Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 13 An 211/83
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14/2 An 730/84
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Rahmen des eigenständigen Anspruchs der Hinterbliebenen im Fremdrentenrecht können auch die Ersatzzeiten des Versicherten längstens bis zum Abschluß der Vertreibung der fremdrentenberechtigten Hinterbliebenen berücksichtigt werden (Weiterentwicklung von BSG vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79 = BSGE 49, 175).
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 1984 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin bezieht eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 1973 verstorbenen Ehemanns (Versicherter). Streitig ist, ob die Beklagte einen mit dem Ziel der Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit (7. Mai 1946 bis 18. August 1959) gestellten Überprüfungsantrag der Klägerin zu Recht abschlägig beschieden hat.
Der Versicherte wurde am 1894 in (damals ) geboren. Er gehörte der griechisch-katholischen Konfession an. Welche Volkszugehörigkeit bzw. Staatsangehörigkeit der Versicherte bei seiner Geburt und in der nachfolgenden Zeit hatte, ist zwischen den Beteiligten zum Teil streitig. Im Jahre 1915 kam der Versicherte nach Regierungsbezirk im Sudetenland (heute Tschechoslowakei). Er war hier bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Härtemeister bei den Werken, einem Rüstungsbetrieb, versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem seine erste Ehe mit einer Tschechoslowakin geschieden worden war, schloß der Versicherte am 1939 vor dem Standesamt die Ehe mit der am 1912 geborenen Klägerin.
Bei Kriegsende wurde der Versicherte zunächst interniert. Anschließend befand er sich bis zu dem am 31. März 1947 durch das außerordentliche Volksgericht erfolgten Freispruch von dem Vorwurf der Unterstützung der nationalsozialistischen Bewegung in tschechoslowakischer Haft. Nach seiner Entlassung war der Versicherte den Angaben der Klägerin zufolge sodann vom 5. September 1947 bis zum 30. September 1948 bei den Werken in und anschließend in der Zeit vom 18. Oktober 1948 bis zum 9. März 1950 bei derselben Firma im Werk versicherungspflichtig beschäftigt. Bis zu seinem Tode bezog der Versicherte sodann in der Tschechoslowakei eine Rente. Einer Mitteilung der Militärmission der Tschechoslowakei in vom 18. Juli 1977 zufolge war der Versicherte zur Zeit seines Todes tschechoslowakischer Staatsbürger und bekannte sich zur tschechischen Nationalität.
Die Klägerin ist im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Sie wurde im März 1946 von den tschechoslowakischen Behörden aus ausgewiesen und hat seit dem 6. Mai 1946 ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Klägerin ist im Besitze eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge "A” (Heimatvertriebene). Im Jahre 1961 wurde die Schreibweise ihres Familiennamens offiziell von in geändert. Nachdem sie im Jahre 1949 den Kontakt zu ihrem Ehemann verloren hatte, bezog die Klägerin in der Zeit ab 1. April 1952 aus dessen Versicherung zunächst eine sog. Verschollenen-Witwenrente. Im Dezember 1972 teilte die Nachforschungsstelle des Deutschen Roten Kreuzes der Klägerin schließlich mit, daß ihr Ehemann in der Tschechoslowakei lebe. Noch bevor sie mit ihm in Kontakt treten konnte, erreichte die Klägerin sodann die Nachricht vom Tode des Versicherten ( 1973).
Mit Bescheid vom 20. August 1973 und Änderungsbescheid vom 7. August 1974 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab 6. Januar 1973 die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen. Die von ihm zurückgelegten Versicherungszeiten wurden bei der Rentenberechnung lediglich für die Zeit bis zur Vertreibung der Klägerin (6. Mai 1946) berücksichtigt, wodurch die Hinterbliebenenrente nicht den Zahlbetrag der vorangegangenen Verschollenen-Witwenrente erreichte. Die Klägerin erhob bezüglich der Rentenberechnung Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S-6/An-865/74), nahm diese Klage wenig später (ihren Angaben zufolge "aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen”) wieder zurück und schaltete das Bundesversicherungsamt ein, das sich dem Anliegen der Klägerin annahm und einen längeren Schriftwechsel mit der Beklagten führte. Bei dieser Gelegenheit gelangte die Beklagte zu dem Ergebnis, daß bei der Rentenberechnung irrtümlicherweise eine Ersatzzeit vom 5. Mai 1945 bis zum 6. Mai 1946 nach § 28 Abs. 1 Nr. 5 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) berücksichtigt worden sei, obwohl der Versicherte nicht zum Personenkreis des § 1 Häftlingshilfegesetz (HHG) gehört habe, weil er kein deutscher Volkszugehöriger oder deutscher Staatsangehöriger gewesen sei. Die Beklagte setzte die Klägerin hiervon durch eine – nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene – sog. Aussparungsmitteilung vom 21. Oktober 1977 in Kenntnis.
Die Klägerin erhob gegen diese Mitteilung am 13. April 1978 mit Schreiben vom 4. April 1978 Widerspruch und beantragte gleichzeitig mit Schreiben vom 31. März 1978 die Neuberechnung ihrer Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung der von ihrem Ehemann nach dem 6. Mai 1946 zurückgelegten Versicherungszeiten. Mit "Bescheid und Mitteilung” vom 23. Januar 1979 wiederholte die Beklagte daraufhin sowohl bezüglich der Aussparungsmitteilung als auch bezüglich der Nichtberücksichtigung der nach der Vertreibung der Klägerin zurückgelegten Versicherungszeiten ihre Rechtsauffassung. Die Klägerin erhob am 26. Februar 1979 Klage gegen die Aussparungsmitteilung bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S-13/An-69/79) und legte gegen die Ablehnung ihres Überprüfungsantrags Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1979 zurückgewiesen wurde. Die anschließend in dieser Angelegenheit bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S-13/An-308/79) erhobene weitere Klage wurde seitens des Sozialgerichts durch Beschluss vom 12. August 1980 mit der zuvor erhobenen Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Sozialgericht vertrat die Auffassung, daß die Bescheide vom 23. Januar 1979 und vom 27. Juni 1979 Gegenstand des die Aussparungsmitteilung vom 21. Oktober 1977 betreffenden Widerspruchsverfahrens geworden seien und verpflichtete die Beklagte mit rechtskräftigem Urteil vom 22. Juni 1981 (Az.: S-13/An-69/79), das Vorverfahren unter Einbeziehung der Folgebescheide durchzuführen und einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Die Beklagte half dem Begehren der Klägerin sodann hinsichtlich der Aussparungsmitteilung mit Bescheid vom 1. September 1981 ab und teilte ihr anschließend mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 1983 mit, sie habe sich nicht davon überzeugen können, daß hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der nach der Vertreibung der Klägerin zurückgelegten Versicherungszeiten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder das Recht unrichtig angewandt worden sei. Die der Klägerin durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten wurden zu einem Viertel von der Beklagten übernommen.
