Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 5 SB 73/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 11/02 -26
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Erstfeststellungsantrages einen höheren Grad der Behinderung (GdB).
Die 1956 geborene Klägerin beantragte am 3. Februar 1999 die Feststellung von Behinderungen, des Grades der Behinderung sowie einer erheblichen Gehbehinderung (Merkzeichen "G") wegen Kniebeschwerden links, Hüftbeschwerden rechts mit Ausstrahlung in das rechte Bein und einem Glaukom beidseits. Mit Bescheid vom 18. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2000 (abgesandt am 02. August 2000) stellte der Beklagte einen GdB von 40 wegen folgender Behinderungen:
Wirbelsäulenschäden mit funktionellen Auswirkungen (Einzel-GdB 30)
Migräne (Einzel-GdB 20) und zunächst auch wegen
einer Sehbehinderung (Einzel-GdB 10), die im Widerspruchsbescheid nicht mehr berücksichtigt wurde,
fest. Daraufhin hat die Klägerin am 4. September 2000 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben, um ihr Begehren hinsichtlich eines höheren GdB weiter zu verfolgen; die Zuerkennung des Merkzeichens "G" hat sie nicht mehr geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, die orthopädischen Leiden und die daraus entstandenen Folgeschäden, insbesondere die bei ihr vorliegenden Schmerzen, seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es seien nicht alle Beeinträchtigungen erfasst worden. Ergänzend hat die Klägerin umfangreiche Unterlagen der sie behandelnden Ärzte übersandt.
Der als Sachverständiger bestellte Chirurg und Sozialmediziner Dr. B hat in seinem Gutachten vom 5. Juni 2001 unter anderem ausgeführt, bei der Klägerin lägen im Sinne des Schwerbehindertengesetzes seit Februar 1999 keine wesentlichen Behinderungen vor. Es lasse sich daher weder ein Einzel- noch ein Gesamt-GdB feststellen. Die durchgeführte Untersuchung habe ergeben, dass die Klägerin eine Vielzahl von Beschwerden im Bereich des Stütz- und Halteapparates vortrage, die sich in keiner Weise auf objektivierbare gesundheitliche Einschränkungen, die dauerhaft vorliegen würden, zurückführen ließen.
Mit Urteil vom 14. Februar 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der Klägerin lägen keine Behinderungen vor, die es rechtfertigen würden den GdB mit mehr als 40 zu bewerten. Der Sachverständige habe bei der Messung der Bewegungsmaße im Bereich der Wirbelsäule, der oberen und der unteren Extremitäten ausschließlich Normbefunde erhoben. Eine Migräne habe er bei der Klägerin nicht feststellen können. Auch die Sehstörungen der Klägerin würden keinen GdB von wenigstens 10 bedingen.
Gegen dieses (am 7. März 2002 abgesandte) Urteil hat die Klägerin am 15. März 2002 Berufung eingelegt, um ihr Begehren, einen GdB von wenigstens 50 zu erreichen, weiter zu verfolgen. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, es seien nicht alle bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen berücksichtigt worden, dies gelte insbesondere für die Hüft- und Kniegelenksstörung sowie die Funktionsstörung am 5. Finger sowie ihre Sehbehinderung. Sie habe 1988 einen schweren Verkehrsunfall gehabt und sei dabei äußerst schwer verletzt worden. Auch liege bei ihr eine Osteoporose vor, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden sei und zu Schmerzen führe. Nach den Anhaltspunkten könnten solche Beschwerden mit einem GdB von 50 bis 70 bewertet werden. Das in der 1. Instanz eingeholte Gutachten setze sich mit dieser Erkrankung nicht ausreichend auseinander. Es liege nunmehr auch ein Fibromyalgiesyndrom vor, welches sie stark belaste. Darüberhinaus leide sie unter einem Restless-legs-Syndrom. Ergänzend hat die Klägerin Unterlagen der sie behandelnden Ärzte sowie ein im Auftrag der Rentenversicherung erstelltes Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. T vom 19. Februar 2007 eingereicht, der bei ihr ein chronisches vertebragenes und arthrogenes Schmerzsyndrom, ein Fibromyalgiesyndrom und eine Anpassungsstörung diagnostizierte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. Februar 2002 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 18. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2000 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr ab 3. Februar 1999 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, dass der GdB 40 beträgt.
