Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 888/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 54/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2003 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 eine Verletztenrente zusteht.
Der 1957 geborene Kläger erlitt während seiner Tätigkeit als Betonspezialfacharbeiter bei der S Hoch- und Ingenieurbau AG einen Arbeitsunfall, als ihm am 08. September 1998 beim Ausschalen einer Decke ein Dokaträger auf den behelmten Kopf fiel (Unfallanzeige der S Hoch- und Ingenieurbau AG vom 21. September 1998). Er wurde deshalb in der Zeit vom 08. bis zum 11. September 1998 stationär im Klinikum EvB behandelt. Bei der Einlieferung war der Kläger ansprechbar und adäquat, die Pupillen waren isocor und mittelweit mit prompter Lichtreaktion. Ansonsten klagte der Kläger über einen Druckschmerz über der gesamten Halswirbelsäule (HWS), einen Stauchungsschmerz sowie einen Druckschmerz am linken Unterarm und der Schulter. Röntgenologisch wurden knöcherne Verletzungen ausgeschlossen, neurologisch waren ebenfalls keine Ausfälle feststellbar. Die Funktionsaufnahme der HWS zeigte eine Stufenbildung zwischen den HWK 7 und BWK 1 (Durchgangsarztbericht des Klinikums vom 25. September 1998). Im Entlassungsbericht vom 11. September 1998 wurde die Diagnose eines Schädelhirntraumas I. Grades, einer HWS-Stauchung und einer Prellung der linken Schulter und des linken Unterarms gestellt. Wegen einer fortbestehenden Kopfschmerzsymptomatik veranlasste der den Kläger weiterbehandelnde Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie D ein neurologisches Konsil beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. Dort gab der Kläger an, er habe durch den Arbeitsunfall keine Bewusstlosigkeit und keine Erinnerungslücke erlitten. Er habe zunächst für 1 ½ Stunden weitergearbeitet, dann sei er wegen Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen ins Krankenhaus gegangen. Er leide weiter unverändert und ohne Besserungstendenz an Kopfschmerzen und einem Schwindelgefühl. Der neurologische Befund war bei der Untersuchung durch Herrn M normal, auch der EEG-Befund war ohne Allgemeinveränderung und Herdhinweis, es fehlten Zeichen einer erhöhten cerebralen Erregungsbildung. Der Arzt diagnostizierte ein unfallbedingtes oberes HWS- und oberes BWS-Syndrom, das jeweils durch mehrere chirotherapeutische Eingriffe deutlich habe gebessert werden können. Ein Schädelhirntrauma bestehe nicht (Bericht von Herrn M vom 15. September 1998). Eine am 30. September 1998 durchgeführte Kernspintomographie der HWS ergab eine antilordotische Fehlhaltung der HWS, am deutlichsten bei C 4/C 5 bis C 6/C 7. Bei C 5/C 6 fand sich zusätzlich eine medial betonte anuläre Nucleusprotrusion mit einem Grenzbefund zum subligamentären Nucleusprolaps und bei C 4/C 5 eine medial betonte Nucleusprotrusion mit geringgradiger Tangierung der ventralen Myelonkontur bei einem insgesamt normalen knöchernen Spinalkanal und Neuroforamina und ohne assoziierte myelomalazische Herdbildung. Es habe sich kein eindeutiger Nachweis einer posttraumatischen Knochenmarksläsion bzw. kein direkter oder indirekter Nachweis einer discoligamentären Läsion gefunden.
Zur Klärung der Behandlungsbedürftigkeit veranlasste die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. M, Direktor der Klinik für Neurochirurgie des Ukrankenhauses B/Dr. G. Diese kamen in dem Gutachten vom 26. November 1998 zu dem Ergebnis, der Kläger habe durch den herabfallenden Holzträger auf den helmbewehrten Kopf ein axiales HWS-Stauchungstrauma erlitten. Ein Schädel-Hirn-Trauma könne dagegen mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Typische Zeichen einer Commotio cerebri seien zu keinem Zeitpunkt bemerkt oder objektiviert worden. Die neurologischen Verlaufskontrollen sowie ein EEG-Befund ließen auch keine Schlüsse auf ein stattgehabtes Schädel-Hirn-Trauma zu. Die auf den MRT-Aufnahmen der HWS zur Ansicht gekommenen Bandscheibenvorwölbungen in den Segmenten C 5/6 und geringer auch C 4/5 seien nicht ohne Weiteres auf den Unfall zurückzuführen. Traumatisch bedingte oder repa-rative Veränderungen im Bereich des die Bandscheiben bedeckenden hinteren Längsbands kämen nicht zur Abbildung. Weder seien in der klinischen Symptomatologie objektivierbare Störungen beobachtet worden, noch lasse sich im MRT eine posttraumatische Myelonschädigung erkennen. Es müsse hier von einer vorbestehenden Schädigung degenerativer Art ausgegangen werden. Als Unfallfolgen bestünden zur Zeit Kopf- und Nackenschmerzen, eine hochgradig schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der HWS in allen Richtungen bei Steilstellung der HWS und Muskelhartspann im Nacken-Schulter-Bereich, eine Schwindelsymptomatik, gelegentliche Schweißausbrüche und Übelkeit. Vom zeitlichen Krankheitsverlauf her sei bereits jetzt eine beginnende Chronifizierung zu erkennen.
Auf Veranlassung des Durchgangsarztes D erstattete Priv. Doz. Dr. H von der Strahlenklinik der C ein magnetresonanztomographisches Zusatzgutachten vom 21. Januar 1999, in dem er eine Bandscheibenprotrusion in der Höhe des HWK 6/7 feststellte ohne Hinweis auf eine Instabilität bei regelrechtem Alignement.
Am 04. und 16. Februar 1999 stellte sich der Kläger bei dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. W von der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und Poliklinik der C vor. Dieser äußerte den Verdacht auf ein kranio-cervicales Syndrom nach HWS-Stauchung mit HWS-Schmerzen und Zustand nach Tympanoplastik links 1970 wohl wegen TF-Defekt (Bericht vom 16. Februar 1999). Am 26. Februar 1999 wurde wegen der geklagten Schwindelproblematik außerdem eine Vestibularisprüfung durchgeführt, deren Ergebnis unauffällig war (Bericht vom 17. März 1999).
Vom 13. bis zum 25. August 1999 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung des Ukrankenhauses B. Dort wurden eine chronifizierte Weichteildistorsion der HWS und ein vertebragener Schwindel diagnostiziert. Unter der Therapie habe sich eine eindeutig subjektive patientenbedingte Wechselhaftigkeit der Beschwerdesymptomatik des Klägers gezeigt. Die Behandlungsmaßnahmen hätten wegen ablehnender Haltung des Patienten nicht vollständig durchgeführt werden können. Der Kläger sei bei insgesamt unbefriedigendem Therapieverlauf in die ambulante Weiterbehandlung entlassen worden (Zwischenbericht vom 25. August 1999).
Nunmehr ließ die Beklagte den Kläger durch den Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. A untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom 21. November 1999 diagnostizierte der Gutachter eine zentrale und HWS-bedingte Gleichgewichtsstörung mit Schwindelbeschwerden, Schwarzwerden vor den Augen, Stand- und Gangunsicherheit. Diese Gesundheitsstörungen seien Folge des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998. Die Höreinschränkung sei nicht unfallbedingt. Nach dem Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v. H. zu rechnen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Chirurgen D vom 08. Februar 2000 und Anhörung des seit dem 08. September 1998 arbeitsunfähigen Klägers stellte die Beklagte die Fortgewährung von Verletztengeld zum 06. März 2000 ein, da mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in dem Beruf als Betonbauer nicht mehr zu rechnen sei und eine qualifizierte berufliche Rehabilitationsmaßnahme wahrscheinlich nicht in Betracht komme (§ 46 Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII -).
Die Beklagte veranlasste außerdem mehrere Gutachten, die am 04. Juni 2000 von dem Neurologen und Psychiater Dr. H, am 24. Juni 2000 von Dr. A und am 06. Juli 2000 als erstes Rentengutachten von dem Chirurgen K erstellt wurden. Dr. H gelangte unter Berücksichtigung eines elektrodiagnostischen Zusatzgutachtens von Dr. B vom 22. Mai 2000 zu der abschließenden Beurteilung, dass der Arbeitsunfall keinerlei organische Unfallfolgen hinterlassen habe. Es sei nicht zu einer substantiellen Schädigung des Kopfhalteapparats gekommen, es sei auch kein Hirntrauma oder dergleichen eingetreten, sondern lediglich eine heftige Schädelprellung. Die MdE sei allenfalls mit 10 v. H. zu bewerten und zwar wenn man eine durch die Prellung ausgelöste zentrale Irritation des Gleichgewichtsapparats akzeptiere. Unfallunabhängig liege eine Bandscheibendegeneration der HWS vor, wie vom Vorgutachter beschrieben. Eine unfallbedingte Schwindelsymptomatik i. S. einer zentralen Gleichgewichtsstörung liege dagegen nicht vor. Der Kläger gebe keinerlei Drehschwindel an und auch die Untersuchung bei Dr. A zeige diesen nicht. Die Gleichgewichtsstörungen beschreibe er als Unsicherheit mit Schwarzwerden vor den Augen und Schwanken. Dies sei ein eher psychosomatisch imponierender Aspekt. Das elektrodiagnostische Zusatzgutachten ergab keinen Hinweis auf eine unfallbedingte spinale Läsion bzw. eine Plexus-brachialis-Läsion oder ein C 7-Syndrom. Dr. A bestätigte in seinem zweiten Gutachten bei dem Kläger eine normale periphere Labyrintherregbarkeit beidseits bei Vorliegen einer zentralen und vertebragenen Gleichgewichtsstörung. Als Folge des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 liege der Zustand nach Schädelprellung und HWS-Stauchung vor. Das Unfallereignis habe auch zu einer Schädigung zentralvestibulärer Strukturen mit der Folge einer zentralen Gleichgewichtsstörung geführt. Die MdE betrage nach Ablauf der 78. Woche am 07. März 2000 10 v. H. Unfallunabhängig bestehe eine Hochtonstörung auf dem rechten Ohr und eine geringe bis mittelgradige kombinierte Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr. Dr. K stellte aus unfallchirurgischer Sicht als wesentliche Unfallfolgen eine ausgeheilte Prellung des Schädels mit Stauchung der HWS ohne messbar verbliebene unfallbedingte Funktionsstörungen unter Ausschluss von posttraumatischen strukturellen Veränderungen fest. Neurootologisch befinde sich eine zentrale Gleichgewichtsstörung bei Schädigung zentralvestibulärer Strukturen als Folge des Arbeitsunfalls. Neuropsychologisch sei kein unfallbedingter pathologischer Befund zu erheben gewesen. Die geklagten Beschwerden stimmten mit den objektivierbaren Schäden nicht überein. Auch der gesamte Verlauf bei angegebener Therapieresistenz spreche gegen ein im Vordergrund stehendes, auch unfallfremdes, Leiden. Unfallunabhängig liege ein chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom mit Bewegungsstörungen bei einem degenerativen Bandscheibenleiden mit Osteochondrose C 4 bis C 6, eine geringgradige Osteochondrose und Spondylose an der BWS mit Fehlhaltung sowie eine Hochtonstörung rechts mit gering- bis mittelgradiger kombinierter Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr vor. Die MdE wegen der Unfallfolgen betrage ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 07. März 2000 10 v. H.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Juli 2000 einen Anspruch auf Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 ab. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht in rentenberechtigendem Grad über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld hinaus gemindert. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte die Beklagte zentrale Gleichgewichtsstörungen bei Schädigung zentralvestibulärer Strukturen nach Schädelprellung mit Stauchung der HWS und Unterarmprellung links an. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden nicht anerkannt: Chronisch wiederkehrendes HWS-Syndrom mit Bewegungsstörungen bei einem degenerativen Bandscheibenleiden mit Osteochondrose C 4 bis C 6, eine geringgradige Osteochondrose und Spondylose an der BWS mit Fehlhaltung, eine Hochtonstörung rechts und eine gering- bis mittelgradig kombinierte Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr. Den dagegen ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. November 2000 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er geltend gemacht hat, er habe Anspruch auf eine Verletztenrente. Es bestünden begründete Zweifel daran, ob allein die von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen vorlägen. Vielmehr liege die Annahme nahe, dass eine MdE von mindestens 20 v. H. bestehe.
Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin ab dem 17. September 1991 beigezogen, aus dem sich u. a. eine Rückenprellung, eine Zerrung der HWS und eine Schädelprellung mit einer Arbeitsunfähigkeitszeit vom 19. September bis zum 11. Oktober 1996, ein HWS-Syndrom mit Arbeitsunfähigkeit vom 12. Juli bis zum 18. August 1995 sowie eine Cephalgie mit Arbeitsunfähigkeit am 30. Mai 1995 ergibt. Außerdem hat das Sozialgericht einen Befundbericht des Chirurgen D vom 19. August 2001 eingeholt und ein arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 03. Januar 2001 beigezogen.
Dann hat das Sozialgericht Prof. Dr. E vom A Zentrum M A mit der weiteren Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem Gutachten vom 13. Mai 2002 hat Prof. Dr. E festgestellt, bei dem Kläger bestünden ein zervikaler (vertebragener) Schwindel und ein begleitender phobischer Schwindel, die ursächlich auf den Unfall zurückzuführen seien. Hierfür sprächen die manualchirurgischen, unmittelbar postoperativen und danach in den Akten festgehaltenen Befunde sowie die Beobachtung pathologischer Nystagmen beim Halsdrehtest bei seiner Begutachtung und un-bestimmter beschrieben im Gutachten von Dr. A. Die Veränderungen der HWS, wie sie röntgenologisch in den Akten beschrieben worden seien, seien unfallunabhängig vor und nach dem Unfall vorhanden gewesen und bestünden unabhängig vom Schwindel. Sie seien auf jeden Fall für die Endbeurteilung des zervikalen Schwindels mit phobischer Teilkomponente nicht nötig. Die durch den Schwindel bedingte MdE sei nach dem Unfall mit 30 v. H. festzulegen, wenn man sich an Richtlinien halte, wie sie z. B. bei Stoll, basierend auf gröbere Angaben von Feldmann, ausgearbeitet seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der zervikale Schwindel objektiv nachgewiesen worden sei, über die Häufigkeit der Anfälle sei er jedoch auf die - glaubhaften - Angaben des Klägers angewiesen. Es sei zu erwarten, dass die durch den Schwindel bedingte MdE unter HNO-ärztlicher Therapie nach zwei Jahren auf 10 v. H. oder weniger sinke.
Die Beklagte hat sich dem Gutachten von Prof. Dr. E nicht anzuschließen vermocht und sich auf die Stellungnahmen der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. J vom 24. Juli 2002 und 01. April 2003 bezogen, die die Auffassung vertreten hat, die MdE von 30 v. H. sei bei der Häufigkeit der Schwindelanfälle von drei- bis viermal pro Woche über fünf bis zehn Minuten deutlich zu hoch, zumal die Schwindelbeschwerden als gering zu bezeichnen seien. Die MdE sei vielmehr mit 10 v. H. zu bewerten. Dazu hat wiederum Prof. Dr. E eine ergänzende Stellungnahme vom 28. Januar 2003 abgegeben, in der er seine Auffassung zur Höhe der MdE verteidigt hat.
Durch Urteil vom 15. August 2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. November 2000 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 ab dem 07. März 2000 eine Rente auf der Grundlage einer MdE von 30 v. H. zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, es teile zwar die Auffassung der Beklagten, dass die vom Kläger geklagten schmerzhaften Einschränkungen der HWS-Beweglichkeit mit Kopf- und Nackenschmerzen sowie zeitweise auftretendem Kribbel- und Taubheitsgefühl im Bereich der Hände jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum seit dem 07. März 2000 nicht mehr Folge des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 seien. Insoweit sei das im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholte chirurgische Gutachten von Dr. K vom 06. Juli 2000 überzeugend. Danach könne eine traumatische Genese der HWS-Veränderungen infolge einer strukturellen und nachhaltig wirkenden HWS-Verletzung nach den posttraumatisch erhobenen klinischen und bildgebenden Befunden nicht angenommen werden. Soweit Dr. M/Dr. G in dem Gutachten vom 26. November 1998 ein HWS-Syndrom als Unfallfolge gewertet hätten, möge dies für den damaligen Zeitpunkt im Sinne der Annahme einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden HWS-Leidens bzw. eines durch entsprechende Vorschäden verzögerten Heilungsverlaufs einer HWS-Stauchung bzw. -Distorsion zutreffend gewesen sein. Über den 06. März 2000 hinaus könne ein Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 08. September 1998 jedoch nicht angenommen werden, da nachhaltige traumatische Ver-letzungen der HWS-Strukturen nicht nachgewiesen seien, auch nicht in Gestalt der als Möglichkeit in Betracht gezogenen stärkeren Kopfgelenkstraumatisierung. Hinzu komme, dass der Kläger vor dem Arbeitsunfall keineswegs völlig beschwerdefrei gewesen sei, wie sich aus dem eingeholten Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin ergebe. Gleichwohl sei dem Kläger eine Rente auf der Grundlage einer MdE von 30 v. H. zu gewähren, denn die Schwindelerscheinungen, unter denen er seit dem Arbeitsunfall leide, seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch diesen Arbeitsunfall verursacht und begründeten eine MdE in dieser Höhe. Dass der Kläger seit dem Arbeitsunfall unter rezidivierend auftretenden Schwindelerscheinungen leide, sei durch die vorliegende Arztberichte und Gutachten eindeutig dokumentiert. Sowohl Dr. A als auch Prof. Dr. E hätten die Schwindelerscheinungen aufgrund umfassender Untersuchungen objektivieren können und einhellig sowie in Übereinstimmung mit dem neurochirurgischen Gutachten von Dr. M/Dr. G als Folgen des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998, der nach den gutachterlichen Feststellungen zu einer nachhaltigen Schädigung des empfindlichen Systems der Gleichgewichtserhaltung geführt habe, gewertet. Auch von der Beklagten seien die Schwindelerscheinungen als Unfallfolgen in dem Bescheid vom 14. Juli 2000 anerkannt. Überzeugend sei das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E auch insoweit, als er die Schwindelerscheinungen des Klägers mit einer MdE von 30 v. H. bewerte. Zwar seien die in den Akten dokumentierten und von den Sachverständigen festgestellten Schwindelbeschwerden vom Sachverständigen überzeugend als lediglich geringgradig eingestuft worden, dem entspreche jedoch aufgrund des vom Kläger geschilderten Auftretens der Schwindelerscheinungen auch bei geringen Belastungen, wie z. B. dem Drehen im Bett, nach allgemein anerkannten Erfahrungswerten eine MdE von 30 v. H. Der nicht näher begründeten MdE-Bewertung von Dr. A und durch die Beklagte könne daher nicht gefolgt werden. Auch die von der Beklagten in der Entgegnung zu den Darlegungen des Sachverständigen eingereichten beratungsärztlichen Stellungnahmen setzten sich mit den maßgeblichen Bewertungsmaßstäben nicht auseinander, sondern behaupteten nur, dass drei- bis viermal wöchentlich auftretende Schwindelerscheinungen von fünf bis zehn Minuten eine MdE von 10 v. H. begründen könnten. Der für die MdE-Bewertung entscheidende Gesichtspunkt der geringen Auslösungsschwelle und der damit verbundenen Unmöglichkeit, das Auftreten des Schwindels durch entsprechendes Verhalten zu vermeiden oder jedenfalls zu minimieren, bleibe unberücksichtigt. Insoweit sei es auch ohne Relevanz, dass die Angaben des Klägers zur Intensität und Dauer der Schwindeler-scheinungen bei verschiedenen Anlässen durchaus schwankten, was durch die Besonderheit des phobischen Anteils an den Schwindelerscheinungen begründet sein könne. Jedenfalls sei die geringe Auslösungsschwelle ohne besonderen Anlass, also auch bei bereits niedriger Belastung, gegeben. Dies präge nach den vorliegenden Arzt- und Untersuchungsberichten das klinische Erscheinungsbild der Schwindelerscheinungen des Klägers durchgehend und von Beginn an. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass zwar nicht das chronische HWS-Syndrom, wohl aber die Schwin-delerscheinungen Unfallfolgen und mit einer MdE von 30 v. H. zu bewerten seien, weshalb die Beklagte zu einer entsprechenden Rentengewährung zu verurteilen sei.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese unter Bezugnahme auf ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. B, vormals Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde der Kliniken der Stadt K/Dr. C vom 28. Oktober 2003 geltend macht, die Einschätzung der MdE mit 30 v. H. könne aufgrund der Befundkonstellation nicht nachvollzogen werden. Prof. Dr. B hat u. a. ausgeführt, der zervikale Schwindel sei nicht objektiviert, insbesondere sei der Halsdrehtest kein objektiver Nachweis für einen organischen Schaden im Bereich der HWS. Darüber hinaus sei die Diagnose eines zervikalen oder vertebragenen Schwindels umstritten und werde vor allem von neurologischer Seite als eigenständige Krankheit abgelehnt und vielmehr als unspezifisches Begleitsyndrom eines zumeist schmerzhaften HWS-Syndroms eingestuft. Eine gutachterliche Anerkennung von Schwindelbeschwerden auf der Basis eines ver-tebragenen Schwindels ohne objektive Nachweise organischer Schäden, z. B. in einem MRT, werde in der medizinischen Literatur als nicht vertretbar dargestellt. Die Beschreibung des Romberg- und Unterberger-Versuchs in dem Gutachten von Dr. A könne auch gut zu einem psychogenen Schwindel oder zu einer Verdeutlichungstendenz passen. Erörtert worden sei dies nicht. Die Nystagmusreaktion bei Drehung und Dorsalflexion könne ebenfalls nicht für die Objektivierung herangezogen werden, da sie dem Halsdrehtest entspreche. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass ein zentral-vestibulärer Schwindel in aller Regel nicht isoliert auftrete, sondern zumeist Teil einer komplexen cerebellär-ataktischen Störung sei, die neurologisch nachweisbar sei. Die Diagnose eines phobischen Schwindels setze außerdem den Ausschluss organischer Ursachen voraus. Letztlich sei die Einschätzung der unfallbedingten MdE mit 30 v. H. nicht korrekt. Prof. Dr. E stützte sich allein auf die Äußerungen des Versicherten, dass der Schwindel auch im Liegen auftrete. Eine genaue anamnestische Erhebung sei jedoch nicht erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst eine Stellungnahme von Prof. Dr. E vom 17. Mai 2004 veranlasst, in der dieser insbesondere ausgeführt hat, seine Aussage zu dem Schwindel des Klägers beruhe nicht ausschließlich auf dessen Angaben. Es seien rechts Nystagmen im Halsdrehtest gesehen worden, die die Beschwerden des Klägers erklärten. Er habe nachgewiesen, dass es unter bestimmten Halsstellungen zu Nystagmen (genauer Nystagmusumkehr) und damit Schwindel komme. Der hierdurch ausge-löste Schwindel stimme mit der in der Anamnese beschriebenen Symptomatik über-ein. Dazu hat die Beklagte wiederum Stellungnahmen von Dr. J vom 23. Juni 2004 und Prof. Dr. B/Dr. C vom 26. Juli 2004 vorgelegt.