Die Klägerin erhob daraufhin erneut Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S-13/An-211/83; Vorinstanz des jetzigen Berufungsverfahrens) und machte geltend, daß der Versicherte als deutscher Volkszugehöriger bzw. deutscher Staatsangehöriger nach dem Zweiten Weltkrieg durch die staatlichen Behörden der Tschechoslowakei an dem Zuzug ins Bundesgebiet gehindert worden sei. Sie vertrat die Auffassung, daß die Zeit der verhinderten Rückkehr bzw. des Festgehaltenwerdens des Versicherten bei der Berechnung ihrer Hinterbliebenenrente über den Zeitpunkt ihrer eigenen Vertreibung (6. Mai 1946) hinaus bis zum vollendeten 65. Lebensjahr des Versicherten (18. August 1959) berücksichtigt werden müsse. Die Beklagte blieb demgegenüber bei der schon im Verwaltungsverfahren von ihr vertretenen Auffassung.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 26. März 1984 (aufgrund eines Schreibfehlers irrtümlicherweise als Urteil vom 26. März 1983 bezeichnet) verpflichtet, der Klägerin die Hälfte der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, es sei nicht erwiesen, daß der Versicherte durch "feindliche Maßnahmen” in der Tschechoslowakei festgehalten worden sei. Die Beklagte habe deshalb eine Änderung ihrer ursprünglichen Bescheide zu Recht abgelehnt.
Gegen das ihr am 19. April 1984 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Mai 1984 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und vertritt die Auffassung, daß bezüglich des streitigen Zeitraums eine Ersatzzeit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2, gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3, gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 5 oder aber gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG zu berücksichtigen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 1984 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Januar 1979 und vom 27. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1983 zu verurteilen, ihre Bescheide vom 20. August 1973, vom 7. August 1974 und vom 1. September 1981 aufgrund des Neufeststellungsantrags vom 13. April 1978 zu ändern und die der Klägerin gewährte Hinterbliebenenrente unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Ersatzzeit vom 7. Mai 1946 bis zum 18. August 1959 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen neu zu berechnen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie vertritt die Auffassung, daß in der Zeit nach Vertreibung der Klägerin (6. Mai 1946) liegende Ersatzzeiten grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien, und verweist im übrigen darauf, daß das Vorliegen eines Ersatzzeittatbestands für den streitigen Zeitraum weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts schriftliche Auskünfte des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 20. März 1985, vom 3. August 1988 und vom 8. August 1989, der Heimatauskunftsstelle für den Regierungsbezirk vom 11. September 1985 sowie der Frau vom 17. Oktober 1985 eingeholt. Es ist ferner Beweis erhoben worden durch uneidliche Vernehmung der Frau als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Juli 1986.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Versicherten betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 1984 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat es mit den Bescheiden vom 23. Januar 1979 und vom 27. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1983 zu Recht abgelehnt, ihre Rentenbescheide vom 20. August 1973, vom 7. August 1974 und vom 1. September 1981 zu ändern und die der Klägerin gewährte Hinterbliebenenrente aufgrund des Neufeststellungsantrags vom 13. April 1978 unter zusätzlicher Berücksichtigung einer von dem Versicherten in der Zeit vom 7. Mai 1946 bis zum 18. August 1959 zurückgelegten Ersatzzeit neu zu berechnen. Denn auch im Rahmen der von der Klägerin beantragten nochmaligen Überprüfung der bezüglich der Nichtberücksichtigung dieses Zeitraums unanfechtbar gewordenen Verwaltungsentscheidungen haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, aufgrund deren die ursprünglichen Bescheide der Beklagten im Ergebnis als fehlerhaft erscheinen könnten.
Ein Verwaltungsakt ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB 10) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei Erlaß des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Die am 1. Januar 1981 in Kraft getretene Vorschrift des § 44 SGB 10 ist im vorliegenden Fall anwendbar, obgleich die Verwaltungsentscheidung, deren nochmalige Überprüfung die Klägerin begehrt, bereits in den Jahren 1973 bzw. 1974 getroffen wurde. Denn wie sich aus der Übergangsvorschrift des Art. II § 40 Abs. 2 SGB 10 ergibt, kommt es für die Anwendung des § 44 SGB 10 nur darauf an, daß die Verwaltungsentscheidung über die Aufhebung eines Bescheides nach dem 31. Dezember 1980 getroffen wird oder getroffen werden soll. Daß der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist, hat demgegenüber keine Bedeutung (vgl. BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 102). Da die Beklagte den Neufeststellungsantrag der Klägerin erst durch ihren Widerspruchsbescheid vom 14. April 1983 abschließend beschieden hat, war bei Erlaß dieses Bescheides nicht mehr § 59 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) alter Fassung (a.F.), sondern bereits § 44 SGB 10 als Rechtsgrundlage heranzuziehen.
Nach neuem Recht ist es – entgegen der von der Beklagten anfänglich vertretenen Auffassung – für eine etwaige Rücknahme des ursprünglichen Verwaltungsaktes gemäß § 44 SGB 10 nicht (mehr) von Bedeutung, ob der Sozialleistungsträger entsprechend der bis zum 31. Dezember 1980 maßgeblich gewesenen Rechtslage von der Unrichtigkeit des Bescheides "überzeugt” ist oder als überzeugt gelten muß (vgl. BSG vom 31. August 1983 – 2 RU 22/83; BSG vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80 = BSGE 54, 223 und BSG vom 21. Juni 1983 – 4 RJ 69/82 = SozR 2200 § 1251 Nr. 102). Denn im Rahmen des § 44 SGB 10 kommt es nur auf die "einfache Rechtswidrigkeit” des zurückzunehmenden Verwaltungsaktes an. Ein Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nicht überprüfbar wäre, steht der Behörde hinsichtlich der Beurteilung der Rechtswidrigkeit nicht (mehr) zu (vgl. BSG vom 27. April 1982 – 1 RJ 84/80 = BSGE 53, 235; BSG vom 20. April 1983 – 5 a RKnU 2/81 = BSGE 55, 87; BSG vom 25. Oktober 1984 – 11 RAz 3/83 = SozR 1300 § 44 Nr. 13; BSG vom 30. Januar 1985 – 1 RA 57/83). Zu fordern ist jedoch, daß sich nachträglich aufgrund einer besseren Erkenntnis eine andere Beurteilung der Tatsachenlage ergibt (vgl. BVerwGE 18, 168) oder daß sich die bei Erlaß des Verwaltungsakts als vermeintlich zutreffend zugrunde gelegte Rechtslage nach späterer geläuterter Rechtsauffassung als unrichtig erweist (vgl. BVerwGE 13, 28). Dem rechtswidrigen Erlaß eines Verwaltungsakts steht es gleich, wenn der Eintritt neuer Umstände dazu führt, daß er rückblickend als rechtswidrig ergangen anzusehen ist. Solche neuen Umstände können sich insbesondere aus rückwirkend inkraftgetretenen Rechtsänderungen ergeben, die dem ursprünglichen Verwaltungsakt den rechtlichen Boden entziehen (vgl. BVerwG vom 13. September 1972 – VIII C 85/70).
