L 14 Kr 155/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 9 Kr 3938/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 Kr 155/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 1994 wird zurückgewiesen.

II. Die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 25. Mai 1991 und 12. August 1991 wird abgewiesen.

III. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung dem Grunde nach und der Höhe nach für die Zeit ab August 1987 streitig.

Die Klägerin betreibt als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes das Orchester "Deutsche Kammerphilharmonie GbR”. Es handelt es sich um den Zusammenschluß von Musikern ohne Chefdirigenten oder künstlerische Leitung. Gründungsgesellschafter waren K. W., K. H., S. E., J. A., A. S., M. B., A. M., M. F., J. W., J. N., H. M., T. K., U. R., A. G., B. K., B. B. M. C., A. G., F. S ... Laut § 2 des am 16. August 1987 geschlossenen Gesellschaftervertrages ist Zweck der Gesellschaft:

"Das Zusammenwirken besonders befähigter Musiker in künstlerischer Autonomie zur Erreichung herausragender Interpretationen und zur Erweiterung des Konzertprogramm-Repertoires, die Veranstaltung von und Mitwirkung bei Konzerten und sonstigen Produktionen, Probenphasen, Kursen, Workshops und Symposien.”

Laut § 3 sind an Gewinn und Verlust sowie dem Vermögen der Gesellschaft die Gesellschafter nach Kopfteilen beteiligt. Nach § 4 werden aus der Mitte der Gesellschaft ein Hauptgeschäftsführer und drei weitere Geschäftsführer gewählt. Von der Klägerin werden regelmäßig Konzerte im In- und Ausland gegeben. Zu den wiederkehrenden Verpflichtungen gehören auch Opernproduktionen, Aufführungen von Stummfilmen mit Livemusik und Mitwirkung bei internationalen Festivals sowie Plattenaufnahmen. Für ihre Auftritte engagiert die Klägerin geeignete Dirigenten, Instrumentalsolisten sowie Orchestermusiker, die Künstlerhonorare erhalten.

Im September 1989 übersandte die Beklagte, nachdem sie durch Zeitungsberichte von der Klägerin Kenntnis erlangt hatte, Fragebogen zur Feststellung der Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Mit Bescheid vom 23. Oktober 1989 stellte die Beklagte fest, daß die Klägerin zum Kreis der abgabepflichtigen Unternehmer nach dem KSVG gehöre, da sie als Unternehmen ein Orchester betreibe.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und begründete diesen insbesondere damit, daß sie kein professioneller Vermarkter sei und die Absicht der Gewinnerzielung fehle. Die Abgabenpflicht setze jedoch ein Unternehmen voraus, das nach seinem Gegenstand geeignet sei, ein wirtschaftliches Übergewicht und damit eine soziale Verantwortlichkeit gegenüber den selbständigen Künstlern zu begründen. Dies fehle bei ihr. Die engagierten Dirigenten und Solisten seien nur am erzielten Erlös beteiligt. Ferner trug die Klägerin vor, daß die Orchestermitglieder bereits als Künstler selbständig versichert seien. Im übrigen sei vertraglich immer vereinbart worden, daß die jeweiligen Konzertveranstalter und Musikverlage die Künstlersozialabgabe zahlten. Letztlich führte die Klägerin gegen die Abgabepflicht durch die Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG verfassungsrechtliche Bedenken an. Bei verfassungskonformer Auslegung unterfalle sie nicht der Abgabenpflicht. Die Beklagte erbat hierauf Listen aller Veranstaltungen sowie Kopien der Verträge zwischen den Künstlern und der Klägerin sowie zwischen der Klägerin und den Veranstaltern bzw. Verlagen. Dem kam die Klägerin mit Übersendung der Projektübersichten für die Jahre 1989 bis 1990 nach.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 1990 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, daß ein Unternehmer, der ein Orchester betreibe, zur Künstlersozialabgabe verpflichtet sei. Das KSVG definiere keinen eigenständigen Unternehmerbegriff, vielmehr gelte der sozialrechtliche Unternehmensbegriff. Unternehmen sei danach ein Sammelbegriff für alle betrieblichen Fertigkeiten und Einrichtungen, jede planmäßige, für eine Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten, die auf einen einheitlichen Zweck gerichtet seien. Eine betriebswirtschaftliche Orientierung sei nicht erforderlich. Laut Bundestagsdrucksache 339/87 zur Änderung des § 24 KSVG sollten als nicht professionelle Vermarkter nur Unternehmer angesehen werden, die nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteilen. Der Tatbestand der Regelmäßigkeit sei jedoch bei wiederkehrenden Aufträgen bereits erfüllt.