Dann hat der Senat, der Empfehlung von Prof. Dr. B folgend, eine weitere Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Begutachtung angeordnet, die am 12. Februar 2005 durch den Priv. Doz. Dr. J, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde des Klinikums EvB, durchgeführt worden ist. Der Sachverständige hat bei dem Kläger eine beidseitig beginnende Hochtonhörminderung sowie eine Schallleitungsminderung links bei Zu-stand nach Tympanoplastik links 1969 oder 1970 festgestellt. Diese Leiden seien nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Zentrale Frage bei allen Gutachten sei, ob bei dem Kläger ein zentraler oder vertebragener oder ein anderer Schwindel vorliege. Es sei jedoch festzustellen, dass der Kläger unter einem unsystematischen Schwindel leide, der bei den bisher insgesamt fünf Untersuchungen nicht habe objektiviert werden können. Für den Nachweis eines zentralen oder peripheren Schwindels seien jedoch mindestens zwei objektive pathologische Befunde notwendig. Diese fänden sich nicht im Gutachten des Dr. A. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. E habe der Kläger nur im Unterberger-Versuch eine Drehung nach rechts mit Fallneigung nach links gezeigt. Dies sei das vierte Mal, dass bei dem Unterberger-Versuch ein von den aktenkundigen Voruntersuchungen unterschiedliches Ergebnis herausgekommen sei (links, mittig, rechts, rechts mit Fallneigung nach links). Die übrigen von Prof. Dr. E-durchgeführten Untersuchungen seien nicht quantifiziert. Der von ihm an den Anfang der Untersuchung gesetzte Halsdrehtest sei, da nicht standardisiert, nicht mehr gebräuchlich. Überdies seien die mit dem Halsdrehtest erhobenen Befunde mitunter so widersprüchlich, dass ein allein im Halsdrehtest erhobener pathologischer Befund keinerlei Aussagekraft besitze. Hinzuzufügen sei außerdem, dass auch bei gesunden Probanden im Halsdrehtest häufig decrescendoförmige Nystagmen aufträten. Die MdE betrage deshalb 0 v. H.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben am 14. Oktober 2006 Dr. H, Oberarzt der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und Poliklinik des JG Universitätsklinikums in M/Dr. B ein weiteres Gutachten über den Kläger erstattet, in dem sie unter Berücksichtigung einer Funktionsprüfung der Otolithenorgane, die am 11. September 2006 in der C durchgeführt worden ist, zu dem Ergebnis gelangt sind, bei dem Kläger liege eine linksseitige kombinierte Schallleitungs- und Schallempfindungs-schwerhörigkeit vor. Es finde sich ein Schaden der Otolithenorgane links, wobei dieser für die Macula utriculi zweifelsfrei gesichert werden könne. Außerdem bestehe eine funktionelle Kopfgelenksstörung. Die Funktionsstörung der linksseitigen Macula utriculi sei sehr wahrscheinlich auf eine traumatische Schädigung zurückzuführen und durch den Arbeitsunfall vom 08. Sep-tember 1998 verursacht. Bei den Otolithenorganen handele es sich um Gleichgewichtsorgane, welche mit kleinen Ohrsteinen arbeiteten. Diese Gewichte übten auf die Sinneszellen eine Kraft aus, welche sich je nach Kopfhaltung ändere. Die Otolithen seien in einem Netzwerk eingebettet und würden auf den Sinneshaaren in Position gehalten. Stumpfe Schädel-Hirn-Traumen seien geeignet, die Otolithen teilweise oder vollständig aus dem Netzwerk und damit von den Sinneshaaren zu reißen. Hierfür seien stumpfe Schädeltraumen wie beim Arbeitsunfall des Klägers als Krafteinwirkung vollkommen ausreichend. Die Hörstörung sei unfallunabhängig. Bei der festgestellten Funktionsstörung im Bereich der Kopfgelenke sei ein Zusammenhang mit dem Unfall denkbar. Es lasse sich aber aufgrund der vorliegenden Befunde acht Jahre nach dem Unfall weder ein gesicherter Zusammenhang herstellen, noch könne eine Verschlimmerung eines möglicherweise vorbestehenden Leidens eingeschätzt werden. Es sei der Befund eines nicht vollständig kompensierten Schadens des linken Otrikulus zweifelsfrei zu erheben. Es sei somit ein definitiver, aufgrund des Traumas und der Seitenzuordnung im ursächlichen Zusammenhang zu sehender organischer Schaden am linken Gleichgewichtsorgan dokumentiert. Dieser Schaden sei hinreichend geeignet, die von dem Kläger geschilderten Beschwerden zu erklären. Da der Schaden bisher nicht vollständig zentral kompensiert sei, müsse man von einem peripher-vestibulären Schaden mit leichten Folgen sprechen. Nach der Tabelle von Stoll bedeute dies, dass die MdE mit 20 v. H. einzuschätzen sei. Die Abweichung von den Vorgutachten bestehe darin, dass durch die Anwendung eines speziellen, auf die Otolithenorgane bezogenen Funktionstests ein organischer Schaden im Gleichgewichtsorgan zweifelsfrei habe dokumentiert werden können. Diese Untersuchung sei aus apparativen Gründen von den Vorgutachtern nicht berücksichtigt worden. Auch im vorliegenden Gutachten fänden sich Hinweise auf eine zervikale Beteiligung bei der Schwindelursache. Diese sei dokumentiert durch die Blockierung im Bereich der Kopfgelenke. Trotzdem sei es nicht gelungen, einen objektivierbaren Beweis für die Zusammenhänge mit dem Un-fallereignis herzustellen, so dass keine klaren Ursachenzusammenhänge hätten hergestellt werden können. Zu dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E hat Dr. H ausgeführt, es sei Prof. Dr. B darin zuzustimmen, dass es Prof. Dr. E nicht gelungen sei, das positive Vorliegen eines zervikalen Schwindels zu dokumentieren.
Die Beklagte hat sich der Auffassung des Sachverständigen Dr. H nicht anzuschließen vermocht und sich auf eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. B vom 27. Februar 2007 bezogen. Prof. Dr. B hat u. a. ausgeführt, auch bei den Gleichgewichtsprüfungen durch Dr. Helling seien keine pathologischen Befunde erhoben worden. Weiter hat Prof. Dr. B darauf verwiesen, dass die Messung der Otolithenfunktion noch in den Kinderschuhe stecke. Nur wenige Institute seien in der Lage, diese zu messen. Dabei seien weder die Messapparaturen noch die erhaltenen Ergebnisse standardisiert oder normiert. Die Überprüfung besitze daher weiterhin einen eher experimentellen Charakter. In dem Gutachten von Dr. H werde auch nicht darauf eingegangen, ob auf den Unfall, der acht Jahre vor dem Untersuchungsdatum stattgefunden habe, überhaupt noch Veränderungen im Bereich des Otolithenorgans mit der notwendigen Wahr-scheinlichkeit zurückgeführt werden könnten. Dr. H habe zwar ausgeführt, dass stumpfe Schädel-Hirn-Traumen geeignet seien, die Otolithen teilweise oder vollständig aus dem Netzwerk und damit von den Sinnesfasern zu reißen. Damit beschreibe der Sachverständige aber ein vollkommen anderes Krankheitsbild, nämlich den paroxysmalen benignen Lagerungsschwindel, bei dem herausgerissene Gleichgewichtssteine sich an einem anderen Ort platzierten und dort Schwindel auslösten. Dieser Schwindel sei aber keinesfalls, und dies sei durch alle Gutachten nachgewiesen, vorhanden. Auch sei in jedem Lehrbuch nachzulesen, dass abgerissene Gleichgewichtssteinchen sich nach einer gewissen Zeit auflösten und dies werde nach Tagen oder Wochen bemessen. Die Argumentation des Dr. H sei daher in sich nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des am 08. September 1998 erlittenen Arbeitsunfalls. Das Urteil des Sozialgerichts vom 15. August 2003 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Danach müssen als Voraussetzung der Gewährung der Verletztenrente die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (Bundessozialgericht (BSG) in SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m. w. N.). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterli-che Überzeugung gestützt werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Das die gesetzliche Unfallversicherung beherrschende Prinzip der abstrakten Scha-densbemessung besagt, dass die Entschädigung nach dem Unterschied der auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens bestehenden Erwerbsmöglichkeiten vor und nach dem Arbeitsunfall zu bemessen ist (vgl. BSGE 31, 158; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Es kommt hierbei nicht maßgeblich darauf an, in welchem Umfang der Verletzte in der Ausübung der bisherigen versicherten Tätigkeit beeinträchtigt ist. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch die Unfallfolgen eingeschränkt werden, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987 – 2 RU 42/86 - m. w. N., zitiert nach juris). Bei der Bildung der MdE sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die mit Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stehen.
Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 2000 ergibt, hat die Beklagte das Ereignis vom 08. September 1998 als Arbeitsunfall und als seine Folgen zentrale Gleichgewichtsstörungen bei Schädigung zentralvestibulärer Strukturen nach Schädelprellung mit Stauchung der Halswirbelsäule und Unterarmprellung links bereits anerkannt.
Nach dem Ergebnis der umfänglichen medizinischen Ermittlungen ist der Senat davon überzeugt, dass die weiteren Gesundheitsstörungen, an denen der Kläger leidet, nicht wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Insbesondere stehen das chronisch wiederkehrende Halswirbelsäulensyndrom mit Bewegungsstörungen bei einem degenerativen Bandscheibenleiden mit Osteochondrose C 4 bis C 6, die geringgradige Osteochondrose und Spondylose an der Brustwirbelsäule mit Fehlhaltung, die Hochtonstörung rechts und eine gering bis mittelgradig kombinierte Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr nicht wahrscheinlich in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Ein Ursachenzusammenhang zwischen diesen Gesundheitsstörungen und dem Arbeitsunfall ist in der überwiegenden Anzahl der im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten und gutachterlichen Stellungnahmen verneint worden. Dabei handelt es sich um die Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. A vom 21. November 1999 und 24. Juni 2000, des Neurologen und Psychiaters Dr. H vom 04. Juni 2000, des Chirurgen Dr. K vom 06. Juli 2000, des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Prof. Dr. E vom 13. Mai 2002 nebst den Stellungnahmen vom 28. Januar 2003 und 17. Mai 2004, der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte Prof. Dr. B/Dr. C vom 28. Oktober 2003, des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. J vom 12. Februar 2005 und des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. H vom 14. Oktober 2006 und die gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. J vom arbeitsmedizinischen Dienst der Beklagten vom 24. Juli 2002, 01. April 2003 und 23. Juni 2004 sowie von Prof. Dr. B vom 26. Juli 2004 und 27. Februar 2007.
Allein die Neurochirurgen Dr. M/Dr. G vertreten in ihrem Gutachten vom 26. November 1998 die Auffassung, der Kläger leide an einem unfallbedingten HWS-Syndrom. Das Sozialgericht hat nach Auswertung der medizinischen Gutachten aber zutreffend ausgeführt, dass diese Auffassung allenfalls für den damaligen Zeitpunkt im Sinne der Annahme einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden HWS-Leidens bzw. eines durch entsprechende Vorschäden verzögerten Heilungsverlaufs einer HWS-Stauchung bzw. -Distorsion zutreffend gewesen sein möge, nicht jedoch für die hier maßgebliche Zeit über den 06. März 2000 hinaus. Denn nachhaltige traumatische Verletzungen der HWS-Strukturen sind, wie die bildgebenden Befunde belegen, auch nicht in Gestalt der als Möglichkeit in Betracht gezogenen stärkeren Kopfgelenkstraumatisierung nachgewiesen.
Die Diskussion der Sachverständigen und Gutachter hat sich hauptsächlich darauf konzentriert, ob bei dem Kläger ein zentraler oder vertebragener oder ein anderer Schwindel vorliegt. Da zentrale Gleichgewichtsstörungen bei Schädigung zentralvestibulärer Strukturen in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten aber bereits mit bindender Wirkung für die Beteiligten und damit auch für das Gericht anerkannt sind, kann es Aufgabe des Senats daher nur noch sein, die damit einhergehenden Funkti-onsstörungen und deren Umfang zur Bemessung der MdE im Einzelnen festzustellen.