Die als Sachverständige bestellte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H hat in ihrem Gutachten vom 27. November 2007 unter anderem ausgeführt, bei der Klägerin lägen eine Fibromyalgie, eine Osteoporose, degenerative Veränderungen der knöchernen und der Lendenwirbelsäulenbandscheibenstrukturen, eine Coxarthrose beidseits, eine Migräne, Spannungskopfschmerzen, eine Panikstörung, ein Restless-legs-Syndrom, eine Periarthritis humeroscapularis rechts, eine Arthrose des AC-Gelenkes beidseits, einer Epicondylitis humeroradialis beidseits, ein Glaukom beidseits, eine Hyperopie und ein Astigmatismus vor. Im Vordergrund der Funktionsbeeinträchtigungen stünden die Erkrankungen der Wirbelsäule mit ihren mittelgradigen funktionellen Auswirkungen vor allem durch das Schmerzsyndrom. Diese seien als Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen zu bezeichnen und mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Die Fibromyalgie sei in den Anhaltspunkten als Behinderung nicht aufgeführt. Fasse man sie als Somatisierungsstörung auf, so würde sie in den Bereich der stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit fallen und einen Einzel-GdB von 30 bedingen. Darüber hinaus liege bei der Klägerin eine Migräne in einer mittelgradigen Verlaufsform mit häufigeren Anfällen, die jeweils mit Behandlung einen Tag anhalten würden, vor. Diese sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Alle weiteren Gesundheitsstörungen würden keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 bedingen. Der Gesamt-GdB betrage 40. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung, nämlich die Wirbelsäulenschäden mit den funktionellen Auswirkungen auf die Fibromyalgie und umgekehrt besonders nachteilig auswirken würden. Trotz der Funktionsbeeinträchtigungen sei die Fähigkeit der Klägerin, den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden sowohl im häuslichen Bereich als auch in der Arbeitswelt nicht wesentlich beeinträchtigt. Ihren möglichen Einschränkungen bei den Aktivitäten und der Teilhabe in Lebenssituationen werde mit einem Gesamt-GdB von 40 ausreichend Rechnung getragen. Auch in einer ergänzenden Stellungnahme vom 6. Februar 2008 ist die Sachverständige im Wesentlichen bei dieser Einschätzung verblieben. Ergänzend hat sie ausgeführt, bei der Klägerin lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine stärker ausgeprägte Panikerkrankung vorliege. Der von ihr gebildete Gesamt-GdB entspreche dem Grad der Einschränkungen der Klägerin bei der Teilhabe am Leben.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte eine psychische Störung, psychosomatische Störung, außergewöhnliche Schmerzreaktion, Fibromyalgie als weitere Behinderung anerkannt. Die Klägerin hat dieses Anerkenntnis angenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Gz.: ) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben. Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB als 40 abgelehnt; die Klägerin ist nicht schwerbehindert.
Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (dessen Regelungen am 1. Juli 2001 in Kraft getreten und zuletzt durch Art. 8 Abs. 2 Gesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 18. Dezember 2007, BGBl. I S. 2984 geändert worden sind - SGB IX) Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen die zuständigen Behörden (Versorgungsämter) auf Antrag das Vorliegen einer Behinderung und den dadurch bedingten GdB fest. Im Interesse der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen erfolgt die konkrete Festsetzung nach Maßgabe der in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aktuelle Ausgabe: 2008) niedergelegten Maßstäben. Diese sind zwar kein Gesetz und auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen. Es handelt sich jedoch bei ihnen um eine auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhenden Ausarbeitung, die die möglichst gleichmäßige Anwendung dieser Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zum Ziel hat. Die AHP engen das Ermessen der Verwaltung ein, führen zur Gleichbehandlung und sind deshalb auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden. Gibt es solche anerkannten Bewertungsmaßstäbe, so ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich von diesen auszugehen (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 18. September 2003, BSGE 91, 205-211, SozR 4-3250 § 69 Nr. 2 Rdnr. 18). Deshalb stützt sich der Senat auf die genannten AHP. Eine Behinderung ist gemäß § 2 SGB IX die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht und die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen, wie sie bei der Klägerin vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 SGB IX der Gesamt-GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festzustellen.
Die Klägerin leidet unter einem Fibromyalgiesyndrom. Bei der Fibromyalgie handelt es sich um eine chronische Schmerzkrankheit des Gelenk- und Bewegungsapparates. Die Sachverständige Dr. H hat diese als Somatisierungsstörung und hier als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bezeichnet hat. Nach den Anhaltspunkten (Nr. 26.3, S. 48) werden stärker behindernde psychische Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 bewertet. Erst schwere psychische Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem Einzel-GdB von 50 bis 70 bewertet. Die Klägerin leidet zwar unter einer stärker behindernden somatoformen Störung, nämlich dem Fibromyalgiesyndrom, nicht jedoch unter einer schweren psychischen Störung. Hiergegen spricht u.a. der von ihr anlässlich der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. H beschriebene Tagesablauf, der keinen Anhalt dafür gibt, dass sie unter wenigstens mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten leidet. Nach diesen Angaben geht die Klägerin einkaufen, versorgt ihren Haushalt, kocht, jedenfalls am Wochenende, hat Kontakt zu Nachbarn, insbesondere zu einer Freundin und zwei Bekannten, kümmert sich um ihre beiden Katzen, geht spazieren und fährt Fahrrad. Anlässlich der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. H war die Stimmungslage zwar bedrückt, eine tiefer greifende Depressivität war jedoch nicht spürbar. Der Gedankengang der Klägerin war geordnet, wenn auch formal etwas weitschweifig, sie ließ sich aber im Gespräch und in der Exploration immer wieder gut strukturieren. In Konzentration und Gedächtnisleistung ergaben sich keine Störungen. Die Aufmerksamkeitsspanne konnte über den gesamten 180 Minuten dauernden Untersuchungszeitraum gehalten werden. Die Klägerin kann sich nach Aussage der Sachverständigen Dr. H auf neue und sich verändernde Situationen gut einstellen und sich diesen anpassen. Bezüglich der Durchsetzung ihrer Interessen und Rechte zeigt sie sich durchsetzungsstark und bestimmt. Hieraus ergibt sich zwar eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, es ergeben sich daraus jedoch keine mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Ein Einzel-GdB von 30 ist damit zwar zutreffend jedoch auch ausreichend.
Darüber hinaus leidet die Klägerin unter einem Lendenwirbelsäulensyndrom, wie sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. H ergibt. Diese hat bei der Klägerin degenerative Veränderungen im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule und Bandscheibenprotrusionen in den Segmenten L 3/4 und L 4/5 diagnostiziert, wobei Wurzelirritationen nicht vorliegen. Die Behinderung der Wirbelsäule haben sowohl die Sachverständige Dr. H als auch der Beklagte mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet. Dieser Einschätzung kann der Senat nicht folgen, denn ein GdB von 30 lässt sich nur rechtfertigen, wenn dabei in einem erheblichen Umfang die von der Klägerin beklagten Schmerzen berücksichtigt werden. In den Anhaltspunkten (Nr. 26.18, S. 116) werden Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen mit einem Einzel-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem Einzel-GdB von 20 und erst Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 bewertet. Die Klägerin leidet unter Wirbelsäulenschäden mit geringen Funktionsstörungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich der Lendenwirbelsäule. Aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. H ergibt sich, dass die gesamte Wirbelsäule ausreichend beweglich war, so betrug bspw. der Finger-Bodenabstand 0 cm, das Zeichen nach Schober 10/15 cm und das Trendelen-Trendelenburg-Zeichen war beidseits negativ. Ein Einzel-GdB von mehr als 10 allein für die funktionellen Einschränkungen der Wirbelsäulenschäden lässt sich nach alledem nicht feststellen. Nur unter Einbeziehung von über das normale Maß hinausgehenden erheblichen Schmerzen ließe sich ein Einzel-GdB von 30 für die Wirbelsäulebeschwerden rechtfertigen. Da die erheblichen Schmerzen der Klägerin im Bereich der gesamten Wirbelsäule jedoch bereits bei der chronischen Schmerzkrankheit Fibromyalgie berücksichtigt worden sind, würde eine erneute Berücksichtigung dieser Schmerzen bei der Bewertung der Wirbelsäulenbeschwerden zu einer Doppelbewertung führen.
