L 8 R 264/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 55 (39) R 174/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 264/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.09.2007 wird aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Beweiserhebung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eine Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) für das Ghetto Stryj im Zeitraum August 1941 bis Oktober 1942.

Der 1929 in Stryj geborene Kläger ist während des zweiten Weltkrieges im dortigen Ghetto und anschließend in Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern (ZAL / KZ) Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung geworden. Nach dem Krieg wanderte er nach Israel aus, wo er bis heute lebt.

Im Herbst 1957 stellter er über den damaligen Rechtsanwalt und späteren Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. O einen Antrag nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Dabei schilderte er sein Verfolgungsschicksal durch eidliche Erklärung vom 27.11.1956 wie folgt:

"Nach dem Einmarsch der Deutschen in Stryj musste ich aufgrund der antijüdischen Maßnahmen im Juni 1941 als Judenkennzeichen eine weiße Armbinde mit blauem Davidstern anlegen und trug das vorgeschriebene Judenzeichen währen der ganzen Haftzeit. Im August 1941 kam ich aufgrund einer Anordnung der deutschen Besatzungsbehörde in das Ghetto Stryj, wo selbst ich in der Kazimierza wohnte. Das Haus, in welchem ich untergebracht war, trug die Nummer 44. Das Ghetto war von der Außenwelt durch Stacheldraht abgeschlossen und es war unter Todesstrafe verboten, dieses zu verlassen. Es wurde ein Judenrat eingesetzt, dessen Obmann I3 war. Im Oktober 1942 wurde ich in das ZAL Stryj überführt und musste dort unter Auftrag der Deutschen im Heeres-Baracken-Werk Zwangsarbeit leisten. Im Herbst 1943 wurde ich in das ZAL Beskiden-Drohobycz, wo ich während der ganzen Zeit als Fassbinder zwangsarbeiten musste, überführt. In diesem Lager verblieb ich bis Frühling 1944 inhaftiert und kam anschließend in das ZAL Plaszow, wo ich bis Herbst 1944 in einer Tischlerei arbeitete. Lagerführer war H. Ich wurde in einer Baracke untergebracht und wurde von Ukrainern und SS bewacht. Im Herbst 1944 kam ich in das KZ Gross Rosen und von dort nach zwei Monaten in das KZ Dritte bei Braunschweig, wo ich in den H-Werken zur Zwangsarbeit zugeteilt wurde. Im März 1945 überstellte man mich schließlich in das KZ Bergen-Belsen, wo ich am 15. April des gleichen Jahres durch englische Truppen befreit wurde".

Durch eidliche Erklärungen desselben Tages bestätigte dies der Zeuge I2, geboren 1902 in Oppeln, der Folgendes angab:

"Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wohnte ich in Stryj und kannte aus dieser Stadt auch den Antragsteller. Nachdem unser Wohnort im Juni 1941 von den Deutschen besetzt wurde, mussten wir beide als Judenzeichen eine weiße Armbinde mit blauem Davidstern anlegen. Dieses von den Deutschen angeordnete Zeichen mussten wir von Juli 1941 bis zur Befreiung tragen. Im August 1941 mussten wir in das errichtete Ghetto in Stryj ziehen. Wir waren dort vom Übrigen Stadtteil abgesondert und es durfte unter Todesstrafe niemand das Ghetto verlassen. Der Judenälteste war I3. Von Anfang 1942 bis Juni 1943 war ich im ZAL Stryj inhaftiert und arbeitete dort im Heeres-Baracken-Werk. Im Herbst 1942 wurde auch der oben genannte in das ZAL Stryj gebracht und mit mir gemeinsam zur Zwangsarbeit beim Heeres-Baracken-Werk zugeteilt. Als ich im Juni 1943 weiter transportiert wurde, ließ ich den Antragsteller noch im obigen ZAL zurück. Ich kam im Juni 1943 in das ZAL Beskiden-Boryslaw und von dort im Mai 1944 in das KZ Plaszow. In diesem Lager habe ich wieder den Antragsteller getroffen. Er arbeitete dort in einer Tischlerei. Als man mich im Juni 1944 weiter transportierte ließ ich den oben genannten in Plaszow zurück. Ich kam im Juli 1944 nach Mauthausen, wo ich bis zu meiner Befreiung verblieb, die im Mai 1945 stattfand."

Die 1927 geborene Zeugin T1 erklärte am 27.11.1956:

"Von Ende 1942 war ich im ZAL Plaszow inhaftiert und arbeitete dort in der Riemerei Optima. Ungefähr im Frühling 1944 wurde der Antragsteller in dieses Lager eingeliefert. Ich lernte ihn dort kennen, er arbeitete in einer Tischlerei während der ganzen Zeit. Wir wohnten in Baracken und wurden von Ukrainern und SS bewacht. Der Lagerführer war H. Im Herbst 1944 kamen wir zusammen in das KZ Gross Rosen und wurden von dort nach ungefähr 2 Monaten in das KZ Dritte gebracht. Wir arbeiteten dort gemeinsam in den I-H-Werken. Aus diesem Lager kamen wir im März 1945 in das KZ Bergen-Belsen, wo wir auch zusammen im April 1945 befreit wurden."

Der Zeuge I G, geboren 1898 erklärte am 24.09.1957 eidlich:

"Der Antragsteller ist mir sehr gut bekannt, da er ebenfalls wie ich, bis zum Kriegsausbruch im Juni 1941 in Stryj gelebt hat. Als die Deutschen Truppen im Juni 1941 Stryj besetzten wurden bald Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung ergriffen und musste ich und der Antragsteller im Juli 1941 als Judenkennzeichen weiße Armbinden mit blauem Davidstern anlegen, welche wir die ganze Zeit getragen haben und nicht ablegen durften. Weiteren Maßnahmen zur Folge musste ich und der Antragsteller in das errichtete Ghetto Stryj ziehen. Der Antragsteller wurde im Herbst 1942 in das ZAL Stryj überstellt während ich im Ghetto Stryj zurückblieb. Im Mai 1943 wurde ich in das ZAL Beskiden-Drohobycz überstellt. Im Herbst 1943 wurde der Antragsteller in das ZAL Beskiden-Drohobycz eingeliefert. Er kam mit einem Transport aus dem ZAL Stryj. Der Antragsteller wurde im Frühling 1944 weiter transportiert, während ich knapp nach ihm vom ZAL Beskiden-Drohobycz geflüchtet bin."

Der 1892 geborene Zeuge T bekundete am 05.01.1958 eidlich:

"Ich habe ebenfalls in Stryj, Polen, gewohnt und kenne den Antragsteller aus der Vorkriegszeit. Nach Einmarsch der deutschen Truppen in Stryj, Polen, im Juni 1941 musste ich und der Antragsteller als Judenkennzeichen eine weiße Armbinde mit blauem Davidstern anlegen, welche wir, wie übrigens alle Juden, vom Juli 1941 tragen mussten. Weiteren Maßnahmen zu Folge mussten wir bald in das errichtete Ghetto Stryj ziehen, von wo wir zusammen in die Heeres-Baracken ZAL Stryj überstellt wurden. Ich verblieb mit dem Antragsteller bis Sommer 1943 zusammen. Dann wurde ich in das ZAL Borislaw-Beskiden überstellt, während ich den Herrn G noch im ZAL Stryj zurücklies. Aus dem ZAL Beskiden-Borislaw wurde ich in das ZAL Plaszow transportiert, dann nach Mauthausen, zuletzt in das ZAL Linz, wo ich im Mai 1945 befreit wurde."

