren,
hilfsweise eine psychosomatisches Gutachten eines Arztes für psychosomatische Medizin einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Befundberichte der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. G und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Evom 8. und 15. August 2005 eingeholt. Sodann hat er den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 9. November 2005 hat Dr. C im Wesentlichen ausgeführt: Die Hauptbeschwerden der Klägerin lägen im orthopädischen Bereich und seien im Rahmen des vorliegenden orthopädischen Gutachtens hinreichend gewürdigt worden. Auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet bestünden eine depressive Reaktion mit abklingender Tendenz (der im Ehekonflikt begründete Focus werde durch den Auszug der Klägerin sozusagen saniert) sowie eine leichte Minderbegabung. Unter Berücksichtigung des orthopädischen Befunds sei die Klägerin trotz der bei ihr festgestellten Leiden vollschichtig einsatzfähig für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Kälte, Nässe und Zugluft sowie von Überkopfarbeiten. Zwangshaltungen seien nur gelegentlich zumutbar. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg sei möglich. In geistiger Hinsicht kämen sehr einfache Tätigkeiten in Frage. Arbeiten unter Zeitdruck seien nicht zumutbar. Arbeiten in Wechselschicht, allerdings ohne Nachtschicht, seien möglich. An die geistige Flexibilität könnten nur geringe, an die Übersicht, das Verantwortungsbewusstsein und die Zuverlässigkeit durchschnittliche Anforderungen gestellt werden. Wegen der Ablenkbarkeit durch Schmerzen könnten an das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit ebenfalls nur leichtere Anforderungen gestellt werden.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat in der Folgezeit den Facharzt für Anästhesiologie Dr. G mit der Erstattung eines weiteren Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. G hat in seinem Gutachten vom 13. August 2006 festgestellt: Die Klägerin leide an einer chronisch degenerativen Wirbelsäulenveränderung, einem Postnukleotomie- und Postlaminektomiesyndrom, einer chronischen Schmerzkrankheit (3. Chronifizierungsgrad nach Gerbershagen), einer Angststörung und einer Depression mit somatiformen Störungen. Da sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln (Schmerzmedikamente und Schmerzbewältigungsstrategien) nicht in der Lage sei, ihre Schmerzkrankheit zu beherrschen, sei sie derzeit nur noch weniger als sechs Stunden täglich einsatzfähig. Hierbei erschienen Arbeiten mit einseitiger Körperhaltung, im Freien, in Kälte, Nässe und Zugluft, auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die mit einem dauernden Heben und Bücken, Überkopfarbeiten und dem Tragen von mehr als 5 kg verbunden seien, nicht zumutbar. Schwierige und mittelschwierige geistige Arbeiten, Arbeiten unter Zeitdruck sowie solche, die besondere Anforderungen an das Reaktionsvermögen, die Aufmerksamkeit und die Zuverlässigkeit stellten, seien nicht möglich.
Auf Veranlassung des Senats hat Dr. Cam 20. März 2007 zu diesem Gutachten ergänzend ausgeführt: Aus psychiatrischer Sicht erscheine ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden nur dann plausibel, wenn sich der Gesundheitszustand der Klägerin entgegen seiner damaligen Einschätzung nicht verbessert, sondern verschlechtert haben sollte. Seinerzeit habe er nicht den Eindruck gehabt, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte psychiatrische Symptomatik oder ein schweres Schmerzsyndrom vorgelegen hätten. Dr. G hat am 4. Juni 2007 ergänzend dargelegt: Die Klägerin leide aus anästhesiologischer Sicht an einer bio-psycho-sozial determinierten Schmerzkrankheit, die sich deutlich verschlechtert habe. Eine weitere Begutachtung halte er nicht für sachdienlich. Vielmehr sollte alsbald eine juristische Entscheidung getroffen werden, damit endlich wieder therapeutisch eingegriffen werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Mit dieser Berufung begehrt die Klägerin allein die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 1. April 2002, und zwar vorrangig in der Gestalt einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit, und nachrangig in Gestalt einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit. Nicht Gegen-stand des Berufungsverfahrens ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufungsunfähigkeit, die gegenüber einer Rente wegen Erwerbsminderung in den zuvor genannten Spielarten kein Minus, sondern eine abtrennbare selbstständige Leistung im Sinne eines sog. aliuds darstellt. Eine solche Rente ist bei sachdienlicher Auslegung des in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts gestellten Klageantrags zuletzt auch nicht mehr Gegen-stand des Klageverfahrens gewesen und auch das Sozialgericht hat hierüber bei sachdienlicher Auslegung des mit der Berufung angegriffenen Urteils vom 16. September 2004 nicht mehr entschieden.
Die Entscheidung des Sozialgerichts, die nach den vorstehenden Ausführungen zuletzt nur noch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. April 2002 gerichtete Klage abzuweisen, ist nicht zu beanstanden. Hierbei kann offen bleiben, ob diese Klage überhaupt zulässig ist. Aus Sicht des Senats bestehen hieran zwar mit Blick auf die Einhaltung der in § 87 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geregelten Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides Zweifel, weil die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 30. September 2002 ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Ab-Vermerks bereits am 1. Oktober 2002 an die Klägerin versandt hat, die Klage aber erst am 7. November 2002 bei Gericht eingegangen ist. Diesen Zweifeln, die nach § 37 Abs. 2 Satz 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches dann ausgeräumt wären, wenn ihr der Widerspruchsbescheid erst am 7. Oktober 2002 zugegangen sein sollte, muss der Senat jedoch nicht weiter nachgehen, weil die Klage jedenfalls unbegründet ist.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist nämlich der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, soweit die Beklagte mit ihm die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn der Klägerin steht der von ihr verfolgte Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit, bzw. teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit, für die Zeit ab dem 1. April 2002 nicht zu.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Danach hängt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung – ungeachtet ihrer Einstufung als Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung – u. a. davon ab, dass der betroffene Versicherte in rechtlich erheblicher Weise in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Dies ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nur dann der Fall, wenn der betroffene Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig sein kann. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Denn die Klägerin ist bis heute in der Lage, körperlich leichte und geistig sehr einfache Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten, wobei lediglich in qualitativer Hinsicht Einschränkungen zu beachten sind. So sind ihr Arbeiten nur noch im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Kälte, Nässe und Zugluft zumutbar. Zu vermeiden sind ferner Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen, unter Zeitdruck und in Nachtschicht sowie das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg. Schließlich kommen für sie nur noch solche Arbeiten in Betracht, bei denen an die geistige Flexibilität, das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit nur geringe und an die Übersicht, das Verantwortungsbewusstsein und die Zuverlässigkeit nur durchschnittliche Anforderungen gestellt werden.
Hinsichtlich dieses Leistungsvermögens folgt der Senat der Einschätzung des im Berufungsverfahren mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens sowie einer ergänzenden Stellungnahme beauftragten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C, der insbesondere in seinem Gutachten vom 9. November 2005 ausgeführt hat, dass die Beschwerden der Klägerin hauptsächlich im orthopädischen Bereich lägen und in dem im Klageverfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. A hinreichend gewürdigt worden seien. Auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet bestünden nach seiner Einschätzung lediglich eine depressive Reaktion mit abklingender Tendenz sowie eine leichte Minderbegabung, aus denen sich jedoch ebenso wie aus den orthopädischen Leiden nur qualitative, nicht jedoch quantitative Beschränkungen des Leistungsvermögens herleiten ließen. Diese Ausführungen hält der Senat für überzeugend. Denn sie bauen auf den ihrerseits in sich stimmigen und nachvollziehbaren Darlegungen des Orthopäden Dr. A in seinem Gutachten vom 22. März 2004 auf, die wiederum mit dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik H vom 8. November 2001, dem Entlassungsbericht der H-U-Kliniken vom 30. Januar 2003 sowie den Ausführungen des im Verwaltungsverfahren mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragten Arztes für Orthopädie Dr. Mvom 22. Mai 2002 im Einklang stehen. Sie beruhen zudem auf einer eigenen körperlichen Untersuchung der Klägerin und einer umfassenden Auswertung der sonstigen zu den Akten gelangten ärztlichen Unterlagen.