Am 20. Dezember 1990 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, daß sie weder als "Unternehmer” ein Orchester im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG betreibe noch Künstler "professionell vermarkte” und unabhängig davon nach ihrem gesamten Zuschnitt als selbstverwalteter Zusammenschluß selbständiger Musiker aus der Zielgruppe der Abgabepflichtigen des KSVG herausfalle. Nach der Entstehungsgeschichte des KSVG und der hierzu erfolgten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) rechtfertige sich eine Abgabenpflicht nur bei einer Beziehung zwischen den Künstlern und ihren Vermarktern, die als "arbeitnehmerähnliches Verhältnis” anzusehen seien. Aus der besonderen Vermarktung eines typischerweise wirtschaftlich Schwächeren ergebe sich dann die Künstlersozialversicherungspflicht. Der Unternehmensbegriff aus der Unfallversicherung sei nicht heranzuziehen. Bei der Künstlersozialabgabe handele es sich um eine fremdnützige Abgabe, die sozialen Ausgleich zum Ziel habe. Eine professionelle Vermarktung erfordere einen höheren Grad von wirtschaftlicher Organisation als der Unternehmensbegriff im Unfallversicherungsrecht. Die Klägerin erfülle diese Professionalität nicht. Allein die Organisationsform erlaube kein professionelles Auftreten. Auch eine Vermarktung, d.h. Verwertung künstlerischer Leistung am Markt, finde nicht statt. Die Klägerin habe kein wirtschaftliches Übergewicht und damit keine soziale Verantwortung gegenüber den engagierten Künstlern. Letztlich unterliege die Klägerin nicht der Künstlersozialabgabepflicht, weil ihre Leistung stets durch Vermittlung an deren abgabepflichtige Vermarkter (Festivalveranstalter, Opernhäusern, Konzertveranstalter und Musikverlage) vermarktet sei. Sie hat zum Beispiel Verträge mit der A. Oper, F., vorgelegt, wonach die Alte Oper die Künstlersozialversicherungsbeiträge übernimmt. Später hat die Klägerin noch vorgetragen, daß der angefochtene Verwaltungsakt nicht den Bestimmtheitserfordernissen genüge, da er an die "Deutsche Kammerphilharmonie” bzw. "Deutsche Kammerphilharmonie, GbR” adressiert sei. Die Beklagte hat unter Vorlage von Urteilen des Bundessozialgerichtes (BSG) widersprochen. Entscheidend sei, daß die Klägerin grundsätzlich zu den Abgabepflichtigen gehöre, wenn sie in wahrnehmbarem Umfang Entgelte im Sinne des § 25 KSVG an Dritte zahle. Es bestehe eine Unabhängigkeit zwischen Abgabepflicht und konkreter Abgabeschuld. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, daß sich Meldung und etwaige Zahlungspflicht nicht auf die Kläger selbst beziehe, sondern nur auf Einkünfte für fremdengagierte Künstler. Mit Bescheid vom 25. Mai 1991, korrigiert durch Änderungsbescheid vom 12. August 1991, hat die Beklagte die Künstlersozialabgabe für die Zeit von August 1987 bis Juni 1990 festgesetzt. Unter Berücksichtigung von Vorauszahlungen sei ein Fehlbetrag von 21.157,66 DM verblieben. Grundlage der Berechnung waren die von der Klägerin gemeldeten Entgelte.

Mit Urteil vom 10. November 1994 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß die Klägerin Unternehmerin im Sinne des Gesetzes bereits dadurch sei, daß sie Leistungen der fremdengagierten Künstler fortwährend in Anspruch nehme, vermarkte und Einnahmen damit erziele. Die Klägerin sei dem Grunde nach abgabepflichtig. Erst in der "zweiten Stufe” werde die Beklagte zu prüfen haben, ob und inwieweit sich für die Klägerin eine konkrete Beitragspflicht ergäbe.

Gegen das am 3. Februar 1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. Februar 1995 Berufung eingelegt.

