Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 832/89
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 698/90
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Mai 1990 wird zurückgewiesen. Auf die Klage wird der Bescheid vom 15. Dezember 1989 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit ab dem 8. Juli 1989 Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs gegen seine Eltern zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi), konkret über die Anrechnung fiktiver Unterhaltsansprüche des Klägers gegenüber seinen Eltern für die Zeit ab dem 8. Juli 1989.
Der 1956 geborene Kläger, Vater von vier Kindern, ist von Beruf Diplom-Agraringenieur und war vom 1. November 1987 bis 31. Oktober 1988 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als technischer Angestellter beschäftigt. Vom 1. November 1988 bis 1. Mai 1989 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10. Mai 1989 bewilligte ihm die Beklagte Alhi für die Zeit vom 2. Mai 1989 bis zum 31. Oktober 1990 in Höhe von DM 268,86 wöchentlich. Diesen Betrag hatte die Beklagte unter Anrechnung eines Unterhaltsanspruches des Klägers gegen seine Eltern in Höhe von insgesamt DM 71,93 wöchentlich errechnet. Daneben bezog der Kläger mit seiner. Familie ergänzend Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sonstiges Einkommen hat der Kläger auch in der Folgezeit nicht erzielt. Er verfügt auch nicht über zu berücksichtigendes Vermögen. Ein Beratungsgespräch wegen einer Herabstufung in der Vermittelbarkeit hat die Beklagte mit dem Kläger auch in der Folgezeit nicht geführt.
Gegen den Bescheid vom 10. Mai 1989 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, daß nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Anrechnung von Unterhaltsansprüchen in seinem Falle nicht in Betracht komme. Darüber hinaus sei die jetzige Ehefrau seines Vaters bei der Feststellung des Anrechnungsbetrages unberücksichtigt geblieben. Diese verfüge über keinerlei Einkommen.
Mit Änderungsbescheid vom 30. Mai 1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin Alhi in Höhe von DM 298,86 wöchentlich wobei Unterhaltsansprüche in Höhe von DM 41,95 wöchentlich (gegenüber dem Vater in Höhe von wöchentlich DM 5,28 und gegenüber der Mutter in Höhe von wöchentlich DM 36,67) in Abzug gebracht wurden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 1989 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück, soweit sie ihm nicht abgeholfen hatte.
Der hiergegen am 11. Juli 1989 erhobenen Klage gab das Sozialgericht Kassel mit Urteil vom 30. Mai 1990 statt und verurteilte die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger ab 2. Mai 1989 Alhi ohne Anrechnung von Einkommen seiner Eltern zu zahlen. Die Berufung hat das Sozialgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassen. In den Entscheidungsgründen führte das Sozialgericht aus, daß die Gewährung von Alhi die Bedürftigkeit des Arbeitslosen zur Voraussetzung habe und diese vorliege, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreite oder bestreiten könne und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreiche. Hierbei seien Unterhaltsansprüche des Arbeitslosen gegen seine Eltern zu berücksichtigen, der Kläger erhalte jedoch von seinen Eltern offensichtlich keine Unterstützungsleistungen und habe gegen diese auch keine Unterhaltsansprüche. Nach dem insoweit maßgeblichen bürgerlichen Recht müsse sich ein Volljähriger, der eine Berufsausbildung abgeschlossen habe, intensiv um jede auch noch so einfache Arbeit bemühen, ehe er seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nehmen könne. Solche Bemühungen habe der Kläger jedoch nicht unternommen, so daß ein Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern unabhängig von deren Leistungsfähigkeit entfalle. Die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruches sei unzulässig. Der insoweit einschlägige und am 30. Dezember 1988 in Kraft getretene § 10 Nr. 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) ändere hieran nichts, da diese Bestimmung von der gesetzlichen Ermächtigung des § 137 Abs. 3 AFG nicht gedeckt und damit unwirksam sei. Auch auf § 137 Abs. 1 a AFG, der am 8. Juli 1989 in Kraft getreten sei, lasse sich die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs des Klägers gegen seine Eltern nicht stützen. Der Kläger habe weder auf Unterhaltsansprüche verzichtet, noch habe er Handlungen unterlassen, die Voraussetzung für das Entstehen eines Unterhaltsanspruches seien. Das Unterlassen von Bemühungen müsse für das Fehlen des Unterhaltsanspruchs kausal sein. Dies sei nicht der Fall, wenn es – wie vorliegend – Arbeitsplätze gebe, die der Arbeitslose einnehmen könne und die ihm unterhaltsrechtlich zumutbar seien. Nehme der Kläger eine Arbeit an, sei er unterhaltsrechtlich nicht bedürftig weil er Arbeitsentgelt erhalte, lehne er die Aufnahme einer Arbeit ab oder bemühe er sich nicht in dem geforderten Ausmaß um Arbeit, gelte er nach dem Unterhaltsrecht als nicht bedürftig. Im Falle des Klägers, der jung, gesund und mobil sei, könne davon ausgegangen werden, daß er bei intensiven Bemühungen irgendeine Arbeit gefunden hätte, so daß das Unterlassen der Bemühungen nicht kausal für das Fehlen des Unterhaltsanspruchs sei und § 137 Abs. 1 a AFG deshalb keine Anwendung finde.
Gegen dieses der Beklagten am 12. Juni 1990 zugestellte Urteil richtet sich deren am 9. Juli 1990 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangene Berufung. Zur Begründung führt die Beklagte im wesentlichen aus, daß zumindest für die Zeit ab dem 8. Juli 1989 die Kürzung der Alhi um den fiktiven Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Eltern nicht zu beanstanden sei. Grundlage hierfür bilde die Regelung des § 137 Abs. 1 a AFG. Durch diese Vorschrift habe der Gesetzgeber die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, jene Arbeitslosen, die ihren unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten nicht nachkämen, den Arbeitslosen gleichzustellen, die diesen Obliegenheiten nachkommen. Bisher werde nur letztere Gruppe von § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG erfaßt. Der Gesetzgeber habe durch § 137 Abs. 1 a AFG die arbeitslosenhilferechtliche "Begünstigung” jener Arbeitslosen, die ihren unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten nicht nachkommen, beseitigt.
Unter diesem Blickwinkel erscheine die Gleichbehandlung gerechtfertigt, zumindest aber als vertretbar. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Ungleichbehandlung von Alhi-Antragstellern mit unterhaltsfähigen Verwandten und Alhi-Antragstellern ohne unterhaltsfähige Verwandte könne noch als sachgerecht bewertet werden. Der gesetzliche Anknüpfungspunkt für die vorgenommene Differenzierung sei die Subsidiarität des Alhi-Anspruchs gegenüber dem Unterhaltsanspruch. Ob das Festhalten an dieser Subsidiarität rechts- und sozialpolitisch die gerechteste und zweckmäßigste Lösung sei, sei nicht zu entscheiden gewesen. Der Gesetzgeber dürfe an diesem Grundsatz festhalten.
Während des Berufungsverfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 15. Dezember 1989 Alhi ab dem 2. November 1989 in Höhe von wöchentlich DM 345,72, wobei noch ein fiktiver Unterhaltsanspruch des Klägers gegenüber seinem Vater in Höhe von DM 5,28 wöchentlich zur Anrechnung kam.
In der mündlichen Verhandlung am 22. November 1990 anerkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Zahlung in ungekürzter Höhe für den Zeitraum vom 2. Mai bis zum 7. Juli 1989. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Mai 1990 insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur vollen Leistung ab 8. Juli 1989 verurteilt ist und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Gegen die Vorschrift des § 137 Abs. 1 a AFG bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Durch diese Regelung würden zwei Gruppen von Arbeitslosen, nämlich solche mit und solche ohne leistungsfähige Verwandte, allein aufgrund dieses Kriteriums unterschiedlich behandelt. Dem Gesetzgeber sei es zwar nicht verwehrt typisierende Regelungen zu schaffen, diese müßten jedoch den tatsächlichen Lebensverhältnissen entsprechen. Bei der Differenzierung aufgrund des (bloßen) Vorhandenseins unterhaltsfähiger Eltern sei dies nicht der Fall, da Eltern ihre erwachsenen Kinder typischerweise nicht unterstützen würden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Leistungsakte (Stamm- ) der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist Kraft Zulassung im Tenor des angefochtenen Urteils zulässig (§§ 147, 150 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Mai 1990 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, als die Alhi des Klägers während der hier noch in Frage stehenden Zeit ab dem 8. Juli 1989 nur unter Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs gegen seine Eltern bewilligt wurde. Dementsprechend war auch der Bescheid vom 15. Dezember 1989 abzuändern. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Alhi in voller Höhe.