Im vorliegenden Fall haben sich sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht keine neuen Gesichtspunkte ergeben, aufgrund deren die Nichtberücksichtigung des (allein noch streitigen) Zeitraums vom 7. Mai 1946 bis zum 18. August 1959 als Ersatzzeit des Versicherten im Nachhinein als rechtswidrig angesehen werden könnte.
Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin als anerkannte Vertriebene im Sinne von § 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz –BVFG–) zum Personenkreis des § 1 lit. a Fremdrentengesetz (FRG) gehört und nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 24. Februar 1966 – 12 RJ 28/63 = BSGE 24, 251; BSG vom 17. März 1967 – 11 RA 292/65; BSG vom 15. November 1973 – 11 RA 18/73 = BSGE 36, 255; BSG vom 19. März 1976 – 1 RA 62/75 = BSGE 41, 257; divergierend: BSG vom 23. März 1977 – 4 RJ 121/75 = BSGE 43, 224; klarstellend: BSG GS vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79 = BSGE 49, 175) einen sog. eigenständigen (originären) Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach den Grundsätzen des Fremdrentenrechts hat. Für diesen Anspruch ist es unbeachtlich, ob der Versicherte, von dem die Klägerin ihre Rentenberechtigung herleitet, selbst Vertriebener war oder nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Versicherte mutmaßlich später den Status eines anerkannten Vertriebenen erhalten hätte und ob er bereits vor oder erst nach der Vertreibung der Hinterbliebenen verstorben ist. Denn zur Erfüllung des sog. eigenständigen Anspruchs für Hinterbliebene im Fremdrentenrecht genügt es, wenn der Hinterbliebene die persönlichen Voraussetzungen, der verstorbene Versicherte aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach dem Fremdrentengesetz erfüllt. Der Hinterbliebene muß also zu dem durch das Fremdrentenrecht begünstigten Personenkreis des § 1 lit. a–d FRG gehören, und der verstorbene Versicherte muß sog. Fremdzeiten im Vertreibungsgebiet zurückgelegt haben.
Als für den Hinterbliebenenrentenanspruch maßgebliche Fremdzeiten kommen dabei grundsätzlich sowohl die von den speziellen Vorschriften der §§ 15 und 16 FRG erfaßten Beitrags- und Beschäftigungszeiten des Versicherten als auch die gemäß § 14 FRG nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften zu berücksichtigenden (und im vorliegenden Fall streitigen) Ersatzzeiten des § 28 Abs. 1 Nr. 2 AVG, des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG (vgl. dazu BSG vom 19. März 1976 – 11 RA 62/75), des § 28 Abs. 1 Nr. 5 AVG (vgl. BSG vom 30. August 1979 – 4 RJ 119/78) und des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG (vgl. BSG vom 22. April 1986 – 1 RA 73/84) in Betracht. Für die Feststellung der nach dem FRG erheblichen Tatsachen genügt es insoweit gemäß § 4 Abs. 1 FRG, wenn sie glaubhaft gemacht sind.
Wie der Große Senat des Bundessozialgerichts bereits in seinem grundlegenden Beschluss vom 6. Dezember 1979 (– GS 1/79 = BSGE 49, 175 = SozR 5050 § 15 Nr. 13) hervorgehoben hat, muß die Berücksichtigung der sog. Fremdzeiten des Versicherten im Rahmen des eigenständigen Rentenanspruchs der Hinterbliebenen nach dem Fremdrentenrecht allerdings dort ihre Grenze finden, wo sich im Vergleich zu den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Rentenversicherungsrechts eine über den das FRG beherrschenden Eingliederungsgedanken hinausgehende, nicht mehr sachgerechte Begünstigung des FRG-Berechtigten ergeben würde.
Der das gesamte FRG prägende Gedanke der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge in die neue Heimat hat im Prinzip zum Inhalt, daß die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche des berechtigten Personenkreises so behandelt werden sollen, als ob die Vertriebenen und Flüchtlinge ihre Arbeits- und Versicherungsleben in der Bundesrepublik zurückgelegt hätten (vgl. Bundestags-Drucksache III/1109, S. 36). Wie sich insbesondere aus dem Wortlaut des § 16 FRG (" vor der Vertreibung verrichtete Beschäftigung ”), als der ausgeprägtesten Umschreibung des Eingliederungsgedankens ergibt, stellt das FRG in diesem Zusammenhang maßgeblich auf den Umstand einer Vertreibung ab und geht ganz allgemein von dem Grundsatz aus, daß dem Versicherten Ersatz für den durch die Vertreibung erlittenen Verlust seiner bisherigen Rechte zu gewähren ist. Die Vertreibung als schädigendes Ereignis bildet damit den Maßstab zur Ermittlung des im Rahmen einer Eingliederung des Berechtigten auszugleichenden Vertreibungsverlustes.
Bezogen auf die Berücksichtigungsfähigkeit sog. Fremdzeiten bedeutet dies in zeitlicher Hinsicht zunächst, daß bei einem Versicherten, der selbst zum berechtigten Personenkreis des § 1 FRG gehört, die nach Abschluß seiner Vertreibung bzw. nach vollzogener Eingliederung von ihm als "Inländer” zurückgelegten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten durch das FRG nicht mehr erfaßt werden (vgl. BSG vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79 = BSGE 49, 175, 189; BSG vom 17. November 1987 – 4 a RJ 73/86). Im Rahmen des eigenständigen, vom Recht des Versicherten losgelösten Anspruchs der Hinterbliebenen im Fremdrentenrecht kommt es für die Berücksichtigung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten demgegenüber maßgeblich auf deren eigenen Schicksalsverlauf an. Das Vertreibungsschicksal dieser Hinterbliebenen jedoch hat mit ihrer eigenen Vertreibung sein Ende gefunden, so daß dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Gleichrangigkeit nicht selbst erworbener Rentenanwartschaften mit eigenständigen Rentenanwartschaften ein über den Eingliederungsgedanken des FRG hinausgehendes Gewicht beigelegt werden würde, wenn auch die nach Vertreibung der Hinterbliebenen zurückgelegten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten noch Berücksichtigung fänden. Die Hinterbliebenen mit eigenständiger FRG-Berechtigung würden andernfalls nämlich in nicht mehr zu rechtfertigender Weise besser gestellt werden als Inländer, die fremde Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nur auf der Grundlage zwischenstaatlichen Rechts angerechnet bekommen können (vgl. BSG vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79 = BSGE 49, 175, 190).
Hinsichtlich der im vorliegenden Fall streitigen Frage, bis zu welchem Zeitpunkt etwaige Ersatzzeiten des Versicherten im Rahmen des eigenständigen Anspruchs seiner Hinterbliebenen im Fremdrentenrecht zu berücksichtigen sind, kann zur Überzeugung des Senats nichts anderes gelten. Zwar hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts es in einer Entscheidung vom 19. März 1976 ("Paschakarnis” – 11 RA 62/75 = BSGE 41, 257) als nicht ausgeschlossen bezeichnet, "daß die vom Versicherten nach der Vertreibung der Hinterbliebenen noch zurückgelegten Zeiten möglicherweise als Ersatzzeiten zu berücksichtigen” seien, weil es insoweit allein um die Frage gehe, ob der Versicherte an der Zurücklegung bundesdeutscher Beitragszeiten verhindert gewesen sei. Die Beklagte hat insoweit jedoch zu Recht darauf hingewiesen, daß die Frage, ob nach Vertreibung des Hinterbliebenen im Herkunftsland zurückgelegte Zeiten als Ersatzzeiten zu berücksichtigen sind, nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 6. Dezember 1979 (– GS 1/79 = BSGE 49, 175) neu beurteilt werden muß.
Wenn die Lebensumstände des Versicherten nach der Vertreibung des Hinterbliebenen im Rahmen der Berücksichtigung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten unbeachtlich sein sollen, dann besteht keine Veranlassung, hinsichtlich der Anrechnung von Ersatzzeiten, die nur ein Surrogat für Beitragszeiten in bestimmten Zeiten des Beitragsausfalls sind, gleichwohl noch auf das weitere Schicksal des Versicherten zurückzugreifen. Es erscheint bereits fraglich, ob ohne dogmatischen Bruch zum einen für die Begründung eines eigenständigen, vom Recht des Versicherten losgelösten Anspruchs der Hinterbliebenen allein auf deren Schicksalsverlauf und andererseits, nämlich zur Inhaltsbestimmung dieses Anspruchs, über den konkret vorliegenden Vertreibungsfall hinausgehend auf die Lebensumstände des selbst nicht fremdrentenberechtigten Versicherten abgestellt werden darf. Der vom Großen Senat des Bundessozialgerichts (– GS 1/79 = BSGE 49, 175, 190) gegebene Hinweis, daß es unter dem Gesichtspunkt eines eigenständigen Anspruchs des Hinterbliebenen "folgerichtig” sei, allein das Vertreibungsschicksal dieses Hinterbliebenen als maßgeblich anzusehen und ihn nach Abschluß seiner Vertreibung rentenrechtlich wie einen Inländer zu behandeln, erscheint nicht nur für Beitrags- und Beschäftigungszeiten, sondern erst recht auch für die im vorliegenden Fall umstrittenen Ersatzzeiten als einleuchtend und überzeugend.
Abgesehen davon steht freilich auch bereits der das FRG prägende Eingliederungsgedanke einer unbegrenzten Berücksichtigung von Ersatzzeiten des Versicherten zugunsten der Hinterbliebenen entgegen. Denn wie sich aus § 14 FRG ergibt, sind die "allgemeinen Vorschriften” (des AVG) über die Berücksichtigung von Ersatzzeiten auf den Personenkreis der FRG-Berechtigten nicht schrankenlos, sondern im Lichte der für das Fremdrentenrecht zu beachtenden Besonderheiten anzuwenden. Das bedeutet, daß für die Anwendung der allgemeinen Vorschrift des § 28 AVG insoweit im Hinblick auf den insbesondere in § 16 FRG zum Ausdruck gebrachten Eingliederungsgedanken dort eine rechtliche Grenze zu ziehen ist, wo die (weitergehende) Anrechnung von Ersatzzeiten des Versicherten zugunsten seiner fremdrentenberechtigten Hinterbliebenen mit der Struktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre. Auf diese sich aus dem Eingliederungsgedanken ergebende Grenzziehung hat der Große Senat des Bundessozialgerichts wiederholt hingewiesen (vgl. zuletzt: BSG GS vom 25. November 1987 – GS 2/85 = BSGE 62, 255 = SozR 5050 § 15 Nr. 35).
Die Berücksichtigung von Ersatzzeiten des Versicherten, die erst nach Abschluß der – anspruchsbegründenden – Vertreibung seiner Hinterbliebenen zurückgelegt worden sind, wäre mit der Struktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar, denn die Annahme eines eigenständigen Anspruchs der Hinterbliebenen im Fremdrentenrecht beruht nicht zuletzt auf der Überlegung, daß es nicht gerechtfertigt ist, die Hinterbliebene eines vor der eigenen Vertreibung verstorbenen Versicherten schlechter zu stellen als die Witwe eines im Bundesgebiet anerkannten Vertriebenen, die gemeinsam mit dem Versicherten vertrieben wurde. Die Hinterbliebenen sollen durch die Zubilligung einer eigenständigen FRG-Berechtigung vor den Nachteilen bewahrt werden, die sich andernfalls im Sinne eines gänzlich zu verneinenden Rentenanspruchs aus der fehlenden Vertreibung des Versicherten ergeben würden. Daß ihnen über den Ausgleich dieser Nachteile hinausgehend auch nach Abschluß ihres Vertreibungsschicksals, d.h. für Zeiten, in denen sie rentenrechtlich als Inländer zu behandeln sind, noch eine besondere, sich aus dem Eingliederungsgedanken ergebene Privilegierung zuteil werden müßte, ist demgegenüber nicht erkennbar.
Abgesehen davon, daß der Überprüfungsantrag der Klägerin schon aus diesen grundsätzlichen Erwägungen keinen Erfolg haben kann, würde eine Anrechnung des streitigen Zeitraums als Ersatzzeit überdies aber auch daran scheitern, daß die Voraussetzungen der im einzelnen streitigen Ersatzzeittatbestände weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sind. Denn Ersatzzeiten im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 2, des § 28 Abs. 1 Nr. 3, des § 28 Abs. 1 Nr. 5 oder des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG können grundsätzlich nur von deutschen Volkszugehörigen bzw. von deutschen Staatsangehörigen zurückgelegt werden (vgl. BSGE 25, 295, 297; BSG vom 21. September 1971 – 12/11 RA 142/70; BSG vom 30. Juni 1971 – 12/11 RA 8/70; BSG vom 30. August 1979 – 4 RJ 119/78; BSG vom 22. April 1986 – 1 RA 73/84 = SozR 2200 § 1251 Nr. 119) und es kann zur Überzeugung des Senats nicht als nachgewiesen oder glaubhaft gemacht angesehen werden, daß der Versicherte zu diesem Personenkreis gehörte. Deutscher Volkszugehöriger ist der Vorschrift des § 6 BVFG zufolge, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung oder Kultur bestätigt wird. Eine lediglich "positive Einstellung zum Deutschtum” genügt insoweit hingegen nicht, denn sie kann auch ein Nichtdeutscher haben (vgl. BSG vom 17. Dezember 1976 – 5 RJ 52/76). Im vorliegenden Fall besteht zur Überzeugung des Senats in der Tat die gute Möglichkeit, daß der Versicherte ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelegt und später auch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Bei sorgfältiger Prüfung aller Einzelumstände des vorliegenden Falles spricht für diese Annahme im Ergebnis letztlich aber nicht mehr als dagegen, so daß die von der Klägerin behaupteten Tatsachen nicht als überwiegend wahrscheinlich und damit nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden können. Die verbleibenden Zweifel müssen nach dem Grundsatz der sog. objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin gehen.