Darüber hinaus leidet die Klägerin unter einer echten Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform, d. h. mit häufigeren Anfällen, die jeweils einen oder mehrere Tage anhalten, die die Sachverständige Dr. H zutreffend und in Übereinstimmung mit den Anhaltspunkten (Nr. 26.2, S. 38) mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet hat. Nach den Anhaltspunkten sind die leichte Verlaufsform einer echten Migräne mit durchschnittlich einem Anfall im Monat mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10 und die echte Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform mit einem Einzel-GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Erst die echte Migräne mit schwerer Verlaufsform, d. h. die Migräne mit langdauernden Anfällen mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen und Anfallspausen von nur wenigen Tagen, bedingt einen Einzel-GdB von 50 bis 60. Die Klägerin leidet unter ca. vier Anfällen im Monat, die ca. einen Tag anhalten. Es liegt damit zwar eine echte Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform vor, die aber noch im unteren Bereich einzuordnen und daher mit 20 zu bewerten ist.
Die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen sind mit Einzel-GdB von unter 10 zu bewerten und stellen damit keine Behinderungen dar. Soweit die Klägerin weitere Gesundheitsstörungen als Behinderungen geltend macht, so unter anderem eine Panikerkrankung, kann der Senat dem nicht folgen, denn die Sachverständige Dr. H konnte eine solche nicht bestätigen. Zwar hat die Klägerin anlässlich der Untersuchung durch die Sachverständige ganz am Ende von Panikattacken u. a. auf dem Weg zur Begutachtung berichtet. Diese Angabe steht jedoch deutlich in Diskrepanz dazu, dass sie auf dem Weg zur Begutachtung ebenfalls verbal auf zwei sich prügelnde Männer in der S-Bahn zu gegangen ist. Dieses couragierte Verhalten widerspricht nach Angaben der Sachverständigen Dr. H dem üblichen Verhalten von Angstpatienten bzw. lässt es zumindest darauf schließen, dass die Angsterkrankung der Klägerin nicht besonders ausgeprägt ist.
Der Gesamt-GdB ist mit 40 zutreffend festgestellt worden.
Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind zwar Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden, auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (AHP Nr. 19 Abs. 1, S. 24). Dabei ist in der Regel ausgehend von der schwerwiegensten Gesundheitsstörung zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird (AHP Nr. 19 Abs. 3, S. 25), wobei zu berücksichtigen ist, dass leichte Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigungen führen, und dass es vielfach auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 nicht gerechtfertigt ist, eine Erhöhung vorzunehmen (AHP Nr. 19 Abs. 4, S. 26). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der GdB mit 40 zutreffend bewertet worden. Ausgehend von der schwerwiegensten Gesundheitsstörung, das heißt von den psychischen bzw. psychosomatischen Beschwerden, die mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet sind, ist es angemessen diesen leicht, nämlich um 10, zu erhöhen, da sich die weiteren lediglich mit Einzel-GdB von 20 (Migräne) bzw. 10 (Wirbelsäulenbeschwerden) bewerteten Behinderungen zwar hierauf auswirken, eine Addition jedoch nicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung. Trotz des Anerkenntnisses des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erscheint es nicht gerechtfertigt, diesen auch nur mit einem Teil der Kosten zu belasten. Das Anerkenntnis beinhaltet im wesentlichen eine Neufassung bzw. Konkretisierung der Behinderungsbezeichnung, indem die auch bisher berücksichtigten besonderen Wirbelsäulenschmerzen der Klägerin unter dem Begriff Fibromyalgie bzw. psychische Störung, psychosomatische Störung gefasst werden. Deutlich wird dies auch an der Tatsache, dass sich der Gesamt-GdB durch diese "weitere" Behinderung nicht erhöht hat.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Erstfeststellungsantrages einen höheren Grad der Behinderung (GdB).
Die 1956 geborene Klägerin beantragte am 3. Februar 1999 die Feststellung von Behinderungen, des Grades der Behinderung sowie einer erheblichen Gehbehinderung (Merkzeichen "G") wegen Kniebeschwerden links, Hüftbeschwerden rechts mit Ausstrahlung in das rechte Bein und einem Glaukom beidseits. Mit Bescheid vom 18. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2000 (abgesandt am 02. August 2000) stellte der Beklagte einen GdB von 40 wegen folgender Behinderungen:
Wirbelsäulenschäden mit funktionellen Auswirkungen (Einzel-GdB 30)
Migräne (Einzel-GdB 20) und zunächst auch wegen
einer Sehbehinderung (Einzel-GdB 10), die im Widerspruchsbescheid nicht mehr berücksichtigt wurde,
fest. Daraufhin hat die Klägerin am 4. September 2000 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben, um ihr Begehren hinsichtlich eines höheren GdB weiter zu verfolgen; die Zuerkennung des Merkzeichens "G" hat sie nicht mehr geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, die orthopädischen Leiden und die daraus entstandenen Folgeschäden, insbesondere die bei ihr vorliegenden Schmerzen, seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es seien nicht alle Beeinträchtigungen erfasst worden. Ergänzend hat die Klägerin umfangreiche Unterlagen der sie behandelnden Ärzte übersandt.
Der als Sachverständiger bestellte Chirurg und Sozialmediziner Dr. B hat in seinem Gutachten vom 5. Juni 2001 unter anderem ausgeführt, bei der Klägerin lägen im Sinne des Schwerbehindertengesetzes seit Februar 1999 keine wesentlichen Behinderungen vor. Es lasse sich daher weder ein Einzel- noch ein Gesamt-GdB feststellen. Die durchgeführte Untersuchung habe ergeben, dass die Klägerin eine Vielzahl von Beschwerden im Bereich des Stütz- und Halteapparates vortrage, die sich in keiner Weise auf objektivierbare gesundheitliche Einschränkungen, die dauerhaft vorliegen würden, zurückführen ließen.
Mit Urteil vom 14. Februar 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei der Klägerin lägen keine Behinderungen vor, die es rechtfertigen würden den GdB mit mehr als 40 zu bewerten. Der Sachverständige habe bei der Messung der Bewegungsmaße im Bereich der Wirbelsäule, der oberen und der unteren Extremitäten ausschließlich Normbefunde erhoben. Eine Migräne habe er bei der Klägerin nicht feststellen können. Auch die Sehstörungen der Klägerin würden keinen GdB von wenigstens 10 bedingen.
Gegen dieses (am 7. März 2002 abgesandte) Urteil hat die Klägerin am 15. März 2002 Berufung eingelegt, um ihr Begehren, einen GdB von wenigstens 50 zu erreichen, weiter zu verfolgen. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, es seien nicht alle bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen berücksichtigt worden, dies gelte insbesondere für die Hüft- und Kniegelenksstörung sowie die Funktionsstörung am 5. Finger sowie ihre Sehbehinderung. Sie habe 1988 einen schweren Verkehrsunfall gehabt und sei dabei äußerst schwer verletzt worden. Auch liege bei ihr eine Osteoporose vor, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden sei und zu Schmerzen führe. Nach den Anhaltspunkten könnten solche Beschwerden mit einem GdB von 50 bis 70 bewertet werden. Das in der 1. Instanz eingeholte Gutachten setze sich mit dieser Erkrankung nicht ausreichend auseinander. Es liege nunmehr auch ein Fibromyalgiesyndrom vor, welches sie stark belaste. Darüberhinaus leide sie unter einem Restless-legs-Syndrom. Ergänzend hat die Klägerin Unterlagen der sie behandelnden Ärzte sowie ein im Auftrag der Rentenversicherung erstelltes Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. T vom 19. Februar 2007 eingereicht, der bei ihr ein chronisches vertebragenes und arthrogenes Schmerzsyndrom, ein Fibromyalgiesyndrom und eine Anpassungsstörung diagnostizierte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. Februar 2002 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 18. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2000 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr ab 3. Februar 1999 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, dass der GdB 40 beträgt.