Der Kläger erfüllt für den hier fraglichen Zeitraum die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi: Er war im Anschluß an den Bezug von Alg weiter arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt (§ 134 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 AFG). Der Kläger ist auch bedürftig (§ 137 Abs. 1 AFG). Er bezieht ergänzend zu der Alhi Hilfe zum Lebensunterhalt und verfügt nach seinen glaubhaften Angaben weder über sonstiges Einkommen noch über anrechenbares Vermögen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und der Senat hat keine Veranlassung, am Vorliegen dieser Voraussetzungen zu zweifeln. Fraglich und umstritten ist allein das Ausmaß der Bedürftigkeit des Klägers, konkret die Anrechenbarkeit eines fiktiven Unterhaltsanspruchs des Klägers gegen seine Eltern bzw. ab dem 2. November 1989 nur noch gegenüber seinem Vater. Die Beklagte durfte jedoch vorliegend keinen Unterhaltsanspruch auf die Alhi des Klägers anrechnen.
Gemäß § 137 Abs. 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten sowie seiner kindergeldberechtigten Kinder nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann. Im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Bedürftigkeitsprüfung werden als Einkommen auch Leistungen Dritter bzw. Ansprüche gegenüber Dritten berücksichtigt, Unterhaltsansprüche jedoch nur gegen Verwandte ersten Grades (§ 138 Nr. 1 AFG).
Der Kläger hat in der Zeit ab 8. Juli 1989 von seinen Eltern keine Unterhaltszahlungen erhalten und er konnte solche auch nicht beanspruchen. Für diese bürgerlich-rechtliche Vorträge ist das zivilrechtliche Unterhaltsrecht maßgeblich und eine enge Anlehnung an die hierzu ergangene zivilrechtliche Rechtsprechung geboten (s. BSG Urteil vom 7. September 1988 – Az.: 11 RAr 25/88 –, SozR 4100 § 138 Nr. 23). Hiernach schulden die Eltern ihrem Kind gemäß §§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dann Unterhalt, wenn dieses außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Volljährige Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung – wie der Kläger – genießen jedoch unterhaltsrechtlich keine irgendwie geartete Lebensstandard-Garantie wie Ehegatten oder Minderjährige (OLG Ffm./M., Urteil vom 16. Januar 1987, FamRZ 1987, S. 411 f.). An ihre Unterhaltsbedürftigkeit werden im Hinblick auf ihre wirtschaftliche und soziale Eigenverantwortung vielmehr strenge Anforderungen gestellt. Sie sind grundsätzlich verpflichtet, alle verfügbaren Kräfte einzusetzen und Opfer bis zur Zumutbarkeitsgrenze auf sich zu nehmen, um ihre Arbeitskraft zu verwerten, d.h. sie müssen jede Arbeit, einschließlich von Arbeiten unterhalb ihrer gewohnten Lebensstellung bis hin zu Aushilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten annehmen, ehe sie einen Elternteil auf Unterhalt in Anspruch nehmen können. Nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung genügt dabei zum Beweis, daß der Arbeitslose außerstande ist, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, eine Meldung beim Arbeitsamt nicht. Der Arbeitslose muß sich vielmehr auch selbst nachhaltig um eine Arbeitsstelle bemühen (vgl. hierzu z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 19. Januar 1987, FamRZ 1987, S. 411 f.; BGH Urteil vom 6. Dezember 1984, FamRZ 1985, S. 273 ff.; BGH Urteil vom 4. April 1985, FamRZ 1985, S. 1245 f.; Schlegel, Unterhaltsansprüche erwachsener Arbeitsloser gegen ihre Eltern und subsidiäre Sozialleistungen, FamRZ 1986, S. 856 ff. und BSG, Urteil vom 7. September 1988, a.a.O.).
Der Kläger ist während der streitbefangenen Zeit seinen unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheiten nicht nachgekommen, da er sich nicht um jedwede Arbeit, sondern vornehmlich um eine Beschäftigung in seinem erlernten Beruf bemüht hat. Bereits aus diesem Grund stand ihm kein Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern zu, da es in der hier fraglichen Zeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze und Beschäftigungen gab, die der Kläger hätte an- bzw. aufnehmen können.
Ein anzurechnender Unterhaltsanspruch kann auch nicht fingiert werden.
Nach § 137 Abs. 1 a AFG, der durch das Gesetz über die 18. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung der Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989) vom 17. Juli 1989 (BGBl. I, S. 288) mit Wirkung vom 8. Juli 1989 eingefügt wurde, ist der Arbeitslose nicht bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG, soweit er auf einen Anspruch, der nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG zu berücksichtigen wäre, verzichtet oder Handlungen unterläßt, die Voraussetzung für das Entstehen oder Fortbestehen eines derartigen Anspruchs sind.
Der Senat hält auch unter Berücksichtigung anderslautender landessozialgerichtlicher Entscheidungen (s. LSG Berlin, Urteil vom 10. April 1990, – L-14/Ar-72/89 – und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 1989, – L-5/Ar-1537/89 – = Breithaupt 1990, S. 499 ff.) an seiner bisherigen Rechtsprechung zur verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift (vgl. Urteile vom 20. Juni 1990, L-6/Ar-1428/89 – sowie – L-6/Ar-701/89 –) fest. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich zum einen aufgrund der – noch darzulegenden – verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine weite Auslegung dieser Vorschrift und zum anderen aus der Verpflichtung der Fachgerichte, vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Artikel 100 Grundgesetz (GG) den Versuch einer verfassungskonformen Auslegung der fraglichen Rechtsnorm zu unternehmen (s. z.B. BVerfGE 48, 40, 45 f.). Eine solche verfassungskonforme Interpretation erscheint gegenüber weitergehenden subjektiven Intentionen des Gesetzgebers, die im Wortlaut des § 137 Abs. 1 a AFG keinen Niederschlag gefunden haben, als möglich, geeignet und notwendig, u.a. um die in der Literatur geäußerten Bedenken gegen die Bestimmtheit und Rechtsklarheit des Normgehalts dieser Vorschrift (vgl. hierzu Siegfried, Anrechnung von fiktiven Unterhaltsansprüchen bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe: Verfassungswidrigkeit des § 137 Abs. 1 a AFG, SozSich 1990, S. 19 ff., 22; Rombach, § 137 I a AFG – Beispiel für eine verfassungswidrige Gesetzgebungstechnik, ZRP 1990, S. 388 ff., 390) auszuräumen.
Hiernach ist für die – vorliegend alleine in Frage stehende – Tatbestandsalternative des Unterlassens von Handlungen, die Voraussetzung für das Entstehen oder Fortbestehen eines gegenüber der Alhi vorrangigen Anspruchs nach § 138 Abs. 1 AFG sind, ihrerseits Voraussetzung, daß der vorrangige Anspruch bei Hinzudenken der unterlassenen Handlungen tatsächlich bestünde, daß das Unterlassen mithin ursächlich für das Nichtbestehen des vorrangigen Anspruch ist (so zutreffend das Sozialgericht mit Hinweis auf Winkler, gesetzlicher Schutz für eine vieljährige rechtswidrige Praxis – abschließende Anmerkungen zur Anrechnung fiktiver Unterhaltsansprüche auf die Arbeitslosenhilfe nach der Neufassung der §§ 137 und 152 AFG, info also 3/1989, S. 149 ff., 132). Dies gilt für die Tatbestandsalternative des Anspruchsverzichts in gleicher Weise für das Hinwegdenken des Verzichts. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten in der zweiten Tatbestandsalternative folgt dies bereits aus dem Wortlaut der Regelung, da der Arbeitslose nur insoweit als nicht bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG anzusehen ist, als er unterhaltsanspruchsbegründende Handlungen unterläßt. Durch solche Unterlassungen entfällt demnach nicht die Bedürftigkeit insgesamt, sondern nur in Höhe des ansonsten bestehenden Unterhaltsanspruches. Dies muß aber auch für die Unterhaltsbedürftigkeit des Arbeitslosen gelten, wobei es keinen Unterschied machen kann, ob diese wegen des Vorhandenseins von zu verwertendem Vermögen oder wegen der Möglichkeit zu unterhaltsrechtlich zumutbarer Erwerbstätigkeit entfällt. Arbeitslose, die auf einen ihnen zustehenden Unterhaltsanspruch verzichten oder Handlungen unterlassen, die für den Erwerb oder den Fortbestand eines Unterhaltsanspruchs erforderlich sind, werden nach § 137 Abs. 1 a AFG demnach so behandelt, als ob sie einen Unterhaltsanspruch in der Höhe hätten, wie er ihnen ohne den Verzicht oder bei Vornahme der Handlungen (und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) zustehen würde (insoweit zutreffend das LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 1989 a.a.O., S. 503.)
Für dieses Kausalitätserfordernis spricht ferner die systematische Stellung und der Sinn und Zweck der Vorschrift. § 137 Abs. 1 a AFG ist eingeordnet in die Regelungen über die Bedürftigkeit des Arbeitslosen und nicht in die Regelungen über die Zumutbarkeit. Als Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi soll diese Vorschrift nach den Gesetzesmaterialien zwar "die am Subsidiaritätsgrundsatz ausgerichtete Reihenfolge der Unterhaltssicherungssysteme” gewährleisten und als "zusätzliche Klarstellung” u.a. den Vorrang des Unterhaltsrechts gegenüber der Alhi entsprechend der langjährigen Praxis der Bundesanstalt für Arbeit gewährleisten (s. BT-Drucks. 11/4178, S. 6), dieser subjektive Wille des Gesetzgebers steht jedoch der hier vertretenen, vom Wortlaut der Vorschrift gedeckten Auslegung nicht entgegen. Zum Subsidiaritätsgrundsatz hat in diesem Zusammenhang das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 7. September 1988 (a.a.O.) bereits darauf hingewiesen, daß selbst wenn das Gesetz von einer Rangfolge der Unterhaltssysteme in der Reihenfolge Alg, Familienverband, Alhi und Sozialhilfe ausginge, diese Reihenfolge nur bei Konkurrenz zwischen bestehenden Ansprüchen gelte und nicht bedeute, daß ein Anspruch auf Alhi nur bei Fehlen unterhaltspflichtiger Verwandter eingeräumt sei. Durch § 137 Abs. 1 a AFG sollen die Konkurrenzregelungen im Verhältnis des Unterhaltsrechts zur Arbeitslosenhilfe auf Fälle ausgedehnt werden, in denen der vorrangige Unterhaltsanspruch von dem Berechtigten durch Verzicht aufgegeben oder durch Unterlassung notwendiger Handlungen nicht realisiert wird. Allenfalls wenn gerade durch die unterlassenen Handlungen ein Unterhaltsanspruch entfällt, kann die Postulierung besonderer Handlungspflichten im Arbeitslosenhilferecht eine Konkurrenz von Unterhalts- und Arbeitslosenhilfeanspruch betreffen und den Vorrang des Unterhaltsanspruchs vor dem Arbeitslosenhilfeanspruch bzw. den Vorrang der familienrechtlichen vor der arbeitslosenhilferechtlichen Unterhaltssicherung gewährleisten. Nur in dieser Fallgestaltung kann auch der Arbeitslose auf die Inanspruchnahmen des Unterhaltsanspruchs verwiesen werden. Kann bzw. könnte auch bei Vornahme der erforderlichen Handlungen ein Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen (insbesondere weil genügend unterhaltsrechtlich zumutbare Arbeitsplätze vorhanden sind und sich der Unterhaltsbegehrende durch Verwertung seiner Arbeitskraft selbst unterhalten könnte oder weil dieser über unterhaltsrechtlich vorrangig zu verwertendes Vermögen verfügt) nicht erlangt werden, so steht der Vorrang des Unterhaltsrechts nicht in Frage.
Der so verstandene Normzweck des § 137 Abs. 1 a AFG schließt es aus, diesen als bloße Verschärfung der arbeitsförderungsrechtlichen Erwerbsobliegenheiten des Arbeitslosen bei Vorhandensein eines (unterhaltsfähigen) Verwandten ersten Grades oder gar als "Bestrafung” (so LSG Baden-Württemberg, a.a.O., S. 504) für das Unterlassen bestimmter Handlungen zu begreifen, ohne Rücksicht darauf, ob hierdurch (konkret) ein Unterhaltsanspruch erworben werden kann oder nicht. Mit diesem Inhalt wäre die Regelung systematisch den Vorschriften über die Verfügbarkeit, speziell den Regelungen über die Zumutbarkeit (§ 103 Abs. 2 AFG i.V.m. der Zumutbarkeits-AO) zuzuordnen.
Eine solche Deutung des § 137 Abs. 1 a AFG wäre nach Auffassung des Senats nicht mit dem Grundsatz der individuellen Arbeitsvermittlung zu vereinbaren und würde damit insgesamt gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstoßen (im Ergebnis ebenso Siegfried, a.a.O., S. 24; Winkler, a.a.O., S. 153; Schlegel/Otte, Einkommen der Eltern und Arbeitslosenhilfe der Kinder, NJW 1989, S. 2800 f.; Schmidt-Müller, Anrechnung fiktiver Unterhaltsansprüche bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe, SGb 1990, S. 311 ff.; Rombach, a.a.O., S. 391; Jerke, Restriktion der "Bedürftigkeit” und Expansion der "Zumutbarkeit” in der Bedürftigkeitsprüfung der Arbeitslosenhilfe, SGb 1990, S. 283 ff., 287; a.A. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 15. November 1989 a.a.O.; LSG Berlin Urteil vom 10. April 1990 a.a.O.).
Der allgemeine Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. z.B. BVerfGE 55, 72 ff., (88); 75, 382 ff., 393). Dem Gesetzgeber kommt hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der jedoch bei benachteiligender Typisierung enger ist als bei bevorzugender und in jedem Falle einen – bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise – sachlich vertretbaren Grund für die Ungleichbehandlung voraussetzt (vgl. z.B. BVerfGE 17, 1 ff. (23 f.); E 71, 39 ff. (58)).
Insbesondere volljährige beruflich qualifizierte Arbeitslose mit Verwandten ersten Grades – wie vorliegend der Kläger – wären durch § 137 Abs. 1 a AFG nach dieser Interpretation wesentlich schlechter gestellt als Arbeitslose ohne solche Verwandte. Ersteren würden unter Vernachlässigung der arbeitsförderungsrechtlich gebotenen Interessenabwägung bei der Frage der Zumutbarkeit der Annahme einer Beschäftigung (§ 103 Abs. 2 AFG) sofort die sehr viel weitergehenden und primär den potentiell Unterhaltspflichtigen schützenden unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheiten auferlegt, ohne Rücksicht darauf, ob sie hierdurch einen Unterhaltsanspruch erlangen können oder nicht. Arbeitslose mit beruflicher Qualifikation wären hiernach verpflichtet, sich sogleich um Beschäftigungen jedweder Art, einschließlich ungelernter Aushilfstätigkeiten, zu bemühen und solche Beschäftigungen anzunehmen. Die Regelung des § 137 Abs. 1 a AFG ginge damit über eine bloße Verfahrensregelung, als die sie mitunter hingestellt wird, weit hinaus; die dargestellte Ungleichbehandlung kann entgegen dem Landessozialgericht Berlin (a.a.O.) auch nicht als geringfügig angesehen werden.
Das bloße Vorhandensein eines (unterhaltsfähigen) Verwandten ersten Grades stellt nach den oben genannten Kriterien des Artikel 3 Abs. 1 GG keinen sachlich vertretbaren Grund für diese Ungleichbehandlung dar. Dies folgt insbesondere auch aus dem Grundsatz der individuellen Arbeitsvermittlung, von dem durch die personengruppenspezifische Übernahme der strengeren und vor allem auch andersartigen unterhaltsrechtlichen Zumutbarkeitsgrundsätze und Erwerbsobliegenheiten ohne hinreichenden Grund abgewichen würde.
Der Beklagten ist durch § 14 Abs. 1 AFG und die Präambel der Zumutbarkeits-AO (unter c) aufgegeben, durch sachgerechte Beratungs- und Vermittlungsbemühungen sowie durch ein ausreichendes Angebot geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen eine nach den beruflichen und sozialen Verhältnissen und Perspektiven des Arbeitslosen individuelle Arbeitsvermittlung zu betreiben, wobei unterwertige Beschäftigungen vermieden werden sollen (§ 2 Nr. 1 AFG). Diese objektiv-rechtlichen Verpflichtungen der Beklagten sind wesentlich geprägt durch das Grundrecht auf Berufswahlfreiheit und freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 GG).
