Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 41 SB 431/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 179/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF besteht trotz vereinzelt abweichender Rechtsprechung weiter.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF").
Bei dem 1944 geborenen Kläger hatte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 06. September 2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 wegen folgender Behinderungen (deren verwaltungsinterne Einzel-GdB - Bewertung sich aus dem Klammerzusatz ergibt):
Alkoholkrankheit, hirnorganisches Psychosyndrom, Angststörung, symptomatisches Anfallsleiden (Einzel-GdB 60)
Zustand nach Lendenwirbelkörper-Fraktur, Fehlstatik der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20)
Kniegelenksverschleiß beidseits, Kniescheibenmangelbildung, Sprunggelenksfunktionsstörung (Einzel-GdB 20)
Omarthrose, Schulter-Arm-Syndrom, Ellenbogengelenkarthrose (Einzel-GdB 20)
Tinnitus (Einzel-GdB 20) und
Leberschaden (Einzel-GdB 10)
anerkannt. Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" lehnte er ab.
Mit seinem Neufeststellungsantrag vom 27. Juli 2005 machte der Kläger geltend, unter ständigem Pfeifen und Rauschen im linken Ohr zu leiden. Er habe Platzangst und Angst vor Menschenansammlungen.
Der Beklagte holte Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin Koberstein vom 25. August 2005, der Ärztin für Augenheilkunde E vom 30. August 2005 und der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. G vom 19. September 2005 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser Unterlagen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2005 einen GdB von 80 fest. Dabei erkannte er neben dem Tinnitus auch eine Schwerhörigkeit an und bewertete das Ohrenleiden mit einem Einzel-GdB von 20. Weiter stellte er neu als Behinderungen
einen Diabetes mellitus mit Polyneuropathie (Einzel-GdB 20)
eine Lungenfunktionsstörung (Einzel-GdB 20)
einen Bluthochdruck (Einzel-GdB 10) und
eine Refluxkrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10)
fest. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" sah er weiterhin nicht als erfüllt an. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger ein Attest der Ärztin für Nervenheilkunde I vom 3. Dezember 2005 vor, aus dem hervorgeht, er habe berichtet, infolge seiner Ängste und nach einer Traumatisierung durch den Eindruck, in dem Einkaufszentrum, in dem er sich befand, sei eine Bombe abgelegt worden, eine soziale Phobie entwickelt zu haben. Medikamente hätten keinen positiven Effekt auf die Störung gehabt. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 zurück.
Am 23. Februar 2006 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben und weiterhin das Merkzeichen "RF" begehrt. Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. G vom 02. Mai 2006 und von der Ärztin für Nervenheilkunde I vom 18. Juni 2006 eingeholt, die angegeben hat, dass der Kläger wegen der fehlenden Einsicht in die Notwendigkeit in eine Behandlung seine psychischen Beeinträchtigungen nicht los werde. Sie würden sich gegebenenfalls noch ausweiten, so dass er unter Umständen seine Wohnung nicht mehr verlassen könne.
Durch Urteil vom 16. Januar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begrün-dung hat es u. a. ausgeführt, selbst wenn man von einer hinreichenden geltenden Anspruchsgrundlage für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ausgehe, erfülle der Kläger die Voraussetzungen hierfür nach Nr. 33 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im so-zialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Anhaltspunkte) in Verbindung mit den landesrechtlichen Vorschriften nicht. Erfasst würden nur Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Die - im Einzelnen aufgeführten- behinderten Menschen müssten allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen sein. Glaubhaft sei, dass der Kläger am öffentlichen Leben nur in eingeschränktem Umfang teilnehmen könne. Zwar schildere der Kläger sich selbst als äußerst geräuschempfindlichen Menschen, dessen Teilnahme an Veran-staltungen völlig ausgeschlossen sei. Dieses Vorbringen werde aber nicht durch Befundberichte gestützt. Die behandelnde Nervenärztin habe eindeutig eine für die Zukunft bestehende Gefahr, nicht aber einen von ihr festgestellten Zustand angezeigt, die behandelnde HNO-Ärztin habe eine besondere Geräuschempfindlichkeit nicht bestätigt. Die Voraussetzungen des Merkzeichens seien nur dann erfüllt, wenn dem schwerbehinderten Menschen fast alle öffentlichen Veranstaltungen der verschiedensten Art in einem solchen Umfang verschlossen seien, dass ihm nur noch ganz wenige zugänglich seien. Das Vorbringen des Klägers lasse nicht erkennen, warum ihm die Teilnahme an Veranstaltungen in großen Räumen oder im Freien nicht möglich sein solle.