Die als Sachverständige bestellte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H hat in ihrem Gutachten vom 27. November 2007 unter anderem ausgeführt, bei der Klägerin lägen eine Fibromyalgie, eine Osteoporose, degenerative Veränderungen der knöchernen und der Lendenwirbelsäulenbandscheibenstrukturen, eine Coxarthrose beidseits, eine Migräne, Spannungskopfschmerzen, eine Panikstörung, ein Restless-legs-Syndrom, eine Periarthritis humeroscapularis rechts, eine Arthrose des AC-Gelenkes beidseits, einer Epicondylitis humeroradialis beidseits, ein Glaukom beidseits, eine Hyperopie und ein Astigmatismus vor. Im Vordergrund der Funktionsbeeinträchtigungen stünden die Erkrankungen der Wirbelsäule mit ihren mittelgradigen funktionellen Auswirkungen vor allem durch das Schmerzsyndrom. Diese seien als Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen zu bezeichnen und mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Die Fibromyalgie sei in den Anhaltspunkten als Behinderung nicht aufgeführt. Fasse man sie als Somatisierungsstörung auf, so würde sie in den Bereich der stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit fallen und einen Einzel-GdB von 30 bedingen. Darüber hinaus liege bei der Klägerin eine Migräne in einer mittelgradigen Verlaufsform mit häufigeren Anfällen, die jeweils mit Behandlung einen Tag anhalten würden, vor. Diese sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Alle weiteren Gesundheitsstörungen würden keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 bedingen. Der Gesamt-GdB betrage 40. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung, nämlich die Wirbelsäulenschäden mit den funktionellen Auswirkungen auf die Fibromyalgie und umgekehrt besonders nachteilig auswirken würden. Trotz der Funktionsbeeinträchtigungen sei die Fähigkeit der Klägerin, den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden sowohl im häuslichen Bereich als auch in der Arbeitswelt nicht wesentlich beeinträchtigt. Ihren möglichen Einschränkungen bei den Aktivitäten und der Teilhabe in Lebenssituationen werde mit einem Gesamt-GdB von 40 ausreichend Rechnung getragen. Auch in einer ergänzenden Stellungnahme vom 6. Februar 2008 ist die Sachverständige im Wesentlichen bei dieser Einschätzung verblieben. Ergänzend hat sie ausgeführt, bei der Klägerin lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine stärker ausgeprägte Panikerkrankung vorliege. Der von ihr gebildete Gesamt-GdB entspreche dem Grad der Einschränkungen der Klägerin bei der Teilhabe am Leben.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte eine psychische Störung, psychosomatische Störung, außergewöhnliche Schmerzreaktion, Fibromyalgie als weitere Behinderung anerkannt. Die Klägerin hat dieses Anerkenntnis angenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Gz.: ) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben. Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB als 40 abgelehnt; die Klägerin ist nicht schwerbehindert.
Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (dessen Regelungen am 1. Juli 2001 in Kraft getreten und zuletzt durch Art. 8 Abs. 2 Gesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 18. Dezember 2007, BGBl. I S. 2984 geändert worden sind - SGB IX) Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen die zuständigen Behörden (Versorgungsämter) auf Antrag das Vorliegen einer Behinderung und den dadurch bedingten GdB fest. Im Interesse der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen erfolgt die konkrete Festsetzung nach Maßgabe der in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aktuelle Ausgabe: 2008) niedergelegten Maßstäben. Diese sind zwar kein Gesetz und auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen. Es handelt sich jedoch bei ihnen um eine auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhenden Ausarbeitung, die die möglichst gleichmäßige Anwendung dieser Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zum Ziel hat. Die AHP engen das Ermessen der Verwaltung ein, führen zur Gleichbehandlung und sind deshalb auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden. Gibt es solche anerkannten Bewertungsmaßstäbe, so ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich von diesen auszugehen (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 18. September 2003, BSGE 91, 205-211, SozR 4-3250 § 69 Nr. 2 Rdnr. 18). Deshalb stützt sich der Senat auf die genannten AHP. Eine Behinderung ist gemäß § 2 SGB IX die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht und die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen, wie sie bei der Klägerin vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 SGB IX der Gesamt-GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festzustellen.