Während im Unterhaltsrecht die Erwerbsobliegenheiten des Unterhaltsbegehrenden und die Zumutbarkeit der, Verwertung der eigenen Arbeitskraft unter Berücksichtigung des potentiell Unterhaltspflichtigen und des potentiell Unterhaltsberechtigten – wie dargestellt – sehr weitgehend sind und nahezu uneingeschränkt die Eigenverantwortlichkeit des unterhaltsbegehrenden Erwachsenen und dessen Verpflichtung zur Selbsthilfe praktisch ohne berufliche Statussicherung betont werden, bemißt sich die arbeitsförderungsrechtliche Zumutbarkeit für die Annahme einer Beschäftigung nach der – für das Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilferecht gleichermaßen geltenden – Grundregelung des § 103 Abs. 2 AFG aufgrund einer Abwägung der Interessen des Arbeitslosen gegenüber denjenigen der Gesamtheit der Beitragszahler. Die zu berücksichtigenden Interessen des Arbeitslosen umfassen auch die Befreiung vom Zwang, jede Arbeit annehmen und alle Arbeitsbedingungen akzeptieren zu müssen (vgl. Steinmeyer in: Gagel, AFG, Kommentar, § 103 Rd.-Nr. 39 ff., 56 ff; Winkler a.a.O., S. 153) und beinhalten damit u.a. einen relativen zeitlich gestaffelten beruflichen Statusschutz, wie er in der Zumutbarkeits-AO durch die §§ 8 bis 12 im einzelnen konkretisiert wird. Hierbei handelt es sich zwar um untergesetzliche Regelungen, diese bestimmen jedoch die tatsächliche Verwaltungspraxis der Beklagten i.S. einer nach Art. 3 Abs. 1 GG relevanten Selbstbindung. Dieser relative berufliche Statusschutz ist nicht nur bedeutsam für Bezieher der sog. originären Alhi (§ 136 Abs. 2 Nr. 2 AFG), sondern im Einzelfall und nach Maßgabe der Zumutbarkeits-AO auch für Bezieher der sog. Anschluß-Alhi (§ 136 Abs. 2 Nr. 1 AFG), wie im Falle des Klägers.
Ist der Beklagten demnach eine rein schematische Arbeitsvermittlung versagt (Knigge u.a., AFG, Kommentar, 2. Aufl. 1988, § 14 Anm. 18; Jerke, a.a.O., S. 284), so ist eine unmodifizierte Rezeption der auf gänzlich anderen Kriterien und Interessenabwägungen beruhenden unterhaltsrechtlichen Zumutbarkeitsgrundsätze und Erwerbsobliegenheiten für Personen mit einem potentiell unterhaltspflichtigen Verwandten ersten Grades gegenüber Personen ohne solche Verwandte nicht zu rechtfertigen. Der Vorrang des Unterhaltsrechts ist im Falle der Anspruchskonkurrenz – wie dargelegt – bezogen und begrenzt auf die Bedürftigkeit (Bedürftigkeitsvorrang), hinsichtlich der Erwerbsobliegenheiten und der Kriterien für die Zumutbarkeit der Annahme einer Beschäftigung ist die Alhi hingegen das umfassendere und allgemeinere Sicherungssystem mit einer anderen Interessenkonstellation. Es erscheint daher zweifelhaft, ob überhaupt von einer Lücke zwischen Unterhalts- und Arbeitslosenhilferecht gesprochen werden kann. Ein Gleichklang zwischen Unterhalts- und Arbeitslosenhilferecht kann verfassungskonform jedenfalls nicht dadurch bewerkstelligt werden, daß für einen Teil der Berechtigten des allgemeinen Systems (Alhi) die weitergehenden und zusätzlichen Voraussetzungen des spezielleren Systems (dem Unterhaltsrecht) auch im allgemeinen System auferlegt werden. Ein Gleichklang dieser Sicherungssysteme kann nach geltendem Recht nur durch die Beklagte im Einzelfall nach Maßgabe der Zumutbarkeits-AO hergestellt werden, d.h. soweit die Abwägung der Interessen des Arbeitslosen und derjenigen der Gesamtheit der Beitragszahler eine arbeitsförderungsrechtliche Zumutbarkeit und Verweisbarkeit des Arbeitslosen im Umfang der unterhaltsrechtlichen Zumutbarkeit erlaubt.
Die Schlechterstellung Arbeitsloser mit Verwandten ersten Grades kann auch nicht als Härte oder Ungerechtigkeit im Einzelfall angesehen werden, wie sie bei typisierenden Regelungen hinzunehmen sind. Dies kommt nur in Betracht, wenn lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen in dieser Weise betroffen und die Härte nicht zu groß wäre (BVerfG 26, 265 ff., 275 f). Mit der Unterstellung eines realisierbaren Unterhaltsanspruchs bei volljährigen Arbeitslosen mit (unterhaltsfähigen) Verwandten ersten Grades würde jedoch die Ausnahme zum Typischen erhoben. Ein Unterhaltsanspruch volljähriger Arbeitsloser gegen ihre Eltern oder Kinder ist aufgrund der weitgehenden unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheiten rechtlich und tatsächlich die Ausnahme (ebenso Schmidt-Müller, a.a.O., S. 313).
Indem die Beklagte die Leistungsfähigkeit der potentiell unterhaltspflichtigen Eltern des Klägers prüft und einen fiktiven Unterhaltsanspruch nur insoweit anrechnet, als diese leistungsfähig sind, geht auch sie von dem Erfordernis der Kausalität des Unterlassens aus, allerdings begrenzt auf die Leistungsfähigkeit des bzw. der Unterhaltspflichtigen. Das Erfordernis der Kausalität des Unterlassens für den fehlenden Unterhaltsanspruch bezieht sich aber nach Wortlaut und Zweck der Regelung auf alle Tatbestandsvoraussetzungen dieses Anspruchs, d.h., auch auf die Bedürftigkeit des Unterhaltsbegehrenden, insbesondere auf dessen Unvermögen, seinen Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst bestreiten zu können.
Die unterlassenen Handlungen i.S. von § 137 Abs. 1 a AFG müssen demnach bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift sowohl kausal für das Nichtbestehen des vorrangigen Anspruchs als auch arbeitsförderungsrechtlich zumutbar sein.
Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Dem Kläger waren nur Tätigkeiten in seinem erlernten Beruf als Diplom-Agraringenieur oder in vergleichbaren Beschäftigungen zumutbar. Dies folgt aus § 103 Abs. 2 und 3 AFG sowie der hierzu ergangenen Zumutbarkeits-AO. Im Hinblick auf die hiernach gebotene Abwägung der Interessen des Arbeitslosen mit denen der Gesamtheit der Beitragszahler hat der Verwaltungsrat der Beklagten in der Zumutbarkeits-AO vom 16. März 1982 in § 12 folgende fünf Qualifikationsstufen festgelegt:
1) Hochschul- und Fachhochschulausbildung,
2) Aufstiegsfortbildung auf einer Fachschule oder in einer vergleichbaren Einrichtung,
3) Ausbildung in einem Ausbildungsberuf,
4) Anlernausbildung,
5) alle übrigen Beschäftigungen.
Während der ersten vier Monate der Arbeitslosigkeit waren dem Kläger nach §§ 8, 9 der Anordnung nur Beschäftigungen zumutbar, die den üblichen Bedingungen entsprechen, zu denen Arbeitnehmer mit einem vergleichbaren Berufsabschluß oder einem vergleichbaren beruflichen Werdegang Beschäftigungen ausüben. Während der folgenden vier Monate waren dem Kläger auch Beschäftigungen auf der nächstniedrigeren Stufe zuzumuten, jedoch nur dann, wenn zuvor ein Beratungsgespräch hinsichtlich der Herabstufung stattgefunden hat. Ein solches Beratungsgespräch hat jedoch mit dem Kläger nicht stattgefunden, so daß eine Herabstufung auf die vierte oder fünfte Qualifikationsstufe des § 12 der Zumutbarkeits-AO nicht möglich war.
Dem Kläger war auch der allgemeine Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Im Alter von heute 34 Jahren konnte der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine Vielzahl ungelernter Beschäftigungen verrichten und es ist nicht ersichtlich, daß er keine solche Beschäftigung hätte aufnehmen können. Für Arbeitslose, deren Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt insbesondere nach Alter und Gesundheitszustand nicht wesentlich eingeschränkt sind, besteht die Vermutung, daß sie sich durch eigene Tätigkeiten selbst unterhalten können. Der gegenteilige Schluß, daß der Kläger außerstande war bzw. ist, sich selbst zu unterhalten, weil es ihm (ggf. zeitlich begrenzt) nicht möglich war bzw. ist, eine Beschäftigung irgendwelcher Art zu erlangen, könnte allenfalls dann gezogen werden, wenn auch die Vermittlungsbemühungen der Beklagten sich auf alle Beschäftigungen bezogen hätten bzw. beziehen würden, die dem Kläger unterhaltsrechtlich zugemutet werden (so bereits BSG-Urt. v. 13. Juli 1985, 7 RAr 93/84, SozR 4100 § 138 Nr. 12 = BSGE 58, 165). Solche zum Nachweis des (ggf. zeitlich begrenzten) Unvermögens des Klägers zur Erlangung einer Beschäftigung jedweder Art erforderlichen Vermittlungsbemühungen der Beklagten sind in der (unterhaltsrechtlich) erforderlichen Breite während des streitbefangenen Zeitraumes nicht vorgenommen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs. 2 Satz 1 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi), konkret über die Anrechnung fiktiver Unterhaltsansprüche des Klägers gegenüber seinen Eltern für die Zeit ab dem 8. Juli 1989.