Gegen das seinem Bevollmächtigtem am 13. April 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02. Mai 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er u. a. aus, die von ihm geltend gemachte Geräuschempfindlichkeit unterliege keiner medizinischen Beurteilung. Er gehe nach dem Mittagsschlaf in der unmittelbar angrenzenden Grünanlage spazieren. Alle 3 bis 4 Tage morgens zwischen 7 und 7:30 Uhr gehe er in dem Haus, in dem er wohne und in dem sich auch ein großes Einkaufszentrum sowie ein Ärztehaus befinde, einkaufen. Er brauche das Haus nicht zu verlassen. Ergänzend übersandte er ein Attest der HNO-Ärztin Dr. G vom 18. September 2007, in Berlin-F, die die Diagnose einer zunehmenden Dekompensation des Tinnitus und einer Hyperakusis stellte, und ein Attest der Nervenärztin I vom 30. August 2007, 12159 Berlin. Im letztgenannten Attest gibt die Ärztin an, der Kläger habe ihr von einem geplanten Konzertbesuch im Britzer Garten erzählt, den er nicht habe durchführen können, als er das Einströmen der anderen Besucher bemerkt habe. Er habe mit Panik, Herzklopfen, Schwindel und Schwitzen reagiert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" (ständig gehindert an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Ansicht auch durch die eingereichten Atteste habe sich keine Änderung ergeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Schwerbehindertenakte des Beklagten (Az. ) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben. Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat der Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" abgelehnt; der Kläger hat keinen Anspruch als Schwerbehinderter auf Befreiung von der Rundfunkgebühr, denn er ist nicht ständig gehindert an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Nach § 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitlichen Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen sie auch insoweit die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX).
Die Voraussetzungen der Vergabe des Merkzeichens "RF" sind gemäß § 69 Abs. 5 SGB IX in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) lan-desrechtlich im Land Berlin für die Zeit ab 1. April 2005 durch Art. 5 § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 15. Oktober 2004 in der Fassung des Gesetzes vom 17. März 2005 (GVBl. 2005, S. 82, 85 f), in Kraft getreten am 1. April 2005 (GVBl. 2005, S. 228) bzw. ab 1. März 2007 in der Fassung des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrags in Verbindung mit dem Gesetz vom 25. Januar 2007 (GVBl. 2007, S. 10, 15), in Kraft getreten am 1. März 2007 (GVBl. 2007, 128) geregelt. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht schwerbehinderte Menschen befreit, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Dabei hat der Senat keine Bedenken, die betreffenden Vorschriften anzuwenden und als gültige Anspruchsnorm für das Begehren des Klägers anzusehen. Zwar wird vereinzelt die Auffassung vertreten, die landesrechtlichen Regelungen über die Rundfundgebührenbefreiung aus gesundheitlichen Gründen würden nicht der bundesrechtlichen Ermächtigungsnorm (hier § 126 Abs. 1 SGB IX) entsprechen, weil ein durch Gebührenbefreiung ausgleichbarer Mehraufwand behinderter Rundfunk- und Fernsehteilnehmer nicht mehr vorhanden sei, da der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung - völlig unabhängig von Behinderungen - nahezu vollständig Rund-funk höre und fernsehe (so LSG Hamburg, Urteil vom 8. August 2006, Az. L 4 SB 22/05, zitiert nach iuris). Indessen überzeugt diese Ansicht nicht (so im wesentlichen auch: Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 08. November 2007, Az. B 9/9a SB 3/06 R, zitiert nach iuris), da fraglich sein dürfte, ob die Gewährung von Merkzeichen nicht mehr auf Integration der Behinderten ausgelegt ist als auf Kompensation des behinderungsbedingten Nachteils.
Im Interesse der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen erfolgt die konkrete Prüfung nach Maßgabe der in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Ent-schädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aktuelle Ausgabe: 2008) niedergelegten Maßstäben. Diese sind zwar kein Gesetz und auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächti-gung erlassen. Es handelt sich jedoch bei ihnen um eine auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhenden Ausarbeitung, die die möglichst gleichmäßige Anwendung dieser Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zum Ziel hat. Die AHP engen das Ermessen der Verwaltung ein, führen zur Gleichbehandlung und sind deshalb auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden. Gibt es solche anerkannten Bewertungsmaßstäbe, so ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich von diesen auszugehen (BSG, Urteil vom 18. September 2003, BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr. 2 Rdn. 18). Deshalb stützt sich der erkennende Senat auf die genannten AHP.
Für die Auslegung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" sind die in Nr. 33, S. 141 f dargelegten Festlegungen der AHP 2005 (insoweit gleichlautend in den zum Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers geltenden AHP 2004) weiterhin maßgeblich, auch wenn die Nr. 33 in den Anhaltspunkten 2008 nicht mehr aufgeführt ist. Auch wenn die Feststellung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht mehr den Sozialbehörden obliegt, ändert dies nichts daran, dass die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inan-spruchnahme von Nachteilsausgleichen nach § 69 Abs. 4 SGB IX festzustellen haben.
Nach Nr. 33 der Anhaltspunkte sind die Voraussetzungen immer erfüllt bei behinderten Menschen
- bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Roll-stuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können, - die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung abstoßend oder störend wirken (z. B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können), - mit - nicht nur vorübergehend - ansteckungsfähiger Lungentuberkulose, - nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden, - geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Dieser Personenkreis muss allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen sein. Es genügt nicht, dass sich die Teilnahme an einzelnen, nur gelegentlich stattfindenden Veranstaltungen bestimmter Art verbietet. Behinderte Menschen, die noch in nennenswertem Umfang an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können, erfüllen die Voraussetzungen nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern. Öffentliche Veranstaltungen sind damit nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 Az. 9/9a RVs 2/96, SozR 3-3780 § 4 Nr. 17; Urteil vom 10. August 1993, Az. 9/9a RVs 7/91, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2; Urteil vom 17. März 1982, Az. 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom BSG vertretenen Auslegung muss der Schwerbehinderte praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können. Es kommt nicht darauf an, ob jene Veranstaltungen, an denen er noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Vorlieben, Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Sonst müsste jeder nach einem anderen, in sein Belieben gestellten Maßstab von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Das wäre mit dem Gebührenrecht nicht vereinbar, denn die Gebührenpflicht selbst wird nicht bloß nach dem individuell unterschiedlichen Umfang der Sendungen, an denen die einzelnen Teilnehmer interessiert sind, bemessen, sondern nach dem gesamten Sendeprogramm. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der Nachteilsaus-gleich "RF" nur Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Nach diesen Grundsätzen kommt hier die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" nicht in Betracht. Allein aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigungen ist der Kläger nicht ständig daran gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Die vom Kläger geltend gemachten sonstigen Einschränkungen durch die Geräuschempfindlichkeit sind mit den Einschränkungen, unter denen Hörgeschädigten der Nachteilsausgleich zuzuerkennen ist, nicht vergleichbar, denn ihm ist eine ausreichende Verständigung über das Gehör möglich.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den geltend gemachten Panikattacken. In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Befundbericht der behandelnden Nervenärztin gerade nicht zu entnehmen ist, dass der Kläger gegenwärtig schon an seine Wohnung gebunden ist, sondern in Zukunft die Gefahr besteht. Dem im Berufungsverfahren vorgelegten Attest der Nervenärztin ist keine Befundänderung zu entnehmen, da die Nervenärztin ohne eigene Schlussfolgerungen lediglich wiedergegeben hat, welche Einschränkungen der Kläger ihr gegenüber geschildert hat. Im Hinblick darauf, dass der Kläger Ärzte nicht nur in seinem unmittelbaren Wohnbereich, sondern auch in anderen Stadtteilen aufsuchen und täglich im nahegelegenen Park spazieren gehen kann, ist nach wie vor nicht ersichtlich, dass die von ihm angegebene Panikstörung ihn ständig daran hindert, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF").