Schließlich gab die 1905 geborene Zeugin G am 24.09.1957 eidlich Folgendes an:

"Den Antragsteller kenne ich persönlich, da er ebenfalls wie ich, bis zum Kriegsausbruch im Juni 1941 in Stryj gelebt hat. Als die deutschen Truppen Stryj, Polen, im Juni 1941 besetzten wurden bald Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung ergriffen und musste ich und der Antragsteller als Judenkennzeichen weiße Armbinde mit blauem Davidstern anlegen, welche wir von Juli 1941 getragen haben und nicht ablegen durften. Weiteren Maßnahmen zufolge, mussten wir in das errichtete Ghetto Stryj ziehen, wo wir die ganze Zeit das Judenzeichen getragen haben. Der Antragsteller wurde im Herbst 1942 in das ZAL Stryj überstellt, während ich noch im Ghetto zurückblieb. Im Mai 1943 wurde ich in das ZAL Beskiden-Drohobycz eingeliefert. Im Herbst 1943 wurde der Antragsteller ebenfalls in das ZAL Beskiden-Drohobycz gebracht. Er wurde mit einem Transport aus dem ZAL Stryj gebracht. Der Antragsteller wurde im Frühling 1944 weiter transportiert, während ich knapp nach ihm vom ZAL Beskiden-Drohobycz geflüchtet bin."

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes bestätigte das mit einem Auszug aus dem amtlichen Melderegister des Staates Israel übereinstimmende Geburtsdatum des Klägers, seinen Geburtsort und seine Befreiung durch die britische Armee in Bergen-Belsen mit Bescheinigung vom 27.06.1958.

Auf dieser Grundlage wurde der Kläger durch Bescheid vom 31.07.1956 vom Bezirksamt für Wiedergutmachung Koblenz als Verfolgter des Nationalsozialismus anerkannt und erhielt eine Entschädigung für seinen Freiheitsschaden von 44 Monaten und 20 Tagen in Höhe von 6.600,00 DM.

1963 beantragte der Kläger ergänzend die Anerkennung seines Gesundheitsschadens nach dem BEG und legte dazu in Berlin vor dem Amt für Wiedergutmachung eine schriftliche und mündliche Sprachprüfung zur Feststellung der Zugehörigkeit zum Deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) ab. Dabei wurde festgestellt, dass er die deutsche Sprache fast fließend und fehlerlos spricht und liest. Nach der Feststellung der oben genannten Dienststelle bestand kein Zweifel, dass er mindestens zum Zeitpunkt der Vertreibung zum deutschen Sprach- und Kulturkreis gehörte. In der Schriftprobe sowie in einem beigefügten Lebenslauf schilderte der Kläger sein Schicksal wie folgt:

"Ich, B G wurde am 10. August 1929 in Stryj, Polen geboren. Mein Vater war Hauptbuchhalter bei der Holzfirma I in Stryj. Er hieß mit Vornamen K. Meine Mutter hieß E geborene I1. Ich hatte einen Bruder, der den Namen U hatte. Mein Name war vor der Einwanderung nach Israel M.

In unserem Haushalt wurde immer deutsch gesprochen. So erlernte ich auch nach meiner Geburt zuerst die deutsche Sprache. Polnisch lernte ich erst, als ich mit polnischen Schulkindern zusammen kam. Mein Vater schrieb selbst bei seiner Arbeitsstelle hauptsächlich in deutscher Sprache, da er mit deutschen Geschäftsleuten zu tun hatte. Oft waren Reisende aus Deutschland bei uns zu Gast, welche meine Eltern als Geschäftsfreunde der Firma I betreuten. Mein Vater sammelte leidenschaftlich Briefmarken. Aus diesem Grunde führte er eine rege Korrespondenz mit Sammlern ausländischer Staaten. Diese Korrespondenz wurde in deutscher Sprache geführt. Daran kann ich mich noch genau erinnern. Wegen seiner deutschen Sprach und Schreibkenntnisse war er nach der Besetzung einer der wenigen Juden, die außerhalb des Ghettos bei einer deutschen Firma, einer Glasfabrik, arbeitete.

Während des 1. Weltkriegs war mein Vater Zugführer im österreichischen Heer. Er war auch in Wien auf einer Handelsschule.

Meine Mutter ging im Jahre 1922 nach Wien und besuchte dort die Volksuniversität in Abendkursen. Sie wohnte I-gasse 00 im 9. Bezirk bei B. L. Dies haben mir Freunde meiner Mutter erzählt. Nach der Rückkehr nach Stryj gab meine Mutter deutsch-Unterricht. Dies tat sie auch noch nach der Verheiratung mit meinem Vater.

Ich erinnere mich, dass wir bis zum Kriegsausbruch deutsche Zeitungen und deutsche Bücher bekommen hatten. Mein Vater hatte eine Bibliothek, in der sich überwiegend deutsche Bücher befanden. Manchmal erzählte mir mein Vater verschiedenes aus den Büchern. So erinnere ich mich noch an Franz Werfel und an Heinrich Heine. Auch trug er mir Gedichte und Lieder vor.

1935 kam ich in die Schule von Stryj. Meine Schulausbildung konnte ich nicht beenden, da wir 1941 durch die deutschen Truppen besetzt wurden. Von diesem Zeitpunkt mussten wir den Judenstern tragen und kamen später in das Ghetto Stryj. Im Oktober 1942 wurde das Ghetto ein Zwangsarbeitslager. Mein Vater und mein Bruder kamen nach Belzec genommen und wurden dort getötet. Ich kam mit meiner Mutter zur Zwangsarbeit. Meine Mutter wurde sehr krank und im März 1943 ermordet. Im Herbst 1943 kam ich dann nach Beskiden, im Frühjahr 1944 in das KZ Plaszow. In Plaszow arbeitete ich auf einem Holzplatz, wo ich große Balken schleppen musste. Später arbeitete ich dann im Steinbruch und schleppte den ganzen Tag schwere Steine. Als ich die schwere Arbeit nicht leisten konnte, wurde ich oft geschlagen. Bei den Misshandlungen nahm man auf meine Jugend keine Rücksicht. Ich war so schwach, dass ich mehrmals bei ärztlichen Appellen unter die Todeskandidaten ausgewählt wurde. Nur durch die Hilfe der anderen Häftlinge bin ich am Leben geblieben. Während dieser Zeit machte ich viele Krankheiten (Fieber, Magen, Erschöpfung) durch und musste trotzdem arbeiten. In Plaszow erlebte ich auch wiederholt, wie man Menschen ermordete oder aufhängte. Wir anderen Häftlinge musste zur Abschreckung dies mit ansehen. In Plaszow wurde auch die Exekution der politischen Häftlinge durchgeführt. Als die Russen näher kamen, mussten wir die Gräber öffnen und die Toten herausnehmen und verbrennen. Diesem Kommando war ich auch zugeteilt und kann diese Bilder nicht vergessen.

Im Herbst 1944 kamen wir nach Gross Rosen. Dort war ich nur 2 Monate und kam dann nach dem KZ Dritte. Dort arbeitete ich in einer Munitionsfabrik der I H Werke. Die Fabrik war einige Kilometer vom Lager entfernt und wir mussten bei Schnee und Kälte tgl. diesen Weg zu Fuß laufen. Meiste Zeit arbeitete ich in der Nacht. Auch hier wurde ich oft schwer misshandelt. In dieser Fabrik bekam ich auch eine Infektion an der linken Hand und wurde operiert. Bei Fliegerangriffen mussten wir stundenlang in einem Tunnel stehen, in dem Wasser war. Es ist wohl selbstverständlich, dass ich immer gehungert habe. Von den geringen Rationen wurde ich nicht satt.

