L 12 An 1210/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 An 1108/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 An 1210/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Oktober 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Forschungsstudiums in der ehemaligen DDR als Anrechnungszeit.

Der 1955 geborene Kläger begann am 1. September 1977 an der Universität Jena das Ingenieurstudium und erhielt am 17. Februar 1982 das Zeugnis über den Hochschulabschluß, das ihn berechtigte, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieur” zu führen. Am 1. September 1981 hatte er ein Forschungsstudium begonnen, das er am 24. April 1985 mit der Promotion an der Universität Jena abschloß.

Am 11. Dezember 1991 beantragte der Kläger Kontenklärung. Mit Bescheid vom 4. Januar 1993 entsprach die Beklagte dem Antrag, erkannte aber die Zeit vom 18. Februar 1982 bis 31. August 1984 nicht als Anrechnungszeit an, weil Zeiten nach einer akademischen Abschlußprüfung nicht angerechnet werden könnten. Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 8. Februar 1993 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 1993 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 20. September 1993 Klage erhoben und vorgetragen, er habe eine einheitliche Ausbildung absolviert, welche von Anfang an auf die Promotion ausgerichtet gewesen sei. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Oktober 1994 die Klage in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Beklagten abgewiesen. Als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b des 6. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 6) werde eine abgeschlossene Hochschulausbildung anerkannt. Abgeschlossen sei sie dann, wenn der erste mögliche Abschluß erreicht sei. Dies sei im Falle des Klägers die Diplomprüfung gewesen.

Gegen das ihm am 21. November 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Dezember 1994 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Der Senat hat die Ausbildungsordnung für das vom Kläger absolvierte Fach "Gerätetechnik” bei der Universität Jena beigezogen. Auf den Inhalt wird verwiesen, ebenso auf die sich bei den Akten befindliche Anordnung für das Forschungsstudium vom 29. Dezember 1978 von dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen der DDR.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. Oktober 1994 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 1993 abzuändern und diese zu verurteilen, die Zeit vom 18. Februar 1982 bis 31. August 1984 als Anrechnungszeit vorzumerken,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) ist unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die fragliche Zeit als Anrechnungszeit einer Hochschulausbildung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b SGB 6 festzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung zu der inhaltsgleichen Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ist eine Hochschulausbildung dann abgeschlossen, wenn die erste Abschlußprüfung abgelegt ist. Sind mehrere verschiedene Abschlußarten möglich, etwa außer einer Diplomprüfung die Promotion, und kann jede dieser Abschlüsse den Erfolg des Studiums beweisen, so liegt eine abgeschlossene Hochschulausbildung schon dann vor, wenn der erste mögliche Abschluß erreicht ist. Eine nach diesem ersten Abschluß fortgesetzte Hochschulausbildung kann nicht anerkannt werden (vgl. BSG, Urteil vom 15. Oktober 1985 – lla RA 44/84). Der erste mögliche Abschluß beendet den Tatbestand der Anrechnungszeit, denn er beweist den Erfolg des Studiums (BSGE 20, 35). Dies gilt auch dann, wenn eine Promotion üblich und wünschenswert ist (BSG, Urteil vom 26. Juli 1967 – 1 RA 131/65). Das Gesetz berücksichtigt nicht jede Ausbildung als Anrechnungszeit, sondern nur bestimmte typische Ausbildungszeiten mit geregeltem Ausbildungsgang; die Hochschulausbildung ist deshalb nur bis zu dem Abschluß zu berücksichtigen, der den Weg in das Berufsleben eröffnet (BSG, Urteil vom 27. August 1970 – 11 RA 109/68).

Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 2. Dezember 1980 – 1 BvR 1167/80) hat anläßlich einer Entscheidung, in der die Forderung des Studienabschlusses in § 36 Abs. 1 Nr. 4 b AVG als verfassungsgemäß erklärt wurde, ausgeführt, daß die abgeschlossene Hochschulausbildung für die spätere sozialversicherungrechtliche Beschäftigung typischerweise notwendig sei. Zwar könnten auch Studienzeiten ohne Hochschulabschluß für eine spätere Berufsausübung von Nutzen sein, diese atypischen Fallgestaltungen brauche der Gesetzgeber jedoch nicht zu berücksichtigen. Eine Typisierung von Lebensvorgängen sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Diese Argumentation dient zwar der Begründung, warum eine nicht abgeschlossene Hochschulausbildung nicht anrechnungsfähig ist, sie hat aber für die hier zu entscheidende Frage die gleiche Bedeutung. Auch eine zusätzliche Promotion kann für die Berufsausübung nützlich und für den Zugang zu wissenschaftlichen Berufen sogar notwendig sein. Das Gesetz fordert jedoch nicht, daß jede Ausbildung als Anrechnungszeit berücksichtigt werden muß, sondern es beschränkt sich auf bestimmte typische Ausbildungsgänge. Im Falle der Hochschulausbildung ist dies die Zeit bis zur ersten Abschlußprüfung.

Die Ansicht des Klägers, diese Rechtsprechung könne jedenfalls nicht auf das Forschungsstudium in der ehemaligen DDR angewendet werden, teilt der Senat nicht. Es gibt keine Gründe dafür, daß dieses Forschungsstudium anders zu beurteilen ist, als ein Promotions- oder Postgraduiertenstudium in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger hat sein Ingenieurstudium in der vorgesehenen Zeit mit der Diplomprüfung abgeschlossen. Er hat ein Zeugnis erhalten, das ausdrücklich als "Zeugnis über den Hochschulabschluß” benannt war und das ihn berechtigte, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieur” zu führen. Ihm war damit der Weg in das Berufsleben eröffnet. Er hätte auch ohne oder mit abgebrochenem Forschungsstudium als Diplom-Ingenieur arbeiten können. Aus der "Anordnung über das Forschungsstudium” ergibt sich, daß das Forschungsstudium in der ehemaligen DDR die gleiche Aufgabe wie die Promotion der Bundesrepublik Deutschland hatte, nämlich die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Sie dient dem Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung und bietet eine zusätzliche Qualifizierung nach Abschluß der Ausbildung. In § 2 Abs. 1 der "Anordnung” heißt es ausdrücklich "im Forschungsstudium erwerben wissenschaftlich geeignete Studenten ” den akademischen Grad "Doktor eines Wissenschaftszweiges” in unmittelbarem Anschluß an das Hochschulstudium. Daraus, wie auch aus dem Erfordernis, eine Diplomprüfung abzulegen (§ 7 Abs. 3 der Anordnung), ergibt sich, daß auch nach DDR-Recht die Hochschulausbildung mit der Diplomprüfung abgeschlossen war.

Schließlich kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, daß er gegenüber den Studenten ungleich behandelt würde, die auf eine Diplomprüfung verzichtet und nur die Promotion abgelegt hätten. Abgesehen davon, daß dies nach § 7 Abs. 3 der Anordnung nicht möglich erscheint, knüpfen die unterschiedlichen Rechtsfolgen an unterschiedliche Lebenssachverhalte an.

Gleichzubehandeln sind nur gleiche Sachverhalte. Der Kläger muß sich daran festhalten lassen, daß er als ersten Abschluß das Diplom gewählt hat, er ist nicht vergleichbar mit einem, der als ersten Abschluß die Promotion gewählt hat.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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