Bei dem 1944 geborenen Kläger hatte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 06. September 2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 wegen folgender Behinderungen (deren verwaltungsinterne Einzel-GdB - Bewertung sich aus dem Klammerzusatz ergibt):
Alkoholkrankheit, hirnorganisches Psychosyndrom, Angststörung, symptomatisches Anfallsleiden (Einzel-GdB 60)
Zustand nach Lendenwirbelkörper-Fraktur, Fehlstatik der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20)
Kniegelenksverschleiß beidseits, Kniescheibenmangelbildung, Sprunggelenksfunktionsstörung (Einzel-GdB 20)
Omarthrose, Schulter-Arm-Syndrom, Ellenbogengelenkarthrose (Einzel-GdB 20)
Tinnitus (Einzel-GdB 20) und
Leberschaden (Einzel-GdB 10)
anerkannt. Die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" lehnte er ab.
Mit seinem Neufeststellungsantrag vom 27. Juli 2005 machte der Kläger geltend, unter ständigem Pfeifen und Rauschen im linken Ohr zu leiden. Er habe Platzangst und Angst vor Menschenansammlungen.
Der Beklagte holte Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin Koberstein vom 25. August 2005, der Ärztin für Augenheilkunde E vom 30. August 2005 und der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. G vom 19. September 2005 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung dieser Unterlagen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2005 einen GdB von 80 fest. Dabei erkannte er neben dem Tinnitus auch eine Schwerhörigkeit an und bewertete das Ohrenleiden mit einem Einzel-GdB von 20. Weiter stellte er neu als Behinderungen
einen Diabetes mellitus mit Polyneuropathie (Einzel-GdB 20)
eine Lungenfunktionsstörung (Einzel-GdB 20)
einen Bluthochdruck (Einzel-GdB 10) und
eine Refluxkrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10)
fest. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" sah er weiterhin nicht als erfüllt an. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger ein Attest der Ärztin für Nervenheilkunde I vom 3. Dezember 2005 vor, aus dem hervorgeht, er habe berichtet, infolge seiner Ängste und nach einer Traumatisierung durch den Eindruck, in dem Einkaufszentrum, in dem er sich befand, sei eine Bombe abgelegt worden, eine soziale Phobie entwickelt zu haben. Medikamente hätten keinen positiven Effekt auf die Störung gehabt. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 zurück.
Am 23. Februar 2006 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben und weiterhin das Merkzeichen "RF" begehrt. Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. G vom 02. Mai 2006 und von der Ärztin für Nervenheilkunde I vom 18. Juni 2006 eingeholt, die angegeben hat, dass der Kläger wegen der fehlenden Einsicht in die Notwendigkeit in eine Behandlung seine psychischen Beeinträchtigungen nicht los werde. Sie würden sich gegebenenfalls noch ausweiten, so dass er unter Umständen seine Wohnung nicht mehr verlassen könne.
Durch Urteil vom 16. Januar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begrün-dung hat es u. a. ausgeführt, selbst wenn man von einer hinreichenden geltenden Anspruchsgrundlage für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ausgehe, erfülle der Kläger die Voraussetzungen hierfür nach Nr. 33 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im so-zialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Anhaltspunkte) in Verbindung mit den landesrechtlichen Vorschriften nicht. Erfasst würden nur Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten. Die - im Einzelnen aufgeführten- behinderten Menschen müssten allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen sein. Glaubhaft sei, dass der Kläger am öffentlichen Leben nur in eingeschränktem Umfang teilnehmen könne. Zwar schildere der Kläger sich selbst als äußerst geräuschempfindlichen Menschen, dessen Teilnahme an Veran-staltungen völlig ausgeschlossen sei. Dieses Vorbringen werde aber nicht durch Befundberichte gestützt. Die behandelnde Nervenärztin habe eindeutig eine für die Zukunft bestehende Gefahr, nicht aber einen von ihr festgestellten Zustand angezeigt, die behandelnde HNO-Ärztin habe eine besondere Geräuschempfindlichkeit nicht bestätigt. Die Voraussetzungen des Merkzeichens seien nur dann erfüllt, wenn dem schwerbehinderten Menschen fast alle öffentlichen Veranstaltungen der verschiedensten Art in einem solchen Umfang verschlossen seien, dass ihm nur noch ganz wenige zugänglich seien. Das Vorbringen des Klägers lasse nicht erkennen, warum ihm die Teilnahme an Veranstaltungen in großen Räumen oder im Freien nicht möglich sein solle.
