L 28 B 1386/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 93 AS 20512/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 1386/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2008 wird als unzulässig verworfen, soweit Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 1. Juni 2008 begehrt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig, soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung auch ab dem 1. Juni 2008 begehrt. Der Senat ist nicht befugt, über einen solchen Antrag zu entscheiden, denn insoweit liegt keine Entscheidung des Sozialgerichts vor. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 29. April 2008 ausdrücklich nur darüber entschieden, ob dem Antragsteller vorläufig Leistungen für die Kosten der Unterkunft vom 1. Dezember 2007 bis 31. Mai 2008 zu erbringen sind. Dieser Zeitraum entspricht dem Bewilligungszeitraum, für den der Antragsgegner mit Bescheiden vom 18. Dezember 2007 und 18. Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuzüglich eines Mehrbedarfs für Ernährung bewilligt und die Gewährung von Leistungen für angemessene Kosten der Unterkunft abgelehnt hat. Damit ist für diesen Zeitraum eine Festlegung durch den Antragsgegner erfolgt, ohne dass (denkbare) Folgezeiträume erfasst werden. Ausgehend davon hat das Sozialgericht im Rahmen des auch im Beschlussverfahren anzuwendenden § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den am 5. Februar 2008 vom Antragsteller gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Kosten der Unterkunft zutreffend auf den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 beschränkt und damit so ausgelegt, wie er allein zulässig war.

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren weiterhin die vorläufige Gewährung von Leistungen für Unterkunftskosten vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 weiterverfolgt, ist die Beschwerde zulässig, aber unbegründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO –).

Vorliegend kann offen bleiben, ob der Antragsteller in der Sache einen Anspruch auf (teilweise) Übernahme der Kosten für die Wohnung in der L in der Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Mai 2008 hat, da es bereits an einer besonderen Eilbedürftigkeit fehlt (Anordnungsgrund). Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes beurteilt sich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236 und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat. Insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

So liegt es auch hier. Der Antragsteller, der in seiner Beschwerde allein auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen hat, hat keine Umstände vorgetragen, die ausnahmsweise zur Annahme eines Anordnungsgrundes für den bereits im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am 4. Juni 2008 vollständig in der Vergangenheit liegenden Bewilligungszeitraum führen könnten. Insbesondere ist nicht glaubhaft gemacht, dass durch die teilweise Zahlung einer Miete bzw. Nutzungsentschädigung für einen zurückliegenden Zeitraum der Wohnraum in der L für den Antragsteller erhalten werden könnte, sofern diese Wohnung überhaupt noch gegenwärtig von ihm bewohnt wird. Der (Fort)bestand eines Mietverhältnisses hängt nicht von der Begleichung von rückständigen Mietzahlungen ab, da bereits der Eintritt des Antragstellers in den Mietvertrag seiner verstorbenen Mutter von der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn abgelehnt worden ist (vgl. Schreiben der Wohnungsbaugesellschaft vom 9. April 2008). Daher hat nach Auskunft der Wohnungsbaugesellschaft bezüglich dieser Wohnung nur ein Nutzungsverhältnis mit dem Antragsteller bestanden, das jedoch durch ein Verfahren zur Durchsetzung der Räumung beendet werden sollte und möglicherweise inzwischen beendet ist. Hintergrund dafür ist, dass das Gebäude zum Abriss vorgesehen ist.

Gegen eine besondere Eilbedürftigkeit spricht schließlich auch das Verhalten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. So hat er nicht sichergestellt, dass er für Nachfragen des Senats erreichbar ist, und sich auch – trotz der ihm bekannten Probleme seiner Erreichbarkeit – seit Einlegung der Beschwerde Anfang Juni 2008 nicht von sich aus mit dem Gericht in Verbindung gesetzt. Unter der von ihm ursprünglich angegebenen Wohnanschrift in der L, unter der er nach wie vor gemeldet ist, ist eine Übersendung von Schriftstücken nicht möglich, was dafür spricht, dass der Antragsteller diese Wohnung nicht mehr bewohnt. Auch unter dem im Beschwerdeverfahren angegebenen Postfach kommt es zu einem Postrücklauf, weshalb er für Rückfragen des Gerichts nicht erreichbar ist. Ob ihn schließlich die Schriftstücke des Senats, die an die von ihm gegenüber dem Antragsgegner angegebene Anschrift "bei A G" gerichtet worden sind, erreicht haben, kann offen bleiben. Entweder hat er auch mittels dieser Adresse seine Erreichbarkeit nicht sichergestellt oder er hat diese Anfrage erhalten, aber nicht beantwortet. Beides lässt auf ein mangelndes Interesse des Antragstellers an dem Beschwerdeverfahren schließen und spricht gegen eine besondere Eilbedürftigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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