Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 46/84
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1375/86
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. August 1986 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger – Schützenverein 1966 e.V. – für die Mithilfe von Vereinsmitgliedern bei einem Bauvorhaben Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung an die beklagte Bau-Berufsgenossenschaft abzuführen hat.
Der Kläger begann Anfang Juli 1982 mit dem Bau eines Schützenhauses mit sechs Schießbahnen und erhielt dafür öffentliche Zuschüsse aus einem Investitionsprogramm zur Förderung sozialer Gemeinschaftseinrichtungen. Der Wert der Eigenleistungen wurde bei einem Gesamtaufwand von 370.000,– DM mit 198.000,– DM veranschlagt. Die Mitglieder wurden in Form eines Appells zur freiwilligen, unentgeltlichen Hilfeleistung aufgefordert. Am 29. Juli 1982 meldete der Kläger die zur Ausführung kommenden Eigenbauarbeiten bei der Beklagten an und beantragte beitragsfreien Unfallversicherungsschutz. Die Beklagte setzte jedoch durch Bescheid vom 11. Februar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 1984 auf der Grundlage der im Lohnnachweis vom 25. Januar 1983 für die unentgeltliche Tätigkeit von ca. 52 Vereinsmitgliedern insgesamt angeführten 3529 Arbeitsstunden einen Beitrag von 3.702,80 DM für das Jahr 1982 fest.
Die dagegen am 8. Mai 1984 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Marburg durch Urteil vom 21. August 1986 abgewiesen, weil die Vereinsmitglieder nach § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen seien und der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift ebenso wie eine Versicherung nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO grundsätzlich die Beitragspflicht des Unternehmers nichtgewerbsmäßiger Bauarbeiten nach § 723 Abs. 1 RVO begründe. Etwas anderes gelte nach § 770 Satz 4 RVO nur in den ausdrücklich genannten und hier nicht vorliegenden Fällen des § 657 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO.
Gegen das an seinen Prozeßbevollmächtigten am 8. September 1986 zur Post aufgelieferte Urteil hat der Kläger am 7. Oktober 1986 Berufung eingelegt. Er bestreitet nicht die Versicherung der Vereinsmitglieder nach § 539 Abs. 2 RVO und die Zuständigkeit der Beklagten. "Beschäftigt” im Sinne des § 723 Abs. 1 RVO seien jedoch nur die im Rahmen eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses weisungsunterworfenen und gegen Entgelt tätigen Versicherten gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 31. Januar 1961 (BSGE 14, 1) dieses Merkmal auch für die erst später in den Versicherungsschutz einbezogenen arbeitnehmerähnlichen Personen nach § 539 Abs. 2 RVO bejaht habe, sei dies nicht nachvollziehbar. Wenn der Gesetzgeber entsprechendes gewollt habe, hätte er die Vorschrift des § 723 Abs. 1 RVO erweitern müssen, zumal gerade wegen der Beitragspflicht ein Gesetzesvorbehalt bestehe. Tatsächlich zögen die Berufsgenossenschaften in vergleichbaren Fällen arbeitnehmerähnlicher Tätigkeiten keine Beiträge ein. Diese Praxis verdeutliche die Richtigkeit der vorgenommenen Auslegung. Im übrigen sei er als eingetragener Verein mit ausschließlich gemeinnütziger Zwecksetzung auch nicht Unternehmer im Sinne des § 723 Abs. 1 RVO, weil unter Berücksichtigung des § 658 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 RVO nichtgewerbsmäßige Tätigkeiten grundsätzlich nicht und nur bei ausdrücklicher Bestimmung als "unternehmerisch” angesehen werden könnten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. August 1986 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 1984 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Beitragsbescheid der Beklagten ist aus den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils nicht zu beanstanden.
Die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaften werden nach § 723 Abs. 1 RVO durch Beiträge der Unternehmer, "die versichert sind oder Versicherte beschäftigen”, aufgebracht. Der durch Eintragung im Vereinsregister nach § 21 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtsfähige Kläger ist Unternehmer im Sinne von § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO der von ca. 52 Vereinsmitgliedern freiwillig und unentgeltlich bei der Errichtung eines Schützenhauses mit Schießbahnen verrichteten nichtgewerbsmäßigen Bauarbeiten, die sich weit über einen Zeitraum von 6 Tagen erstreckten und deshalb in die Zuständigkeit der Beklagten fallen (§§ 658 Abs. 1, 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO). Die ideelle Zwecksetzung des Vereins steht nach ständiger Rechtsprechung des BSG der Unternehmereigenschaft nicht entgegen (BSGE 14, 1; 16, 79; 17, 211; BSG SozR § 658 RVO Nr. 3; vgl. auch § 543 RVO). Die für Rechnung des Klägers tätig gewordenen Vereinsmitglieder standen bei Durchführung der Bauarbeiten unbeschadet der für die Errichtung des Schützenhauses bewilligten öffentlichen Zuschüsse zwar nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO und auch nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO unter Versicherungsschutz, weil persönlich abhängige entgeltliche Beschäftigungen aufgrund von Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnissen nicht vorlagen (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 68). Sie waren jedoch wie nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO Beschäftigte/Versicherte, d.h. arbeitnehmerähnlich tätig, so daß Versicherungsschutz jedenfalls nach § 539 Abs. 2 RVO bestand. Denn ihre Arbeitsleistung beruhte weder auf der Vereinssatzung oder Beschlüssen der zuständigen Vereinsorgane oder individuellen Verpflichtungen noch auf allgemeiner Übung. Zu den Mitgliedspflichten aufgrund allgemeiner Übung zählen nur geringfügige Tätigkeiten, die ein Verein von jedem seiner Mitglieder erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend auch verrichtet werden, nicht aber umfangreichere, die gewöhnlichen Zwecke des Vereins überschreitende Arbeiten wie die Mitwirkung an der Errichtung eines Schützenhauses mit Schießbahnen. Das ist zwischen den Beteiligten in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. BSGE 14, 1; 17, 211; BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 81, 123) auch unstreitig.
Daraus folgt, daß auch die für die Beitragspflicht des Unternehmers nach § 723 Abs. 1 RVO geforderte Voraussetzung, daß "Versicherte beschäftigt” werden, gegeben ist. Die Auffassung des Klägers, daß Beitragspflicht gemäß § 723 Abs. 1 RVO grundsätzlich nur für die nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO weisungsgebundenen und in den Betrieb eines Arbeitgebers eingegliederten entgeltlich tätigen Beschäftigten bestehe, ist vom BSG bereits im Urteil vom 31. Januar 1961 (BSGE 14, 1) im Zusammenhang mit der Beurteilung der Beitragspflicht eines Vereins für die bei der Erstellung eines Vereinsheims vorübergehend unentgeltlich mithelfenden Vereinsmitglieder mit näherer Begründung abgelehnt worden. Daß die abweichende Auslegung des Merkmals "beschäftigt” in § 723 Abs. 1 RVO durch den Kläger nicht richtig sein kann, ergibt sich überdies daraus, daß u.a. auch die nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO bei bestimmten öffentlich geförderten oder steuerbegünstigten Bauvorhaben versicherten Selbsthelfer regelmäßig weisungsunabhängig vom Bauherrn und notwendigerweise unentgeltlich arbeiten und für sie die Erhebung von Beiträgen in § 770 Satz 4 RVO ausdrücklich ausgeschlossen ist. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß ohne diese Regelung auch für die nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO Versicherten gemäß § 767 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 723 Abs. 1 RVO die Beitragspflicht des Bauherrn gegeben und das Merkmal "beschäftigt” erfüllt wäre. Im Urteil vom 30. April 1976 – 8 RU 78/75 (SozR 2200 § 723 Nr. 1) – hat das BSG zwar ausgeführt, daß die Vorschrift des § 539 Abs. 2 RVO insbesondere für "vorübergehende” arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten von Bedeutung sei und "dann in der Regel” Unfallversicherungsschutz ohne Beitragsleistung begründe, sowie darauf verwiesen, daß es gerade bei § 539 Abs. 2 RVO durchaus möglich sei, daß die Beitragspflicht und die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs bzw. des Versicherungsschutzes "je nach den Umständen des Einzelfalls” abweichend zu beurteilen sind. Damit wurde jedoch nur dem Zeitmoment, nicht aber den vom Kläger für wesentlich gehaltenen Unterschieden der Tätigkeiten nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 und § 539 Abs. 2 RVO Bedeutung beigemessen. Demgemäß wurde im weiteren hervorgehoben, daß § 539 Abs. 2 RVO auch Personen erfassen könne, die aufgrund einer "länger dauernden” vertraglichen Verpflichtung tätig werden und jedenfalls für diese Sachverhalte – inzidenter – grundsätzlich die Beitragspflicht des Unternehmers angenommen. Entsprechendes muß auch für die freiwillige Arbeitsleistung z.B. von Vereinsmitgliedern gelten, die im Rahmen eines länger dauernden Bauvorhabens tätig werden, für das – wie hier – eine umfangreichere Eigenleistung vorgesehen und erbracht wird, selbst wenn angesichts der grundsätzlichen Freiwilligkeit der Mithilfe Umfang und Dauer der Arbeiten in bezug auf jedes einzelne Vereinsmitglied bzw. einzelne Vereinsmitglieder im voraus nicht festzustellen und tatsächlich dann auch völlig unterschiedlich sind. Das wiederum ergibt sich aus § 770 Satz 4 RVO i.V.m. § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO, wonach bei nichtgewerbsmäßigen Bauarbeiten keine Beiträge erhoben werden dürfen, wenn für die geplante Arbeit nicht mehr als 6 Arbeitstage tatsächlich verwendet werden. Das heißt zum einen, daß ohne diese Sonderregelung auch für kurzfristige nichtgewerbsmäßige Bauarbeiten die Beitragspflicht des Unternehmers dieser Arbeiten zu den insoweit zuständigen Gemeinden (§ 656 Abs. 1 RVO) oder Gemeindeunfallversicherungsverbänden (§ 656 Abs. 2 RVO) über § 767 Abs. 2 Nr. 6 RVO nach § 723 Abs. 1 RVO begründet wäre, wobei davon auszugehen ist, daß der Versicherungsschutz für die unter § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO fallenden Tätigkeiten in der Regel nach § 539 Abs. 2 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO begründet ist (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., Bd. III, S. 532; BSGE 34, 240). Da es für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gemeindeunfallversicherungsbänden oder Gemeinden und den Bau-Berufsgenossenschaften nach § 657 Abs. 1 Nr. 7 auf die Sache bzw. darauf ankommt, wie viele Arbeitstage auf das einzelne Bauvorhaben wirklich verwendet wurden und nicht wie lange eine bestimmte zur Hilfe herangezogene Person daran gearbeitet hat oder ob mehrere Personen tätig wurden (vgl. BSG SozR § 657 RVO Nrn. 3, 6; Brackmann, a.a.O., S. 532 a m.w.N.), folgt daraus zum anderen, daß es bei längerfristigen nichtgewerbsmäßigen Bauarbeiten für die in diesen Fällen nach § 723 Abs. 1 RVO vorgesehene Beitragspflicht des Unternehmers ebenfalls unerheblich ist, mit welcher Intensität und Zeitdauer die bei der Durchführung des Bauvorhabens mithelfenden Personen – hier Vereinsmitglieder – im einzelnen gearbeitet haben. Dem Kläger kann insofern allenfalls darin gefolgt werden, daß im allgemeinen nicht jede noch so kurzfristige bzw. vorübergehende versicherte Tätigkeit nach § 539 Abs. 2 RVO auch die Beitragspflicht des Unternehmers dieser Tätigkeit nach § 723 Abs. 1 RVO begründet, sondern – wie auch vom BSG (SozR 2200 § 723 Nr. 1) angedeutet wurde – auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. Ob die Regelung des § 770 Satz 4 RVO i.V.m. § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO für nichtgewerbsmäßige Bauarbeiten dabei auch als Zeitmaßstab oder jedenfalls Anhaltspunkt für die in anderen Bereichen verrichteten versicherten Tätigkeiten nach § 539 Abs. 2 RVO dienen kann, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls ist die Gesetzeslage für die hier allein zu beurteilenden nichtgewerbsmäßigen Bauarbeiten eindeutig mit der Folge, daß mangels Kurzfristigkeit dieser Arbeiten im Falle des Klägers für ihn Beitragspflicht nach § 723 Abs. 1 RVO besteht, weil er nach § 539 Abs. 2 RVO versicherte Vereinsmitglieder im Sinne dieser Vorschrift "beschäftigt” hat. Daran ändert auch die vom Kläger geltend gemachte Praxis der Berufsgenossenschaften bei der Erhebung von Beiträgen für arbeitnehmerähnlich tätige Personen nichts.