Die Berufung der Klägerin konnte damit im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG); die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin bezieht eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 1973 verstorbenen Ehemanns (Versicherter). Streitig ist, ob die Beklagte einen mit dem Ziel der Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit (7. Mai 1946 bis 18. August 1959) gestellten Überprüfungsantrag der Klägerin zu Recht abschlägig beschieden hat.
Der Versicherte wurde am 1894 in (damals ) geboren. Er gehörte der griechisch-katholischen Konfession an. Welche Volkszugehörigkeit bzw. Staatsangehörigkeit der Versicherte bei seiner Geburt und in der nachfolgenden Zeit hatte, ist zwischen den Beteiligten zum Teil streitig. Im Jahre 1915 kam der Versicherte nach Regierungsbezirk im Sudetenland (heute Tschechoslowakei). Er war hier bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Härtemeister bei den Werken, einem Rüstungsbetrieb, versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem seine erste Ehe mit einer Tschechoslowakin geschieden worden war, schloß der Versicherte am 1939 vor dem Standesamt die Ehe mit der am 1912 geborenen Klägerin.
Bei Kriegsende wurde der Versicherte zunächst interniert. Anschließend befand er sich bis zu dem am 31. März 1947 durch das außerordentliche Volksgericht erfolgten Freispruch von dem Vorwurf der Unterstützung der nationalsozialistischen Bewegung in tschechoslowakischer Haft. Nach seiner Entlassung war der Versicherte den Angaben der Klägerin zufolge sodann vom 5. September 1947 bis zum 30. September 1948 bei den Werken in und anschließend in der Zeit vom 18. Oktober 1948 bis zum 9. März 1950 bei derselben Firma im Werk versicherungspflichtig beschäftigt. Bis zu seinem Tode bezog der Versicherte sodann in der Tschechoslowakei eine Rente. Einer Mitteilung der Militärmission der Tschechoslowakei in vom 18. Juli 1977 zufolge war der Versicherte zur Zeit seines Todes tschechoslowakischer Staatsbürger und bekannte sich zur tschechischen Nationalität.
Die Klägerin ist im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Sie wurde im März 1946 von den tschechoslowakischen Behörden aus ausgewiesen und hat seit dem 6. Mai 1946 ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Klägerin ist im Besitze eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge "A” (Heimatvertriebene). Im Jahre 1961 wurde die Schreibweise ihres Familiennamens offiziell von in geändert. Nachdem sie im Jahre 1949 den Kontakt zu ihrem Ehemann verloren hatte, bezog die Klägerin in der Zeit ab 1. April 1952 aus dessen Versicherung zunächst eine sog. Verschollenen-Witwenrente. Im Dezember 1972 teilte die Nachforschungsstelle des Deutschen Roten Kreuzes der Klägerin schließlich mit, daß ihr Ehemann in der Tschechoslowakei lebe. Noch bevor sie mit ihm in Kontakt treten konnte, erreichte die Klägerin sodann die Nachricht vom Tode des Versicherten ( 1973).
Mit Bescheid vom 20. August 1973 und Änderungsbescheid vom 7. August 1974 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab 6. Januar 1973 die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen. Die von ihm zurückgelegten Versicherungszeiten wurden bei der Rentenberechnung lediglich für die Zeit bis zur Vertreibung der Klägerin (6. Mai 1946) berücksichtigt, wodurch die Hinterbliebenenrente nicht den Zahlbetrag der vorangegangenen Verschollenen-Witwenrente erreichte. Die Klägerin erhob bezüglich der Rentenberechnung Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S-6/An-865/74), nahm diese Klage wenig später (ihren Angaben zufolge "aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen”) wieder zurück und schaltete das Bundesversicherungsamt ein, das sich dem Anliegen der Klägerin annahm und einen längeren Schriftwechsel mit der Beklagten führte. Bei dieser Gelegenheit gelangte die Beklagte zu dem Ergebnis, daß bei der Rentenberechnung irrtümlicherweise eine Ersatzzeit vom 5. Mai 1945 bis zum 6. Mai 1946 nach § 28 Abs. 1 Nr. 5 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) berücksichtigt worden sei, obwohl der Versicherte nicht zum Personenkreis des § 1 Häftlingshilfegesetz (HHG) gehört habe, weil er kein deutscher Volkszugehöriger oder deutscher Staatsangehöriger gewesen sei. Die Beklagte setzte die Klägerin hiervon durch eine – nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene – sog. Aussparungsmitteilung vom 21. Oktober 1977 in Kenntnis.
Die Klägerin erhob gegen diese Mitteilung am 13. April 1978 mit Schreiben vom 4. April 1978 Widerspruch und beantragte gleichzeitig mit Schreiben vom 31. März 1978 die Neuberechnung ihrer Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung der von ihrem Ehemann nach dem 6. Mai 1946 zurückgelegten Versicherungszeiten. Mit "Bescheid und Mitteilung” vom 23. Januar 1979 wiederholte die Beklagte daraufhin sowohl bezüglich der Aussparungsmitteilung als auch bezüglich der Nichtberücksichtigung der nach der Vertreibung der Klägerin zurückgelegten Versicherungszeiten ihre Rechtsauffassung. Die Klägerin erhob am 26. Februar 1979 Klage gegen die Aussparungsmitteilung bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S-13/An-69/79) und legte gegen die Ablehnung ihres Überprüfungsantrags Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1979 zurückgewiesen wurde. Die anschließend in dieser Angelegenheit bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S-13/An-308/79) erhobene weitere Klage wurde seitens des Sozialgerichts durch Beschluss vom 12. August 1980 mit der zuvor erhobenen Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Sozialgericht vertrat die Auffassung, daß die Bescheide vom 23. Januar 1979 und vom 27. Juni 1979 Gegenstand des die Aussparungsmitteilung vom 21. Oktober 1977 betreffenden Widerspruchsverfahrens geworden seien und verpflichtete die Beklagte mit rechtskräftigem Urteil vom 22. Juni 1981 (Az.: S-13/An-69/79), das Vorverfahren unter Einbeziehung der Folgebescheide durchzuführen und einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Die Beklagte half dem Begehren der Klägerin sodann hinsichtlich der Aussparungsmitteilung mit Bescheid vom 1. September 1981 ab und teilte ihr anschließend mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 1983 mit, sie habe sich nicht davon überzeugen können, daß hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der nach der Vertreibung der Klägerin zurückgelegten Versicherungszeiten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder das Recht unrichtig angewandt worden sei. Die der Klägerin durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten wurden zu einem Viertel von der Beklagten übernommen.
Die Klägerin erhob daraufhin erneut Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S-13/An-211/83; Vorinstanz des jetzigen Berufungsverfahrens) und machte geltend, daß der Versicherte als deutscher Volkszugehöriger bzw. deutscher Staatsangehöriger nach dem Zweiten Weltkrieg durch die staatlichen Behörden der Tschechoslowakei an dem Zuzug ins Bundesgebiet gehindert worden sei. Sie vertrat die Auffassung, daß die Zeit der verhinderten Rückkehr bzw. des Festgehaltenwerdens des Versicherten bei der Berechnung ihrer Hinterbliebenenrente über den Zeitpunkt ihrer eigenen Vertreibung (6. Mai 1946) hinaus bis zum vollendeten 65. Lebensjahr des Versicherten (18. August 1959) berücksichtigt werden müsse. Die Beklagte blieb demgegenüber bei der schon im Verwaltungsverfahren von ihr vertretenen Auffassung.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 26. März 1984 (aufgrund eines Schreibfehlers irrtümlicherweise als Urteil vom 26. März 1983 bezeichnet) verpflichtet, der Klägerin die Hälfte der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten, und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, es sei nicht erwiesen, daß der Versicherte durch "feindliche Maßnahmen” in der Tschechoslowakei festgehalten worden sei. Die Beklagte habe deshalb eine Änderung ihrer ursprünglichen Bescheide zu Recht abgelehnt.
Gegen das ihr am 19. April 1984 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Mai 1984 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und vertritt die Auffassung, daß bezüglich des streitigen Zeitraums eine Ersatzzeit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 2, gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3, gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 5 oder aber gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG zu berücksichtigen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 1984 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Januar 1979 und vom 27. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1983 zu verurteilen, ihre Bescheide vom 20. August 1973, vom 7. August 1974 und vom 1. September 1981 aufgrund des Neufeststellungsantrags vom 13. April 1978 zu ändern und die der Klägerin gewährte Hinterbliebenenrente unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Ersatzzeit vom 7. Mai 1946 bis zum 18. August 1959 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen neu zu berechnen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie vertritt die Auffassung, daß in der Zeit nach Vertreibung der Klägerin (6. Mai 1946) liegende Ersatzzeiten grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien, und verweist im übrigen darauf, daß das Vorliegen eines Ersatzzeittatbestands für den streitigen Zeitraum weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts schriftliche Auskünfte des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 20. März 1985, vom 3. August 1988 und vom 8. August 1989, der Heimatauskunftsstelle für den Regierungsbezirk vom 11. September 1985 sowie der Frau vom 17. Oktober 1985 eingeholt. Es ist ferner Beweis erhoben worden durch uneidliche Vernehmung der Frau als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Juli 1986.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Versicherten betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 1984 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat es mit den Bescheiden vom 23. Januar 1979 und vom 27. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1983 zu Recht abgelehnt, ihre Rentenbescheide vom 20. August 1973, vom 7. August 1974 und vom 1. September 1981 zu ändern und die der Klägerin gewährte Hinterbliebenenrente aufgrund des Neufeststellungsantrags vom 13. April 1978 unter zusätzlicher Berücksichtigung einer von dem Versicherten in der Zeit vom 7. Mai 1946 bis zum 18. August 1959 zurückgelegten Ersatzzeit neu zu berechnen. Denn auch im Rahmen der von der Klägerin beantragten nochmaligen Überprüfung der bezüglich der Nichtberücksichtigung dieses Zeitraums unanfechtbar gewordenen Verwaltungsentscheidungen haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, aufgrund deren die ursprünglichen Bescheide der Beklagten im Ergebnis als fehlerhaft erscheinen könnten.
Ein Verwaltungsakt ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB 10) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei Erlaß des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Die am 1. Januar 1981 in Kraft getretene Vorschrift des § 44 SGB 10 ist im vorliegenden Fall anwendbar, obgleich die Verwaltungsentscheidung, deren nochmalige Überprüfung die Klägerin begehrt, bereits in den Jahren 1973 bzw. 1974 getroffen wurde. Denn wie sich aus der Übergangsvorschrift des Art. II § 40 Abs. 2 SGB 10 ergibt, kommt es für die Anwendung des § 44 SGB 10 nur darauf an, daß die Verwaltungsentscheidung über die Aufhebung eines Bescheides nach dem 31. Dezember 1980 getroffen wird oder getroffen werden soll. Daß der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist, hat demgegenüber keine Bedeutung (vgl. BSG SozR 2200 § 1251 Nr. 102). Da die Beklagte den Neufeststellungsantrag der Klägerin erst durch ihren Widerspruchsbescheid vom 14. April 1983 abschließend beschieden hat, war bei Erlaß dieses Bescheides nicht mehr § 59 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) alter Fassung (a.F.), sondern bereits § 44 SGB 10 als Rechtsgrundlage heranzuziehen.
Nach neuem Recht ist es – entgegen der von der Beklagten anfänglich vertretenen Auffassung – für eine etwaige Rücknahme des ursprünglichen Verwaltungsaktes gemäß § 44 SGB 10 nicht (mehr) von Bedeutung, ob der Sozialleistungsträger entsprechend der bis zum 31. Dezember 1980 maßgeblich gewesenen Rechtslage von der Unrichtigkeit des Bescheides "überzeugt” ist oder als überzeugt gelten muß (vgl. BSG vom 31. August 1983 – 2 RU 22/83; BSG vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80 = BSGE 54, 223 und BSG vom 21. Juni 1983 – 4 RJ 69/82 = SozR 2200 § 1251 Nr. 102). Denn im Rahmen des § 44 SGB 10 kommt es nur auf die "einfache Rechtswidrigkeit” des zurückzunehmenden Verwaltungsaktes an. Ein Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nicht überprüfbar wäre, steht der Behörde hinsichtlich der Beurteilung der Rechtswidrigkeit nicht (mehr) zu (vgl. BSG vom 27. April 1982 – 1 RJ 84/80 = BSGE 53, 235; BSG vom 20. April 1983 – 5 a RKnU 2/81 = BSGE 55, 87; BSG vom 25. Oktober 1984 – 11 RAz 3/83 = SozR 1300 § 44 Nr. 13; BSG vom 30. Januar 1985 – 1 RA 57/83). Zu fordern ist jedoch, daß sich nachträglich aufgrund einer besseren Erkenntnis eine andere Beurteilung der Tatsachenlage ergibt (vgl. BVerwGE 18, 168) oder daß sich die bei Erlaß des Verwaltungsakts als vermeintlich zutreffend zugrunde gelegte Rechtslage nach späterer geläuterter Rechtsauffassung als unrichtig erweist (vgl. BVerwGE 13, 28). Dem rechtswidrigen Erlaß eines Verwaltungsakts steht es gleich, wenn der Eintritt neuer Umstände dazu führt, daß er rückblickend als rechtswidrig ergangen anzusehen ist. Solche neuen Umstände können sich insbesondere aus rückwirkend inkraftgetretenen Rechtsänderungen ergeben, die dem ursprünglichen Verwaltungsakt den rechtlichen Boden entziehen (vgl. BVerwG vom 13. September 1972 – VIII C 85/70).