1945 wurden wir verlegt. Unterwegs kam Fliegeralarm und wir wurden in Celle bombardiert und von dort zu Fuß nach Bergen Belsen getrieben. Dort lebte ich fast ohne Nahrung, da man erzählte, das Wasser wäre vergiftet. In Bergen Belsen sah ich Berge von Toten und volle Baracken von Toten, die wir in ein Grab schleppen mussten. Hier erkrankte ich an Typhus, vorher an Ruhr. Dazu kam eine Gehirnhautentzündung. Ich wurde ohnmächtig und erwachte in einem Militärlazarett der englischen Armee.

Ich werde nie vergessen, wie mich das Leichenkommando, als ich ohnmächtig war, aus der Baracke schleppte, dabei zu Bewusstsein kam und schrie: Ich lebe doch noch. So wurde ich wieder auf eine Pritsche zurückgelegt.

Als ich von den Engländern befreit wurde, wog ich noch 34 kg. Ich kam aus dem englischen Militärlazarett in ein früheres SS Offizierslazarett und von dort nach Schweden mit einem Krankentransport."

Zum Gesundheitsschaden erklärte der Kläger:

"Ich musste als 13-Jähriger Junge im Zwangsarbeiterlager schwerste körperliche Arbeit leisten. Davon behielt ich die Rückenschmerzen. Während der Arbeit bin ich wiederholt zusammengebrochen, da die Last für mich zu schwer war. Sehstörungen kommen daher, weil ich über ein Jahr in einer Munitionsfabrik zur Nacht bei Licht arbeiten musste. Dabei wurde ich auch oft auf den Kopf geschlagen. Außerdem mussten wir bei allen Jahreszeiten arbeiten, bei Kälte und Nässe ohne die richtige Kleidung zu haben. Wiederholt musste ich als Kind miterleben, wie andere Leidensgenossen erschossen und aufgehängt wurden. Diese waren meistens so genannte Strafen, die von den Deutschen zur Abschreckung verhängt wurden. Schreckliches habe ich auch dadurch erlebt, dass ich mehrfach zur Tötung im Krematorium geführt wurde und nur durch ältere Häftlinge, die sich für mich opferten, gerettet. Verlust des Gedächtnisses, Lähmung der Beine, Rückenschmerzen, Hüftschmerzen, Sehstörungen, Kopfschmerzen, Zittern, Schweißausbrüche, Angstträume, schlechtes Schlafen, Angstzustände, kann nicht über den Krieg lesen oder Filme darüber sehen. Bin vom Militärdienst befreit, war nur im Freiheitskrieg kurze Zeit und hatte administrative Funktionen."

Als Beginn der medizinischen Leiden gab der Kläger den Zeitpunkt 1942/1943 an.

Ergänzend bestätigte Ider Zeuge Dr. M 1963 m BEG Gesundheitsschadens-Verfahren des Klägers, dass er mit dessen Familie aus Stryj gut bekannt gewesen sei, da er der Hausarzt und mit der Familie auch befreundet war. Der Vater des Klägers sei Oberbuchhalter in der Großholzfirma I gewesen und die Familie habe in guten Verhältnissen mit gutem bürgerlichen Lebensstandard gelebt.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1943 wurde sodann auch der Gesundheitsschaden des Klägers nach dem BEG anerkannt.

Im Jahre 2001 stellte der Kläger nach dem Stiftungsgesetz einen Antrag auf Entschädigung nach dem so genannten Zwangsarbeiterfonds bei der Jewish Clames Conference (JCC). In dem in hebräischer Sprache verfassten Fragebogen trug er als Verfolgungsort auf Deutsch das Lager Dritte, I-H-Werke und als Jahreszahl das Jahr 1944 ein. Die übrigen Angaben sind in hebräischer Sprache. Die JCC bewilligte ihm eine Entschädigung aufgrund seines Verfolgungsschicksals im Ghetto Stryj in den Jahren 1942 bis 1943.

Mit am 19.06.2003 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gestellten Antrag, beantragte er rückwirkend ab dem Jahr 1997 nach dem ZRBG Altersrente aufgrund von Ghettobeitragszeiten und machte dazu folgende Angaben: Er sei von August 1941 bis Oktober 1942 im Ghetto Stryj in der Glaserei beschäftigt gewesen und habe dort als Hilfs- und Reinigungskraft gearbeitet. Dafür habe er Sonderverpflegung und Lebensmittelkarten erhalten. In einem ergänzenden Fragebogen der BfA schilderte er, die Glaserei habe außerhalb des Ghettos gelegen. Ihr Name ihm entfallen. Sein Vater sei dort als Buchhalter beschäftigt gewesen. Er selbst habe dort alle möglichen Hilfs- und Reinigungsarbeiten im Umfang von ca. zehn bis zwölf Stunden täglich ausgeführt. Die Arbeitsvermittlung für diese Beschäftigung sei durch den Judenrat erfolgt. Er habe Sonderverpflegung und Lebensmittelkarten hierfür bekommen. In der Zeit des Ghettos in der Kazimierza gewohnt und danach im Oktober 1942 sei er in das ZAL Stryj überstellt worden. 1945 sei er in Bergen-Belsen befreit worden und dann über Deutschland, Schweden und Zypern nach Israel ausgereist. Die BfA gab den Vorgang zuständigkeitshalber an die Beklagte ab, die sodann Kopien aus der Entschädigungsakte zu ihren Verwaltungsvorgängen nahm. Sodann forderte die Beklagte erneut einen Fragebogen über die Beschäftigungszeiten im Ghetto an, den der Kläger über die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Tel Aviv im Juni 2004 übermittelte. Darin bezeichnete er die Arbeitsstätte wieder als Glaserei, gab den Zeitraum August 1941 bis Oktober 1942 an und erklärte, es sei eine tägliche Rückkehr in das Ghetto erfolgt. Er habe das Ghetto auf dem Weg zur Arbeit zusammen mit dem Vater und einigen anderen Arbeitskräften verlassen und sei nicht bewacht worden. Der Arbeitseinsatz sei freiwillig durch eigene Bemühungen an den Judenrat und durch Vermittlung des Judenrats zustande gekommen. Er habe Einfluss auf die Aufnahme der Arbeit und die Wahl der Arbeitsstelle des Betriebes gehabt, denn sein Vater sei in der Glaserei als Buchhalter beschäftigt gewesen. Die Arbeit habe in Hilfs- und Reinigungsarbeiten bestanden und zehn bis zwölf Stunden am Tag gedauert. Als Entlohnung habe er Sonderverpflegung und Lebensmittelkarten erhalten. Mit Bescheid vom 06.10.2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, der Kläger habe im Entschädigungsverfahren lediglich Angaben über ihre Beschäftigung ab Oktober 1942 nach seiner Überführung ins Zwangsarbeiterlager gemacht. Diese Zeit könne nicht berücksichtigt werden, da als Beitragszeiten anzurechnenden Beschäftigungen nach dem ZRBG nur für Zeiten während eines zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto in Betracht kämen. Die Zeit bis Oktober 1942 könne nach dem ZRBG nicht angerechnet werden. Der Kläger habe nicht glaubhaft machen können, dass ein freies entgeltliches Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Außerdem sei bereits wegen seines Alters davon auszugehen, dass ein solches Arbeitsverhältnis nicht vorgelegen habe. Der Kläger sei bei Beginn der behaupteten Beschäftigung erst zwölf Jahre alt gewesen.

Auf den dagegen erhobenen Widerspruch, der bei der Beklagten am 27.10.2004 einging, erließt die Beklagte am 05.04.2005 einen ablehnenden Widerspruchsbescheid. Für die Widerspruchsstelle sei nach Lage der Akten nicht erkennbar aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid fehlerhaft sein solle.

Dagegen hat der Kläger am 18.04.2005 Klage erhoben und zur Begründung eine Erklärung der 1930 in Stryj geborenen Zeugin T2 vorgelegt. Diese hat am 21.3.2005 mit notariell beglaubigter Unterschrift bekundet,

"Ich kenne Herrn G bereits seit meiner Kindheit aus unserer Heimatstadt Stryj. Wir waren befreundet und verkehrten im gleichen Freundeskreis. Auch unsere Eltern waren miteinander befreundet. Ich kann deshalb aus eigener Wahrnehmung das Folgende bezeugen. Der Vater von Herrn G war vor dem Krieg als Buchhalter tätig und auch während der Ghetto-Zeit. Er war einer der wenigen Juden, die eine geregelte Arbeit außerhalb des Ghettos Stryj erhielten. Ich weiß, dass er für seinen Sohn eine Arbeit über den Judenrat organisierte bei der gleichen Glasfabrik, in der er arbeitete. B G arbeitete als Hilfs- und Reinigungskraft in der Glasfabrik von August 1941 bis Oktober 1942. Für seine Arbeit hat er Sonderverpflegung erhalten und zusätzliche Lebensmittelkarten. Auch nach dem Ghetto waren wir noch im ZAL Stryj zusammen und arbeiteten Heeres-Baracken-Werk. Meine Arbeiten beruhen auf eigener Kenntnis weil ich mit Herrn G ständig in Kontakt war. Ich bin bereit erforderlichenfalls meine Angaben vor Gericht zu beeiden. Mit Herrn G bin ich weder verwandt noch verschwägert."

Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, dass er die Beschäftigung in der außerhalb des Ghettos gelegenen Glaserei über die Bemühungen seines Vaters erhalten habe. Als Zwölfjähriger habe er damals noch keiner Anordnung über den Zwangsarbeitseinsatz unterlegen und die Arbeit daher aufgrund des eigenen Willensentschlusses des Vaters ausgeübt. Die Entlohnung habe in Sonderverpflegung und Lebensmittelkarten bestanden. Im Oktober 1942 habe die Beschäftigung im Ghetto mit der Deportation ins Zwangsarbeiterlager Stryj geendet, wo er Zwangsarbeiten im Heeres-Baracken-Werk verrichtet habe, für die er nicht selbst entlohnt wurde, der Arbeitgeber jedoch Leihgebühren an die SS-Lagerverwaltung zu zahlen hatte. Die Zeugin T2 werde seine Erklärungen aus dem ZRBG-Verfahren bestätigen.

In rechtlicher Hinsicht macht der Kläger geltend, die Erklärungen aus der Entschädigungsakte könnten nicht gegen sein Vorbringen im Rentenverfahren herangezogen werden, da diese freien Beschäftigungen im Rahmen des BEG-Verfahrens nicht erwähnt werden mussten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach § 2 der Lohnordnung für gewerbliche Arbeitskräfte im Reichskommissariat der Ukraine, veröffentlicht in den amtlichen Mitteilungen des Reichskommissars der Ukraine Nr. 8 von 1941, 80 von Hundert der sich aus Ziffer 2 ergebenen Lohnsätze nicht jüdischer Arbeitskräfte habe erhalten müssen. Nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) 1930 veröffentlicht in den amtlichen Nachrichten (AN) 1931 IV Seite 34 und einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) NRW in der Entscheidung vom 15.12.2003 - L 3 RJ 33/00, komme es nicht darauf an, ob der Versicherte seine Bezüge voll, teilweise oder überhaupt nicht erhalten habe. Dies sei erst mit dem gemeinsamen Erlass des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 10.09.1944 (Reichsarbeitsblatt Teil 2 1944 Seite 281) eingetreten. Des Weiteren sei nach der Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.12.2006 B 4 R 29/06 R die Versicherungspflicht an keiner Stelle des ZRBG zur Anspruchsvoraussetzung gemacht. Die Ausführungen des 4. Senats des BSG würden zudem durch den Beschluss des dortigen 13. Senats vom 15.10.2003 - B 13 RJ 85/03 B - gestützt. Denn auch dieser habe dargelegt, dass § 1 des ZRBG nicht die Ausübung einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Entgelt verlange. Mithin sei es dem Kläger durch Vorlage seiner eigenen Erklärung sowie der der Zeugin T2 gelungen, die tatsächlichen Voraussetzungen für eine nicht selbstständige Arbeit aus eigenem Willensentschluss glaubhaft zu machen. Schließlich habe der Kläger auch gegenüber der JCC nicht angegeben, dass es sich bei dem hier geltend gemachten Zeitraum um Zwangsarbeit gehandelt habe. Denn dort habe er die Zeit im KZ Dritte angegeben. Der Hinweis der JCC, er habe er eine Entschädigung aufgrund des Verfolgungsschicksals im Ghetto Stryj in den Jahren 1942 bis 1943 erhalten, sei daher unzutreffend. Im Übrigen gehe auch die Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft davon aus, dass - wie vom 8. Senat des LSG NRW durch Urteile vom 29.06.2005 - L 8 RJ 97/02 – rechtskräftig entschieden -, Leistungen nach dem Stiftungsgesetz, andere Ansprüche, die sich zum Beispiel aus freiwilliger Arbeit ergeben nicht beeinträchtigen sollen, was sich auch aus § 15 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes ergebe.

Verfahrensrechtlich hat der Kläger beantragt,

1. sein persönliche Erscheinen zum Termin zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, um ihn zu seiner Ghetto-Arbeit anzuhören und zu befragen.

2. die Zeugin T2 zu seiner Beschäftigung im Ghetto Stryj gerichtlich vernehmen zu lassen.

3. zur Rekonstruktion der Geschehnisse im Ghetto Stryj die Akten des Landgerichts Wien zum Verfahren LG Wien - 20 VR 1077/57 (Schupo Kriegsverbrecher von Stryj vor dem Wiener Volksgericht) beizuziehen.

In der Sache hat er den Antrag gestellt,

den Bescheid der Beklagten vom 06.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seiner Beschäftigung im Ghetto Stryj von August 1941 bis Oktober 1942 nach den Vorschriften des ZRBG und unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten wegen NS-Verfolgung nach dem SGB VI eine Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe erstmals im Rentenverfahren mit dem Antrag vom 29.10.2003 und in der ergänzenden Erklärung vom 01.06.2004 eine Beschäftigung in einer Glaserei angegeben. Auch wenn die Zielrichtung des Entschädigungsverfahrens eine andere gewesen sei, als die im jetzigen Rentenverfahren und Angaben über die nun geltend gemachte Beschäftigung im Rahmen des BEG-Verfahrens nicht hätten erwähnt werden müssen, hätte es damals nahe gelegen, nicht nur die zwangsweise verrichteten Arbeiten sondern auch eine in dieser Zeit aus eigener Veranlassung eingegangene entgeltliche Beschäftigung zu erwähnen. Ungeachtet dessen stehe aber hier auch die Frage der Entgeltlichkeit und Freiwilligkeit im Raum. Bei den Arbeitsverrichtungen des Klägers im Ghetto Stryj habe es sich um eine für die damalige Zeit nationalsozialistischer Verfolgung typische Form der Zwangsarbeit unter direkter Kontrolle und Aufsicht der Besatzer bei Unterbringung im Ghetto bei notdürftiger Versorgung gehandelt. Zwangsarbeiten würden aber vom ZRBG nicht erfasst. Diese seien unfreiwillige Arbeitsleistungen, die in der Regel unentgeltlich aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis erbracht worden seien, z. B. auf der Grundlage der Verordnung über die Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung des Generalgouvernement vom 26.10.1939 unter der hierzu erlassenen zweiten Durchführungsverordnung vom 12.12.1939. Voraussetzung für eine versicherungsrechtliche Berücksichtigung einer Beschäftigung sei, dass der Betroffene aus eigenem Willensentschluss ein konkretes Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis eingegangen sei und ihm dafür im Austausch eine ausreichende Gegenleistung gewährt worden sei. Das Arbeitsentgelt könne in Geld oder Gegenständen bestehen, das heißt Bar- oder Sachlohn sein, im Sinne des § 160 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) alter Fassung (aF). Eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit ("Äquivalenz") der Leistungen brauche nicht gegeben zu sein. Das Arbeitsentgelt müsse allerdings einen Mindestumfang erreichen, damit Versicherungspflicht entstehe (§ 1226 Abs. 2 in Verbindung mit § 160 RVO aF bzw. 1228 Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz RVO neuer Fassung). Dies habe das Bundessozialgericht mit seinem Urteil vom 07.10.2004 B 13 RJ 59/03 R ausgeführt. Es sei nicht anzunehmen, wenn überhaupt ein irgendwie geartetes und sei es noch so geringes Entgelt, gezahlt worden sei. Vielmehr dürfe das Entgelt nicht nur in einer bloßen Gewährung von freiem Unterhalt bestehen, weil ansonsten Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes vorliegt (§ 1228 Abs. 1 Nr. 1 RVO neuer Fassung). Diese Kriterien müssten glaubhaft gemacht werden, was dem Kläger im vorliegenden Fall jedoch nicht gelungen sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei bereits nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger entgeltlich im Sinne des § 1 ZRBG im Ghetto beschäftigt gewesen sei. Entgeltlichkeit der Beschäftigung liege nur dann vor, wenn dem Betroffenen für die Tätigkeit eine Gegenleistung gewährt worden sei, die zum Umfang und der Art der geleisteten Tätigkeit noch in einem "angemessen" Verhältnis stehe. Dies sei bei allzu geringfügigen Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Arbeit nicht mehr der Fall, da es dann an dem notwendigen Bezug zur Versichertengemeinschaft fehle. Das Entgelt, welches sowohl aus Geld als auch aus Sachbezügen bestehen könne, müsse somit einen Mindestumfang erreichen, um von einer entgeltlichen versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgehen zu können. Eine wirtschaftliche Äquivalenz beider Leistung müsse indes nicht bestehen. Insbesondere dürfe das Entgelt aber nicht nur in der reinen Gewährung von freiem Unterhalt bestehen, da ansonsten Versicherungsfreiheit für diese Beschäftigung vorliege, was aus dem Grundgedanken des § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO folge. An versicherungspflichtigem Entgelt im vorgenannten Sinne fehle es daher, wenn allein freie Verpflegung zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse gewährt werde. Ebenso zählten Sachbezüge im geringen Umfang zur Befriedigung kleinerer Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten noch zum freien Unterhalt. Im Übrigen sei bei der Gewährung von Lebensmitteln stets zu prüfen, ob sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch und Gebrauch oder nach vorbestimmten Maße zur beliebigen Verfügung gegeben worden sein. Dies folge aus der ständigen Rechtsprechung des BSG.

Auf dieser Grundlage habe nicht glaubhaft gemacht werden können, dass der Kläger gegen Entgelt tätig geworden sei. Er wolle nach seinen eigenen Angaben Sonderverpflegungen wie Lebensmittelcoupons erhalten haben. Diese Art der Entlohnung begründe kein versicherungspflichtiges Entgelt. Der Erhalt von Sonderverpflegung unterfalle vielmehr der freien Unterhaltsgewährung, die nicht vom Entgeltbegriff des Rentenversicherungsrechts erfasst sein. Die Bezüge dienten insoweit nicht der Erbringung einer Gegenleistung für die individuelle Arbeitsleistung, sondern vornehmlich als Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft, wie es gerade typisch für Zwangsarbeitsverhältnisse sei. Glaubhafte Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger Lebensmittelcoupons in einem solchen Umfang mit einer Regelmäßigkeit gewährt worden seien, dass sie zum Umfang der geleisteten zehn- bis zwölfstündigen Arbeit noch in einem "angemessenen" Verhältnis gestanden hätten, seien nicht ersichtlich. Es fehle damit an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer rechtserheblichen Entlohnung im Sinne des ZRBG.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den vom Kläger genannten Verordnungen und Dienstanweisungen über den Ortslohn für jüdische Arbeitskräfte, da hierdurch keine Aussage darüber getroffen werde, ob ein Lohnanspruch dem Grunde überhaupt entstanden sei. Die so genannte Anspruchstheorie bringe es notwendig mit sich, dass die Frage eines Arbeitsverhältnisses als Vorfrage zu prüfen sei (Hinweis auf Seewald in Kassler Kommentar Band 4 § 14 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch Randnummer 56). Ein solches vertragliches oder quasi vertragliches Arbeitsverhältnis habe indes nicht vorgelegen. Es könne nämlich nur im konkreten Einzelfall begründet worden sein, dafür aber gebe es keine Anhaltspunkte.

Schließlich sehe die Kammer auch keinen Anlass dem Antrag der Kläger-Bevollmächtigten das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, nachzugehen. Es stehe gem. § 111 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Ermessen des Vorsitzenden. Von einer solchen Anordnung solle vielmehr in der Regel abgesehen werden, wenn einem Beteiligten wegen großer Entfernung ein persönliches Erscheinen nicht zumutbar sei. Die sei bei dem in Israel wohnenden inzwischen fast 80 Jahre alten Kläger ohne weiteres der Fall. Ungeachtet der Frage, dass es ihm ohne weiteres möglich sei, jederzeit schriftlich ergänzende Aussagen zu seinem Verfolgungsschicksal zu machen, bestehe aus Sicht des Gerichts angesichts des vorgetragenen Sachverhalts keine Veranlassung, ihn persönlich zu hören und weiter zu befragen. Im Übrigen werde angemerkt, dass es dem Kläger auch unbenommen sei, aus eigenem Antrieb persönlich zu erscheinen und zu seinem Verfolgungsschicksal vorzutragen. Auch dem weiteren Beweisantrag, die Zeugin T2 im Wege der Rechtshilfe zur Beschäftigung des Klägers im Ghetto Stryj vernehmen zu lassen, sei nicht nachzukommen. Denn es handele sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, mit dem sich die Prozessbevollmächtigte erst über ihr unbekannte Tatsachen informieren wolle, um dann ggf. substantiierte Beweisanträge zu stellen. Einem derart unsubstantiierten Beweisantrag habe die Kammer nicht nachzugehen brauchen. Ungeachtet dessen, sei der so gestellte Beweisantrag aber auch beweisunerheblich, da die Kammer keinen Zweifel an der Beschäftigung des Klägers im Ghetto Stryj hege. Schließlich sei auch dem Antrag zur Rekonstruktion der Geschehnisse im Ghetto Stryj durch Beiziehen der Akten des Landgerichts Wien zum Schupo Kriegsverbrecher-Prozess von Stryj Beweis zu erheben nicht stattzugeben gewesen. Die Beiziehung der Akten sei nicht erforderlich, denn es sei nicht ersichtlich und auch von der Bevollmächtigten nicht näher geltend gemacht, was sich aus diesen Akten für das Verfahren des Klägers konkret für die hier in Frage stehenden Fragen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit seiner Beschäftigungen ergeben könnte.

Gegen das am 12.10.2007 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger am 15.10.2007 erhobene Berufung.