Da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, daß die nach § 728 Abs. 3 RVO i.V.m. §§ 62, 64 der Satzung der Beklagten vorgenommene Berechnung und die Höhe der Beiträge unrichtig ist, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger – Schützenverein 1966 e.V. – für die Mithilfe von Vereinsmitgliedern bei einem Bauvorhaben Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung an die beklagte Bau-Berufsgenossenschaft abzuführen hat.
Der Kläger begann Anfang Juli 1982 mit dem Bau eines Schützenhauses mit sechs Schießbahnen und erhielt dafür öffentliche Zuschüsse aus einem Investitionsprogramm zur Förderung sozialer Gemeinschaftseinrichtungen. Der Wert der Eigenleistungen wurde bei einem Gesamtaufwand von 370.000,– DM mit 198.000,– DM veranschlagt. Die Mitglieder wurden in Form eines Appells zur freiwilligen, unentgeltlichen Hilfeleistung aufgefordert. Am 29. Juli 1982 meldete der Kläger die zur Ausführung kommenden Eigenbauarbeiten bei der Beklagten an und beantragte beitragsfreien Unfallversicherungsschutz. Die Beklagte setzte jedoch durch Bescheid vom 11. Februar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 1984 auf der Grundlage der im Lohnnachweis vom 25. Januar 1983 für die unentgeltliche Tätigkeit von ca. 52 Vereinsmitgliedern insgesamt angeführten 3529 Arbeitsstunden einen Beitrag von 3.702,80 DM für das Jahr 1982 fest.
Die dagegen am 8. Mai 1984 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Marburg durch Urteil vom 21. August 1986 abgewiesen, weil die Vereinsmitglieder nach § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen seien und der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift ebenso wie eine Versicherung nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO grundsätzlich die Beitragspflicht des Unternehmers nichtgewerbsmäßiger Bauarbeiten nach § 723 Abs. 1 RVO begründe. Etwas anderes gelte nach § 770 Satz 4 RVO nur in den ausdrücklich genannten und hier nicht vorliegenden Fällen des § 657 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO.
Gegen das an seinen Prozeßbevollmächtigten am 8. September 1986 zur Post aufgelieferte Urteil hat der Kläger am 7. Oktober 1986 Berufung eingelegt. Er bestreitet nicht die Versicherung der Vereinsmitglieder nach § 539 Abs. 2 RVO und die Zuständigkeit der Beklagten. "Beschäftigt” im Sinne des § 723 Abs. 1 RVO seien jedoch nur die im Rahmen eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses weisungsunterworfenen und gegen Entgelt tätigen Versicherten gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 31. Januar 1961 (BSGE 14, 1) dieses Merkmal auch für die erst später in den Versicherungsschutz einbezogenen arbeitnehmerähnlichen Personen nach § 539 Abs. 2 RVO bejaht habe, sei dies nicht nachvollziehbar. Wenn der Gesetzgeber entsprechendes gewollt habe, hätte er die Vorschrift des § 723 Abs. 1 RVO erweitern müssen, zumal gerade wegen der Beitragspflicht ein Gesetzesvorbehalt bestehe. Tatsächlich zögen die Berufsgenossenschaften in vergleichbaren Fällen arbeitnehmerähnlicher Tätigkeiten keine Beiträge ein. Diese Praxis verdeutliche die Richtigkeit der vorgenommenen Auslegung. Im übrigen sei er als eingetragener Verein mit ausschließlich gemeinnütziger Zwecksetzung auch nicht Unternehmer im Sinne des § 723 Abs. 1 RVO, weil unter Berücksichtigung des § 658 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 RVO nichtgewerbsmäßige Tätigkeiten grundsätzlich nicht und nur bei ausdrücklicher Bestimmung als "unternehmerisch” angesehen werden könnten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. August 1986 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 1984 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Beitragsbescheid der Beklagten ist aus den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils nicht zu beanstanden.