Im vorliegenden Fall haben sich sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht keine neuen Gesichtspunkte ergeben, aufgrund deren die Nichtberücksichtigung des (allein noch streitigen) Zeitraums vom 7. Mai 1946 bis zum 18. August 1959 als Ersatzzeit des Versicherten im Nachhinein als rechtswidrig angesehen werden könnte.
Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin als anerkannte Vertriebene im Sinne von § 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz –BVFG–) zum Personenkreis des § 1 lit. a Fremdrentengesetz (FRG) gehört und nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 24. Februar 1966 – 12 RJ 28/63 = BSGE 24, 251; BSG vom 17. März 1967 – 11 RA 292/65; BSG vom 15. November 1973 – 11 RA 18/73 = BSGE 36, 255; BSG vom 19. März 1976 – 1 RA 62/75 = BSGE 41, 257; divergierend: BSG vom 23. März 1977 – 4 RJ 121/75 = BSGE 43, 224; klarstellend: BSG GS vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79 = BSGE 49, 175) einen sog. eigenständigen (originären) Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach den Grundsätzen des Fremdrentenrechts hat. Für diesen Anspruch ist es unbeachtlich, ob der Versicherte, von dem die Klägerin ihre Rentenberechtigung herleitet, selbst Vertriebener war oder nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Versicherte mutmaßlich später den Status eines anerkannten Vertriebenen erhalten hätte und ob er bereits vor oder erst nach der Vertreibung der Hinterbliebenen verstorben ist. Denn zur Erfüllung des sog. eigenständigen Anspruchs für Hinterbliebene im Fremdrentenrecht genügt es, wenn der Hinterbliebene die persönlichen Voraussetzungen, der verstorbene Versicherte aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach dem Fremdrentengesetz erfüllt. Der Hinterbliebene muß also zu dem durch das Fremdrentenrecht begünstigten Personenkreis des § 1 lit. a–d FRG gehören, und der verstorbene Versicherte muß sog. Fremdzeiten im Vertreibungsgebiet zurückgelegt haben.
Als für den Hinterbliebenenrentenanspruch maßgebliche Fremdzeiten kommen dabei grundsätzlich sowohl die von den speziellen Vorschriften der §§ 15 und 16 FRG erfaßten Beitrags- und Beschäftigungszeiten des Versicherten als auch die gemäß § 14 FRG nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften zu berücksichtigenden (und im vorliegenden Fall streitigen) Ersatzzeiten des § 28 Abs. 1 Nr. 2 AVG, des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG (vgl. dazu BSG vom 19. März 1976 – 11 RA 62/75), des § 28 Abs. 1 Nr. 5 AVG (vgl. BSG vom 30. August 1979 – 4 RJ 119/78) und des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG (vgl. BSG vom 22. April 1986 – 1 RA 73/84) in Betracht. Für die Feststellung der nach dem FRG erheblichen Tatsachen genügt es insoweit gemäß § 4 Abs. 1 FRG, wenn sie glaubhaft gemacht sind.
Wie der Große Senat des Bundessozialgerichts bereits in seinem grundlegenden Beschluss vom 6. Dezember 1979 (– GS 1/79 = BSGE 49, 175 = SozR 5050 § 15 Nr. 13) hervorgehoben hat, muß die Berücksichtigung der sog. Fremdzeiten des Versicherten im Rahmen des eigenständigen Rentenanspruchs der Hinterbliebenen nach dem Fremdrentenrecht allerdings dort ihre Grenze finden, wo sich im Vergleich zu den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Rentenversicherungsrechts eine über den das FRG beherrschenden Eingliederungsgedanken hinausgehende, nicht mehr sachgerechte Begünstigung des FRG-Berechtigten ergeben würde.
Der das gesamte FRG prägende Gedanke der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge in die neue Heimat hat im Prinzip zum Inhalt, daß die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche des berechtigten Personenkreises so behandelt werden sollen, als ob die Vertriebenen und Flüchtlinge ihre Arbeits- und Versicherungsleben in der Bundesrepublik zurückgelegt hätten (vgl. Bundestags-Drucksache III/1109, S. 36). Wie sich insbesondere aus dem Wortlaut des § 16 FRG (" vor der Vertreibung verrichtete Beschäftigung ”), als der ausgeprägtesten Umschreibung des Eingliederungsgedankens ergibt, stellt das FRG in diesem Zusammenhang maßgeblich auf den Umstand einer Vertreibung ab und geht ganz allgemein von dem Grundsatz aus, daß dem Versicherten Ersatz für den durch die Vertreibung erlittenen Verlust seiner bisherigen Rechte zu gewähren ist. Die Vertreibung als schädigendes Ereignis bildet damit den Maßstab zur Ermittlung des im Rahmen einer Eingliederung des Berechtigten auszugleichenden Vertreibungsverlustes.
Bezogen auf die Berücksichtigungsfähigkeit sog. Fremdzeiten bedeutet dies in zeitlicher Hinsicht zunächst, daß bei einem Versicherten, der selbst zum berechtigten Personenkreis des § 1 FRG gehört, die nach Abschluß seiner Vertreibung bzw. nach vollzogener Eingliederung von ihm als "Inländer” zurückgelegten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten durch das FRG nicht mehr erfaßt werden (vgl. BSG vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79 = BSGE 49, 175, 189; BSG vom 17. November 1987 – 4 a RJ 73/86). Im Rahmen des eigenständigen, vom Recht des Versicherten losgelösten Anspruchs der Hinterbliebenen im Fremdrentenrecht kommt es für die Berücksichtigung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten demgegenüber maßgeblich auf deren eigenen Schicksalsverlauf an. Das Vertreibungsschicksal dieser Hinterbliebenen jedoch hat mit ihrer eigenen Vertreibung sein Ende gefunden, so daß dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Gleichrangigkeit nicht selbst erworbener Rentenanwartschaften mit eigenständigen Rentenanwartschaften ein über den Eingliederungsgedanken des FRG hinausgehendes Gewicht beigelegt werden würde, wenn auch die nach Vertreibung der Hinterbliebenen zurückgelegten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten noch Berücksichtigung fänden. Die Hinterbliebenen mit eigenständiger FRG-Berechtigung würden andernfalls nämlich in nicht mehr zu rechtfertigender Weise besser gestellt werden als Inländer, die fremde Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nur auf der Grundlage zwischenstaatlichen Rechts angerechnet bekommen können (vgl. BSG vom 6. Dezember 1979 – GS 1/79 = BSGE 49, 175, 190).
Hinsichtlich der im vorliegenden Fall streitigen Frage, bis zu welchem Zeitpunkt etwaige Ersatzzeiten des Versicherten im Rahmen des eigenständigen Anspruchs seiner Hinterbliebenen im Fremdrentenrecht zu berücksichtigen sind, kann zur Überzeugung des Senats nichts anderes gelten. Zwar hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts es in einer Entscheidung vom 19. März 1976 ("Paschakarnis” – 11 RA 62/75 = BSGE 41, 257) als nicht ausgeschlossen bezeichnet, "daß die vom Versicherten nach der Vertreibung der Hinterbliebenen noch zurückgelegten Zeiten möglicherweise als Ersatzzeiten zu berücksichtigen” seien, weil es insoweit allein um die Frage gehe, ob der Versicherte an der Zurücklegung bundesdeutscher Beitragszeiten verhindert gewesen sei. Die Beklagte hat insoweit jedoch zu Recht darauf hingewiesen, daß die Frage, ob nach Vertreibung des Hinterbliebenen im Herkunftsland zurückgelegte Zeiten als Ersatzzeiten zu berücksichtigen sind, nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 6. Dezember 1979 (– GS 1/79 = BSGE 49, 175) neu beurteilt werden muß.