Gegen das seinem Bevollmächtigtem am 13. April 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02. Mai 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er u. a. aus, die von ihm geltend gemachte Geräuschempfindlichkeit unterliege keiner medizinischen Beurteilung. Er gehe nach dem Mittagsschlaf in der unmittelbar angrenzenden Grünanlage spazieren. Alle 3 bis 4 Tage morgens zwischen 7 und 7:30 Uhr gehe er in dem Haus, in dem er wohne und in dem sich auch ein großes Einkaufszentrum sowie ein Ärztehaus befinde, einkaufen. Er brauche das Haus nicht zu verlassen. Ergänzend übersandte er ein Attest der HNO-Ärztin Dr. G vom 18. September 2007, in Berlin-F, die die Diagnose einer zunehmenden Dekompensation des Tinnitus und einer Hyperakusis stellte, und ein Attest der Nervenärztin I vom 30. August 2007, 12159 Berlin. Im letztgenannten Attest gibt die Ärztin an, der Kläger habe ihr von einem geplanten Konzertbesuch im Britzer Garten erzählt, den er nicht habe durchführen können, als er das Einströmen der anderen Besucher bemerkt habe. Er habe mit Panik, Herzklopfen, Schwindel und Schwitzen reagiert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. November 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" (ständig gehindert an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Ansicht auch durch die eingereichten Atteste habe sich keine Änderung ergeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Schwerbehindertenakte des Beklagten (Az. ) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben. Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat der Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" abgelehnt; der Kläger hat keinen Anspruch als Schwerbehinderter auf Befreiung von der Rundfunkgebühr, denn er ist nicht ständig gehindert an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Nach § 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitlichen Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen sie auch insoweit die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX).
Die Voraussetzungen der Vergabe des Merkzeichens "RF" sind gemäß § 69 Abs. 5 SGB IX in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) lan-desrechtlich im Land Berlin für die Zeit ab 1. April 2005 durch Art. 5 § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 15. Oktober 2004 in der Fassung des Gesetzes vom 17. März 2005 (GVBl. 2005, S. 82, 85 f), in Kraft getreten am 1. April 2005 (GVBl. 2005, S. 228) bzw. ab 1. März 2007 in der Fassung des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrags in Verbindung mit dem Gesetz vom 25. Januar 2007 (GVBl. 2007, S. 10, 15), in Kraft getreten am 1. März 2007 (GVBl. 2007, 128) geregelt. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht schwerbehinderte Menschen befreit, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Dabei hat der Senat keine Bedenken, die betreffenden Vorschriften anzuwenden und als gültige Anspruchsnorm für das Begehren des Klägers anzusehen. Zwar wird vereinzelt die Auffassung vertreten, die landesrechtlichen Regelungen über die Rundfundgebührenbefreiung aus gesundheitlichen Gründen würden nicht der bundesrechtlichen Ermächtigungsnorm (hier § 126 Abs. 1 SGB IX) entsprechen, weil ein durch Gebührenbefreiung ausgleichbarer Mehraufwand behinderter Rundfunk- und Fernsehteilnehmer nicht mehr vorhanden sei, da der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung - völlig unabhängig von Behinderungen - nahezu vollständig Rund-funk höre und fernsehe (so LSG Hamburg, Urteil vom 8. August 2006, Az. L 4 SB 22/05, zitiert nach iuris). Indessen überzeugt diese Ansicht nicht (so im wesentlichen auch: Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 08. November 2007, Az. B 9/9a SB 3/06 R, zitiert nach iuris), da fraglich sein dürfte, ob die Gewährung von Merkzeichen nicht mehr auf Integration der Behinderten ausgelegt ist als auf Kompensation des behinderungsbedingten Nachteils.