Der 1956 geborene Kläger, Vater von vier Kindern, ist von Beruf Diplom-Agraringenieur und war vom 1. November 1987 bis 31. Oktober 1988 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als technischer Angestellter beschäftigt. Vom 1. November 1988 bis 1. Mai 1989 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10. Mai 1989 bewilligte ihm die Beklagte Alhi für die Zeit vom 2. Mai 1989 bis zum 31. Oktober 1990 in Höhe von DM 268,86 wöchentlich. Diesen Betrag hatte die Beklagte unter Anrechnung eines Unterhaltsanspruches des Klägers gegen seine Eltern in Höhe von insgesamt DM 71,93 wöchentlich errechnet. Daneben bezog der Kläger mit seiner. Familie ergänzend Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Sonstiges Einkommen hat der Kläger auch in der Folgezeit nicht erzielt. Er verfügt auch nicht über zu berücksichtigendes Vermögen. Ein Beratungsgespräch wegen einer Herabstufung in der Vermittelbarkeit hat die Beklagte mit dem Kläger auch in der Folgezeit nicht geführt.
Gegen den Bescheid vom 10. Mai 1989 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, daß nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Anrechnung von Unterhaltsansprüchen in seinem Falle nicht in Betracht komme. Darüber hinaus sei die jetzige Ehefrau seines Vaters bei der Feststellung des Anrechnungsbetrages unberücksichtigt geblieben. Diese verfüge über keinerlei Einkommen.
Mit Änderungsbescheid vom 30. Mai 1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin Alhi in Höhe von DM 298,86 wöchentlich wobei Unterhaltsansprüche in Höhe von DM 41,95 wöchentlich (gegenüber dem Vater in Höhe von wöchentlich DM 5,28 und gegenüber der Mutter in Höhe von wöchentlich DM 36,67) in Abzug gebracht wurden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 1989 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück, soweit sie ihm nicht abgeholfen hatte.
Der hiergegen am 11. Juli 1989 erhobenen Klage gab das Sozialgericht Kassel mit Urteil vom 30. Mai 1990 statt und verurteilte die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger ab 2. Mai 1989 Alhi ohne Anrechnung von Einkommen seiner Eltern zu zahlen. Die Berufung hat das Sozialgericht im Tenor seiner Entscheidung zugelassen. In den Entscheidungsgründen führte das Sozialgericht aus, daß die Gewährung von Alhi die Bedürftigkeit des Arbeitslosen zur Voraussetzung habe und diese vorliege, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreite oder bestreiten könne und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreiche. Hierbei seien Unterhaltsansprüche des Arbeitslosen gegen seine Eltern zu berücksichtigen, der Kläger erhalte jedoch von seinen Eltern offensichtlich keine Unterstützungsleistungen und habe gegen diese auch keine Unterhaltsansprüche. Nach dem insoweit maßgeblichen bürgerlichen Recht müsse sich ein Volljähriger, der eine Berufsausbildung abgeschlossen habe, intensiv um jede auch noch so einfache Arbeit bemühen, ehe er seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nehmen könne. Solche Bemühungen habe der Kläger jedoch nicht unternommen, so daß ein Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern unabhängig von deren Leistungsfähigkeit entfalle. Die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruches sei unzulässig. Der insoweit einschlägige und am 30. Dezember 1988 in Kraft getretene § 10 Nr. 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) ändere hieran nichts, da diese Bestimmung von der gesetzlichen Ermächtigung des § 137 Abs. 3 AFG nicht gedeckt und damit unwirksam sei. Auch auf § 137 Abs. 1 a AFG, der am 8. Juli 1989 in Kraft getreten sei, lasse sich die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs des Klägers gegen seine Eltern nicht stützen. Der Kläger habe weder auf Unterhaltsansprüche verzichtet, noch habe er Handlungen unterlassen, die Voraussetzung für das Entstehen eines Unterhaltsanspruches seien. Das Unterlassen von Bemühungen müsse für das Fehlen des Unterhaltsanspruchs kausal sein. Dies sei nicht der Fall, wenn es – wie vorliegend – Arbeitsplätze gebe, die der Arbeitslose einnehmen könne und die ihm unterhaltsrechtlich zumutbar seien. Nehme der Kläger eine Arbeit an, sei er unterhaltsrechtlich nicht bedürftig weil er Arbeitsentgelt erhalte, lehne er die Aufnahme einer Arbeit ab oder bemühe er sich nicht in dem geforderten Ausmaß um Arbeit, gelte er nach dem Unterhaltsrecht als nicht bedürftig. Im Falle des Klägers, der jung, gesund und mobil sei, könne davon ausgegangen werden, daß er bei intensiven Bemühungen irgendeine Arbeit gefunden hätte, so daß das Unterlassen der Bemühungen nicht kausal für das Fehlen des Unterhaltsanspruchs sei und § 137 Abs. 1 a AFG deshalb keine Anwendung finde.
Gegen dieses der Beklagten am 12. Juni 1990 zugestellte Urteil richtet sich deren am 9. Juli 1990 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangene Berufung. Zur Begründung führt die Beklagte im wesentlichen aus, daß zumindest für die Zeit ab dem 8. Juli 1989 die Kürzung der Alhi um den fiktiven Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Eltern nicht zu beanstanden sei. Grundlage hierfür bilde die Regelung des § 137 Abs. 1 a AFG. Durch diese Vorschrift habe der Gesetzgeber die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, jene Arbeitslosen, die ihren unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten nicht nachkämen, den Arbeitslosen gleichzustellen, die diesen Obliegenheiten nachkommen. Bisher werde nur letztere Gruppe von § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG erfaßt. Der Gesetzgeber habe durch § 137 Abs. 1 a AFG die arbeitslosenhilferechtliche "Begünstigung” jener Arbeitslosen, die ihren unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten nicht nachkommen, beseitigt.
Unter diesem Blickwinkel erscheine die Gleichbehandlung gerechtfertigt, zumindest aber als vertretbar. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Ungleichbehandlung von Alhi-Antragstellern mit unterhaltsfähigen Verwandten und Alhi-Antragstellern ohne unterhaltsfähige Verwandte könne noch als sachgerecht bewertet werden. Der gesetzliche Anknüpfungspunkt für die vorgenommene Differenzierung sei die Subsidiarität des Alhi-Anspruchs gegenüber dem Unterhaltsanspruch. Ob das Festhalten an dieser Subsidiarität rechts- und sozialpolitisch die gerechteste und zweckmäßigste Lösung sei, sei nicht zu entscheiden gewesen. Der Gesetzgeber dürfe an diesem Grundsatz festhalten.
Während des Berufungsverfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 15. Dezember 1989 Alhi ab dem 2. November 1989 in Höhe von wöchentlich DM 345,72, wobei noch ein fiktiver Unterhaltsanspruch des Klägers gegenüber seinem Vater in Höhe von DM 5,28 wöchentlich zur Anrechnung kam.
In der mündlichen Verhandlung am 22. November 1990 anerkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Zahlung in ungekürzter Höhe für den Zeitraum vom 2. Mai bis zum 7. Juli 1989. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Mai 1990 insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur vollen Leistung ab 8. Juli 1989 verurteilt ist und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Gegen die Vorschrift des § 137 Abs. 1 a AFG bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Durch diese Regelung würden zwei Gruppen von Arbeitslosen, nämlich solche mit und solche ohne leistungsfähige Verwandte, allein aufgrund dieses Kriteriums unterschiedlich behandelt. Dem Gesetzgeber sei es zwar nicht verwehrt typisierende Regelungen zu schaffen, diese müßten jedoch den tatsächlichen Lebensverhältnissen entsprechen. Bei der Differenzierung aufgrund des (bloßen) Vorhandenseins unterhaltsfähiger Eltern sei dies nicht der Fall, da Eltern ihre erwachsenen Kinder typischerweise nicht unterstützen würden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Leistungsakte (Stamm- ) der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist Kraft Zulassung im Tenor des angefochtenen Urteils zulässig (§§ 147, 150 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Mai 1990 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, als die Alhi des Klägers während der hier noch in Frage stehenden Zeit ab dem 8. Juli 1989 nur unter Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs gegen seine Eltern bewilligt wurde. Dementsprechend war auch der Bescheid vom 15. Dezember 1989 abzuändern. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Alhi in voller Höhe.
Der Kläger erfüllt für den hier fraglichen Zeitraum die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi: Er war im Anschluß an den Bezug von Alg weiter arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt (§ 134 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 AFG). Der Kläger ist auch bedürftig (§ 137 Abs. 1 AFG). Er bezieht ergänzend zu der Alhi Hilfe zum Lebensunterhalt und verfügt nach seinen glaubhaften Angaben weder über sonstiges Einkommen noch über anrechenbares Vermögen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und der Senat hat keine Veranlassung, am Vorliegen dieser Voraussetzungen zu zweifeln. Fraglich und umstritten ist allein das Ausmaß der Bedürftigkeit des Klägers, konkret die Anrechenbarkeit eines fiktiven Unterhaltsanspruchs des Klägers gegen seine Eltern bzw. ab dem 2. November 1989 nur noch gegenüber seinem Vater. Die Beklagte durfte jedoch vorliegend keinen Unterhaltsanspruch auf die Alhi des Klägers anrechnen.
Gemäß § 137 Abs. 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten sowie seiner kindergeldberechtigten Kinder nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann. Im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Bedürftigkeitsprüfung werden als Einkommen auch Leistungen Dritter bzw. Ansprüche gegenüber Dritten berücksichtigt, Unterhaltsansprüche jedoch nur gegen Verwandte ersten Grades (§ 138 Nr. 1 AFG).
Der Kläger hat in der Zeit ab 8. Juli 1989 von seinen Eltern keine Unterhaltszahlungen erhalten und er konnte solche auch nicht beanspruchen. Für diese bürgerlich-rechtliche Vorträge ist das zivilrechtliche Unterhaltsrecht maßgeblich und eine enge Anlehnung an die hierzu ergangene zivilrechtliche Rechtsprechung geboten (s. BSG Urteil vom 7. September 1988 – Az.: 11 RAr 25/88 –, SozR 4100 § 138 Nr. 23). Hiernach schulden die Eltern ihrem Kind gemäß §§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dann Unterhalt, wenn dieses außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Volljährige Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung – wie der Kläger – genießen jedoch unterhaltsrechtlich keine irgendwie geartete Lebensstandard-Garantie wie Ehegatten oder Minderjährige (OLG Ffm./M., Urteil vom 16. Januar 1987, FamRZ 1987, S. 411 f.). An ihre Unterhaltsbedürftigkeit werden im Hinblick auf ihre wirtschaftliche und soziale Eigenverantwortung vielmehr strenge Anforderungen gestellt. Sie sind grundsätzlich verpflichtet, alle verfügbaren Kräfte einzusetzen und Opfer bis zur Zumutbarkeitsgrenze auf sich zu nehmen, um ihre Arbeitskraft zu verwerten, d.h. sie müssen jede Arbeit, einschließlich von Arbeiten unterhalb ihrer gewohnten Lebensstellung bis hin zu Aushilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten annehmen, ehe sie einen Elternteil auf Unterhalt in Anspruch nehmen können. Nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung genügt dabei zum Beweis, daß der Arbeitslose außerstande ist, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, eine Meldung beim Arbeitsamt nicht. Der Arbeitslose muß sich vielmehr auch selbst nachhaltig um eine Arbeitsstelle bemühen (vgl. hierzu z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 19. Januar 1987, FamRZ 1987, S. 411 f.; BGH Urteil vom 6. Dezember 1984, FamRZ 1985, S. 273 ff.; BGH Urteil vom 4. April 1985, FamRZ 1985, S. 1245 f.; Schlegel, Unterhaltsansprüche erwachsener Arbeitsloser gegen ihre Eltern und subsidiäre Sozialleistungen, FamRZ 1986, S. 856 ff. und BSG, Urteil vom 7. September 1988, a.a.O.).
Der Kläger ist während der streitbefangenen Zeit seinen unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheiten nicht nachgekommen, da er sich nicht um jedwede Arbeit, sondern vornehmlich um eine Beschäftigung in seinem erlernten Beruf bemüht hat. Bereits aus diesem Grund stand ihm kein Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern zu, da es in der hier fraglichen Zeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze und Beschäftigungen gab, die der Kläger hätte an- bzw. aufnehmen können.
Ein anzurechnender Unterhaltsanspruch kann auch nicht fingiert werden.
Nach § 137 Abs. 1 a AFG, der durch das Gesetz über die 18. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und zur Änderung der Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (KOV-Anpassungsgesetz 1989) vom 17. Juli 1989 (BGBl. I, S. 288) mit Wirkung vom 8. Juli 1989 eingefügt wurde, ist der Arbeitslose nicht bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG, soweit er auf einen Anspruch, der nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG zu berücksichtigen wäre, verzichtet oder Handlungen unterläßt, die Voraussetzung für das Entstehen oder Fortbestehen eines derartigen Anspruchs sind.
Der Senat hält auch unter Berücksichtigung anderslautender landessozialgerichtlicher Entscheidungen (s. LSG Berlin, Urteil vom 10. April 1990, – L-14/Ar-72/89 – und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 1989, – L-5/Ar-1537/89 – = Breithaupt 1990, S. 499 ff.) an seiner bisherigen Rechtsprechung zur verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift (vgl. Urteile vom 20. Juni 1990, L-6/Ar-1428/89 – sowie – L-6/Ar-701/89 –) fest. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich zum einen aufgrund der – noch darzulegenden – verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine weite Auslegung dieser Vorschrift und zum anderen aus der Verpflichtung der Fachgerichte, vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Artikel 100 Grundgesetz (GG) den Versuch einer verfassungskonformen Auslegung der fraglichen Rechtsnorm zu unternehmen (s. z.B. BVerfGE 48, 40, 45 f.). Eine solche verfassungskonforme Interpretation erscheint gegenüber weitergehenden subjektiven Intentionen des Gesetzgebers, die im Wortlaut des § 137 Abs. 1 a AFG keinen Niederschlag gefunden haben, als möglich, geeignet und notwendig, u.a. um die in der Literatur geäußerten Bedenken gegen die Bestimmtheit und Rechtsklarheit des Normgehalts dieser Vorschrift (vgl. hierzu Siegfried, Anrechnung von fiktiven Unterhaltsansprüchen bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe: Verfassungswidrigkeit des § 137 Abs. 1 a AFG, SozSich 1990, S. 19 ff., 22; Rombach, § 137 I a AFG – Beispiel für eine verfassungswidrige Gesetzgebungstechnik, ZRP 1990, S. 388 ff., 390) auszuräumen.
Hiernach ist für die – vorliegend alleine in Frage stehende – Tatbestandsalternative des Unterlassens von Handlungen, die Voraussetzung für das Entstehen oder Fortbestehen eines gegenüber der Alhi vorrangigen Anspruchs nach § 138 Abs. 1 AFG sind, ihrerseits Voraussetzung, daß der vorrangige Anspruch bei Hinzudenken der unterlassenen Handlungen tatsächlich bestünde, daß das Unterlassen mithin ursächlich für das Nichtbestehen des vorrangigen Anspruch ist (so zutreffend das Sozialgericht mit Hinweis auf Winkler, gesetzlicher Schutz für eine vieljährige rechtswidrige Praxis – abschließende Anmerkungen zur Anrechnung fiktiver Unterhaltsansprüche auf die Arbeitslosenhilfe nach der Neufassung der §§ 137 und 152 AFG, info also 3/1989, S. 149 ff., 132). Dies gilt für die Tatbestandsalternative des Anspruchsverzichts in gleicher Weise für das Hinwegdenken des Verzichts. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten in der zweiten Tatbestandsalternative folgt dies bereits aus dem Wortlaut der Regelung, da der Arbeitslose nur insoweit als nicht bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG anzusehen ist, als er unterhaltsanspruchsbegründende Handlungen unterläßt. Durch solche Unterlassungen entfällt demnach nicht die Bedürftigkeit insgesamt, sondern nur in Höhe des ansonsten bestehenden Unterhaltsanspruches. Dies muß aber auch für die Unterhaltsbedürftigkeit des Arbeitslosen gelten, wobei es keinen Unterschied machen kann, ob diese wegen des Vorhandenseins von zu verwertendem Vermögen oder wegen der Möglichkeit zu unterhaltsrechtlich zumutbarer Erwerbstätigkeit entfällt. Arbeitslose, die auf einen ihnen zustehenden Unterhaltsanspruch verzichten oder Handlungen unterlassen, die für den Erwerb oder den Fortbestand eines Unterhaltsanspruchs erforderlich sind, werden nach § 137 Abs. 1 a AFG demnach so behandelt, als ob sie einen Unterhaltsanspruch in der Höhe hätten, wie er ihnen ohne den Verzicht oder bei Vornahme der Handlungen (und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) zustehen würde (insoweit zutreffend das LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 1989 a.a.O., S. 503.)
Für dieses Kausalitätserfordernis spricht ferner die systematische Stellung und der Sinn und Zweck der Vorschrift. § 137 Abs. 1 a AFG ist eingeordnet in die Regelungen über die Bedürftigkeit des Arbeitslosen und nicht in die Regelungen über die Zumutbarkeit. Als Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi soll diese Vorschrift nach den Gesetzesmaterialien zwar "die am Subsidiaritätsgrundsatz ausgerichtete Reihenfolge der Unterhaltssicherungssysteme” gewährleisten und als "zusätzliche Klarstellung” u.a. den Vorrang des Unterhaltsrechts gegenüber der Alhi entsprechend der langjährigen Praxis der Bundesanstalt für Arbeit gewährleisten (s. BT-Drucks. 11/4178, S. 6), dieser subjektive Wille des Gesetzgebers steht jedoch der hier vertretenen, vom Wortlaut der Vorschrift gedeckten Auslegung nicht entgegen. Zum Subsidiaritätsgrundsatz hat in diesem Zusammenhang das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 7. September 1988 (a.a.O.) bereits darauf hingewiesen, daß selbst wenn das Gesetz von einer Rangfolge der Unterhaltssysteme in der Reihenfolge Alg, Familienverband, Alhi und Sozialhilfe ausginge, diese Reihenfolge nur bei Konkurrenz zwischen bestehenden Ansprüchen gelte und nicht bedeute, daß ein Anspruch auf Alhi nur bei Fehlen unterhaltspflichtiger Verwandter eingeräumt sei. Durch § 137 Abs. 1 a AFG sollen die Konkurrenzregelungen im Verhältnis des Unterhaltsrechts zur Arbeitslosenhilfe auf Fälle ausgedehnt werden, in denen der vorrangige Unterhaltsanspruch von dem Berechtigten durch Verzicht aufgegeben oder durch Unterlassung notwendiger Handlungen nicht realisiert wird. Allenfalls wenn gerade durch die unterlassenen Handlungen ein Unterhaltsanspruch entfällt, kann die Postulierung besonderer Handlungspflichten im Arbeitslosenhilferecht eine Konkurrenz von Unterhalts- und Arbeitslosenhilfeanspruch betreffen und den Vorrang des Unterhaltsanspruchs vor dem Arbeitslosenhilfeanspruch bzw. den Vorrang der familienrechtlichen vor der arbeitslosenhilferechtlichen Unterhaltssicherung gewährleisten. Nur in dieser Fallgestaltung kann auch der Arbeitslose auf die Inanspruchnahmen des Unterhaltsanspruchs verwiesen werden. Kann bzw. könnte auch bei Vornahme der erforderlichen Handlungen ein Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen (insbesondere weil genügend unterhaltsrechtlich zumutbare Arbeitsplätze vorhanden sind und sich der Unterhaltsbegehrende durch Verwertung seiner Arbeitskraft selbst unterhalten könnte oder weil dieser über unterhaltsrechtlich vorrangig zu verwertendes Vermögen verfügt) nicht erlangt werden, so steht der Vorrang des Unterhaltsrechts nicht in Frage.
Der so verstandene Normzweck des § 137 Abs. 1 a AFG schließt es aus, diesen als bloße Verschärfung der arbeitsförderungsrechtlichen Erwerbsobliegenheiten des Arbeitslosen bei Vorhandensein eines (unterhaltsfähigen) Verwandten ersten Grades oder gar als "Bestrafung” (so LSG Baden-Württemberg, a.a.O., S. 504) für das Unterlassen bestimmter Handlungen zu begreifen, ohne Rücksicht darauf, ob hierdurch (konkret) ein Unterhaltsanspruch erworben werden kann oder nicht. Mit diesem Inhalt wäre die Regelung systematisch den Vorschriften über die Verfügbarkeit, speziell den Regelungen über die Zumutbarkeit (§ 103 Abs. 2 AFG i.V.m. der Zumutbarkeits-AO) zuzuordnen.
Eine solche Deutung des § 137 Abs. 1 a AFG wäre nach Auffassung des Senats nicht mit dem Grundsatz der individuellen Arbeitsvermittlung zu vereinbaren und würde damit insgesamt gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstoßen (im Ergebnis ebenso Siegfried, a.a.O., S. 24; Winkler, a.a.O., S. 153; Schlegel/Otte, Einkommen der Eltern und Arbeitslosenhilfe der Kinder, NJW 1989, S. 2800 f.; Schmidt-Müller, Anrechnung fiktiver Unterhaltsansprüche bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe, SGb 1990, S. 311 ff.; Rombach, a.a.O., S. 391; Jerke, Restriktion der "Bedürftigkeit” und Expansion der "Zumutbarkeit” in der Bedürftigkeitsprüfung der Arbeitslosenhilfe, SGb 1990, S. 283 ff., 287; a.A. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 15. November 1989 a.a.O.; LSG Berlin Urteil vom 10. April 1990 a.a.O.).
Der allgemeine Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. z.B. BVerfGE 55, 72 ff., (88); 75, 382 ff., 393). Dem Gesetzgeber kommt hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der jedoch bei benachteiligender Typisierung enger ist als bei bevorzugender und in jedem Falle einen – bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise – sachlich vertretbaren Grund für die Ungleichbehandlung voraussetzt (vgl. z.B. BVerfGE 17, 1 ff. (23 f.); E 71, 39 ff. (58)).
Insbesondere volljährige beruflich qualifizierte Arbeitslose mit Verwandten ersten Grades – wie vorliegend der Kläger – wären durch § 137 Abs. 1 a AFG nach dieser Interpretation wesentlich schlechter gestellt als Arbeitslose ohne solche Verwandte. Ersteren würden unter Vernachlässigung der arbeitsförderungsrechtlich gebotenen Interessenabwägung bei der Frage der Zumutbarkeit der Annahme einer Beschäftigung (§ 103 Abs. 2 AFG) sofort die sehr viel weitergehenden und primär den potentiell Unterhaltspflichtigen schützenden unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheiten auferlegt, ohne Rücksicht darauf, ob sie hierdurch einen Unterhaltsanspruch erlangen können oder nicht. Arbeitslose mit beruflicher Qualifikation wären hiernach verpflichtet, sich sogleich um Beschäftigungen jedweder Art, einschließlich ungelernter Aushilfstätigkeiten, zu bemühen und solche Beschäftigungen anzunehmen. Die Regelung des § 137 Abs. 1 a AFG ginge damit über eine bloße Verfahrensregelung, als die sie mitunter hingestellt wird, weit hinaus; die dargestellte Ungleichbehandlung kann entgegen dem Landessozialgericht Berlin (a.a.O.) auch nicht als geringfügig angesehen werden.
Das bloße Vorhandensein eines (unterhaltsfähigen) Verwandten ersten Grades stellt nach den oben genannten Kriterien des Artikel 3 Abs. 1 GG keinen sachlich vertretbaren Grund für diese Ungleichbehandlung dar. Dies folgt insbesondere auch aus dem Grundsatz der individuellen Arbeitsvermittlung, von dem durch die personengruppenspezifische Übernahme der strengeren und vor allem auch andersartigen unterhaltsrechtlichen Zumutbarkeitsgrundsätze und Erwerbsobliegenheiten ohne hinreichenden Grund abgewichen würde.
Der Beklagten ist durch § 14 Abs. 1 AFG und die Präambel der Zumutbarkeits-AO (unter c) aufgegeben, durch sachgerechte Beratungs- und Vermittlungsbemühungen sowie durch ein ausreichendes Angebot geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen eine nach den beruflichen und sozialen Verhältnissen und Perspektiven des Arbeitslosen individuelle Arbeitsvermittlung zu betreiben, wobei unterwertige Beschäftigungen vermieden werden sollen (§ 2 Nr. 1 AFG). Diese objektiv-rechtlichen Verpflichtungen der Beklagten sind wesentlich geprägt durch das Grundrecht auf Berufswahlfreiheit und freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 GG).