Die Klägerin leidet unter einem Fibromyalgiesyndrom. Bei der Fibromyalgie handelt es sich um eine chronische Schmerzkrankheit des Gelenk- und Bewegungsapparates. Die Sachverständige Dr. H hat diese als Somatisierungsstörung und hier als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bezeichnet hat. Nach den Anhaltspunkten (Nr. 26.3, S. 48) werden stärker behindernde psychische Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 bewertet. Erst schwere psychische Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten werden mit einem Einzel-GdB von 50 bis 70 bewertet. Die Klägerin leidet zwar unter einer stärker behindernden somatoformen Störung, nämlich dem Fibromyalgiesyndrom, nicht jedoch unter einer schweren psychischen Störung. Hiergegen spricht u.a. der von ihr anlässlich der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. H beschriebene Tagesablauf, der keinen Anhalt dafür gibt, dass sie unter wenigstens mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten leidet. Nach diesen Angaben geht die Klägerin einkaufen, versorgt ihren Haushalt, kocht, jedenfalls am Wochenende, hat Kontakt zu Nachbarn, insbesondere zu einer Freundin und zwei Bekannten, kümmert sich um ihre beiden Katzen, geht spazieren und fährt Fahrrad. Anlässlich der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. H war die Stimmungslage zwar bedrückt, eine tiefer greifende Depressivität war jedoch nicht spürbar. Der Gedankengang der Klägerin war geordnet, wenn auch formal etwas weitschweifig, sie ließ sich aber im Gespräch und in der Exploration immer wieder gut strukturieren. In Konzentration und Gedächtnisleistung ergaben sich keine Störungen. Die Aufmerksamkeitsspanne konnte über den gesamten 180 Minuten dauernden Untersuchungszeitraum gehalten werden. Die Klägerin kann sich nach Aussage der Sachverständigen Dr. H auf neue und sich verändernde Situationen gut einstellen und sich diesen anpassen. Bezüglich der Durchsetzung ihrer Interessen und Rechte zeigt sie sich durchsetzungsstark und bestimmt. Hieraus ergibt sich zwar eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, es ergeben sich daraus jedoch keine mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Ein Einzel-GdB von 30 ist damit zwar zutreffend jedoch auch ausreichend.
Darüber hinaus leidet die Klägerin unter einem Lendenwirbelsäulensyndrom, wie sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. H ergibt. Diese hat bei der Klägerin degenerative Veränderungen im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule und Bandscheibenprotrusionen in den Segmenten L 3/4 und L 4/5 diagnostiziert, wobei Wurzelirritationen nicht vorliegen. Die Behinderung der Wirbelsäule haben sowohl die Sachverständige Dr. H als auch der Beklagte mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet. Dieser Einschätzung kann der Senat nicht folgen, denn ein GdB von 30 lässt sich nur rechtfertigen, wenn dabei in einem erheblichen Umfang die von der Klägerin beklagten Schmerzen berücksichtigt werden. In den Anhaltspunkten (Nr. 26.18, S. 116) werden Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen mit einem Einzel-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem Einzel-GdB von 20 und erst Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 bewertet. Die Klägerin leidet unter Wirbelsäulenschäden mit geringen Funktionsstörungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich der Lendenwirbelsäule. Aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. H ergibt sich, dass die gesamte Wirbelsäule ausreichend beweglich war, so betrug bspw. der Finger-Bodenabstand 0 cm, das Zeichen nach Schober 10/15 cm und das Trendelen-Trendelenburg-Zeichen war beidseits negativ. Ein Einzel-GdB von mehr als 10 allein für die funktionellen Einschränkungen der Wirbelsäulenschäden lässt sich nach alledem nicht feststellen. Nur unter Einbeziehung von über das normale Maß hinausgehenden erheblichen Schmerzen ließe sich ein Einzel-GdB von 30 für die Wirbelsäulebeschwerden rechtfertigen. Da die erheblichen Schmerzen der Klägerin im Bereich der gesamten Wirbelsäule jedoch bereits bei der chronischen Schmerzkrankheit Fibromyalgie berücksichtigt worden sind, würde eine erneute Berücksichtigung dieser Schmerzen bei der Bewertung der Wirbelsäulenbeschwerden zu einer Doppelbewertung führen.
Darüber hinaus leidet die Klägerin unter einer echten Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform, d. h. mit häufigeren Anfällen, die jeweils einen oder mehrere Tage anhalten, die die Sachverständige Dr. H zutreffend und in Übereinstimmung mit den Anhaltspunkten (Nr. 26.2, S. 38) mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet hat. Nach den Anhaltspunkten sind die leichte Verlaufsform einer echten Migräne mit durchschnittlich einem Anfall im Monat mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10 und die echte Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform mit einem Einzel-GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Erst die echte Migräne mit schwerer Verlaufsform, d. h. die Migräne mit langdauernden Anfällen mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen und Anfallspausen von nur wenigen Tagen, bedingt einen Einzel-GdB von 50 bis 60. Die Klägerin leidet unter ca. vier Anfällen im Monat, die ca. einen Tag anhalten. Es liegt damit zwar eine echte Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform vor, die aber noch im unteren Bereich einzuordnen und daher mit 20 zu bewerten ist.
Die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen sind mit Einzel-GdB von unter 10 zu bewerten und stellen damit keine Behinderungen dar. Soweit die Klägerin weitere Gesundheitsstörungen als Behinderungen geltend macht, so unter anderem eine Panikerkrankung, kann der Senat dem nicht folgen, denn die Sachverständige Dr. H konnte eine solche nicht bestätigen. Zwar hat die Klägerin anlässlich der Untersuchung durch die Sachverständige ganz am Ende von Panikattacken u. a. auf dem Weg zur Begutachtung berichtet. Diese Angabe steht jedoch deutlich in Diskrepanz dazu, dass sie auf dem Weg zur Begutachtung ebenfalls verbal auf zwei sich prügelnde Männer in der S-Bahn zu gegangen ist. Dieses couragierte Verhalten widerspricht nach Angaben der Sachverständigen Dr. H dem üblichen Verhalten von Angstpatienten bzw. lässt es zumindest darauf schließen, dass die Angsterkrankung der Klägerin nicht besonders ausgeprägt ist.
Der Gesamt-GdB ist mit 40 zutreffend festgestellt worden.
Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind zwar Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden, auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (AHP Nr. 19 Abs. 1, S. 24). Dabei ist in der Regel ausgehend von der schwerwiegensten Gesundheitsstörung zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird (AHP Nr. 19 Abs. 3, S. 25), wobei zu berücksichtigen ist, dass leichte Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigungen führen, und dass es vielfach auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 nicht gerechtfertigt ist, eine Erhöhung vorzunehmen (AHP Nr. 19 Abs. 4, S. 26). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der GdB mit 40 zutreffend bewertet worden. Ausgehend von der schwerwiegensten Gesundheitsstörung, das heißt von den psychischen bzw. psychosomatischen Beschwerden, die mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet sind, ist es angemessen diesen leicht, nämlich um 10, zu erhöhen, da sich die weiteren lediglich mit Einzel-GdB von 20 (Migräne) bzw. 10 (Wirbelsäulenbeschwerden) bewerteten Behinderungen zwar hierauf auswirken, eine Addition jedoch nicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung. Trotz des Anerkenntnisses des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erscheint es nicht gerechtfertigt, diesen auch nur mit einem Teil der Kosten zu belasten. Das Anerkenntnis beinhaltet im wesentlichen eine Neufassung bzw. Konkretisierung der Behinderungsbezeichnung, indem die auch bisher berücksichtigten besonderen Wirbelsäulenschmerzen der Klägerin unter dem Begriff Fibromyalgie bzw. psychische Störung, psychosomatische Störung gefasst werden. Deutlich wird dies auch an der Tatsache, dass sich der Gesamt-GdB durch diese "weitere" Behinderung nicht erhöht hat.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved