L 1 SF 158/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 105 R 593/08
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 158/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Richterliche Hinweise begründen in der Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit. Dies gilt auch für Hinweise die nach Abschluss des Verfahrens, die Sache an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden wenn Anhaltspunktefür das Vorliegen einer Straftat gegeben sind. Auch der Hinweis auf eine Einschaltung der Rechtsanwaltskammer nach Abschluss des Verfahrens begründet die Besorgnis der Befangenheit nicht, wenn der Richter Anhaltspunkte dafür hat, dass möglicherweise die Abgabe einer unzutreffenden eidesstattlichen Versicherung druch den Rechtsanwalt veranlasst wurde.
Das Gesuch des Antragstellers, den Richter am Sozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Dies zugrunde gelegt hat der Antragsteller hier keinen Grund glaubhaft gemacht, der Anlass bieten könnte, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln.

Der Antragsteller bemängelt hier, a) der Richter habe im Hinblick auf eine in den Verwaltungsakten befindliche Berechnung des sozialhilferechtlichen Bedarfs unter Berücksichtigung einer Münchener Adresse des Antragstellers am 17. Juli 2008 geschrieben, er bitte um Erläuterung der Angabe der Münchener Adresse im Juni 2006, da ja der Kläger schon im August 2005 nach Kroatien umgezogen sei, "zumal von hier aus ggf. auch eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft geprüft werden müsse". Der Antragsteller leitet hieraus ab, der Richter unterstelle ihm ohne Anhaltspunkt und Nachweis Sozialhilfebetrug.

Zudem bemängelt der Antragsteller b) ein Schreiben des Richters vom 29. Juli 2008 in dem es heißt: " rege ich an, im Lichte des nunmehr vorliegenden Auslieferungsbeleges der Deutschen Post die Klage, die wegen Verfristung unzulässig sein dürfte, zurück zu nehmen. Ob es zudem einer Einschaltung der Rechtsanwaltskammer bedarf, wird nach Hauptsacheerledigung entschieden werden."

Damit unterstelle der Richter der Prozessbevollmächtigten des Klägers Prozessbetrug sowie Anstiftung zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung; denn die Bevollmächtigte habe Beweis dafür angeboten, dass die Klage rechtzeitig erhoben sei und zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung ihrer Angestellten vorgelegt.

Schließlich wird gerügt, c) der Richter habe am 17. Juli 2008 geschrieben, " die Richtigkeit der rechtlichen Ausführungen der Beklagten dürfte nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sein". Damit habe der Richter zu erkennen gegeben, er habe die Rechtslage nicht selbst geprüft sondern sich auf "die Glaubwürdigkeit der Rechtsansicht der Beklagten" gestützt und damit versucht, den Kläger in jedem Fall dazu zu drängen, die Klage zurück zu nehmen.

Das zuletzt unter c) angeführte Argument des Antragstellers ist haltlos. Die Tatsache, dass der Richter mitteilt, er halte die rechtlichen Auffassungen der Gegenseite für zutreffend kann, die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen.

Für richterliche Hinweise gilt, dass Meinungsäußerungen eines Richters nicht gegen dessen Unvoreingenommenheit und Objektivität sprechen. Solche Hinweise eines Richters liegen im Allgemeinen im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten. Diesen ist gewöhnlich daran gelegen, die Einstellung des Richters zu den für den Prozessausgang maßgeblichen rechtlichen Problemen zu erfahren. Auf diese Weise erhalten sie Gelegenheit, ihre eigene von der des Richters abweichende Ansicht näher zu erläutern und dabei zusätzliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte stärker hervorzuheben. Eine verständige Partei wird diesem Verfahren den Vorzug geben vor einer eher passiven richterlichen Prozessleitung, welche die Beteiligten auf sich allein gestellt lässt. Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich allenfalls aus der Art und Weise ergeben, wie ein Richter seine Meinung vorträgt. Ein Grund kann bestehen, wenn der Richter in ungewöhnlicher, nach der Prozesslage nicht verständlicher Weise subjektive Gewissheit erkennen lässt, so dass die Beteiligten Anlass haben können zu befürchten, er sei ihren Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen und habe sich seine Auffassung schon abschließend gebildet. Ein solcher Sachverhalt liegt hier zu c) nicht vor. Der Richter hat auch hier nicht zu erkennen gegeben, dass er seine Rechtsauffassung schon abschließend gebildet habe, er hat vielmehr Gelegenheit gegeben sich mit den rechtlichen Ausführungen der Beklagten angemessen auseinander zu setzen.

Auch die zu a) und b) genannten Vorwürfe rechtfertigen es nicht, die Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Der Hinweis auf eine mögliche Einschaltung der Staatsanwaltschaft erscheint hier sachgerecht. Der Antragsteller schuldet Sozialversicherungsbeiträge in nicht unerheblicher Höhe und für einen nicht geringen Zeitraum. Wenn dann in der Berechnung des Sozialreferats der Stadt München vom 14. 06. 2006 eine Münchener Adresse angeben wird und gleichzeitig von einer "überschuldeten Eigentumswohnung" als Vermögen gesprochen wird, erscheint Aufklärung auch durch die Staatsanwaltschaft angezeigt. Wenn der Antragsteller daraus den Schluss zieht, er könne durch Klagerücknahme den Ermittlungen entgehen, ist dies eine Sicht, zu der der Richter keine Veranlassung gegeben hat.

Der Hinweis des Gerichts im Hinblick auf die Verfristung der Klage solle diese zurück genommen werden, kann ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Auch für solche Hinweise gilt das oben Gesagte. Der Richter ist offensichtlich der Auffassung, dass der vorliegenden Urkunde ein höherer Beweiswert zukommt als einer Zeugenaussage. Selbst wenn der Richter die möglicherweise fehlerhafte Rechtsauffassung vertreten würde, einer Vernehmung der Angestellten der Bevollmächtigten des Antragstellers bedürfe es nicht, würde dies nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen und könnte allenfalls im Rahmen einer Berufung gerügt werden.

Der Hinweis darauf, dass nach Abschluss der Hauptsache unter Umständen die Rechtsanwaltskammer eingeschaltet werde, erscheint ebenfalls geboten. Denn sollte sich herausstellen, dass die Angestellte B eine falsche eidesstattliche Versicherung abgeben hat, liegt es auch nahe anzunehmen, dass sie durch ihre Arbeitgeberin hierzu gedrängt worden ist. In einem solchen Falle wäre, wie dies der Richter angezeigt hat, die Einschaltung der Rechtsanwaltskammer zwingend.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved