L 3 R 382/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 2099/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 382/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1948 geborene Kläger absolvierte - nachdem er 1962 eine Ausbildung zum Koch nach rund fünf Monaten abgebrochen hatte - vom 01. September 1962 bis zum 31. August 1965 bei der Firma H A K Inhaber E H eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel und schloss diese auch erfolgreich ab (Kaufmannsgehilfenbrief vom 30. September 1965). Nach seinen eigenen Angaben war er anschließend – unterbrochen durch den Grundwehrdienst – tätig als

01. September 1965 - 30. Juni 1968 Kaufmann bei der Fa. K 01. Januar 1970 - 30. September 1970 Operator in der DV bei O AG 01. Oktober 1970 - 31. März 1972 Programmierer in der DV bei der Fa. P E 01. April 1972 - 31. August 1977 Handelsreisender bei der Fa. B. S Sitz H 01. September 1977 - 31. Dezember 1978 selbstständiger Handelsvertreter 01. Januar 1979 – 30. Juni 1988 selbständiger Kunst- und Antiquitätenhändler.

Im Januar 1988 wanderte er nach Kanada aus und war dort ab dem 01. Juli 1988 bis zum 28. September 1997 als selbständiger Bauunternehmer (Errichtung von Eigentumswohnungen und Häusern) und "outfitter" tätig. Er entrichtete im Zeitraum von 1989 bis 1995 Beiträge zur kanadischen Rentenversicherung (Mitteilung des kanadischen Versicherungsträgers vom 14. Juli 1998). Seit 1995 besitzt er die kanadische Staatsangehörigkeit.

Am 13. Januar 1998 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Darin hielt er sich wegen der Folgen eines am 28. September 1997 erlittenen Herzinfarkts für erwerbsunfähig. Er legte einen Bericht des St. P Hospitals in V vom 01. Oktober 1997 sowie Arztbriefe des behandelnden Arztes Dr. P A vom 24. Februar 1998 und 30. Dezember 1998 vor. Dr. A hielt in seinen Berichten eine weitere Tätigkeit als Bauunternehmer nicht mehr für möglich, leichte sitzende Tätigkeiten könnten allerdings weiterhin ausgeübt werden. Mit Bescheid vom 19. April 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Unter Berücksichtigung eines Zustands nach Herzinfarkt und Stentimplantation linke vordere abwärts gehende Koronararterie könne er seinen bisherigen Beruf als Groß- und Außenhandelskaufmann unter Wahrnehmung berufsadäquater Tätigkeiten im Innendienst bei Verrichtung leichter körperlicher Tätigkeiten vollschichtig ausüben. Berufliche Einsatzmöglichkeiten im Innendienst gebe es als Einkäufer, Disponent, Verkaufssachbearbeiter, Buchhalter und Versandleiter.

Seinen Widerspruch begründete der Kläger unter Verweis auf ein Attest von Dr. A vom 17. November 1999, wonach er nicht mehr vollschichtig arbeiten könne. Die Beklagte veranlasste daraufhin internistische Untersuchungen durch Dr. A R (Bericht vom 5. September 2000) sowie Dr. B T (EKG vom 22. September 2000). Anschließend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2001 zurück. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit bestehe nicht.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hat der Kläger geltend gemacht, er könne wegen seiner Herzerkrankung, der Möglichkeit der fortschreitenden Verschlechterung derselben und des stark erhöhten Cholesterinspiegels im Hinblick auf die unzumutbare Stressbelastung nicht mehr als Kaufmann arbeiten. Hinzuweisen sei insbesondere auf die stark verminderte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (EF). Er hat Bescheinigungen des Dr. A vom 27. August 2002 und 18.
Januar 2005, einen Arztbrief und eine Bescheinigung von Frau Dr. M K (St. P Hospital) vom 19. Juni 2001 bzw. 22. November 2002 sowie einen Arztbrief von Dr. W H vom 14. Januar 1998 (Herzschmerzen nach Schneeschaufeln) vorgelegt.

Das SG hat zunächst einen Befundbericht von Dr. A vom 14. Januar 2002 eingeholt. Danach hat es Beweis erhoben durch Einholung eines allgemeinmedizinischen Gutachtens von der kanadischen Ärztin Dr. S-M. In ihrem Gutachten vom 29. Mai 2003, dem sie einen Entlassungsbericht des St. P Hospital vom 28. April 2003 nebst Befunden eines Linksherzkatheters und einer Koronarangiografie vom 15. April 2003 beigefügt hat, hat sie den Kläger nur noch für in der Lage gehalten, täglich regelmäßig vier Stunden körperlich leichte Arbeiten im Sitzen unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen auszuüben.

Das SG hat im Anschluss daran erneut Beweis erhoben, nunmehr durch Einholung eines internistisch-kardiologischen Sachverständigengutachtens von Dr. S. In seinem am 19. November 2003 nach Aktenlage erstellten Gutachten ist er zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger leide an einer koronaren Herzerkrankung mit Eingefäßbeteiligung und mittelgradiger Einschränkung der Pumpfunktion bei Zustand nach ausgedehntem Vorderwandinfarkt am 28. September 1997 bei Hyperlipoproteinämie und Hyperhomozysteinämie, Verdacht auf zusätzliche vasospastische Komponente, Angina pectoris CCS (Canadian Cardiac Society) II, Dyspnoe/Ermüdung NYHA (New York Heart Association) II, akuter Herzinfarkt 1997, Zustand nach PTCA der LAD und Stent 9/1997. Er könne täglich regelmäßig leichte Arbeit für sechs bis acht Stunden verrichten. Die Arbeit müsse in Tagschicht überwiegend im Sitzen und im festgelegten Arbeitsrhythmus ohne Einfluss von Hitze, Staub, Kälte, Feuchtigkeit oder Zugluft sowie ohne Zeitdruck und nicht an laufenden Maschinen oder auf Leitern und Gerüsten ausgeübt werden. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg sei möglich. Je nachdem, ob die vorliegenden Belastungswerte unter Verwendung des Standard-Bruce-Protokolls (Arztbrief Frau Dr. K vom 19. Juni 2001) oder des modifizierten Bruce-Protokolls erzielt worden seien, sei auch die Notwendigkeit einer Reduzierung der quantitativen Leistungsfähigkeit auf halbschichtig möglich. In einer unter Berücksichtigung eines unter Belastung erstellten Myokardszintigramms vom 16. Dezember 2004 verfassten ergänzenden Stellungnahme vom 02. September 2005 hat der Sachverständige seine Beurteilung aufrechterhalten. Die unter Verwendung des Standard-Bruce-Protokolls erzielte Leistung von umgerechnet 150 bis 175 Watt sei höher als die von ihm in seinem Gutachten angenommene Leistung, so dass es bei der Beurteilung verbleibe.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen unter Annahme eines Leistungsfalls am 28. September 1997 zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt seien. Da der letzte kanadische Beitrag am 31. Dezember 1995 abgeführt worden sei, liege eine Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zuletzt bei einem Leistungsfall spätestens im Januar 1998 vor.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 13. Dezember 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Aus der vorliegenden Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. S, der sich das Gericht in vollem Umfang anschließe, ergebe sich, dass der Kläger körperlich leichte Arbeit sechs bis acht Stunden täglich verrichten könne. Die – korrigierten – Leistungseinschätzungen der behandelnden Ärzte Dr. A und Dr. K seien ebenso wenig überzeugend wie die Beurteilung durch die Sachverständige Dr. S-M. Bei einem sechs- bis achtstündigen Leistungsvermögen, komme trotz der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht in Betracht. Denn nach Artikel 5 des deutsch-kanadischen Sozialversicherungsabkommens (DKSVA) i. V. m. Nr. 4 e des Schlussprotokolls (SP) zum DKSVA gelte Art. 5 DKSVA für Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Kanada in Bezug auf eine Rente nach den deutschen Rechtsvorschriften wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nicht, wenn die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand beruhe. Auch der Hilfsantrag bezüglich der Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung sei unbegründet, da noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen bestehe. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit sei ebenfalls zu verneinen. Bisheriger Beruf des Klägers sei der eines Bauunternehmers. Diese Tätigkeit könne der Kläger zwar nicht mehr ausüben, er sei jedoch zumutbar verweisbar auf die von ihm erlernte und langjährig ausgeübte Tätigkeit eines Kaufmanns im Groß- und Außenhandel. Hierbei handele es sich um eine vorwiegend kaufmännische Tätigkeit, die körperlich leicht und überwiegend im Sitzen, teilweise im Gehen und Stehen zu verrichten sei. Das Heben und Tragen von Lasten falle üblicherweise nicht an. Letztlich seien auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach den ab dem 01. Januar 2001 geltenden Rechtsvorschriften nicht erfüllt, da der Kläger ausweislich der medizinischen Beweiserhebung noch sechs bis acht Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung macht der Kläger geltend, das SG habe sich ausschließlich auf eine medizinische Beurteilung nach Aktenlage gestützt. Dem stünden die Beurteilungen seiner langjährig behandelnden Ärzte entgegen. Außerdem sei das Myokardszintigramm unter Belastung falsch ausgewertet worden. Aufgrund der Tatsache, dass der Test wegen akuter Dyspnoe abgebrochen worden sei, habe er den Belastungstest nicht bestanden und damit auch keine Leistung von 150 bis 175 Watt erbracht.

Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung eines berufskundlichen Gutachtens nach Aktenlage von dem Verwaltungsbeamten M L. In seinem am 21. Oktober 2006 erstellten Gutachten ist dieser zu dem Schluss gelangt, der Kläger habe das höchste Qualifikationsniveau im Verlaufe seines Erwerbslebens als Kaufmann im Groß- und Außenhandel erreicht. In diesem Beruf habe er nach Abschluss der Ausbildung auf der Qualifikationsebene eines ausgebildeten Fachangestellten gearbeitet. Auch wenn die Tätigkeit als Handelsreisender nicht nur von Arbeitnehmern verrichtet werde, die über eine abgeschlossene Ausbildung verfügten, rechne er diese Tätigkeit ebenfalls der Qualifikationsebene des ausgebildeten Fachangestellten zu. Die Tätigkeiten als Operator und Programmierer im Zeitraum bis 1972 erreichten nicht diese Qualifikationsebene. Unter Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens sei dem Kläger die Verrichtung von Büro- und Schreibtischarbeiten möglich. Die Tätigkeiten als Einkäufer, Disponent, Buchhalter oder Versandleiter seien oberhalb des von ihm im Laufe des Berufslebens erreichten Qualifikationsniveaus; für die Ausübung derartiger Tätigkeiten wäre eine Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten bei weitem nicht ausreichend. Selbst die Tätigkeit eines Verkaufssachbearbeiters, die auch auf der Gehilfenebene anzutreffen sei, halte er für unerreichbar. Aus dem konkreten Berufsverlauf seien für diese Arbeiten so gut wie keine verwertbaren beruflichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vorhanden, die als Grundlage für eine dreimonatige Einarbeitung angesehen werden könnten. Er halte deshalb in erster Linie Büro- bzw. Schreibtischarbeiten auf der Anlernebene für zumutbar. Dabei handele es sich um so genannte gemischte Büroarbeiten, für die zwar eine kaufmännische Vorbildung erforderlich sei, jedoch keine Vollausbildung als Kaufmann. Tarifvertraglich würden diese Arbeiten im Großhandel nach der Gehaltsgruppe 2 entlohnt. Diese Gruppe setzte Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, die durch eine planmäßige Einweisung erworben würden. Hierzu führe der Tarifvertrag beispielhaft das Führen von einfachen Karteien und einfachen Statistiken, das Bearbeiten von einfachen Aufträgen, das Anfertigen von regelmäßig wiederkehrenden Angeboten und Bestellungen sowie das Prüfen von Eingangs- und Ausgangsrechnungen auf rechnerische Richtigkeit auf. Aufgrund der abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung und der langjährigen Verrichtung ausbildungsgerechter Arbeiten halte er eine dreimonatige Einarbeitungszeit für ausreichend, um diese Tätigkeiten vollwertig konkurrenzfähig verrichten zu können.

Das Gericht hat den Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für Großhandel und Dienstleistungen für das Land Berlin zwischen dem A.G.D. Unternehmens- und Arbeitgeberverband für Großhandel und Dienstleistungen e. V. sowie dem Landesverband des Groß- und Außenhandels für Berlin und Brandenburg e. V. und der Gewerkschaft ver.di vom 18. Juli 2005 mit Gültigkeit ab dem 01. Mai 2005 beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnisnahme übermittelt.

Der Sachverständige L hat in einer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 05. Februar 2007 erläutert, er habe sich in seinem Gutachten auf den Gehaltsrahmentarifvertrag für die Angestellten im Groß-, Einzel- und Außenhandel Schleswig-Holstein, gültig ab dem 01. Juli 1997, sowie den Gehalts- und Lohntarifvertrag für den Groß- und Außenhandel Mecklenburg-Vorpommern, gültig ab dem 01. Juli 2000, gestützt.

Der Kläger hält die vom Sachverständigen genannten Tätigkeiten nicht für sozial zumutbar, da für ihre Verrichtung lediglich eine Einarbeitungszeit von unter drei Monaten erforderlich sei. Auch Tätigkeiten nach der Gehaltsgruppe 2 des Tarifvertrags für das Land Berlin kämen nicht in Betracht, da er eine fünfjährige Ausbildung absolviert und über ausgedehnte berufliche Kenntnisse verfüge. Schon unter diesem Aspekt sei nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige ihn lediglich als Fachangestellten einordne. Er sei daher jedenfalls berufsunfähig.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, bisheriger Beruf sei die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers. Bei einem Aufenthalt im Ausland seien nur Tätigkeiten zu berücksichtigen, die innerhalb der EU der Versicherungspflicht unterlägen. Insofern sei hier der bisherige Beruf die Tätigkeit als Groß- und Außenhandelskaufmann in Gestalt eines Handelsvertreters. Zwar seien Handelsreisende/vertreter nicht unbedingt auch ausgebildete Fachangestellte, zugunsten des Klägers könne aber aufgrund seines gesamten Werdegangs vom Status als Fachangestellter ausgegangen werden. Diese Tätigkeit könne er wegen der herabgesetzten Stressfaktoren nicht mehr vollschichtig ausüben. Er könne daher zumutbar auf Tätigkeiten von Angestellten mit einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren verwiesen werden. Der vorliegende Tarifvertrag für das Land Berlin sehe die Gehaltsgruppe 3 für Kaufleute mit einer dreijährigen Ausbildung vor. Demnach könne der Kläger sozial zumutbar auf Tätigkeiten verweisen werden, die in der Gehaltsgruppe 2 beschrieben würden. Beispielhaft sei hier das "Vorkontieren nach Belegen in Teilbereichen" herausgegriffen. Dabei handele es sich aus berufskundlicher Sicht um die vorbereitende Buchhaltung. Die – nachfolgende - Tätigkeit in der Gehaltsgruppe 3 "Kontieren von Belegen nach allgemeinen Kontenrahmen" könne als diejenige eines Sachbearbeiters in der Buchhaltung bezeichnet werden. Die zuarbeitende Tätigkeit in der Gehaltsgruppe 2 stelle sich als "Zuarbeiter in der Buchhaltung" dar. Die kaufmännische Ausbildung, die Berufserfahrung des Klägers in diesem Beruf sowie die im Rahmen der Tätigkeit als Bauunternehmer gewonnenen Kenntnisse und Fähigkeiten gewährleisteten, dass er keinen längeren als dreimonatigen Zeitraum bis zur vollwertigen Verrichtung der Verweisungstätigkeit "Zuarbeiter in der Buchhaltung" benötigen werde.

Anschließend hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-kardiologischen Sachverständigengutachtens von Dr. S. Dieser ist in seinem am 10. Dezember 2007 fertig gestellten Gutachten nach persönlicher Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gekommen, im Vordergrund stehe eine im chronisch stabilen Stadium befindliche koronare Herzerkrankung mit ausgedehntem Vorderwandinfarkt. Der Kläger sei noch in der Lage, täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten in Tagschicht vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien ein ausgeprägter Hitze- bzw. Kälteeinfluss, Arbeiten an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten und am offenen Feuer sowie das gewerbsmäßige Führen von Kraftfahrzeugen. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg sei möglich, die Wegefähigkeit sei erhalten.