Nach der unfallmedizinischen Literatur geht eine Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans meist mit Schwindel (Dreh-, Schwank- oder Liftschwindel) einher. Ohnmachtsähnliche Zustände sind kreislaufbedingt oder als diffuser Hirnschwindel anzusehen. Bei genauer Beurteilung vestibulärer Störungen kommt es darauf an, welcher Grad von vestibulärer Reaktion bei welchem Grad der Belastung auftritt. Nach den Tabellen von Stoll werden fünf Intensitätsstufen der labyrinthären Reaktion unterschieden und fünf Stufen der Belastung des gleichgewichtsregulierenden Systems gegenübergestellt, die im alltäglichen Leben auftreten. Aus der Kombination der Belastungs- und Intensitätsstufen ergibt sich dann die MdE für vestibuläre Störungen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kapitel 7.2.4.).
Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Grundsätze und des beim Kläger festzustellenden Ausmaßes und der Intensität des von der Beklagten anerkannten Schwindels liegt zur Überzeugung des Senats eine MdE in rentenberechtigendem Grad nicht vor.
Der Kläger hat gegenüber den Gutachtern unterschiedliche Angaben zum Ausmaß und zur Intensität der Schwindelerscheinungen gemacht. Gegenüber Dr. K gab er an, einmal in der Woche an Schwindel zu leiden. Gegenüber Prof. Dr. E und Dr. J erklärte er, drei- bis viermal in der Woche an einem etwa fünf- bis zehnminütigem Schwindel zu leiden, der auch im Liegen auftrete. Bei der Untersuchung durch Dr. H gab er an, bei ihm bestehe täglich mehrfach ein zehn- bis fünfzehnminütiger Schwindel.
Allerdings sind die von dem Kläger in unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit dargestellten Schwindelanfälle bei keiner medizinischen Untersuchung objektiviert worden, wie der gerichtliche Sachverständige Dr. J in seinem Gutachten vom 12. Februar 2005 überzeugend ausgeführt und belegt hat. Bei der Erstaufnahme im Klinikum EvB hat sich kein Nystagmus gezeigt, so dass deshalb eine Gleichgewichtsuntersuchung nicht durchgeführt worden ist. In der ersten Zeit nach dem Unfall ist ein Schwindel nicht objektivierbar gewesen, wie sich aus dem Bericht des Neurologen und Psychiaters M vom 18. September 1998 ergibt. Bei der neurochirurgischen Begutachtung durch Dr. M/Dr. G vom 26. November 1998 sind die Hirnnerven bis auf eine bekannte Hörminderung links als intakt beschrieben worden, bei dem Versuch nach Romberg hat der Kläger diffus nach vorn und hinten geschwankt, der Blindgang ist deutlich unsicher gewesen. Eine genaue Vestibularisüberprüfung ist am 26. Februar und 17. März 1999 in der C durchgeführt worden. Hier haben die Untersuchungen weder ei-nen Hinweis auf einen peripheren noch auf einen zentralen Schwindel ergeben. Alle durchgeführten Untersuchungen (Spontan- und Provokationsnystagmus, Lage-, Lagerungsprüfung, Kopflagerungsprüfung und Kalorik) haben unauffällige Befunde ergeben. Nur im Unterberger Tretversuch hat sich eine Drehrichtung nach rechts um 45 Grad (noch normal) gezeigt. Bei der Untersuchung im Ukrankenhaus B am 18. Mai 1999 hat sich im Versuch nach Unterberg eine diskrete Seitenabweichung nach links ergeben. Zudem sind bei den Begutachtungen durch Dr. A alle objektivierbaren Untersuchungsbefunde regelrecht unauffällig gewesen. Gleichwohl hat der Gutachter in nicht nachvollziehbarer Weise die Befunde als normale periphere Labyrintherregbarkeit beidseits bei Vorliegen einer zentralen und vertebragenen Gleichgewichtsirritation bewertet. Dabei hat der Versuch nach Unterberg bei seiner ersten Untersuchung am 17. November 1999 keine Abweichung gezeigt. Auch bei der zweiten Untersuchung durch Dr. A am 22. Juni 2000 ist ein Normalbefund erhoben worden. Bei der Gleichgewichtsuntersuchung durch Prof. Dr. E hat der Kläger im Tretversuch nach Unterberg eine Drehung nach rechts aber eine Fallneigung nach links gezeigt. Die anderen Abweichreaktionen, der Rombergische Versuch und der Zeigeversuch sind unauffällig gewesen. Die kalorische Vestibularisprüfung hat eine symmetrische, eher überschie-ßende Reaktion beider Vestibularisorgane ergeben. Soweit Prof. Dr. E auf die ausdrückliche Nachfrage des Senats in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2003 daran festgehalten hat, dass der Schwindel objektiviert sei, weist Dr. J zu Recht darauf hin, dass der von dem Sachverständigen zur Objektivierung angewendete Halsdrehtest nicht standardisiert und deshalb nicht mehr gebräuchlich ist. Dies ist von Prof. Dr. in seinem Gutachten auch selbst eingeräumt worden. Die fehlende Objektivierung des vom Kläger angegebenen Schwindels wird letztlich auch von Prof. Dr. B in seinen gutachterlichen Stellungnahmen nach Aktenlage und von Dr. H in seinem Gutachten vom 14. Oktober 2006 bestätigt. Dr. H stimmt Prof. Dr. B ausdrücklich darin zu, dass es Prof. Dr. E nicht in überzeugender Weise gelungen sei, das positive Vorliegen eines zervikalen Schwindels zu dokumentieren. Dies sei auch den anderen Gutachtern nicht gelungen. Der Sachverständige Dr. H hat bei seiner Untersuchung keinen Spontan- oder Provokationsnystagmus finden und bei der Lage- und Lagerungsprüfung keine pathologischen Nystagmen provozieren können. Beim Rombergischen Stehversuch hat der Kläger nur eine geringe Fallneigung nach hinten verspürt, beim Unterberger Tretversuch hat sich allenfalls eine geringe Abweichung nach links sowie eine Vorwärtsbewegung von einem Meter nach 30 Schritten gefunden. Bei der Prüfung mittels computergestützter Posturographie (EQUI-Test) hat sich eine geringe Erniedrigung des sen-somotorischen und visuellen Scores gezeigt. Die vestibuläre Funktion ist im Normbereich gewesen, ebenso die visuell vestibuläre Referenz.
Die Einschätzung der MdE mit 30 v. H. durch Prof. Dr. E, der das Sozialgericht gefolgt ist, ist damit nicht durch objektive Befunde abgesichert.
Soweit Dr. H bei seiner Untersuchung einen Schaden der Otolithenorgane links gefunden, diesen für die Macula utriculi als zweifelsfrei gesichert bezeichnet und auf den Arbeitsunfall vom 08. September 1998 zurückgeführt hat, ist schon zweifelhaft, ob die Otolithenfunktionsprüfung valide ist. Wie Prof. Dr. B in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2007 ausgeführt hat, sind bisher weder die Messapparaturen noch die erhal-tenen Ergebnisse standardisiert oder normiert. Diese Art der Otolithenfunktionsprüfung hat weiterhin eher experimentellen Charakter.
Vorliegend kann es jedoch dahinstehen, ob die Messverfahren standardisiert oder normiert sind, denn auch nach den Befundungen von Dr. H ist eine Einschätzung der MdE mit 20 v. H. nicht gerechtfertigt. Zwar ist er bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der beiderseitigen Stimulation der Otolithenorgane sich bei Kippung in beide Richtungen eine deutlich verminderte Sensitivität des Klägers für die Lageänderung zeige. Die Messungen zeigten einen nach seiner Interpretation nicht vollständig kompensierten Schaden des linken Utriculus. Es sei somit ein definitiver, aufgrund des Traumas und der Seitenzu-ordnung in ursächlichem Zusammenhang zu sehender organischer Schaden am linken Gleichgewichtsorgan dokumentiert. Dieser Schaden sei hinreichend geeignet, die von dem Kläger geschilderten Beschwerden zu erklären. Da der Schaden bisher nicht vollständig zentral kompensiert sei, müsse man von einem peripher-vestibulären Schaden mit leichten Folgen sprechen. Dies entspreche nach den Tabellen von Stoll einer MdE von 20 v. H. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. So hat Dr. H seine Annahme, der Schaden der Otolithenorgane links sei wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall vom 08. September 1998 zurückzuführen, nicht näher begründet. Insbesondere hätte er sich, wie Prof. Dr. B in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2007 unter Hinweis auf die medizinische Lehrmeinung ausgeführt hat, mit dem Umstand, dass sich die abgerissenen Gleichgewichtssteinchen innerhalb einer nach Tagen und Wochen bemes-senen Zeit auflösen, auseinandersetzen müssen. Zudem hat Dr. H – wie bereits dargelegt - keine pathologischen Befunde bei der Gleichgewichtsprüfung erhoben, worauf Prof. Dr. B ebenfalls zutreffend hingewiesen hat. Vielmehr stellt Dr. H allein auf die subjektiven Vertikalen des Klägers unter abgestuften statischen Kippreizen ab, ohne sich im Einzelnen mit den im Laufe der Jahre dokumentierten Befunden und den sonstigen Indizien für Ausmaß und Umfang der vom Kläger geklagten Schwindelerscheinungen auseinanderzusetzen. Dazu hätte aber angesichts der schwankenden Angaben des Klägers zu dem nicht objektivierten und im Laufe der Jahre stärker werdend beschriebenen Schwindel, dem langen Zeitablauf seit dem Unfall und dem Leiden des Klägers im Bereich der HWS Veranlassung bestanden. Dr. H beschreibt eher das Krankheitsbild eines paroxysmalen benignen Lagerungsschwindels, bei dem herausgerissene Gleichgewichtssteine sich an einem anderen Ort platzieren und dort Schwindel auslösen, der aber hier in den dafür vorgesehenen standardisierten Testverfahren gerade nicht nachgewiesen ist. Letztlich hat Dr. H auch nicht zu erläutern vermocht, weshalb bei dem von ihm ange-nommenen peripher-vestibulären Schaden mit leichten Folgen die MdE anhand des Schemas nach Stoll mit 20 v. H. einzuschätzen ist. Denn nach der Tabelle C von Stoll (abgedruckt in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kapitel 7.2.4) entspricht dies der Intensitätsstufe 1 bei mittlerer Belastung bzw. der Intensitätsstufe 2 bei hoher Belastung oder der Intensitätsstufe 3 bei sehr hoher Belastung. Angesichts der gegenüber dem Sachverständigen Dr. J geschilderten Freizeitaktivitäten des Klägers, der sowohl Kanu, Fahrrad (10 bis 15 Minuten) als auch gelegentlich Auto fährt und keine Probleme beim Spazierengehen und regelmäßigen Kartenspielen hat, ist eine MdE von 20 v. H. nicht zu rechtfertigen. Denn die schon vom Kläger geschilderten Aktivitäten, die zum Teil hohe (Autofahren) bis sehr hohe (Fahrradfahren) Anforderungen an das Gleichgewichtsorgan stellen (vgl. Belastungsstufen 3 und 4 gemäß der Tabelle A nach Stoll, abgedruckt in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.), sprechen deutlich gegen eine stärkere Beeinträchtigung im alltäglichen Leben durch die geklagten Schwindelbeschwerden. Hinzu kommt, dass sich der Schwindel nicht hat objektivieren lassen und damit auch ein Nachweis für ein Auftreten von über die Intensitätsstufe 0 (Tabelle B nach Stoll, abgedruckt in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.) hinausgehender Anfälle fehlt. Selbst bei Annahme der Intensitätsstufe 1 ergibt sich in Kombination mit den Belastungsstufen 3 oder 4 allenfalls eine MdE von 10 v. H. (vgl. Tabelle C nach Stoll).
Das Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 eine Verletztenrente zusteht.
Der 1957 geborene Kläger erlitt während seiner Tätigkeit als Betonspezialfacharbeiter bei der S Hoch- und Ingenieurbau AG einen Arbeitsunfall, als ihm am 08. September 1998 beim Ausschalen einer Decke ein Dokaträger auf den behelmten Kopf fiel (Unfallanzeige der S Hoch- und Ingenieurbau AG vom 21. September 1998). Er wurde deshalb in der Zeit vom 08. bis zum 11. September 1998 stationär im Klinikum EvB behandelt. Bei der Einlieferung war der Kläger ansprechbar und adäquat, die Pupillen waren isocor und mittelweit mit prompter Lichtreaktion. Ansonsten klagte der Kläger über einen Druckschmerz über der gesamten Halswirbelsäule (HWS), einen Stauchungsschmerz sowie einen Druckschmerz am linken Unterarm und der Schulter. Röntgenologisch wurden knöcherne Verletzungen ausgeschlossen, neurologisch waren ebenfalls keine Ausfälle feststellbar. Die Funktionsaufnahme der HWS zeigte eine Stufenbildung zwischen den HWK 7 und BWK 1 (Durchgangsarztbericht des Klinikums vom 25. September 1998). Im Entlassungsbericht vom 11. September 1998 wurde die Diagnose eines Schädelhirntraumas I. Grades, einer HWS-Stauchung und einer Prellung der linken Schulter und des linken Unterarms gestellt. Wegen einer fortbestehenden Kopfschmerzsymptomatik veranlasste der den Kläger weiterbehandelnde Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie D ein neurologisches Konsil beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. Dort gab der Kläger an, er habe durch den Arbeitsunfall keine Bewusstlosigkeit und keine Erinnerungslücke erlitten. Er habe zunächst für 1 ½ Stunden weitergearbeitet, dann sei er wegen Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen ins Krankenhaus gegangen. Er leide weiter unverändert und ohne Besserungstendenz an Kopfschmerzen und einem Schwindelgefühl. Der neurologische Befund war bei der Untersuchung durch Herrn M normal, auch der EEG-Befund war ohne Allgemeinveränderung und Herdhinweis, es fehlten Zeichen einer erhöhten cerebralen Erregungsbildung. Der Arzt diagnostizierte ein unfallbedingtes oberes HWS- und oberes BWS-Syndrom, das jeweils durch mehrere chirotherapeutische Eingriffe deutlich habe gebessert werden können. Ein Schädelhirntrauma bestehe nicht (Bericht von Herrn M vom 15. September 1998). Eine am 30. September 1998 durchgeführte Kernspintomographie der HWS ergab eine antilordotische Fehlhaltung der HWS, am deutlichsten bei C 4/C 5 bis C 6/C 7. Bei C 5/C 6 fand sich zusätzlich eine medial betonte anuläre Nucleusprotrusion mit einem Grenzbefund zum subligamentären Nucleusprolaps und bei C 4/C 5 eine medial betonte Nucleusprotrusion mit geringgradiger Tangierung der ventralen Myelonkontur bei einem insgesamt normalen knöchernen Spinalkanal und Neuroforamina und ohne assoziierte myelomalazische Herdbildung. Es habe sich kein eindeutiger Nachweis einer posttraumatischen Knochenmarksläsion bzw. kein direkter oder indirekter Nachweis einer discoligamentären Läsion gefunden.
Zur Klärung der Behandlungsbedürftigkeit veranlasste die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. M, Direktor der Klinik für Neurochirurgie des Ukrankenhauses B/Dr. G. Diese kamen in dem Gutachten vom 26. November 1998 zu dem Ergebnis, der Kläger habe durch den herabfallenden Holzträger auf den helmbewehrten Kopf ein axiales HWS-Stauchungstrauma erlitten. Ein Schädel-Hirn-Trauma könne dagegen mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Typische Zeichen einer Commotio cerebri seien zu keinem Zeitpunkt bemerkt oder objektiviert worden. Die neurologischen Verlaufskontrollen sowie ein EEG-Befund ließen auch keine Schlüsse auf ein stattgehabtes Schädel-Hirn-Trauma zu. Die auf den MRT-Aufnahmen der HWS zur Ansicht gekommenen Bandscheibenvorwölbungen in den Segmenten C 5/6 und geringer auch C 4/5 seien nicht ohne Weiteres auf den Unfall zurückzuführen. Traumatisch bedingte oder repa-rative Veränderungen im Bereich des die Bandscheiben bedeckenden hinteren Längsbands kämen nicht zur Abbildung. Weder seien in der klinischen Symptomatologie objektivierbare Störungen beobachtet worden, noch lasse sich im MRT eine posttraumatische Myelonschädigung erkennen. Es müsse hier von einer vorbestehenden Schädigung degenerativer Art ausgegangen werden. Als Unfallfolgen bestünden zur Zeit Kopf- und Nackenschmerzen, eine hochgradig schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der HWS in allen Richtungen bei Steilstellung der HWS und Muskelhartspann im Nacken-Schulter-Bereich, eine Schwindelsymptomatik, gelegentliche Schweißausbrüche und Übelkeit. Vom zeitlichen Krankheitsverlauf her sei bereits jetzt eine beginnende Chronifizierung zu erkennen.
Auf Veranlassung des Durchgangsarztes D erstattete Priv. Doz. Dr. H von der Strahlenklinik der C ein magnetresonanztomographisches Zusatzgutachten vom 21. Januar 1999, in dem er eine Bandscheibenprotrusion in der Höhe des HWK 6/7 feststellte ohne Hinweis auf eine Instabilität bei regelrechtem Alignement.
Am 04. und 16. Februar 1999 stellte sich der Kläger bei dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. W von der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und Poliklinik der C vor. Dieser äußerte den Verdacht auf ein kranio-cervicales Syndrom nach HWS-Stauchung mit HWS-Schmerzen und Zustand nach Tympanoplastik links 1970 wohl wegen TF-Defekt (Bericht vom 16. Februar 1999). Am 26. Februar 1999 wurde wegen der geklagten Schwindelproblematik außerdem eine Vestibularisprüfung durchgeführt, deren Ergebnis unauffällig war (Bericht vom 17. März 1999).
Vom 13. bis zum 25. August 1999 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung des Ukrankenhauses B. Dort wurden eine chronifizierte Weichteildistorsion der HWS und ein vertebragener Schwindel diagnostiziert. Unter der Therapie habe sich eine eindeutig subjektive patientenbedingte Wechselhaftigkeit der Beschwerdesymptomatik des Klägers gezeigt. Die Behandlungsmaßnahmen hätten wegen ablehnender Haltung des Patienten nicht vollständig durchgeführt werden können. Der Kläger sei bei insgesamt unbefriedigendem Therapieverlauf in die ambulante Weiterbehandlung entlassen worden (Zwischenbericht vom 25. August 1999).
Nunmehr ließ die Beklagte den Kläger durch den Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. A untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom 21. November 1999 diagnostizierte der Gutachter eine zentrale und HWS-bedingte Gleichgewichtsstörung mit Schwindelbeschwerden, Schwarzwerden vor den Augen, Stand- und Gangunsicherheit. Diese Gesundheitsstörungen seien Folge des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998. Die Höreinschränkung sei nicht unfallbedingt. Nach dem Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v. H. zu rechnen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Chirurgen D vom 08. Februar 2000 und Anhörung des seit dem 08. September 1998 arbeitsunfähigen Klägers stellte die Beklagte die Fortgewährung von Verletztengeld zum 06. März 2000 ein, da mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in dem Beruf als Betonbauer nicht mehr zu rechnen sei und eine qualifizierte berufliche Rehabilitationsmaßnahme wahrscheinlich nicht in Betracht komme (§ 46 Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII -).
Die Beklagte veranlasste außerdem mehrere Gutachten, die am 04. Juni 2000 von dem Neurologen und Psychiater Dr. H, am 24. Juni 2000 von Dr. A und am 06. Juli 2000 als erstes Rentengutachten von dem Chirurgen K erstellt wurden. Dr. H gelangte unter Berücksichtigung eines elektrodiagnostischen Zusatzgutachtens von Dr. B vom 22. Mai 2000 zu der abschließenden Beurteilung, dass der Arbeitsunfall keinerlei organische Unfallfolgen hinterlassen habe. Es sei nicht zu einer substantiellen Schädigung des Kopfhalteapparats gekommen, es sei auch kein Hirntrauma oder dergleichen eingetreten, sondern lediglich eine heftige Schädelprellung. Die MdE sei allenfalls mit 10 v. H. zu bewerten und zwar wenn man eine durch die Prellung ausgelöste zentrale Irritation des Gleichgewichtsapparats akzeptiere. Unfallunabhängig liege eine Bandscheibendegeneration der HWS vor, wie vom Vorgutachter beschrieben. Eine unfallbedingte Schwindelsymptomatik i. S. einer zentralen Gleichgewichtsstörung liege dagegen nicht vor. Der Kläger gebe keinerlei Drehschwindel an und auch die Untersuchung bei Dr. A zeige diesen nicht. Die Gleichgewichtsstörungen beschreibe er als Unsicherheit mit Schwarzwerden vor den Augen und Schwanken. Dies sei ein eher psychosomatisch imponierender Aspekt. Das elektrodiagnostische Zusatzgutachten ergab keinen Hinweis auf eine unfallbedingte spinale Läsion bzw. eine Plexus-brachialis-Läsion oder ein C 7-Syndrom. Dr. A bestätigte in seinem zweiten Gutachten bei dem Kläger eine normale periphere Labyrintherregbarkeit beidseits bei Vorliegen einer zentralen und vertebragenen Gleichgewichtsstörung. Als Folge des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 liege der Zustand nach Schädelprellung und HWS-Stauchung vor. Das Unfallereignis habe auch zu einer Schädigung zentralvestibulärer Strukturen mit der Folge einer zentralen Gleichgewichtsstörung geführt. Die MdE betrage nach Ablauf der 78. Woche am 07. März 2000 10 v. H. Unfallunabhängig bestehe eine Hochtonstörung auf dem rechten Ohr und eine geringe bis mittelgradige kombinierte Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr. Dr. K stellte aus unfallchirurgischer Sicht als wesentliche Unfallfolgen eine ausgeheilte Prellung des Schädels mit Stauchung der HWS ohne messbar verbliebene unfallbedingte Funktionsstörungen unter Ausschluss von posttraumatischen strukturellen Veränderungen fest. Neurootologisch befinde sich eine zentrale Gleichgewichtsstörung bei Schädigung zentralvestibulärer Strukturen als Folge des Arbeitsunfalls. Neuropsychologisch sei kein unfallbedingter pathologischer Befund zu erheben gewesen. Die geklagten Beschwerden stimmten mit den objektivierbaren Schäden nicht überein. Auch der gesamte Verlauf bei angegebener Therapieresistenz spreche gegen ein im Vordergrund stehendes, auch unfallfremdes, Leiden. Unfallunabhängig liege ein chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom mit Bewegungsstörungen bei einem degenerativen Bandscheibenleiden mit Osteochondrose C 4 bis C 6, eine geringgradige Osteochondrose und Spondylose an der BWS mit Fehlhaltung sowie eine Hochtonstörung rechts mit gering- bis mittelgradiger kombinierter Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr vor. Die MdE wegen der Unfallfolgen betrage ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 07. März 2000 10 v. H.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Juli 2000 einen Anspruch auf Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 ab. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht in rentenberechtigendem Grad über das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld hinaus gemindert. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte die Beklagte zentrale Gleichgewichtsstörungen bei Schädigung zentralvestibulärer Strukturen nach Schädelprellung mit Stauchung der HWS und Unterarmprellung links an. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden nicht anerkannt: Chronisch wiederkehrendes HWS-Syndrom mit Bewegungsstörungen bei einem degenerativen Bandscheibenleiden mit Osteochondrose C 4 bis C 6, eine geringgradige Osteochondrose und Spondylose an der BWS mit Fehlhaltung, eine Hochtonstörung rechts und eine gering- bis mittelgradig kombinierte Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr. Den dagegen ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. November 2000 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er geltend gemacht hat, er habe Anspruch auf eine Verletztenrente. Es bestünden begründete Zweifel daran, ob allein die von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen vorlägen. Vielmehr liege die Annahme nahe, dass eine MdE von mindestens 20 v. H. bestehe.
Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin ab dem 17. September 1991 beigezogen, aus dem sich u. a. eine Rückenprellung, eine Zerrung der HWS und eine Schädelprellung mit einer Arbeitsunfähigkeitszeit vom 19. September bis zum 11. Oktober 1996, ein HWS-Syndrom mit Arbeitsunfähigkeit vom 12. Juli bis zum 18. August 1995 sowie eine Cephalgie mit Arbeitsunfähigkeit am 30. Mai 1995 ergibt. Außerdem hat das Sozialgericht einen Befundbericht des Chirurgen D vom 19. August 2001 eingeholt und ein arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 03. Januar 2001 beigezogen.
Dann hat das Sozialgericht Prof. Dr. E vom A Zentrum M A mit der weiteren Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem Gutachten vom 13. Mai 2002 hat Prof. Dr. E festgestellt, bei dem Kläger bestünden ein zervikaler (vertebragener) Schwindel und ein begleitender phobischer Schwindel, die ursächlich auf den Unfall zurückzuführen seien. Hierfür sprächen die manualchirurgischen, unmittelbar postoperativen und danach in den Akten festgehaltenen Befunde sowie die Beobachtung pathologischer Nystagmen beim Halsdrehtest bei seiner Begutachtung und un-bestimmter beschrieben im Gutachten von Dr. A. Die Veränderungen der HWS, wie sie röntgenologisch in den Akten beschrieben worden seien, seien unfallunabhängig vor und nach dem Unfall vorhanden gewesen und bestünden unabhängig vom Schwindel. Sie seien auf jeden Fall für die Endbeurteilung des zervikalen Schwindels mit phobischer Teilkomponente nicht nötig. Die durch den Schwindel bedingte MdE sei nach dem Unfall mit 30 v. H. festzulegen, wenn man sich an Richtlinien halte, wie sie z. B. bei Stoll, basierend auf gröbere Angaben von Feldmann, ausgearbeitet seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der zervikale Schwindel objektiv nachgewiesen worden sei, über die Häufigkeit der Anfälle sei er jedoch auf die - glaubhaften - Angaben des Klägers angewiesen. Es sei zu erwarten, dass die durch den Schwindel bedingte MdE unter HNO-ärztlicher Therapie nach zwei Jahren auf 10 v. H. oder weniger sinke.
Die Beklagte hat sich dem Gutachten von Prof. Dr. E nicht anzuschließen vermocht und sich auf die Stellungnahmen der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. J vom 24. Juli 2002 und 01. April 2003 bezogen, die die Auffassung vertreten hat, die MdE von 30 v. H. sei bei der Häufigkeit der Schwindelanfälle von drei- bis viermal pro Woche über fünf bis zehn Minuten deutlich zu hoch, zumal die Schwindelbeschwerden als gering zu bezeichnen seien. Die MdE sei vielmehr mit 10 v. H. zu bewerten. Dazu hat wiederum Prof. Dr. E eine ergänzende Stellungnahme vom 28. Januar 2003 abgegeben, in der er seine Auffassung zur Höhe der MdE verteidigt hat.
Durch Urteil vom 15. August 2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. November 2000 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 ab dem 07. März 2000 eine Rente auf der Grundlage einer MdE von 30 v. H. zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, es teile zwar die Auffassung der Beklagten, dass die vom Kläger geklagten schmerzhaften Einschränkungen der HWS-Beweglichkeit mit Kopf- und Nackenschmerzen sowie zeitweise auftretendem Kribbel- und Taubheitsgefühl im Bereich der Hände jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum seit dem 07. März 2000 nicht mehr Folge des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998 seien. Insoweit sei das im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholte chirurgische Gutachten von Dr. K vom 06. Juli 2000 überzeugend. Danach könne eine traumatische Genese der HWS-Veränderungen infolge einer strukturellen und nachhaltig wirkenden HWS-Verletzung nach den posttraumatisch erhobenen klinischen und bildgebenden Befunden nicht angenommen werden. Soweit Dr. M/Dr. G in dem Gutachten vom 26. November 1998 ein HWS-Syndrom als Unfallfolge gewertet hätten, möge dies für den damaligen Zeitpunkt im Sinne der Annahme einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden HWS-Leidens bzw. eines durch entsprechende Vorschäden verzögerten Heilungsverlaufs einer HWS-Stauchung bzw. -Distorsion zutreffend gewesen sein. Über den 06. März 2000 hinaus könne ein Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 08. September 1998 jedoch nicht angenommen werden, da nachhaltige traumatische Ver-letzungen der HWS-Strukturen nicht nachgewiesen seien, auch nicht in Gestalt der als Möglichkeit in Betracht gezogenen stärkeren Kopfgelenkstraumatisierung. Hinzu komme, dass der Kläger vor dem Arbeitsunfall keineswegs völlig beschwerdefrei gewesen sei, wie sich aus dem eingeholten Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin ergebe. Gleichwohl sei dem Kläger eine Rente auf der Grundlage einer MdE von 30 v. H. zu gewähren, denn die Schwindelerscheinungen, unter denen er seit dem Arbeitsunfall leide, seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch diesen Arbeitsunfall verursacht und begründeten eine MdE in dieser Höhe. Dass der Kläger seit dem Arbeitsunfall unter rezidivierend auftretenden Schwindelerscheinungen leide, sei durch die vorliegende Arztberichte und Gutachten eindeutig dokumentiert. Sowohl Dr. A als auch Prof. Dr. E hätten die Schwindelerscheinungen aufgrund umfassender Untersuchungen objektivieren können und einhellig sowie in Übereinstimmung mit dem neurochirurgischen Gutachten von Dr. M/Dr. G als Folgen des Arbeitsunfalls vom 08. September 1998, der nach den gutachterlichen Feststellungen zu einer nachhaltigen Schädigung des empfindlichen Systems der Gleichgewichtserhaltung geführt habe, gewertet. Auch von der Beklagten seien die Schwindelerscheinungen als Unfallfolgen in dem Bescheid vom 14. Juli 2000 anerkannt. Überzeugend sei das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E auch insoweit, als er die Schwindelerscheinungen des Klägers mit einer MdE von 30 v. H. bewerte. Zwar seien die in den Akten dokumentierten und von den Sachverständigen festgestellten Schwindelbeschwerden vom Sachverständigen überzeugend als lediglich geringgradig eingestuft worden, dem entspreche jedoch aufgrund des vom Kläger geschilderten Auftretens der Schwindelerscheinungen auch bei geringen Belastungen, wie z. B. dem Drehen im Bett, nach allgemein anerkannten Erfahrungswerten eine MdE von 30 v. H. Der nicht näher begründeten MdE-Bewertung von Dr. A und durch die Beklagte könne daher nicht gefolgt werden. Auch die von der Beklagten in der Entgegnung zu den Darlegungen des Sachverständigen eingereichten beratungsärztlichen Stellungnahmen setzten sich mit den maßgeblichen Bewertungsmaßstäben nicht auseinander, sondern behaupteten nur, dass drei- bis viermal wöchentlich auftretende Schwindelerscheinungen von fünf bis zehn Minuten eine MdE von 10 v. H. begründen könnten. Der für die MdE-Bewertung entscheidende Gesichtspunkt der geringen Auslösungsschwelle und der damit verbundenen Unmöglichkeit, das Auftreten des Schwindels durch entsprechendes Verhalten zu vermeiden oder jedenfalls zu minimieren, bleibe unberücksichtigt. Insoweit sei es auch ohne Relevanz, dass die Angaben des Klägers zur Intensität und Dauer der Schwindeler-scheinungen bei verschiedenen Anlässen durchaus schwankten, was durch die Besonderheit des phobischen Anteils an den Schwindelerscheinungen begründet sein könne. Jedenfalls sei die geringe Auslösungsschwelle ohne besonderen Anlass, also auch bei bereits niedriger Belastung, gegeben. Dies präge nach den vorliegenden Arzt- und Untersuchungsberichten das klinische Erscheinungsbild der Schwindelerscheinungen des Klägers durchgehend und von Beginn an. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass zwar nicht das chronische HWS-Syndrom, wohl aber die Schwin-delerscheinungen Unfallfolgen und mit einer MdE von 30 v. H. zu bewerten seien, weshalb die Beklagte zu einer entsprechenden Rentengewährung zu verurteilen sei.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese unter Bezugnahme auf ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. B, vormals Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde der Kliniken der Stadt K/Dr. C vom 28. Oktober 2003 geltend macht, die Einschätzung der MdE mit 30 v. H. könne aufgrund der Befundkonstellation nicht nachvollzogen werden. Prof. Dr. B hat u. a. ausgeführt, der zervikale Schwindel sei nicht objektiviert, insbesondere sei der Halsdrehtest kein objektiver Nachweis für einen organischen Schaden im Bereich der HWS. Darüber hinaus sei die Diagnose eines zervikalen oder vertebragenen Schwindels umstritten und werde vor allem von neurologischer Seite als eigenständige Krankheit abgelehnt und vielmehr als unspezifisches Begleitsyndrom eines zumeist schmerzhaften HWS-Syndroms eingestuft. Eine gutachterliche Anerkennung von Schwindelbeschwerden auf der Basis eines ver-tebragenen Schwindels ohne objektive Nachweise organischer Schäden, z. B. in einem MRT, werde in der medizinischen Literatur als nicht vertretbar dargestellt. Die Beschreibung des Romberg- und Unterberger-Versuchs in dem Gutachten von Dr. A könne auch gut zu einem psychogenen Schwindel oder zu einer Verdeutlichungstendenz passen. Erörtert worden sei dies nicht. Die Nystagmusreaktion bei Drehung und Dorsalflexion könne ebenfalls nicht für die Objektivierung herangezogen werden, da sie dem Halsdrehtest entspreche. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass ein zentral-vestibulärer Schwindel in aller Regel nicht isoliert auftrete, sondern zumeist Teil einer komplexen cerebellär-ataktischen Störung sei, die neurologisch nachweisbar sei. Die Diagnose eines phobischen Schwindels setze außerdem den Ausschluss organischer Ursachen voraus. Letztlich sei die Einschätzung der unfallbedingten MdE mit 30 v. H. nicht korrekt. Prof. Dr. E stützte sich allein auf die Äußerungen des Versicherten, dass der Schwindel auch im Liegen auftrete. Eine genaue anamnestische Erhebung sei jedoch nicht erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst eine Stellungnahme von Prof. Dr. E vom 17. Mai 2004 veranlasst, in der dieser insbesondere ausgeführt hat, seine Aussage zu dem Schwindel des Klägers beruhe nicht ausschließlich auf dessen Angaben. Es seien rechts Nystagmen im Halsdrehtest gesehen worden, die die Beschwerden des Klägers erklärten. Er habe nachgewiesen, dass es unter bestimmten Halsstellungen zu Nystagmen (genauer Nystagmusumkehr) und damit Schwindel komme. Der hierdurch ausge-löste Schwindel stimme mit der in der Anamnese beschriebenen Symptomatik über-ein. Dazu hat die Beklagte wiederum Stellungnahmen von Dr. J vom 23. Juni 2004 und Prof. Dr. B/Dr. C vom 26. Juli 2004 vorgelegt.
Dann hat der Senat, der Empfehlung von Prof. Dr. B folgend, eine weitere Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Begutachtung angeordnet, die am 12. Februar 2005 durch den Priv. Doz. Dr. J, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde des Klinikums EvB, durchgeführt worden ist. Der Sachverständige hat bei dem Kläger eine beidseitig beginnende Hochtonhörminderung sowie eine Schallleitungsminderung links bei Zu-stand nach Tympanoplastik links 1969 oder 1970 festgestellt. Diese Leiden seien nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Zentrale Frage bei allen Gutachten sei, ob bei dem Kläger ein zentraler oder vertebragener oder ein anderer Schwindel vorliege. Es sei jedoch festzustellen, dass der Kläger unter einem unsystematischen Schwindel leide, der bei den bisher insgesamt fünf Untersuchungen nicht habe objektiviert werden können. Für den Nachweis eines zentralen oder peripheren Schwindels seien jedoch mindestens zwei objektive pathologische Befunde notwendig. Diese fänden sich nicht im Gutachten des Dr. A. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. E habe der Kläger nur im Unterberger-Versuch eine Drehung nach rechts mit Fallneigung nach links gezeigt. Dies sei das vierte Mal, dass bei dem Unterberger-Versuch ein von den aktenkundigen Voruntersuchungen unterschiedliches Ergebnis herausgekommen sei (links, mittig, rechts, rechts mit Fallneigung nach links). Die übrigen von Prof. Dr. E-durchgeführten Untersuchungen seien nicht quantifiziert. Der von ihm an den Anfang der Untersuchung gesetzte Halsdrehtest sei, da nicht standardisiert, nicht mehr gebräuchlich. Überdies seien die mit dem Halsdrehtest erhobenen Befunde mitunter so widersprüchlich, dass ein allein im Halsdrehtest erhobener pathologischer Befund keinerlei Aussagekraft besitze. Hinzuzufügen sei außerdem, dass auch bei gesunden Probanden im Halsdrehtest häufig decrescendoförmige Nystagmen aufträten. Die MdE betrage deshalb 0 v. H.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben am 14. Oktober 2006 Dr. H, Oberarzt der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und Poliklinik des JG Universitätsklinikums in M/Dr. B ein weiteres Gutachten über den Kläger erstattet, in dem sie unter Berücksichtigung einer Funktionsprüfung der Otolithenorgane, die am 11. September 2006 in der C durchgeführt worden ist, zu dem Ergebnis gelangt sind, bei dem Kläger liege eine linksseitige kombinierte Schallleitungs- und Schallempfindungs-schwerhörigkeit vor. Es finde sich ein Schaden der Otolithenorgane links, wobei dieser für die Macula utriculi zweifelsfrei gesichert werden könne. Außerdem bestehe eine funktionelle Kopfgelenksstörung. Die Funktionsstörung der linksseitigen Macula utriculi sei sehr wahrscheinlich auf eine traumatische Schädigung zurückzuführen und durch den Arbeitsunfall vom 08. Sep-tember 1998 verursacht. Bei den Otolithenorganen handele es sich um Gleichgewichtsorgane, welche mit kleinen Ohrsteinen arbeiteten. Diese Gewichte übten auf die Sinneszellen eine Kraft aus, welche sich je nach Kopfhaltung ändere. Die Otolithen seien in einem Netzwerk eingebettet und würden auf den Sinneshaaren in Position gehalten. Stumpfe Schädel-Hirn-Traumen seien geeignet, die Otolithen teilweise oder vollständig aus dem Netzwerk und damit von den Sinneshaaren zu reißen. Hierfür seien stumpfe Schädeltraumen wie beim Arbeitsunfall des Klägers als Krafteinwirkung vollkommen ausreichend. Die Hörstörung sei unfallunabhängig. Bei der festgestellten Funktionsstörung im Bereich der Kopfgelenke sei ein Zusammenhang mit dem Unfall denkbar. Es lasse sich aber aufgrund der vorliegenden Befunde acht Jahre nach dem Unfall weder ein gesicherter Zusammenhang herstellen, noch könne eine Verschlimmerung eines möglicherweise vorbestehenden Leidens eingeschätzt werden. Es sei der Befund eines nicht vollständig kompensierten Schadens des linken Otrikulus zweifelsfrei zu erheben. Es sei somit ein definitiver, aufgrund des Traumas und der Seitenzuordnung im ursächlichen Zusammenhang zu sehender organischer Schaden am linken Gleichgewichtsorgan dokumentiert. Dieser Schaden sei hinreichend geeignet, die von dem Kläger geschilderten Beschwerden zu erklären. Da der Schaden bisher nicht vollständig zentral kompensiert sei, müsse man von einem peripher-vestibulären Schaden mit leichten Folgen sprechen. Nach der Tabelle von Stoll bedeute dies, dass die MdE mit 20 v. H. einzuschätzen sei. Die Abweichung von den Vorgutachten bestehe darin, dass durch die Anwendung eines speziellen, auf die Otolithenorgane bezogenen Funktionstests ein organischer Schaden im Gleichgewichtsorgan zweifelsfrei habe dokumentiert werden können. Diese Untersuchung sei aus apparativen Gründen von den Vorgutachtern nicht berücksichtigt worden. Auch im vorliegenden Gutachten fänden sich Hinweise auf eine zervikale Beteiligung bei der Schwindelursache. Diese sei dokumentiert durch die Blockierung im Bereich der Kopfgelenke. Trotzdem sei es nicht gelungen, einen objektivierbaren Beweis für die Zusammenhänge mit dem Un-fallereignis herzustellen, so dass keine klaren Ursachenzusammenhänge hätten hergestellt werden können. Zu dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E hat Dr. H ausgeführt, es sei Prof. Dr. B darin zuzustimmen, dass es Prof. Dr. E nicht gelungen sei, das positive Vorliegen eines zervikalen Schwindels zu dokumentieren.
Die Beklagte hat sich der Auffassung des Sachverständigen Dr. H nicht anzuschließen vermocht und sich auf eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. B vom 27. Februar 2007 bezogen. Prof. Dr. B hat u. a. ausgeführt, auch bei den Gleichgewichtsprüfungen durch Dr. Helling seien keine pathologischen Befunde erhoben worden. Weiter hat Prof. Dr. B darauf verwiesen, dass die Messung der Otolithenfunktion noch in den Kinderschuhe stecke. Nur wenige Institute seien in der Lage, diese zu messen. Dabei seien weder die Messapparaturen noch die erhaltenen Ergebnisse standardisiert oder normiert. Die Überprüfung besitze daher weiterhin einen eher experimentellen Charakter. In dem Gutachten von Dr. H werde auch nicht darauf eingegangen, ob auf den Unfall, der acht Jahre vor dem Untersuchungsdatum stattgefunden habe, überhaupt noch Veränderungen im Bereich des Otolithenorgans mit der notwendigen Wahr-scheinlichkeit zurückgeführt werden könnten. Dr. H habe zwar ausgeführt, dass stumpfe Schädel-Hirn-Traumen geeignet seien, die Otolithen teilweise oder vollständig aus dem Netzwerk und damit von den Sinnesfasern zu reißen. Damit beschreibe der Sachverständige aber ein vollkommen anderes Krankheitsbild, nämlich den paroxysmalen benignen Lagerungsschwindel, bei dem herausgerissene Gleichgewichtssteine sich an einem anderen Ort platzierten und dort Schwindel auslösten. Dieser Schwindel sei aber keinesfalls, und dies sei durch alle Gutachten nachgewiesen, vorhanden. Auch sei in jedem Lehrbuch nachzulesen, dass abgerissene Gleichgewichtssteinchen sich nach einer gewissen Zeit auflösten und dies werde nach Tagen oder Wochen bemessen. Die Argumentation des Dr. H sei daher in sich nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des am 08. September 1998 erlittenen Arbeitsunfalls. Das Urteil des Sozialgerichts vom 15. August 2003 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Danach müssen als Voraussetzung der Gewährung der Verletztenrente die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (Bundessozialgericht (BSG) in SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m. w. N.). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterli-che Überzeugung gestützt werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Das die gesetzliche Unfallversicherung beherrschende Prinzip der abstrakten Scha-densbemessung besagt, dass die Entschädigung nach dem Unterschied der auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens bestehenden Erwerbsmöglichkeiten vor und nach dem Arbeitsunfall zu bemessen ist (vgl. BSGE 31, 158; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Es kommt hierbei nicht maßgeblich darauf an, in welchem Umfang der Verletzte in der Ausübung der bisherigen versicherten Tätigkeit beeinträchtigt ist. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch die Unfallfolgen eingeschränkt werden, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987 – 2 RU 42/86 - m. w. N., zitiert nach juris). Bei der Bildung der MdE sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die mit Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stehen.
Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 2000 ergibt, hat die Beklagte das Ereignis vom 08. September 1998 als Arbeitsunfall und als seine Folgen zentrale Gleichgewichtsstörungen bei Schädigung zentralvestibulärer Strukturen nach Schädelprellung mit Stauchung der Halswirbelsäule und Unterarmprellung links bereits anerkannt.
Nach dem Ergebnis der umfänglichen medizinischen Ermittlungen ist der Senat davon überzeugt, dass die weiteren Gesundheitsstörungen, an denen der Kläger leidet, nicht wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Insbesondere stehen das chronisch wiederkehrende Halswirbelsäulensyndrom mit Bewegungsstörungen bei einem degenerativen Bandscheibenleiden mit Osteochondrose C 4 bis C 6, die geringgradige Osteochondrose und Spondylose an der Brustwirbelsäule mit Fehlhaltung, die Hochtonstörung rechts und eine gering bis mittelgradig kombinierte Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr nicht wahrscheinlich in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Ein Ursachenzusammenhang zwischen diesen Gesundheitsstörungen und dem Arbeitsunfall ist in der überwiegenden Anzahl der im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten und gutachterlichen Stellungnahmen verneint worden. Dabei handelt es sich um die Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. A vom 21. November 1999 und 24. Juni 2000, des Neurologen und Psychiaters Dr. H vom 04. Juni 2000, des Chirurgen Dr. K vom 06. Juli 2000, des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Prof. Dr. E vom 13. Mai 2002 nebst den Stellungnahmen vom 28. Januar 2003 und 17. Mai 2004, der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte Prof. Dr. B/Dr. C vom 28. Oktober 2003, des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. J vom 12. Februar 2005 und des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. H vom 14. Oktober 2006 und die gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. J vom arbeitsmedizinischen Dienst der Beklagten vom 24. Juli 2002, 01. April 2003 und 23. Juni 2004 sowie von Prof. Dr. B vom 26. Juli 2004 und 27. Februar 2007.
Allein die Neurochirurgen Dr. M/Dr. G vertreten in ihrem Gutachten vom 26. November 1998 die Auffassung, der Kläger leide an einem unfallbedingten HWS-Syndrom. Das Sozialgericht hat nach Auswertung der medizinischen Gutachten aber zutreffend ausgeführt, dass diese Auffassung allenfalls für den damaligen Zeitpunkt im Sinne der Annahme einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden HWS-Leidens bzw. eines durch entsprechende Vorschäden verzögerten Heilungsverlaufs einer HWS-Stauchung bzw. -Distorsion zutreffend gewesen sein möge, nicht jedoch für die hier maßgebliche Zeit über den 06. März 2000 hinaus. Denn nachhaltige traumatische Verletzungen der HWS-Strukturen sind, wie die bildgebenden Befunde belegen, auch nicht in Gestalt der als Möglichkeit in Betracht gezogenen stärkeren Kopfgelenkstraumatisierung nachgewiesen.
Die Diskussion der Sachverständigen und Gutachter hat sich hauptsächlich darauf konzentriert, ob bei dem Kläger ein zentraler oder vertebragener oder ein anderer Schwindel vorliegt. Da zentrale Gleichgewichtsstörungen bei Schädigung zentralvestibulärer Strukturen in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten aber bereits mit bindender Wirkung für die Beteiligten und damit auch für das Gericht anerkannt sind, kann es Aufgabe des Senats daher nur noch sein, die damit einhergehenden Funkti-onsstörungen und deren Umfang zur Bemessung der MdE im Einzelnen festzustellen.