Die Klägerin macht geltend, daß das Urteil aus mehreren Gründen aufzuheben sei. Bereits die fehlende Bestimmtheit der Bescheide führe zur Aufhebung. Der Adressat der behördlichen Verfügung sei nicht hinreichend deutlich erkennbar. Jeder Betroffene hätte mit Namen, Anschrift und ggf. Geburtsdatum benannt werden müssen. Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts seien die Gesellschafter Träger von Rechten und Pflichten, so daß die Bezeichnung "Deutsche Kammerphilharmonie” nicht ausreiche. Ferner bestehe auch keine Künstlersozialabgabepflicht. Sie wiederholt im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die professionelle Vermarktung sei verfassungsrechtlich zwingende Voraussetzung. Fehle es an der Gewinnerzielungsabsicht – wie bei der Klägerin – so könne von einer Professionalität nur gesprochen werden, wenn das Auftreten des Orchesters am Markt einem Orchester mit Gewinnerzielungsabsicht entspreche. Daran fehle es, wenn das Orchester privat, aus Spaß an der Musik und andere Zwecke verfolge und am Markt nur insoweit auftrete, als es zum Erreichen dieses Zweckes erforderlich sei. Das zweite Kriterium "Vermarktung” fehle auch, da in der Vermittlerfunktion des Vermarkters die typische wirtschaftliche Überlegenheit des Unternehmens liegen müsse. Die Klägerin engagiere nur Künstler um eine angestrebte musikalische Spitzenleistung zu erreichen oder ein erhöhtes Ausbildungsziel zu verfolgen. Von einer fortwährenden Inanspruchnahme fremdengagierter Künstler könne nicht die Rede sein. Solisten und Dirigenten würden nur gelegentlich engagiert. Vermarkter im Sinne des KSVG seien nur die Vertragspartner (Veranstalter). Letztlich sei die Unterwerfung der Klägerin unter das umständliche Melde- und Abgabeverfahren völlig unverhältnismäßig, weil die Klägerin keine Entgelte zahlte.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 1994 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 1990 sowie die Beitragsbescheide vom 25. Mai 1991 und 12. August 1991 aufzuheben,
hilfsweise,
insoweit aufzuheben, als darin Beiträge aufgrund einer Bemessungsgrundlage festgesetzt worden sind, die an die Gesellschafter gezahlte Entgelte mit einbezieht.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, daß der Adressat hinreichend deutlich erkennbar sei. Der angefochtene Bescheid sei dem stellvertretenden Geschäftsführer als Empfangsbevollmächtigten aller Gesellschafter zur Kenntnis gelangt. Dieser habe dann auch die Prozeßvollmacht ausgestellt. Daher sei der Bescheid wirksam geworden. Die Beklagte ist ferner der Meinung, daß die Klägerin Unternehmerin im Sinne des KSVG sei. Den Begriff "professionelle Vermarktung” kenne das KSVG nicht. Unter dem Begriff Unternehmer seien natürliche und juristische Personen erfaßt, die Leistungen selbständiger Künstler und Publizisten in Anspruch nähmen und zwar nicht nur gelegentlich. Eine Gewinnorientierung sei nicht notwendig. Ferner sei nicht Voraussetzung, daß der Unternehmer tatsächlich Entgelte an Künstler und Publizisten zahle. Die Unabhängigkeit der Künstlersozialversicherungspflicht von der konkreten Abgabeschuld beruhe auf der Erwägung, daß eine bestimmte Melde- und Auskunftspflicht bestehen müsse, um überprüfen zu können, ob Honorare gezahlt werden. Sie verweist auf die Rechtsprechung des BSG und ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. September 1995 – L-16/Kr-207/94 –, worin ihre Meinung bestätigt werde.

Die Beklagte war in der mündlichen Verhandlung weder erschienen noch vertreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Nichterscheinens der Beklagten auf Grund mündlicher Verhandlung entscheiden, da die Ladung einen entsprechenden Hinweis enthielt (§ 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 151 SGG).

Auch die Klage gegen die während des Verfahrens ergangenen Beitragsbescheide ist zulässig, denn diese sind gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird auch ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, soweit er nach Klageerhebung den Verwaltungsakt durch einen neuen abändert oder ersetzt. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 1994 – 3/12 RK 31/92), welcher sich der Senat wiederholt schon angeschlossen hat (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 7. Dezember 1995 – L 14/Kr-385/95), ausdrücklich auch für das Verhältnis zwischen einem zunächst angegriffenen Grundfeststellungsbescheid und späteren Beitragsbescheiden der Höhe nach. Da das Sozialgericht in seinem angegriffenen Urteil diese Bescheide nicht berücksichtigt hat, entscheidet das Landessozialgericht im Berufungsverfahren insoweit als erste Instanz, d.h. auf Klage und nicht auf Berufung (Hess. LSG in E-LSG, Vb 003).

Die Berufung ist sachlich jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 10. November 1994 die Klage abgewiesen, denn die Beklagte hat rechtmäßig festgestellt, daß die Klägerin der Abgabenpflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz unterliegt. Sie hat außerdem die Künstlersozialabgabe für die Zeit ab August 1987 in zutreffender Höhe berechnet.

Zunächst wird festgestellt, daß die am 20. Dezember 1990 beim Sozialgericht Frankfurt am Main formgerecht erhobene Klage fristgerecht eingelegt worden ist. Auch in der Rechtsmittelinstanz ist die Einhaltung der Klagefrist noch von Amts wegen zu prüfen (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Auflage, § 87 Rdnr. 7). Der laut Verfügung der Beklagten am 16. November 1990 nur abgesandte Widerspruchsbescheid vom selben Tag konnte keine Klagefrist gemäß § 87 SGG in Lauf setzen, weil für einen Widerspruchsbescheid nach § 85 Abs. 3 SGG die Zustellung im Sinne von § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 2 – 15 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) vorgeschrieben ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 87 Rdnr. 4). Eine förmliche Zustellung des Widerspruchsbescheides an die Klägerin ist der Verwaltungsakte der Beklagten aber nicht zu entnehmen, so daß die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG gilt. Die Klage ist auch nicht unzulässig dadurch, daß im erstinstanzlichen Verfahren für den Prozeßbevollmächtigten die Vollmacht (§ 73 SGG) fehlte. Da das Sozialgericht nicht unter Fristsetzung die Prozeßvollmacht angefordert hat, konnte durch Vollmachtserteilung im Berufungsverfahren der Formfehler geheilt werden (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 73 Rdnr. 18).

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der angefochtene Bescheid vom 23. Oktober 1989 sowie der Widerspruchsbescheid vom 16. November 1990 auch an den richtigen Adressaten gerichtet und das Bestimmtheitsgebot für einen Verwaltungsakt ist nicht verletzt. Zwar ist es richtig, daß eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne von §§ 705 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht parteifähig im Sinne von § 50 Zivilprozeßordnung (ZPO) ist. Die Gesellschafter sind alleine entscheidend. Die geschäftsführenden Gesellschafter sind zwar keine gesetzlichen Vertreter, aber Prozeßbevollmächtigte (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Auflage, München 1995, § 50 Rdnr. 12). Der Prozeßbevollmächtigte kann dann auch Adressat eines Verwaltungsaktes sein. Denn wer Adressat eines Verwaltungsaktes ist, bestimmt sich nicht allein nach der beigefügten Anschrift, es muß vielmehr dem Gesamtinhalt des Verwaltungsaktes entnommen werden (Krasney in Kasseler Kommentar, Stand: Oktober 1993, § 12 SGB X Rdnr. 7). Hinsichtlich der Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes bestimmt § 33 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) praktisch nur, daß die erlassende Behörde erkennbar ist und der Regelungsinhalt deutlich wird (vgl. Krasney, a.a.O., § 33 SGB X Rdnr. 12 ff.). Gemäß § 37 Abs. 1 SGB X ist der Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist und der von ihm betroffen wird. Die Bekanntgabe kann gegenüber einem Bevollmächtigten erfolgen. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 1994 – 3/12 RK 31/92), daß in dem streitigen Bescheid die Abgabepflichtigen nach dem KSVG hinreichend bezeichnet sind. Dies ist im vorliegenden Fall gewährleistet. Der Bescheid war gerichtet an "Deutsche Kammer-Philharmonie” und der Widerspruchsbescheid an "Deutsche Kammerphilharmonie, GbR”. Dem angefochtenen Bescheid konnte mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, gegen wen er sich richtete. Der stellvertretende Geschäftsführer und Manager der Klägerin (Herr H. M.) war auch dann der Empfangsbevollmächtigte aller Gesellschafter. Dieser hat von den Bescheiden unzweifelhaft Kenntnis erlangt und dann auch die Prozeßvollmacht für die Prozeßbevollmächtigten im Verwaltungs- und Klageverfahren unterschrieben. Evtl. Zustellungsmängel wären somit gemäß § 9 VwZG auch geheilt.