Der Kläger trägt zur Begründung vor, das SG habe sich nur unzureichend mit der Klagebegründung auseinandergesetzt und im Wesentlichen die Ausführungen seiner zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze ignoriert. Selbst wenn die vom SG vorgegebenen Voraussetzungen zu prüfen wären, sei festzustellen, dass das erstinstanzliche Gericht seine Pflicht der Amtsermittlung nach § 103 SGG verletzte. Das SG habe nicht festgestellt, welchen Wert die Arbeitsleistung des Klägers besessen habe und welche Wertigkeit die Lebensmittelkarten besessen hätten, um anhand beider Werte eine vergleichende Betrachtung anzustellen. Auch der Hinweis des SG, dass bei der Gewährung von Lebensmitteln stets zu prüfen sei, ob sie nach Art und nach Umfang des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch oder nach vorbestimmten Maße zur beliebigen Verfügung gegeben worden sein, bleibe unberücksichtigt. Insoweit fehle es an Ermittlungen. Völlig unverständlich sei, dass das SG auch die Vernehmung der benannten Zeugin zurückgewiesen habe. Die Begründung dafür sei unsachlich und lasse sich lediglich damit interpretieren, dass es dem Gericht erster Instanz lästig gewesen sei, eine solche Beweisaufnahme durchführen zu müssen. Denn das Beweisthema und die Beweistatsachen lägen auf der Hand, so dass von einem unzulässigem Ausforschungsbeweis nicht einmal ansatzweise die Rede sein könne. Selbst wenn es so gewesen wäre, wäre es zudem die Aufgabe des Vorsitzenden gewesen, diesem Mangel abzuhelfen, was sich aus § 106 SGG ergebe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG Düsseldorf vom 19.09.2007 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2005 zu verurteilen, dem Kläger unter Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten von August 1941 bis Oktober 1942, zurückgelegt im Ghetto Stryj, Regelaltersrente ab 01.07.1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend hat sie mitgeteilt, die allgemeine Wartezeit wäre im Falle des Klägers erfüllt.

Wegen der Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die beigezogenen Verwaltungs- und auf die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Die Zurückverweisung an das SG folgt aus § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Denn die angefochtene Entscheidung beruht auf wesentlichen Verfahrensfehlern (hierzu unter I.). Der erkennende Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend in der Sache entscheiden. Eine Durchführung der erforderlichen aufwändigen Beweisaufnahme in der ersten Instanz ist unter Würdigung der Schutzinteressen der Beteiligten zweckmäßig und angemessen (hierzu unter II).

I. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst (Urteil des LSG NRW vom 20.02.2002 - L 10 SW 141/01 - www.sozialgerichtsbarkeit.de ). Vorliegend liegen vier solche wesentliche Entscheidungsmängel vor: Zum einen hat das Sozialgericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und damit seiner Amtsermittlungspflicht gem. §§ 103 und 106 SGG nicht genügt (hierzu unter 1.). Ferner hat Sozialgericht das Beweisantragsrecht des Klägers im Sinne des § 118 SGG verletzt (hierzu unter 2.). Des Weiteren hat das Sozialgericht die Vorschrift des § 111 SGG nach ihrem Sinn und Zweck missachtet (hierzu unter 3.). Schließlich hat das Sozialgericht den Streitstoff nicht erschöpfend geprüft bzw. gewürdigt und sein Urteil unter Verstoß gegen die Vorgaben des § 128 und des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG nicht ausreichend begründet (hierzu unter 4.)

1. Die Sachverhaltsaufklärung des SG ist in mehrfacher Hinsicht unzureichend. Zwar ist insoweit im Ansatz nicht zu beanstanden, dass das SG sich auf nur eine der zwingenden gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 ZRBG, nämlich die Entgeltlichkeit der Beschäftigung, beschränkt hat und zu den übrigen Tatbestandsmerkmalen der Vorschrift keine Feststellungen traf. Auch vom rechtlichen Standpunkt des SG aus sind dessen Feststellungen zur Entgeltlichkeit indes ungenügend. Denn das SG hat weder zum genauen Ausmaß der vom Kläger tatsächlich erhaltenen Gegenleistungen ermittelt (hierzu unter a)) noch hat es die Frage aufgeklärt, was ihm bzw. seinem Vater für die Arbeit in der Glaserei als Gegenleistung versprochen worden war (hierzu unter b)).

a) Die Berufung rügt zurecht, dass das SG von seinem Standpunkt aus, von dem her es auf das Verhältnis der Gegenleistung für die vom Kläger während seiner Zeit im Ghetto Stryj geleisteten Arbeit gewährten Gegenleistung im Sinne einer "Angemessenheit" ankommen soll, weder aufgeklärt hat, worin genau die Arbeitsleistung des Klägers bestand noch in welchem exakten Ausmaß er für diese Tätigkeit entlohnt wurde. Hierzu wäre der Kläger vom SG zunächst detailliert zu befragen gewesen, was insbesondere durch die Übersendung eines schriftlichen Fragenkataloges hätte geschehen können und müssen. Soweit das SG den bisherigen Vortrag des Klägers insoweit für unzureichend hielt, hätte es den Kläger angesichts der unterschiedlichen Interpretationen des § 1 ZRBG, die hierzu vertreten werden (Nachweise zB in der Senatsentscheidung vom 6.6.2007 - L 8 R 54/05 - unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) zumindest auf die eigene Rechtsauffassung hinweisen müssen, um ihm bzw seiner Bevollmächtigten deutlich zu machen, auf welchen rechtlichen Gesichtspunkt es ihm ankam (§ 202 SGG in Verbindung mit § 139 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Weitere Beweiserhebungsmöglichkeiten von Amts wegen hätte die Befragung der vom Kläger benannten Zeugin T2 geboten. Auch der von der JCC übersandte Antragsvorgang des Klägers, in dem sich von ihm verfasste Erklärungen überwiegend in hebräischer Sprache befinden, hätte zumindest von Amts wegen in die deutsche Sprache übersetzt werden müssen. Auch hätte es sich angeboten, das vom erkennenden Senat zu den zeitgeschichtlichen Verhältnissen im Ghetto Stryi im Verfahren L 8 R 299/06 eingeholte Sachverständigengutachten des Historikers Prof. Dr. Golczewski, das im Intranet für die Richterschaft frei zugänglich ist, beizuziehen und im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten. Darüber hinaus liegen sowohl bei Yad Vashem, wie auch bei der Steven Spielberg Foundation eine Vielzahl von Zeitzeugeninterviews vor, die sich speziell auf die Zustände im Ghetto Stryi beziehen und die das Sozialgericht hätte sachverständig auswerten lassen können, um aufzuklären, welche genauen Lebensmittelrationen die in der Glaserei in der Nähe beim Ghetto Stryi arbeitenden Jugendlichen für dort verrichtete Reinigungstätigkeiten bekamen, um feststellen zu können, ob diese generell das Maß freien Unterhalts überstiegen, oder nicht.

b) Das SG hat auch nicht festgestellt, ob dem Kläger bzw. seinem Vater für die Tätigkeit in der Glaserei hier individuell arbeitsvertraglich ein Entgelt im Sinne des § 1 ZRBG versprochen worden war. Davon aber hängt die vom SG nach dessen eigenem Rechtsstandpunkt streiterhebliche (Vor-)Frage eines individuellen Entgeltanspruchs ab. Eine solche Vereinbarung liegt hier jedoch schon nach der eigenen frühen Schilderung des Kläges aus dem BEG-Verfahren - die das SG an keiner Stelle erwähnt - und der Erklärung der Zeugin T2 über die Umstände der Arbeitsaufnahme in der Glaserei nahe, hatte sein Vater dort doch in der Tat als Buchhalter eine herausgehobene Stellung. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass er in der Lage war, für seinen Sohn mit dem Judenrat oder mit dem örtlichen Betriebsinhaber tatsächlich ein konkretes arbeitsvertragliches Beschäftigungsverhältnis zu begründen (in der Hoffnung den Sohn so vor der Ermordung zu schützen). Eine solche Vereinbarung hätte dann, auch unter Zugrundelegung der vom Vordergericht eingenommenen Rechtsauffassung, in Verbindung mit den vor Ort geltenden Lohnordnungen einen Entgeltanspruch in Höhe von 80 % des Tarfiflohns auf die Lohnzahlung bedeutet, so dass bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 1 ZRBG, die das SG nicht mehr geprüft hat, der vom Kläger begehrte Rentenanspruch gegeben gewesen wäre. Auch hierzu fehlen Feststellungen.

2. Das Sozialgericht hat ferner den vom Kläger gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugin T2 zu Unrecht abgelehnt und damit die Vorschrift des § 103 SGG verletzt, denn, entgegen der Auffassung des SG, handelte es sich um einen zulässigen Beweisantrag im Sinne des § 118 SGG in Verbindung mit § 371 Absatz 1 ZPO. Zu Unrecht hat das SG den Beweisantrag nämlich dahingehend verkürzt, der Kläger habe hiermit ausschließlich die Tatsache seines Aufenthalts im Ghetto als solchen in das Wissen der Zeugin stellen wollen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat vielmehr durch die ausdrückliche Behauptung, die Zeugin werde die gesamte Schilderung des Klägers bestätigen, hinreichend bestimmte Beweistatsachen zu den sachlichen Voraussetzungen des § 1 ZRBG benannt, auf die es nach der Rechtsauffassung des SG auch für die Entscheidung des Falles ankam. Das gilt insbesondere zu den Angaben des Klägers über seine Entlohnung in Form von Sonderrationen und Zusatzverpflegung, auf die das SG streitentscheidend als zu gering abgestellt hat, ohne genau angeben zu können, wie hoch diese Rationen tatsächlich waren. Es handelt sich insofern auch nicht um einen Ausforschungsbeweis, oder Behauptungen "ins Blaue hinein", denn ein Beweisantrag kann durchaus auch Umstände betreffen, die ein Verfahrensbeteiligter nur für ernsthaft möglich hält oder vermutet (vgl. Bundesgerichtshof, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2006, 585, ebenso Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, Kommentar, 5. Auflage 2005, § 160 Randnummer 18 d und 18 e).

Zutreffend abgelehnt hat das SG insoweit lediglich die Beiziehung der Akten des Wiener Volksgerichts zum Prozess gegen die Schutzpolizisten von Stryi, weil es hier an einem hinreichend konkreten Vortrag der Kläger-Bevollmächtigten zur Eignung dieser Akten als Beweismittel zu Fragen der entgeltlichen Beschäftigung des Klägers im dortigen Ghetto mangelt.

3. Das SG hat auch die Vorschrift des § 111 SGG verletzt, indem es die Anordnung des persönlichen Erscheinens gegen dessen ausdrücklichen Willen abgelehnt hat, denn entscheidend ist insoweit der Wille des Verfahrensbeteiligten selbst. Nur auf ihn kommt es für die vom SG zur Begründung seiner Rechtsauffassung genannte Prüfung der Unzumutbarkeit des persönlichen Erscheinens an. Das gilt nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die auch einen einfach-rechtlichen Ausdruck des grundrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt, insbesondere dann, wenn es, wie vorliegend, um für die Betroffenen menschlich existentielle Fragen, wie hier die der Opferidentität geht, und es ihnen ausdrücklich ein Bedürfnis ist, sich persönlich mündlich vor Gericht äußern zu können. So gebietet es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens, ihnen hierzu die entsprechende Anordnung und Kostenübernahme der damit verbundenen Reisekosten auch real die Möglichkeit zu geben. Dies verkennt das SG, wenn es ausführt, "es stünde dem in Israel lebenden 80-jährigen Kläger schließlich frei, jederzeit selbst vor Gericht zu erscheinen". Dies gilt umso mehr, je stärker es, auch vom Standpunkt des erkennenden Gerichts aus betrachtet, in der Sachverhaltsfeststellung noch Lücken gibt, die sich nur durch individuelle Befragungen des betreffenden Verfahrens Beteiligten umfassend schließen lassen. Genau dies ist, bezogen auf die individuelle Entlohnung des Klägers der Fall, weil das SG selbst einräumt, hiervon bislang keine mengenmäßig genauen Informationen ermittelt zu haben. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die persönliche Anhörung eines Verfahrensbeteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren auch den Charakter einer Beweiserhebung hat, denn das Gesetz gibt in § 106 SGG insoweit ausdrücklich vor, dass diese Maßnahme "zur Aufklärung" des Sachverhalts geboten sein kann. In der sozialgerichtlichen Praxis ist jedenfalls unbestritten, dass das Vorbringen eines Beteiligten - wenn er persönlich glaubwürdig ist und sonstige Gründe nicht entgegenstehen - Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein kann (Meyer-Ladewig am angegebenen Ort, § 118 Randnummer 8 mit weiteren Nachweisen). Daher kann die Ablehnung der vom Kläger erbetenen Anordnung des persönlichen Erscheinens auch nicht auf die - vom SG ohnehin nicht gesehene - Entscheidung des 4. Senats des LSG NRW vom 3.2.2006 - L 4 R 57/05 - gestützt werden, denn dort ging es um einen ganz anders gelagerten Fall, in dem es ausschließlich um eine Frage des Völkerrechts zu entscheiden war, zu der die dortige Klägerin aus eigener Wahrnehmung in der Tat nichts beitragen konnte.

Schließlich verkennt das SG bzw. der Kammervorsitzende mit seiner Ablehnung des persönlichen Erscheinens noch den Grundsatz der Unmittelbarkeit sowie der Mündlichkeit des sozialgerichtlichen Verfahrens, denn damit beschränkt es sowohl den Kläger, wie auch das erkennende Gericht – insbesondere die ehrenamtlichen Richter - letztlich auf eine ausschließlich schriftliche Kommunikation mit den Verfahrensbeteiligten, die dem (in § 124 Abs.1 SGG genannten) gesetzlichen Regel-Ausnahmeverhältnis widerspricht, in dem die Schriftsätze lediglich die Funktion der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Verfahrens haben und nicht an ihre Stelle treten sollen. Das Vorgehen des Vorsitzenden führte demgegenüber hier dazu, dass der (Not-) Fall des § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG vom SG sehenden Auges provoziert wurde.

4. Das SG hat den Sachverhalt schließlich in den Urteilsgründen weder erschöpfend geprüft noch gewürdigt. Damit hat es gegen die Vorschriften des § 128 SGG und des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG verstoßen, die es verpflichten, sein Urteil für Beteiligte und Obergericht nachvollziehbar zu begründen. Entscheidungsgründe im Sinne der letztgenannten Vorschrift enthält ein Urteil nur dann, wenn in der Begründung selbst mindestens diejenigen Erwägungen zusammengefasst sind, auf denen die Entscheidung über jeden einzelnen für den Urteilsausspruch rechtserheblichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Die Begründung soll zwar bündig kurz sein, muss aber derart ausführlich gefasst werden, dass die höhere Instanz das angefochtene Urteil zuverlässig nachprüfen und der unterlegene Beteiligte aus ihm ersehen kann, worauf das Gericht seine Entscheidung stützt. Eine den Anforderungen des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG nicht genügende Begründung liegt nicht erst dann vor, wenn überhaupt keine Gründe vorhanden, sondern fehlt schon dann, wenn zu einem entscheidungserheblichen Streitpunkt die Erwägungen, die das Gericht zum Urteilsausspruch geführt haben, dem Urteil selbst nicht zu entnehmen sind. Zum Mindestinhalt gehören neben der Angabe der angewandten Norm und der für erfüllt bzw. für nicht gegeben erachteten Tatbestandsmerkmale auch die dafür ausschlaggebend gewesenen tatsächlichen und rechtlichen Gründe (Bundessozialgericht, Urteil vom 15.11.1988 - 4/11a RA 20/87 JURIS -). Ein wesentlicher Teil der Entscheidungsgründe ist ferner die Beweiswürdigung. Ein grober Verfahrensfehler liegt vor, wenn eine Beweiswürdigung völlig fehlt, oder wenn den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen ist, aufgrund welcher Tatsachen und Erwägungen das Gericht zu seinen Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Folgerungen gekommen ist. Dabei hat das Sozialgericht den Streitstoff erschöpfend zu prüfen und zu würdigen (LSG NRW, Urteil vom 20.02.2002 - L 10 SB 141/01- www.sozialgerichtsbarkeit.de). Vorliegend liegt ein solcher gravierender Mangel mit Blick auf die Erklärung des Klägers aus dem BEG-Verfahren und auf die Bekundungen der Zeugin T2 vor. Letztere hat das Sozialgericht nicht nur im Tatbestand seines Urteils übergangen, sondern auch in den Entscheidungsgründen nicht erwähnt. Dabei hat die vorgenannte Zeugin zur Beschäftigung des Klägers im Ghetto Stryi detalillierte Angaben gemacht, die auch vom Standpunkt des Vordergericht einer Würdigung bedurft hätten. Erst recht gilt dies für die ungewöhnlich plastische Schilderung des klägerischen Verfolgungsschicksals in den BEG-Akten, insbesondere in seiner dSK-Prüfung.

Weder der Kläger als unterlegener Verfahrensbeteiligter, noch der erkennende Senat als zur Überprüfung der angefochtenen Entscheidung verpflichtetes Obergericht, können dem Urteil insoweit entnehmen, aus welchem Grund die vorgenannte Zeugenaussage und die eigenen Erklärungen des Klägers vom SG nicht berücksichtigt worden sind.

Die Mängel des Urteils sind auch wesentlich, da das Urteil des Sozialgerichts auf ihnen beruhen kann (zu dieser Voraussetzung Meyer-Ladewig SGG § 159 Rnd. Nr. 3a). Denn es ist naheliegend, dass das Sozialgericht bei sorgfältiger Aufklärung des Sachverhalts und pflichtgemäßer Beweiswürdigung zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, dass die Entgeltlichkeit im Sinne des vom SG zu § 1 ZRBG selbst eingenommenen Rechtsstandpunkts gegeben bzw. eine arbeitsvertraglich begründete Anspruchsgrundlage auf Lohnzahlung vorhanden war.

II. Die Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht ist auch sachgerecht, denn der erkennende Senat konnte selbst unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich vorliegenden weiteren Erkenntnisse in der Sache nicht selbst entscheiden. Zwar steht mittlerweile fest, dass der Kläger die erforderliche Vorversicherungszeit von 60 Monaten sowohl aufgrund seiner verfolgungsbedingten Ersatzzeiten als auch aufgrund der nach dem deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen gleichgestellten israelischen Versicherungszeiten erfüllt. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass es in Stryj ein geschlossenes Ghetto im Sinne des § 1 ZRBG gegeben hat. Dies hat der erkennende Senat durch das Gutachten des historischen Sachverständigen Prof. Dr. H. im beigezogenen Parallelverfahren L 8 R 299/06 ermittelt, wobei das vorgenannten Gutachten hier im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden kann. Ebenso wenig ist angesichts der vom Kläger schon im Entschädigungsverfahren beigebrachten glaubhaften Zeugenaussagen zweifelhaft, dass er sich im streitbefangenen Zeitraum zwangsweise im Ghetto Stryj aufgehalten hat.

Auch seine Beschäftigung in der Glaserei ist angesichts der vom Kläger schon früh vorgetragenen außerordentlich detaillierten Schilderung sowie des vielfach belegten Umstands, dass sein Vater dort als Buchhalter arbeitete und ihm so tatsächlich die Beschäftigung in der Glaserei vermitteln konnte, zumindest überwiegend wahrscheinlich im Sinne einer guten Möglichkeit. Dem steht auch nicht der Einwand der Beklagten entgegen, dass der Kläger diese Tätigkeit im BEG-Verfahren nicht erwähnte. Denn auf die "freiwilligen" Beschäftigungen in einem Ghetto kam es nach den Bestimmungen des BEG gar nicht an. Es bestand daher kein Anlass, Antworten auf sich nicht stellende Fragen vorzutragen. Auch hat der Kläger im BEG-Verfahren durchgehend und konsistent stets ausdrücklich von Zwangsarbeiten und Misshandlungen erst ab seiner Zeit im ZAL Stryj, d.h. ab Oktober 1942 bzw. in seinem Alter ab 13 Jahren gesprochen, was genau in spiegelbildlicher Übereinstimmung zu der hier streitgegenständlichen Zeit davor von August bis Oktober 1942 im Ghetto Stryj steht. Die (auch historisch vielfach belegte) Zäsur von Ghetto zu ZAL haben im Übrigen auch damals schon alle vom Kläger benannten Zeitzeugen klar bestätigt. Dass es für das ZRBG keine Altergrenze wegen "Kinderarbeit" gibt, hat der erkennende Senat bereits entschieden (so z. B. im oben genannten Urteil vom 12.12.2007 - L 8 R 187/07 -). Diese Senatsrechtsprechung beruht ihrerseits auf der übereinstimmenden Judikatur des BSG (Urteil des 13. Senats vom 14.07.1999 - B 13 RJ 61/98 R und Urteil des 4. Senats vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R -)

Keine hinreichenden Erkenntnisse bestehen für den erkennenden Senat jedoch nach wie vor zum Umfang der vom Kläger für seine damalige Beschäftigung empfangenen Gegenleistung. Hier fehlt es an den erforderlichen gerichtlichen Feststellungen, sowohl durch Rückfrage beim Kläger nach der von ihm angegebenen Sonderverpflegung und Lebensmittelkarten als auch durch Befragung der von ihm benannten Zeugin T2. Hierbei handelt es sich um umfangreiche Ermittlungen im Ausland, die entsprechend dem auch für das sozialgerichtliche Verfahren heranzuziehenden Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, sowohl unter dem Aspekt der Prozess-Ökonomie als auch unter dem des Erhalts zweier Tatsachen-Instanzen, die Aufhebung und Zurückverweisung als ermessensgerecht erscheinen lassen, zumal auch der Kläger selbst die unzureichende Beweiserhebung des SG rügt. Der erkennende Senat ist zudem aufgrund der bei dem LSG NRW mittlerweile eingetretenen außerordentlich starken Belastung mit in erster Instanz unzureichend aufgeklärten ZRBG-Sachverhalten, nicht in der Lage die erforderlichen (Auslands-) Ermittlungen rascher durchführen, als das Vordergericht.

Dabei wird das SG für seine abschließende Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass die von ihm für erforderlich gehaltene "Angemessenheit" von Arbeitsleistung und Entgelt in dieser Form, soweit ersichtlich, von keinem der Rentensenate des BSG oder eines LSG und keinem deutschen Rentenversicherungsträger vertreten wird und daher zumindest auf Basis der bislang vom SG zitierten Belege nicht haltbar ist (näher zum Stand der Rechtsprechung hierzu Senatsurteil vom 12.12.2007 - L 8 R 187/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Rechtskraft
Aus
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