Im Interesse der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen erfolgt die konkrete Prüfung nach Maßgabe der in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Ent-schädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aktuelle Ausgabe: 2008) niedergelegten Maßstäben. Diese sind zwar kein Gesetz und auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächti-gung erlassen. Es handelt sich jedoch bei ihnen um eine auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhenden Ausarbeitung, die die möglichst gleichmäßige Anwendung dieser Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zum Ziel hat. Die AHP engen das Ermessen der Verwaltung ein, führen zur Gleichbehandlung und sind deshalb auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden. Gibt es solche anerkannten Bewertungsmaßstäbe, so ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich von diesen auszugehen (BSG, Urteil vom 18. September 2003, BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr. 2 Rdn. 18). Deshalb stützt sich der erkennende Senat auf die genannten AHP.
Für die Auslegung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" sind die in Nr. 33, S. 141 f dargelegten Festlegungen der AHP 2005 (insoweit gleichlautend in den zum Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers geltenden AHP 2004) weiterhin maßgeblich, auch wenn die Nr. 33 in den Anhaltspunkten 2008 nicht mehr aufgeführt ist. Auch wenn die Feststellung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nicht mehr den Sozialbehörden obliegt, ändert dies nichts daran, dass die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inan-spruchnahme von Nachteilsausgleichen nach § 69 Abs. 4 SGB IX festzustellen haben.
Nach Nr. 33 der Anhaltspunkte sind die Voraussetzungen immer erfüllt bei behinderten Menschen
- bei denen schwere Bewegungsstörungen - auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) - bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Roll-stuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können, - die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung abstoßend oder störend wirken (z. B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können), - mit - nicht nur vorübergehend - ansteckungsfähiger Lungentuberkulose, - nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden, - geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Dieser Personenkreis muss allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen sein. Es genügt nicht, dass sich die Teilnahme an einzelnen, nur gelegentlich stattfindenden Veranstaltungen bestimmter Art verbietet. Behinderte Menschen, die noch in nennenswertem Umfang an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können, erfüllen die Voraussetzungen nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern. Öffentliche Veranstaltungen sind damit nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 Az. 9/9a RVs 2/96, SozR 3-3780 § 4 Nr. 17; Urteil vom 10. August 1993, Az. 9/9a RVs 7/91, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2; Urteil vom 17. März 1982, Az. 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom BSG vertretenen Auslegung muss der Schwerbehinderte praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können. Es kommt nicht darauf an, ob jene Veranstaltungen, an denen er noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Vorlieben, Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Sonst müsste jeder nach einem anderen, in sein Belieben gestellten Maßstab von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Das wäre mit dem Gebührenrecht nicht vereinbar, denn die Gebührenpflicht selbst wird nicht bloß nach dem individuell unterschiedlichen Umfang der Sendungen, an denen die einzelnen Teilnehmer interessiert sind, bemessen, sondern nach dem gesamten Sendeprogramm. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der Nachteilsaus-gleich "RF" nur Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Nach diesen Grundsätzen kommt hier die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF" nicht in Betracht. Allein aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigungen ist der Kläger nicht ständig daran gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Die vom Kläger geltend gemachten sonstigen Einschränkungen durch die Geräuschempfindlichkeit sind mit den Einschränkungen, unter denen Hörgeschädigten der Nachteilsausgleich zuzuerkennen ist, nicht vergleichbar, denn ihm ist eine ausreichende Verständigung über das Gehör möglich.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den geltend gemachten Panikattacken. In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Befundbericht der behandelnden Nervenärztin gerade nicht zu entnehmen ist, dass der Kläger gegenwärtig schon an seine Wohnung gebunden ist, sondern in Zukunft die Gefahr besteht. Dem im Berufungsverfahren vorgelegten Attest der Nervenärztin ist keine Befundänderung zu entnehmen, da die Nervenärztin ohne eigene Schlussfolgerungen lediglich wiedergegeben hat, welche Einschränkungen der Kläger ihr gegenüber geschildert hat. Im Hinblick darauf, dass der Kläger Ärzte nicht nur in seinem unmittelbaren Wohnbereich, sondern auch in anderen Stadtteilen aufsuchen und täglich im nahegelegenen Park spazieren gehen kann, ist nach wie vor nicht ersichtlich, dass die von ihm angegebene Panikstörung ihn ständig daran hindert, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
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