Während im Unterhaltsrecht die Erwerbsobliegenheiten des Unterhaltsbegehrenden und die Zumutbarkeit der, Verwertung der eigenen Arbeitskraft unter Berücksichtigung des potentiell Unterhaltspflichtigen und des potentiell Unterhaltsberechtigten – wie dargestellt – sehr weitgehend sind und nahezu uneingeschränkt die Eigenverantwortlichkeit des unterhaltsbegehrenden Erwachsenen und dessen Verpflichtung zur Selbsthilfe praktisch ohne berufliche Statussicherung betont werden, bemißt sich die arbeitsförderungsrechtliche Zumutbarkeit für die Annahme einer Beschäftigung nach der – für das Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilferecht gleichermaßen geltenden – Grundregelung des § 103 Abs. 2 AFG aufgrund einer Abwägung der Interessen des Arbeitslosen gegenüber denjenigen der Gesamtheit der Beitragszahler. Die zu berücksichtigenden Interessen des Arbeitslosen umfassen auch die Befreiung vom Zwang, jede Arbeit annehmen und alle Arbeitsbedingungen akzeptieren zu müssen (vgl. Steinmeyer in: Gagel, AFG, Kommentar, § 103 Rd.-Nr. 39 ff., 56 ff; Winkler a.a.O., S. 153) und beinhalten damit u.a. einen relativen zeitlich gestaffelten beruflichen Statusschutz, wie er in der Zumutbarkeits-AO durch die §§ 8 bis 12 im einzelnen konkretisiert wird. Hierbei handelt es sich zwar um untergesetzliche Regelungen, diese bestimmen jedoch die tatsächliche Verwaltungspraxis der Beklagten i.S. einer nach Art. 3 Abs. 1 GG relevanten Selbstbindung. Dieser relative berufliche Statusschutz ist nicht nur bedeutsam für Bezieher der sog. originären Alhi (§ 136 Abs. 2 Nr. 2 AFG), sondern im Einzelfall und nach Maßgabe der Zumutbarkeits-AO auch für Bezieher der sog. Anschluß-Alhi (§ 136 Abs. 2 Nr. 1 AFG), wie im Falle des Klägers.
Ist der Beklagten demnach eine rein schematische Arbeitsvermittlung versagt (Knigge u.a., AFG, Kommentar, 2. Aufl. 1988, § 14 Anm. 18; Jerke, a.a.O., S. 284), so ist eine unmodifizierte Rezeption der auf gänzlich anderen Kriterien und Interessenabwägungen beruhenden unterhaltsrechtlichen Zumutbarkeitsgrundsätze und Erwerbsobliegenheiten für Personen mit einem potentiell unterhaltspflichtigen Verwandten ersten Grades gegenüber Personen ohne solche Verwandte nicht zu rechtfertigen. Der Vorrang des Unterhaltsrechts ist im Falle der Anspruchskonkurrenz – wie dargelegt – bezogen und begrenzt auf die Bedürftigkeit (Bedürftigkeitsvorrang), hinsichtlich der Erwerbsobliegenheiten und der Kriterien für die Zumutbarkeit der Annahme einer Beschäftigung ist die Alhi hingegen das umfassendere und allgemeinere Sicherungssystem mit einer anderen Interessenkonstellation. Es erscheint daher zweifelhaft, ob überhaupt von einer Lücke zwischen Unterhalts- und Arbeitslosenhilferecht gesprochen werden kann. Ein Gleichklang zwischen Unterhalts- und Arbeitslosenhilferecht kann verfassungskonform jedenfalls nicht dadurch bewerkstelligt werden, daß für einen Teil der Berechtigten des allgemeinen Systems (Alhi) die weitergehenden und zusätzlichen Voraussetzungen des spezielleren Systems (dem Unterhaltsrecht) auch im allgemeinen System auferlegt werden. Ein Gleichklang dieser Sicherungssysteme kann nach geltendem Recht nur durch die Beklagte im Einzelfall nach Maßgabe der Zumutbarkeits-AO hergestellt werden, d.h. soweit die Abwägung der Interessen des Arbeitslosen und derjenigen der Gesamtheit der Beitragszahler eine arbeitsförderungsrechtliche Zumutbarkeit und Verweisbarkeit des Arbeitslosen im Umfang der unterhaltsrechtlichen Zumutbarkeit erlaubt.
Die Schlechterstellung Arbeitsloser mit Verwandten ersten Grades kann auch nicht als Härte oder Ungerechtigkeit im Einzelfall angesehen werden, wie sie bei typisierenden Regelungen hinzunehmen sind. Dies kommt nur in Betracht, wenn lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen in dieser Weise betroffen und die Härte nicht zu groß wäre (BVerfG 26, 265 ff., 275 f). Mit der Unterstellung eines realisierbaren Unterhaltsanspruchs bei volljährigen Arbeitslosen mit (unterhaltsfähigen) Verwandten ersten Grades würde jedoch die Ausnahme zum Typischen erhoben. Ein Unterhaltsanspruch volljähriger Arbeitsloser gegen ihre Eltern oder Kinder ist aufgrund der weitgehenden unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheiten rechtlich und tatsächlich die Ausnahme (ebenso Schmidt-Müller, a.a.O., S. 313).
Indem die Beklagte die Leistungsfähigkeit der potentiell unterhaltspflichtigen Eltern des Klägers prüft und einen fiktiven Unterhaltsanspruch nur insoweit anrechnet, als diese leistungsfähig sind, geht auch sie von dem Erfordernis der Kausalität des Unterlassens aus, allerdings begrenzt auf die Leistungsfähigkeit des bzw. der Unterhaltspflichtigen. Das Erfordernis der Kausalität des Unterlassens für den fehlenden Unterhaltsanspruch bezieht sich aber nach Wortlaut und Zweck der Regelung auf alle Tatbestandsvoraussetzungen dieses Anspruchs, d.h., auch auf die Bedürftigkeit des Unterhaltsbegehrenden, insbesondere auf dessen Unvermögen, seinen Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst bestreiten zu können.
Die unterlassenen Handlungen i.S. von § 137 Abs. 1 a AFG müssen demnach bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift sowohl kausal für das Nichtbestehen des vorrangigen Anspruchs als auch arbeitsförderungsrechtlich zumutbar sein.
Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Dem Kläger waren nur Tätigkeiten in seinem erlernten Beruf als Diplom-Agraringenieur oder in vergleichbaren Beschäftigungen zumutbar. Dies folgt aus § 103 Abs. 2 und 3 AFG sowie der hierzu ergangenen Zumutbarkeits-AO. Im Hinblick auf die hiernach gebotene Abwägung der Interessen des Arbeitslosen mit denen der Gesamtheit der Beitragszahler hat der Verwaltungsrat der Beklagten in der Zumutbarkeits-AO vom 16. März 1982 in § 12 folgende fünf Qualifikationsstufen festgelegt:
1) Hochschul- und Fachhochschulausbildung,
2) Aufstiegsfortbildung auf einer Fachschule oder in einer vergleichbaren Einrichtung,
3) Ausbildung in einem Ausbildungsberuf,
4) Anlernausbildung,
5) alle übrigen Beschäftigungen.
Während der ersten vier Monate der Arbeitslosigkeit waren dem Kläger nach §§ 8, 9 der Anordnung nur Beschäftigungen zumutbar, die den üblichen Bedingungen entsprechen, zu denen Arbeitnehmer mit einem vergleichbaren Berufsabschluß oder einem vergleichbaren beruflichen Werdegang Beschäftigungen ausüben. Während der folgenden vier Monate waren dem Kläger auch Beschäftigungen auf der nächstniedrigeren Stufe zuzumuten, jedoch nur dann, wenn zuvor ein Beratungsgespräch hinsichtlich der Herabstufung stattgefunden hat. Ein solches Beratungsgespräch hat jedoch mit dem Kläger nicht stattgefunden, so daß eine Herabstufung auf die vierte oder fünfte Qualifikationsstufe des § 12 der Zumutbarkeits-AO nicht möglich war.
Dem Kläger war auch der allgemeine Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Im Alter von heute 34 Jahren konnte der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine Vielzahl ungelernter Beschäftigungen verrichten und es ist nicht ersichtlich, daß er keine solche Beschäftigung hätte aufnehmen können. Für Arbeitslose, deren Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt insbesondere nach Alter und Gesundheitszustand nicht wesentlich eingeschränkt sind, besteht die Vermutung, daß sie sich durch eigene Tätigkeiten selbst unterhalten können. Der gegenteilige Schluß, daß der Kläger außerstande war bzw. ist, sich selbst zu unterhalten, weil es ihm (ggf. zeitlich begrenzt) nicht möglich war bzw. ist, eine Beschäftigung irgendwelcher Art zu erlangen, könnte allenfalls dann gezogen werden, wenn auch die Vermittlungsbemühungen der Beklagten sich auf alle Beschäftigungen bezogen hätten bzw. beziehen würden, die dem Kläger unterhaltsrechtlich zugemutet werden (so bereits BSG-Urt. v. 13. Juli 1985, 7 RAr 93/84, SozR 4100 § 138 Nr. 12 = BSGE 58, 165). Solche zum Nachweis des (ggf. zeitlich begrenzten) Unvermögens des Klägers zur Erlangung einer Beschäftigung jedweder Art erforderlichen Vermittlungsbemühungen der Beklagten sind in der (unterhaltsrechtlich) erforderlichen Breite während des streitbefangenen Zeitraumes nicht vorgenommen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs. 2 Satz 1 SGG.
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