Die Klägerin gehört auch zu dem nach dem KSVG abgabepflichtigen Unternehmen. Für die Beurteilung maßgebend ist für die Zeit bis zum 31. Dezember 1988 § 24 KSVG in der Fassung des Gesetzes vom 27. Juli 1981 (BGBl. I, S. 507 ff.) bzw. in der Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember 1987 (BGBl. I, S. 2794 ff.), durch den § 24 Abs. 1 Satz 2 angefügt wurde. Für die Zeit ab dem 1. Januar 1989 ist § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. § 24 Abs. 2 KSVG in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2606 ff.) heranzuziehen. Eine Gesetzesänderung ist jedoch für die Beurteilung der Abgabepflicht zur Künstlersozialversicherung im Hinblick auf die Klägerin unerheblich. Denn bis zum 31. Dezember 1988 wurde die Einnahmeerzielung – nicht Gewinnerstrebung – als Faktor für die Unternehmereigenschaft angesehen (Finke/Brachmann/Nordhausen: KSVG, 2. Auflage, 1992, § 24 Rdnrn. 15 und 16; BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 – 12 RK 8/88). Dies war jedoch vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt, so daß bei der Novellierung des Gesetzes zum 1. Januar 1989 auf die "ausdrückliche Erwähnung der juristischen Person des öffentlichen Rechtes” in § 24 KSVG verzichtet wurde, "da auch sie unter den Begriff des Unternehmens im sozialversicherungsrechtlichen Sinne” fallen (BT-Drucksache 11/2964; S. 18 zu Nr. 5). Auch für alle übrigen Unternehmen ist überhaupt nicht mehr auf das Kriterium der Einnahmeerzielung abzustellen (Finke und andere, a.a.O., § 24 Rdnr. 18). Entscheidend war deshalb immer der sozialversicherungsrechtliche Unternehmerbegriff. Die fehlende Rechtsgültigkeit eines Personenzusammenschlusses schließt die Unternehmereigenschaft nicht aus, so daß auch die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft im Sinne der §§ 705 ff. BGB) – wie die Klägerin – ein abgabepflichtiges Unternehmen (auch Arbeitgeberin) sein kann (vgl. Finke und andere, a.a.O., § 24 Rdnr. 8; BSG, Urteil vom 20. April 1994 – 3/12 RK 31/92; Figge: Sozialversicherungshandbuch, Beitragsrecht, Mai 1994, S. 965). Dabei haftet jeder Gesellschafter als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) für die Abführung der Beiträge (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1962 – 3 RK 38/58).

Bei der Klägerin handelt es sich auch um ein abgabepflichtiges Unternehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteile vom 8. Dezember 1988 – 12 RK 1/86, 12 RK 8/88 und 12 RK 38/88; BSGE 69, 259; BSG in SozR 3-5425 § 24 Nrn. 5, 6 und 8; BSG, Urteil vom 20. April 1994 – 3/12 RK 31/92; Urteil vom 25. Januar 1995 – 3/12 RK 61/93; Urteil vom 12. April 1995 – 3 RK 4/94 –; Urteil vom 28. Februar 1996 – 3 RK 14/95 – und Urteil vom 17. April 1996 – 3 RK 18/95), welcher der Senat wiederholt gefolgt ist (Hess. LSG, Urteil vom 21. September 1995 – L-14/Kr-71/93 und Urteil vom 7. Dezember 1995 – L-14/Kr-385/95), ist der Unternehmensbegriff weit auszulegen. Der Begriff des Unternehmens im Sinne des § 24 KSVG bezeichnet nur eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten, die auf einen einheitlichen Zweck gerichtet ist und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt wird. Es muß dafür keine Gewinnerzielungsabsicht bestehen, sondern es reicht lediglich aus, daß der Unternehmer das Risiko der Veranstaltung trägt. Hinsichtlich der gewissen Regelmäßigkeit hat das Bundessozialgericht (vgl. Urteil vom 12. April 1995 – 3 RK 4/94) die Veranstaltung von zwei bis drei Konzerten im Jahr ausreichen lassen. Bei einer Häufigkeit von zwei bis drei Veranstaltungen jährlich liege selbst ohne weitreichende Planung und Organisation eine hinreichend intensive unternehmerische Tätigkeit vor, um die Abgabenpflicht nach dem KSVG zu begründen. Es reicht dann aus, daß Honorare an selbständige Künstler in einer Höhe gezahlt werden, die nicht Bagatellsummen sind. Die Abgabepflicht findet ihre Rechtfertigung allein darin, daß die von selbständigen Kultur-Schaffenden erbrachten künstlerischen und publizistischen Leistungen zumeist erst durch das Zusammenwirken mit einem Vermarkter dem Endabnehmer zugänglich werden (BSG, Urteil vom 25. Januar 1995 – 3/12 RK 61/93). Den Begriff der Professionalität – wie von der Klägerin behauptet – kennt das Künstlersozialversicherungsgesetz nicht. Gemeint ist nur, daß keine gelegentliche Inanspruchnahme der Künstler vorliegen darf. Die Verwertung künstlerischer Leistung muß auch deshalb nicht ausschließlich Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit sein, sie braucht auch nicht vorrangig zu sein (vgl. BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 8).

Unter diesen Unternehmensbegriff ist die Tätigkeit der Klägerin und zwar nur im Hinblick auf die Engagierung von Künstlern (Jazzmusiker, Solisten, Dirigenten und dergleichen) zu subsumieren. Unstreitig bleibt, daß die Selbstvermarktung der Klägerin von der Abgabenpflicht nach § 24 KSVG ausgeschlossen ist (vgl. BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 5). Die Zahlungen an die Mitglieder der BGB-Gesellschaft führen grundsätzlich nicht zur Abgabepflicht dieser Gesellschaft, weil diese keine eigene Rechtspersönlichkeit gegenüber den Mitgliedern darstellt und die Verteilung des Gewinnes und des Verlustes als Verwertung der eigenen Leistung (Selbstvermarktung) einzustufen ist (Finke und andere, a.a.O., § 24 Rdnr. 52). Die Klägerin ist auch nicht unter § 24 Abs. 1 Nr. 2 KSVG zu subsumieren, da ein Orchester grundsätzlich der ständigen Leitung eines Dirigenten bedarf (Finke u.a., a.a.O., § 24 Rdnr. 24). Die Beklagte hat insoweit auch in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1994 erklärt, daß sich die Abgabepflicht nur auf die fremdengagierten Künstler beziehe. Sobald jedoch eine vermittelnde Tätigkeit eintritt, unterliegt die in die Vermarktung eingeschaltete Unternehmerin der Abgabenpflicht, wie im vorliegenden Fall (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 KSVG). Denn unstreitig beschäftigt die Klägerin regelmäßig Gastmusiker, Solisten und Dirigenten und zahlt an diese auch Honorare. Sie ist also als Vermittlerin tätig. Unerheblich ist bei dieser Sachlage, daß die Klägerin behauptet, daß die engagierten Dirigenten, Solisten und weiteren Orchestermitglieder am erzielten Erlös beteiligt werden. Auch das von der Klägerin geltend gemachte Motiv für die Engagements, wonach diese nur erfolgen, um künstlerische Spitzenleistungen zu erzielen, spielt für die Beurteilung der Abgabepflicht keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr allein, daß die Klägerin als Vermittlerin und Vermarkterin auftritt. Die Dirigenten und Solisten hätten ohne die Klägerin ihre künstlerische Leistung allein nicht verwerten bzw. vermarkten können. Nur das Zusammenwirken mit der Klägerin macht dies möglich. Die grundsätzliche Abgabepflicht wird auch nicht durch die Verträge der Klägerin mit den Veranstaltern, wonach diese die Künstlersozialabgabe zahlen, tangiert. Insofern gilt § 24 Abs. 3 KSVG. Ferner hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, daß für alle Zahlungen, in denen der Veranstalter bereits die Künstlersozialabgabe gezahlt haben sollte, die Klägerin keine Abgabenschuld konkret mehr trifft.

Auch die Klage gegen die im Berufungsverfahren eingelegten Beitragsbescheide ist sachlich unbegründet. Dem Hilfsantrag der Klägerin konnte nicht stattgegeben werden. Denn Berechnungsgrundlage für die Beitragsbescheide der Beklagten waren die von der Klägerin angegebenen gezahlten Entgelte. Die Berechnung erfolgte hieraus unter Zugrundelegung des Abgabesatzes, der den gesetzlichen Grundlagen der Künstlersozialabgabenverordnung entspricht. Ein substantiierter Vortrag, daß die Höhe der Beitragsforderung unrichtig sei, fehlt. Die Bescheide sind deshalb rechtmäßig, die Klage war auch insoweit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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