Das im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin erstattete Gutachten des Facharztes für Anästhesiologie Dr. G vom 13. August 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 4. Juni 2007 vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Dr. G ist in seinen Ausführungen zwar zu dem Ergebnis gelangt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auch in quantitativer Hinsicht eingeschränkt sei. Dieser Einschätzung, die Dr. Gin zeitlicher Hinsicht nicht näher präzisiert hat, kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn abgesehen davon, dass sich der Sachverständige im Rahmen seiner Untersuchung auf Fragebögen gestützt hat, die zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken in der Schmerztherapie entwickelt worden sind und vor diesem Hintergrund nur in sehr begrenztem Umfang Rückschlüsse auf das Restleistungsvermögen des Untersuchten zulassen, ist er auch bei seiner Leistungsbeurteilung im Wesentlichen von den Angaben der Klägerin ausgegangen, ohne selbige kritisch zu hinterfragen. Zudem lassen seine Ausführungen erkennen, dass er bei der Beurteilung des Leistungsvermögens vom untherapierten Zustand ausgegangen ist, auf den es jedoch in rentenrechtlicher Hinsicht nicht ankommt. Ferner erweisen sich seine Darlegungen insoweit nicht als stimmig, als er insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. Juni 2007 betont hat, dass die Klägerin an einer bio-psycho-sozial determinierten Schmerzkrankheit leide, er jedoch bei der Aufzählung der leistungsrelevanten Diagnosen die chronische Schmerzkrankheit erst an dritter Stelle nach der von ihm vorrangig benannten chronisch degenerativen Wirbelsäulenveränderung sowie dem Postnukleotomie- und Postlaminektomiesyndrom aufgeführt hat. Die von ihm des Weiteren festgestellte Angststörung und die Depression mit somatiformen Störungen folgen dann erst an vierter und letzter Stelle. Schließlich erscheinen seine Ausführungen nicht nachvollziehbar, soweit er dargelegt hat, dass es auch in der Zeit zwischen der Begutachtung durch Dr. C und der Begutachtung durch ihn zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin gekommen sei, die sich vor allem aus der Steigerung der Analgetikagabe ableiten lasse. Denn eine nochmalige Steigerung der Analgetikagabe nach der Begutachtung durch Dr. Clässt sich den Akten nicht entnehmen, weil die Tagesdosis des Analgetikums Oxygesic, auf das Dr. Gim vorstehenden Zusammenhang im Wesentlichen abgehoben hat, bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. C 80 mg betragen hat und Dr. C diese Dosis in seinem Gutachten vom 9. November 2005 im Rahmen der allgemeinen Anamnese ausdrücklich erwähnt hat und gleichwohl nicht zu der Einschätzung gelangt ist, dass bei der Klägerin ein schweres Schmerzsyndrom und/oder eine ausgeprägte psychiatrische Symptomatik vorliegen könnte(n).
Mit Blick auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Chält der Senat den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht für ausreichend geklärt und die Einholung weiterer Gutachten nicht für erforderlich. Insbesondere sieht er keinen Anlass, dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gestellten Antrag zu folgen, ein psychosomatisches Gutachten eines Arztes für psychosomatische Medizin einzuholen. Denn den im Fall der Klägerin vorliegenden ärztlichen Unterlagen lässt sich nicht entnehmen, dass bei ihr ein psychosomatisches Beschwerdebild vorliegen könnte. Lediglich Dr. Ghat in seinem Gutachten vom 13. August 2006 mitgeteilt, dass die Klägerin u. a. an einer Depression mit somatiformen Störungen leide. Dies reicht jedoch nicht aus, bei der Klägerin eine psychosomatische Erkrankung anzunehmen, zumal Dr. Gdie aus seiner Sicht bei der Klägerin bestehende Schmerzkrankheit in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gestellt und ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er eine weitere Begutachtung der Klägerin nicht für sachdienlich halte. Letzterem schließt sich der Senat an.
Ob die Klägerin nach der Lage auf dem Arbeitsmarkt eine offene Stelle finden kann, ist für die Entscheidung ihres Falles unerheblich. Denn dieses Risiko ist bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Versicherten in der Regel nicht von der Rentenversicherung, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen. Ein Fall, in dem wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung trotz vollschichtigen Leistungsvermögens ausnahmsweise eine Verschiebung des abzudeckenden Risikos auf die Rentenversicherung in Betracht kommen könnte, ist nicht gegeben. Die Klägerin unterliegt zwar einer Reihe von qualitativen Leistungseinschränkungen, sie halten sich jedoch im Rahmen dessen, was durch den Begriff "leichte körperliche Tätigkeiten" umrissen wird. Dass die Klägerin in geistiger Hinsicht nur sehr einfache Tätigkeiten verrichten kann und in kognitiver Hinsicht den oben wieder gegebenen weiteren Beschränkungen unterliegt, ändert an diesem Ergebnis nichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
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