Wenn die Lebensumstände des Versicherten nach der Vertreibung des Hinterbliebenen im Rahmen der Berücksichtigung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten unbeachtlich sein sollen, dann besteht keine Veranlassung, hinsichtlich der Anrechnung von Ersatzzeiten, die nur ein Surrogat für Beitragszeiten in bestimmten Zeiten des Beitragsausfalls sind, gleichwohl noch auf das weitere Schicksal des Versicherten zurückzugreifen. Es erscheint bereits fraglich, ob ohne dogmatischen Bruch zum einen für die Begründung eines eigenständigen, vom Recht des Versicherten losgelösten Anspruchs der Hinterbliebenen allein auf deren Schicksalsverlauf und andererseits, nämlich zur Inhaltsbestimmung dieses Anspruchs, über den konkret vorliegenden Vertreibungsfall hinausgehend auf die Lebensumstände des selbst nicht fremdrentenberechtigten Versicherten abgestellt werden darf. Der vom Großen Senat des Bundessozialgerichts (– GS 1/79 = BSGE 49, 175, 190) gegebene Hinweis, daß es unter dem Gesichtspunkt eines eigenständigen Anspruchs des Hinterbliebenen "folgerichtig” sei, allein das Vertreibungsschicksal dieses Hinterbliebenen als maßgeblich anzusehen und ihn nach Abschluß seiner Vertreibung rentenrechtlich wie einen Inländer zu behandeln, erscheint nicht nur für Beitrags- und Beschäftigungszeiten, sondern erst recht auch für die im vorliegenden Fall umstrittenen Ersatzzeiten als einleuchtend und überzeugend.
Abgesehen davon steht freilich auch bereits der das FRG prägende Eingliederungsgedanke einer unbegrenzten Berücksichtigung von Ersatzzeiten des Versicherten zugunsten der Hinterbliebenen entgegen. Denn wie sich aus § 14 FRG ergibt, sind die "allgemeinen Vorschriften” (des AVG) über die Berücksichtigung von Ersatzzeiten auf den Personenkreis der FRG-Berechtigten nicht schrankenlos, sondern im Lichte der für das Fremdrentenrecht zu beachtenden Besonderheiten anzuwenden. Das bedeutet, daß für die Anwendung der allgemeinen Vorschrift des § 28 AVG insoweit im Hinblick auf den insbesondere in § 16 FRG zum Ausdruck gebrachten Eingliederungsgedanken dort eine rechtliche Grenze zu ziehen ist, wo die (weitergehende) Anrechnung von Ersatzzeiten des Versicherten zugunsten seiner fremdrentenberechtigten Hinterbliebenen mit der Struktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre. Auf diese sich aus dem Eingliederungsgedanken ergebende Grenzziehung hat der Große Senat des Bundessozialgerichts wiederholt hingewiesen (vgl. zuletzt: BSG GS vom 25. November 1987 – GS 2/85 = BSGE 62, 255 = SozR 5050 § 15 Nr. 35).
Die Berücksichtigung von Ersatzzeiten des Versicherten, die erst nach Abschluß der – anspruchsbegründenden – Vertreibung seiner Hinterbliebenen zurückgelegt worden sind, wäre mit der Struktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar, denn die Annahme eines eigenständigen Anspruchs der Hinterbliebenen im Fremdrentenrecht beruht nicht zuletzt auf der Überlegung, daß es nicht gerechtfertigt ist, die Hinterbliebene eines vor der eigenen Vertreibung verstorbenen Versicherten schlechter zu stellen als die Witwe eines im Bundesgebiet anerkannten Vertriebenen, die gemeinsam mit dem Versicherten vertrieben wurde. Die Hinterbliebenen sollen durch die Zubilligung einer eigenständigen FRG-Berechtigung vor den Nachteilen bewahrt werden, die sich andernfalls im Sinne eines gänzlich zu verneinenden Rentenanspruchs aus der fehlenden Vertreibung des Versicherten ergeben würden. Daß ihnen über den Ausgleich dieser Nachteile hinausgehend auch nach Abschluß ihres Vertreibungsschicksals, d.h. für Zeiten, in denen sie rentenrechtlich als Inländer zu behandeln sind, noch eine besondere, sich aus dem Eingliederungsgedanken ergebene Privilegierung zuteil werden müßte, ist demgegenüber nicht erkennbar.
Abgesehen davon, daß der Überprüfungsantrag der Klägerin schon aus diesen grundsätzlichen Erwägungen keinen Erfolg haben kann, würde eine Anrechnung des streitigen Zeitraums als Ersatzzeit überdies aber auch daran scheitern, daß die Voraussetzungen der im einzelnen streitigen Ersatzzeittatbestände weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sind. Denn Ersatzzeiten im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 2, des § 28 Abs. 1 Nr. 3, des § 28 Abs. 1 Nr. 5 oder des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG können grundsätzlich nur von deutschen Volkszugehörigen bzw. von deutschen Staatsangehörigen zurückgelegt werden (vgl. BSGE 25, 295, 297; BSG vom 21. September 1971 – 12/11 RA 142/70; BSG vom 30. Juni 1971 – 12/11 RA 8/70; BSG vom 30. August 1979 – 4 RJ 119/78; BSG vom 22. April 1986 – 1 RA 73/84 = SozR 2200 § 1251 Nr. 119) und es kann zur Überzeugung des Senats nicht als nachgewiesen oder glaubhaft gemacht angesehen werden, daß der Versicherte zu diesem Personenkreis gehörte. Deutscher Volkszugehöriger ist der Vorschrift des § 6 BVFG zufolge, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung oder Kultur bestätigt wird. Eine lediglich "positive Einstellung zum Deutschtum” genügt insoweit hingegen nicht, denn sie kann auch ein Nichtdeutscher haben (vgl. BSG vom 17. Dezember 1976 – 5 RJ 52/76). Im vorliegenden Fall besteht zur Überzeugung des Senats in der Tat die gute Möglichkeit, daß der Versicherte ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelegt und später auch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Bei sorgfältiger Prüfung aller Einzelumstände des vorliegenden Falles spricht für diese Annahme im Ergebnis letztlich aber nicht mehr als dagegen, so daß die von der Klägerin behaupteten Tatsachen nicht als überwiegend wahrscheinlich und damit nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden können. Die verbleibenden Zweifel müssen nach dem Grundsatz der sog. objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin gehen.
Die Berufung der Klägerin konnte damit im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG); die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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