Nach der unfallmedizinischen Literatur geht eine Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans meist mit Schwindel (Dreh-, Schwank- oder Liftschwindel) einher. Ohnmachtsähnliche Zustände sind kreislaufbedingt oder als diffuser Hirnschwindel anzusehen. Bei genauer Beurteilung vestibulärer Störungen kommt es darauf an, welcher Grad von vestibulärer Reaktion bei welchem Grad der Belastung auftritt. Nach den Tabellen von Stoll werden fünf Intensitätsstufen der labyrinthären Reaktion unterschieden und fünf Stufen der Belastung des gleichgewichtsregulierenden Systems gegenübergestellt, die im alltäglichen Leben auftreten. Aus der Kombination der Belastungs- und Intensitätsstufen ergibt sich dann die MdE für vestibuläre Störungen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kapitel 7.2.4.).
Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Grundsätze und des beim Kläger festzustellenden Ausmaßes und der Intensität des von der Beklagten anerkannten Schwindels liegt zur Überzeugung des Senats eine MdE in rentenberechtigendem Grad nicht vor.
Der Kläger hat gegenüber den Gutachtern unterschiedliche Angaben zum Ausmaß und zur Intensität der Schwindelerscheinungen gemacht. Gegenüber Dr. K gab er an, einmal in der Woche an Schwindel zu leiden. Gegenüber Prof. Dr. E und Dr. J erklärte er, drei- bis viermal in der Woche an einem etwa fünf- bis zehnminütigem Schwindel zu leiden, der auch im Liegen auftrete. Bei der Untersuchung durch Dr. H gab er an, bei ihm bestehe täglich mehrfach ein zehn- bis fünfzehnminütiger Schwindel.
Allerdings sind die von dem Kläger in unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit dargestellten Schwindelanfälle bei keiner medizinischen Untersuchung objektiviert worden, wie der gerichtliche Sachverständige Dr. J in seinem Gutachten vom 12. Februar 2005 überzeugend ausgeführt und belegt hat. Bei der Erstaufnahme im Klinikum EvB hat sich kein Nystagmus gezeigt, so dass deshalb eine Gleichgewichtsuntersuchung nicht durchgeführt worden ist. In der ersten Zeit nach dem Unfall ist ein Schwindel nicht objektivierbar gewesen, wie sich aus dem Bericht des Neurologen und Psychiaters M vom 18. September 1998 ergibt. Bei der neurochirurgischen Begutachtung durch Dr. M/Dr. G vom 26. November 1998 sind die Hirnnerven bis auf eine bekannte Hörminderung links als intakt beschrieben worden, bei dem Versuch nach Romberg hat der Kläger diffus nach vorn und hinten geschwankt, der Blindgang ist deutlich unsicher gewesen. Eine genaue Vestibularisüberprüfung ist am 26. Februar und 17. März 1999 in der C durchgeführt worden. Hier haben die Untersuchungen weder ei-nen Hinweis auf einen peripheren noch auf einen zentralen Schwindel ergeben. Alle durchgeführten Untersuchungen (Spontan- und Provokationsnystagmus, Lage-, Lagerungsprüfung, Kopflagerungsprüfung und Kalorik) haben unauffällige Befunde ergeben. Nur im Unterberger Tretversuch hat sich eine Drehrichtung nach rechts um 45 Grad (noch normal) gezeigt. Bei der Untersuchung im Ukrankenhaus B am 18. Mai 1999 hat sich im Versuch nach Unterberg eine diskrete Seitenabweichung nach links ergeben. Zudem sind bei den Begutachtungen durch Dr. A alle objektivierbaren Untersuchungsbefunde regelrecht unauffällig gewesen. Gleichwohl hat der Gutachter in nicht nachvollziehbarer Weise die Befunde als normale periphere Labyrintherregbarkeit beidseits bei Vorliegen einer zentralen und vertebragenen Gleichgewichtsirritation bewertet. Dabei hat der Versuch nach Unterberg bei seiner ersten Untersuchung am 17. November 1999 keine Abweichung gezeigt. Auch bei der zweiten Untersuchung durch Dr. A am 22. Juni 2000 ist ein Normalbefund erhoben worden. Bei der Gleichgewichtsuntersuchung durch Prof. Dr. E hat der Kläger im Tretversuch nach Unterberg eine Drehung nach rechts aber eine Fallneigung nach links gezeigt. Die anderen Abweichreaktionen, der Rombergische Versuch und der Zeigeversuch sind unauffällig gewesen. Die kalorische Vestibularisprüfung hat eine symmetrische, eher überschie-ßende Reaktion beider Vestibularisorgane ergeben. Soweit Prof. Dr. E auf die ausdrückliche Nachfrage des Senats in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2003 daran festgehalten hat, dass der Schwindel objektiviert sei, weist Dr. J zu Recht darauf hin, dass der von dem Sachverständigen zur Objektivierung angewendete Halsdrehtest nicht standardisiert und deshalb nicht mehr gebräuchlich ist. Dies ist von Prof. Dr. in seinem Gutachten auch selbst eingeräumt worden. Die fehlende Objektivierung des vom Kläger angegebenen Schwindels wird letztlich auch von Prof. Dr. B in seinen gutachterlichen Stellungnahmen nach Aktenlage und von Dr. H in seinem Gutachten vom 14. Oktober 2006 bestätigt. Dr. H stimmt Prof. Dr. B ausdrücklich darin zu, dass es Prof. Dr. E nicht in überzeugender Weise gelungen sei, das positive Vorliegen eines zervikalen Schwindels zu dokumentieren. Dies sei auch den anderen Gutachtern nicht gelungen. Der Sachverständige Dr. H hat bei seiner Untersuchung keinen Spontan- oder Provokationsnystagmus finden und bei der Lage- und Lagerungsprüfung keine pathologischen Nystagmen provozieren können. Beim Rombergischen Stehversuch hat der Kläger nur eine geringe Fallneigung nach hinten verspürt, beim Unterberger Tretversuch hat sich allenfalls eine geringe Abweichung nach links sowie eine Vorwärtsbewegung von einem Meter nach 30 Schritten gefunden. Bei der Prüfung mittels computergestützter Posturographie (EQUI-Test) hat sich eine geringe Erniedrigung des sen-somotorischen und visuellen Scores gezeigt. Die vestibuläre Funktion ist im Normbereich gewesen, ebenso die visuell vestibuläre Referenz.
Die Einschätzung der MdE mit 30 v. H. durch Prof. Dr. E, der das Sozialgericht gefolgt ist, ist damit nicht durch objektive Befunde abgesichert.
Soweit Dr. H bei seiner Untersuchung einen Schaden der Otolithenorgane links gefunden, diesen für die Macula utriculi als zweifelsfrei gesichert bezeichnet und auf den Arbeitsunfall vom 08. September 1998 zurückgeführt hat, ist schon zweifelhaft, ob die Otolithenfunktionsprüfung valide ist. Wie Prof. Dr. B in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2007 ausgeführt hat, sind bisher weder die Messapparaturen noch die erhal-tenen Ergebnisse standardisiert oder normiert. Diese Art der Otolithenfunktionsprüfung hat weiterhin eher experimentellen Charakter.
Vorliegend kann es jedoch dahinstehen, ob die Messverfahren standardisiert oder normiert sind, denn auch nach den Befundungen von Dr. H ist eine Einschätzung der MdE mit 20 v. H. nicht gerechtfertigt. Zwar ist er bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der beiderseitigen Stimulation der Otolithenorgane sich bei Kippung in beide Richtungen eine deutlich verminderte Sensitivität des Klägers für die Lageänderung zeige. Die Messungen zeigten einen nach seiner Interpretation nicht vollständig kompensierten Schaden des linken Utriculus. Es sei somit ein definitiver, aufgrund des Traumas und der Seitenzu-ordnung in ursächlichem Zusammenhang zu sehender organischer Schaden am linken Gleichgewichtsorgan dokumentiert. Dieser Schaden sei hinreichend geeignet, die von dem Kläger geschilderten Beschwerden zu erklären. Da der Schaden bisher nicht vollständig zentral kompensiert sei, müsse man von einem peripher-vestibulären Schaden mit leichten Folgen sprechen. Dies entspreche nach den Tabellen von Stoll einer MdE von 20 v. H. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. So hat Dr. H seine Annahme, der Schaden der Otolithenorgane links sei wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall vom 08. September 1998 zurückzuführen, nicht näher begründet. Insbesondere hätte er sich, wie Prof. Dr. B in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2007 unter Hinweis auf die medizinische Lehrmeinung ausgeführt hat, mit dem Umstand, dass sich die abgerissenen Gleichgewichtssteinchen innerhalb einer nach Tagen und Wochen bemes-senen Zeit auflösen, auseinandersetzen müssen. Zudem hat Dr. H – wie bereits dargelegt - keine pathologischen Befunde bei der Gleichgewichtsprüfung erhoben, worauf Prof. Dr. B ebenfalls zutreffend hingewiesen hat. Vielmehr stellt Dr. H allein auf die subjektiven Vertikalen des Klägers unter abgestuften statischen Kippreizen ab, ohne sich im Einzelnen mit den im Laufe der Jahre dokumentierten Befunden und den sonstigen Indizien für Ausmaß und Umfang der vom Kläger geklagten Schwindelerscheinungen auseinanderzusetzen. Dazu hätte aber angesichts der schwankenden Angaben des Klägers zu dem nicht objektivierten und im Laufe der Jahre stärker werdend beschriebenen Schwindel, dem langen Zeitablauf seit dem Unfall und dem Leiden des Klägers im Bereich der HWS Veranlassung bestanden. Dr. H beschreibt eher das Krankheitsbild eines paroxysmalen benignen Lagerungsschwindels, bei dem herausgerissene Gleichgewichtssteine sich an einem anderen Ort platzieren und dort Schwindel auslösen, der aber hier in den dafür vorgesehenen standardisierten Testverfahren gerade nicht nachgewiesen ist. Letztlich hat Dr. H auch nicht zu erläutern vermocht, weshalb bei dem von ihm ange-nommenen peripher-vestibulären Schaden mit leichten Folgen die MdE anhand des Schemas nach Stoll mit 20 v. H. einzuschätzen ist. Denn nach der Tabelle C von Stoll (abgedruckt in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kapitel 7.2.4) entspricht dies der Intensitätsstufe 1 bei mittlerer Belastung bzw. der Intensitätsstufe 2 bei hoher Belastung oder der Intensitätsstufe 3 bei sehr hoher Belastung. Angesichts der gegenüber dem Sachverständigen Dr. J geschilderten Freizeitaktivitäten des Klägers, der sowohl Kanu, Fahrrad (10 bis 15 Minuten) als auch gelegentlich Auto fährt und keine Probleme beim Spazierengehen und regelmäßigen Kartenspielen hat, ist eine MdE von 20 v. H. nicht zu rechtfertigen. Denn die schon vom Kläger geschilderten Aktivitäten, die zum Teil hohe (Autofahren) bis sehr hohe (Fahrradfahren) Anforderungen an das Gleichgewichtsorgan stellen (vgl. Belastungsstufen 3 und 4 gemäß der Tabelle A nach Stoll, abgedruckt in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.), sprechen deutlich gegen eine stärkere Beeinträchtigung im alltäglichen Leben durch die geklagten Schwindelbeschwerden. Hinzu kommt, dass sich der Schwindel nicht hat objektivieren lassen und damit auch ein Nachweis für ein Auftreten von über die Intensitätsstufe 0 (Tabelle B nach Stoll, abgedruckt in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.) hinausgehender Anfälle fehlt. Selbst bei Annahme der Intensitätsstufe 1 ergibt sich in Kombination mit den Belastungsstufen 3 oder 4 allenfalls eine MdE von 10 v. H. (vgl. Tabelle C nach Stoll).
Das Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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