Der Kläger ist der Auffassung, das Gutachten stütze zumindest seinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Zwar halte der Sachverständige die vollschichtige Verrichtung leichter körperlicher Arbeiten für möglich. Gleichzeitig betone er jedoch die deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit arrhythmogener Ereignisse sowie die jederzeitige Möglichkeit einer Progression der Erkrankung. Daraus folgten erhebliche Einschränkungen hinsichtlich der ihm noch verbleibenden Tätigkeitsfelder.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab dem frühest möglichen Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf das Gutachten von Dr. S, das ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers bejahe.

Der Senat hat noch den Gehaltstarifvertrag für das Land Niedersachsen zwischen dem Groß- und Außenhandelsverband Niedersachsen e. V. und der DAG Landesverband Niedersachsen-Bremen sowie der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen Landesbezirksleitung Niedersachsen/Bremen vom 26. Mai 1998 mit Gültigkeit ab dem 01. Mai 1998 beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnis gebracht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die den Kläger betreffende Rentenakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten weder die Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht, noch einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem seit dem 01. Januar 2001 geltenden Recht verlangen.

Nach den – hier im Hinblick auf die Rentenantragstellung im Januar 1998 und den geltend gemachten Eintritt der Leistungsminderung im September 1997 gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch maßgeblichen – §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung – a. F. – hatten Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt hatten sowie erwerbs- bzw. berufsunfähig waren (§§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a. F.).

Der Kläger hat zum Zeitpunkt der Antragstellung sowohl die allgemeine Wartezeit als auch die sonstigen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit) erfüllt. Zwar hat der Kläger seinen letzten Beitrag zur deutschen Rentenversicherung laut Versicherungsverlauf vom 21. Mai 1999 im August 1979 entrichtet. Er hat jedoch gemäß Auskunft des kanadischen Versicherungsträgers für die Jahre 1989 bis 1995 Beiträge zur kanadischen Rentenversicherung gezahlt, die nach Artikel 12 des DKSVA vom 14. November 1985 bei der Bestimmung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen sind. Ausgehend von einem geltend gemachten Eintritt der Erwerbsminderung am 28. September 1997 liegen somit innerhalb des 5-Jahres-Zeitraums vom 28. September 1992 bis zum 27. September 1997 40 Kalendermonate an kanadischen Beitragszeiten vor. Daraus folgt aber auch, dass der Leistungsfall spätestens im Januar 1998 eingetreten sein muss, damit die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt sind.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfe derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung oder gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Erwerbsunfähig sind demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt (§ 44 Abs. 2 SGB VI a. F.).

Nach Auswertung der im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren erstellten Sachverständigengutachten, insbesondere des Gutachtens des Internisten und Kardiologen Dr. S vom 10. Dezember 2007, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Geltung alten Rechts weder erwerbs- noch berufsunfähig im o. g. Sinne geworden ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. S, die im Grundsatz in Übereinstimmung stehen mit denjenigen des Sachverständigen in der ersten Instanz, Dr. S, verfügte und verfügt der Kläger noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen zumindest für körperlich leichte Arbeiten. Wesentliche, für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit bestimmende, Grunderkrankung ist die koronare Herzerkrankung nach durchgemachtem ausgedehntem Vorderwandinfarkt und Stent-Implantation. Diese Krankheit befindet sich nach allen vorliegenden medizinischen Daten in einem chronisch stabilen Stadium. Der Kläger ist seit langem – abgesehen vom Einsetzen von Herzschmerzen nach Schneeschaufeln im Januar 1998 - klinisch weitestgehend beschwerdefrei. Zwar ist die linksventrikuläre EF hochgradig eingeschränkt, dies kann jedoch in Anbetracht der weitgehenden Beschwerdefreiheit, der guten Leistungsparamenter sowohl auf dem Laufbandergometer nach dem Standard-Bruce-Protokoll (Arztbrief Frau Dr. K vom 19. Juni 2001; Belastungstest vom 16. Dezember 2004) als auch auf dem Fahrradergometer (Belastungstest vom 11. Mai 2007) und des im Wesentlichen unveränderten nuklearmedizinischen Befundes nicht das wesentlich bestimmende Kriterium bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit sein. Der Kläger kann deshalb noch täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten in Tagschicht vollschichtig verrichten. Zu vermeiden sind ein ausgeprägter Hitze- bzw. Kälteeinfluss, Arbeiten an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten, am offenen Feuer sowie das gewerbsmäßige Führen von Kraftfahrzeugen. Das Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg ist möglich, die Wegefähigkeit erhalten. Hinweise für Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten sind in keinem der Gutachten aufgezeigt. Dem stehen auch nicht die abweichenden Beurteilungen des Sachverständigen Dr. S, der Sachverständigen Dr. S-M sowie der behandelnden Ärzte entgegen. Soweit die behandelnden Ärzte Dr. A und Dr. K sowie die Sachverständige Dr. S-M ein nur halbschichtiges Leistungsvermögen annehmen, ist dies anhand der Befunde nicht nach-vollziehbar. Die kanadischen Ärzte lassen sich offenbar wesentlich von dem Befund der verminderten EF und nicht von den weiteren klinischen Daten, insbesondere der Beschwerdefreiheit des Klägers, leiten. Dabei setzt sich der Kläger durchaus körperlichen Anstrengungen in seinem Freizeitleben aus, so geht er ausweislich seiner Angaben bei Dr. S wandern und fährt Kanu. Eine Herabsetzung des Leistungsvermögens auf sechs bis acht Stunden, wie von Dr. S angenommen, ist angesichts der genannten Befunde und des Freizeitlebens des Klägers für den Senat ebenfalls nicht nachvollziehbar. Auch ist eine wesentliche Veränderung der Befundlage im Zeitraum von der Durchführung der Stent-Implantation bis zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S nicht ersichtlich, dies wird auch weder von den behandelnden kanadischen Ärzten noch von dem Kläger behauptet. Soweit bei dem Kläger aufgrund der Größe des Infarktareals und der hochgradigen Einschränkung der linksventrikulären Funktion das Risiko von Herzrhythmusstörungen – die bisher nicht aufgetreten sind – erhöht ist, wird dem durch die von Dr. S angenommenen qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen.

Zwar ist dem Kläger mit dem von Dr. S festgestellten Leistungsvermögen die Ausübung der erlernten Tätigkeit als Kaufmann im Groß- und Außenhandel in Gestalt des Handelsreisenden/vertreters nach übereinstimmender Auffassung der Sachverständigen sowie der Beklagten und des Klägers genauso wie die zuletzt in Kanada ausgeübte Tätigkeit als Bauunternehmer nicht mehr möglich, dennoch war bzw. ist er nicht berufsunfähig.

Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit steht einem Versicherten nicht schon dann zu, wenn er seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Hinzukommen muss vielmehr, dass für den Versicherten auch keine sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. mehr vorhanden ist, die er mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich dabei nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zwecks Vornahme dieser Bewertung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung das so genannte Mehrstufenschema entwickelt; dieses Schema untergliedert die Angestelltenberufe in verschiedene Berufsgruppen. Diese Berufsgruppen werden durch die Leitberufe des Angestellten mit hoher beruflicher Qualifikation, die regelmäßig eine akademische oder vergleichbare Qualifikation voraussetzt und mit einem Bruttoarbeitsentgelt oberhalb, an oder in der Nähe unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, des Angestellten mit Tätigkeiten, die ein abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule bzw. Fachhochschule voraussetzen, des Angestellten mit Vorgesetztenfunktion bzw. spezifisch qualifizierte Angestellte, des Angestellten mit einer längeren als zweijährigen (regelmäßig dreijährigen) Ausbildung, des angelernten Angestellten (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des Angestellten ohne Ausbildung bzw. mit einer Anlernzeit von weniger als 3 Monaten charakterisiert. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt dabei nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist vielmehr die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit im Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG SozR 4-2600 § 43 Nr. 1 Randnrn. 6-7 m. w. N.).

Ausgangspunkt für die Einstufung in das Mehrstufenschema ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der bisherige Beruf, den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist oder der Arbeitnehmer sich von einer früher ausgeübten höherwertigen Tätigkeit gelöst hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 126, 130, 164). Bisheriger Beruf in diesem Zusammenhang ist nicht die in Kanada ausgeübte – selbständige – Tätigkeit als Bauunternehmer.

Das innerstaatliche Recht regelt zwar die Frage, ob eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit bei der Bestimmung des bisherigen Berufs i. S. d. § 43 Abs. 2 SGB VI zu berücksichtigen ist, nicht ausdrücklich. Falls jedoch Normen des zwischenstaatlichen Rechts nichts anderes anordnen, sind im Ausland ausgeübte Tätigkeiten, die der deutschen Rentenversicherungspflicht nicht unterliegen, für die Bestimmung des bisherigen Berufs und dessen Qualität nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG SozR 3-6855 Art. 11 Nr. 1; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 64; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 65; Ureil des BSG vom 21. September 1988 - 5 RJ 31/88 - nicht veröffentlicht - sowie BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 80 und BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 15).

Aus den Bestimmungen des DKSVA ergibt sich nichts Anderes. Das Abkommen enthält keine ausdrückliche Regelung, nach der die Frage der Berufsunfähigkeit i. S. d. deutschen Rechts aufgrund eines in Kanada ausgeübten Berufs zu beurteilen ist. Ein entsprechender Regelungsinhalt ergibt sich auch nicht im Wege der Auslegung des Art. 12 des DKSVA vom 14. November 1985 (BGBl. II 1988, S. 28 ff) - in Kraft getreten am 01. April 1988 (BGBl. II 1988, S. 625) -. Hiernach werden für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den deutschen Rechtsvorschriften auch die nach den kanadischen Rechtsvorschriften anrechnungsfähigen Versicherungszeiten, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen, berücksichtigt. Der Regelungsinhalt beschränkt sich auf die quantitative Zusammenrechnung deutscher und kanadischer Versicherungszeiten für den Erwerb eines Leistungsanspruchs. Dem Abkommen lässt sich nicht entnehmen, dass das Wort "berücksichtigen" eine "qualitative" Gleichstellung in dem Sinne meint, dass die eine Versicherungspflicht in Kanada begründende Beschäftigung wie eine deutsche versicherungspflichtige Beschäftigung zu behandeln ist (vgl. BSG SozR 3-6855 Art. 11 Nr. 1 zu der im Wesentlichen gleich lautenden Vorschrift des Art. 11 Abs. 1 des Deutsch—Schweizerischen Sozialversicherungsabkommens – DSSVA – vom 25. Februar 1964 (BGBl. II 1965, S. 1293) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 09. September 1975 (BGBl. II 1976, S. 1371) und des Zweiten Zusatzabkommens vom 02. März 1989 (BGBl. II 1989, S. 890)).

Bisheriger Beruf ist demnach die zuletzt in der Bundesrepublik ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Groß- und Außenhandelskaufmann in Gestalt des Handelsreisenden/vertreters. Selbständige Tätigkeiten (zuletzt in Deutschland als Kunst- und Antiquitätenhändler) sind nicht zu berücksichtigen. Der Kläger hat den Be-ruf des Groß- und Außenhandelskaufmanns im Rahmen einer rund dreijährigen Ausbildung erlernt (vgl. Kaufmannsgehilfenbrief vom 30. September 1965) und die Abschlussprüfung am 30. September 1965 bestanden. Dabei handelt es sich nach dem Mehrstufenschema des BSG um eine Fachangestelltentätigkeit mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung, so dass eine Verweisung auf die Ebene des angelernten Angestellten mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zwei Jahren zumutbar ist. Zweifel, ob es sich bei der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Handelsreisender/vertreter tatsächlich noch um eine Fachangestelltentätigkeit gehandelt hat, lässt der Senat – mit der Beklagten und dem Sachverständigen L – hintan stehen. Keinesfalls hat der Kläger ein höheres Niveau im Rahmen des Mehrstufenschemas erlangt. Eine fünfjährige Ausbildung - wie vom Klägerbevollmächtigten vorgetragen – hat er nicht absolviert, auch ist keine Vorgesetztentätigkeit dargetan worden.

Der Kläger ist daher zu verweisen auf die Tätigkeiten einer Bürohilfskraft nach der Gehaltsgruppe 2 des § 3 des Gehaltstarifvertrags für das Land Niedersachsen vom 26. Mai 1998. In weitgehender Übereinstimmung mit dem Tarifvertrag für das Land Berlin vom 18. Juli 2005 (§ 3) und den vom Sachverständigen L in Bezug genommenen Tarifverträgen für die Länder Schleswig-Holstein (gültig ab dem 01. Juli 1997) und Mecklenburg-Vorpommern (gültig ab dem 01. Juli 2000) erfasst diese Gehaltsgruppe das "Ausführen von Tätigkeiten nach eingehenden Anweisungen, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie durch eine Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten Anlernberuf (zweijährige Ausbildung) vermittelt werden." In der Gehaltsgruppe 3 werden hingegen "Tätigkeiten nach Anweisung, die eine abgeschlossene Ausbildung als Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel, als Bürokaufmann/-frau oder eine gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen" erfasst. Die Gehaltsgruppe 2 des Gehaltstarifvertrags für das Land Niedersachsen von 1998 umfasst beispielsweise das Führen von einfachen Statistiken, das Ausfertigen von Versandanzeigen und Frachtbriefen nach Angabe, die telefonische Auftragsannahme mit Auskunft, das Erfassen von numerischen Daten oder Alphadaten auf Datenträgern, das Prüfen von Daten (Datentypist/-in), das Bedienen von Vervielfältigungsapparaten - auch Offsetdruck (keine Raster, keine Farbdrucke), Hilfsarbeiten an Datenverarbeitungsanlagen. Die Gehaltsgruppe 2 der Berliner Tarifvertrags von 2007 führt unter anderem die Kal-kulation nach vorgegebenen Sätzen, Schreib- und Rechenarbeiten nach vorbereiteten Unterlagen, das Vorkontieren nach Belegen in Teilbereichen, einfache Übertragungsarbeiten, die keine buchhalterischen Kenntnisse erfordern, das sachkundige Ordnen und Ablegen von Schriftgut nach Sachgebieten, die Datenerfassung in Wechselfolge von numerischen und Alphadaten, Zuarbeiten für EDV-Operating auf. Dies sind alles Tätigkeiten, die eine Bürohilfskraft ausübt. Die Ausübung der Tätigkeit einer Bürohilfs-kraft gemäß der Gehaltsgruppe 2 ist dem Kläger sowohl sozial als auch gesundheitlich zumutbar. Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel, hinreichende Flexibilität, Erfahrungen auch im Bürobereich (allein durch seine Selbstständigkeit) einschließlich des Umgangs mit Aufträgen und Rechnungen. Schwere oder mittelschwere körperliche Arbeit muss im Rahmen der von der Gehaltsgruppe 2 erfassten Tätigkeiten nicht verrichtet werden. Es handelt sich vielmehr um leichte Büro- oder Schreibtischarbeiten in Tagschicht ohne Heben und Tagen schwerer Lasten, die weitgehend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Wechsel der Haltungsart verrichtet werden. Der Senat hat – wie der Sachverständige L und die Beklagte - keine Zweifel daran, dass dem Kläger eine Einarbeitungszeit von drei Monaten ausreichen würde, um entsprechende Tätigkeiten vollwertig und konkurrenzfähig ausüben zu können.

Ist der Kläger nicht berufsunfähig, ist er erst recht nicht erwerbsunfähig, denn die Erwerbsunfähigkeit erfordert noch weitergehende Einschränkungen der Leistungsfähigkeit als diejenigen, die bei der Berufsunfähigkeit gegeben sein müssen.

Er hat darüber hinaus auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach dem ab dem 01. Januar 2001 geltenden Recht. Der Anspruch scheitert bereits daran, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI n. F. (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) nicht erfüllt sind. Die besonderen versiche-rungsrechtlichen Voraussetzungen sind letztmals bei einem Leistungsfall im Januar 1998 erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt war das neue Recht noch nicht in Kraft.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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