Die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaften werden nach § 723 Abs. 1 RVO durch Beiträge der Unternehmer, "die versichert sind oder Versicherte beschäftigen”, aufgebracht. Der durch Eintragung im Vereinsregister nach § 21 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtsfähige Kläger ist Unternehmer im Sinne von § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO der von ca. 52 Vereinsmitgliedern freiwillig und unentgeltlich bei der Errichtung eines Schützenhauses mit Schießbahnen verrichteten nichtgewerbsmäßigen Bauarbeiten, die sich weit über einen Zeitraum von 6 Tagen erstreckten und deshalb in die Zuständigkeit der Beklagten fallen (§§ 658 Abs. 1, 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO). Die ideelle Zwecksetzung des Vereins steht nach ständiger Rechtsprechung des BSG der Unternehmereigenschaft nicht entgegen (BSGE 14, 1; 16, 79; 17, 211; BSG SozR § 658 RVO Nr. 3; vgl. auch § 543 RVO). Die für Rechnung des Klägers tätig gewordenen Vereinsmitglieder standen bei Durchführung der Bauarbeiten unbeschadet der für die Errichtung des Schützenhauses bewilligten öffentlichen Zuschüsse zwar nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO und auch nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO unter Versicherungsschutz, weil persönlich abhängige entgeltliche Beschäftigungen aufgrund von Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnissen nicht vorlagen (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 68). Sie waren jedoch wie nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO Beschäftigte/Versicherte, d.h. arbeitnehmerähnlich tätig, so daß Versicherungsschutz jedenfalls nach § 539 Abs. 2 RVO bestand. Denn ihre Arbeitsleistung beruhte weder auf der Vereinssatzung oder Beschlüssen der zuständigen Vereinsorgane oder individuellen Verpflichtungen noch auf allgemeiner Übung. Zu den Mitgliedspflichten aufgrund allgemeiner Übung zählen nur geringfügige Tätigkeiten, die ein Verein von jedem seiner Mitglieder erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend auch verrichtet werden, nicht aber umfangreichere, die gewöhnlichen Zwecke des Vereins überschreitende Arbeiten wie die Mitwirkung an der Errichtung eines Schützenhauses mit Schießbahnen. Das ist zwischen den Beteiligten in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. BSGE 14, 1; 17, 211; BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 81, 123) auch unstreitig.
Daraus folgt, daß auch die für die Beitragspflicht des Unternehmers nach § 723 Abs. 1 RVO geforderte Voraussetzung, daß "Versicherte beschäftigt” werden, gegeben ist. Die Auffassung des Klägers, daß Beitragspflicht gemäß § 723 Abs. 1 RVO grundsätzlich nur für die nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO weisungsgebundenen und in den Betrieb eines Arbeitgebers eingegliederten entgeltlich tätigen Beschäftigten bestehe, ist vom BSG bereits im Urteil vom 31. Januar 1961 (BSGE 14, 1) im Zusammenhang mit der Beurteilung der Beitragspflicht eines Vereins für die bei der Erstellung eines Vereinsheims vorübergehend unentgeltlich mithelfenden Vereinsmitglieder mit näherer Begründung abgelehnt worden. Daß die abweichende Auslegung des Merkmals "beschäftigt” in § 723 Abs. 1 RVO durch den Kläger nicht richtig sein kann, ergibt sich überdies daraus, daß u.a. auch die nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO bei bestimmten öffentlich geförderten oder steuerbegünstigten Bauvorhaben versicherten Selbsthelfer regelmäßig weisungsunabhängig vom Bauherrn und notwendigerweise unentgeltlich arbeiten und für sie die Erhebung von Beiträgen in § 770 Satz 4 RVO ausdrücklich ausgeschlossen ist. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß ohne diese Regelung auch für die nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO Versicherten gemäß § 767 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 723 Abs. 1 RVO die Beitragspflicht des Bauherrn gegeben und das Merkmal "beschäftigt” erfüllt wäre. Im Urteil vom 30. April 1976 – 8 RU 78/75 (SozR 2200 § 723 Nr. 1) – hat das BSG zwar ausgeführt, daß die Vorschrift des § 539 Abs. 2 RVO insbesondere für "vorübergehende” arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten von Bedeutung sei und "dann in der Regel” Unfallversicherungsschutz ohne Beitragsleistung begründe, sowie darauf verwiesen, daß es gerade bei § 539 Abs. 2 RVO durchaus möglich sei, daß die Beitragspflicht und die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs bzw. des Versicherungsschutzes "je nach den Umständen des Einzelfalls” abweichend zu beurteilen sind. Damit wurde jedoch nur dem Zeitmoment, nicht aber den vom Kläger für wesentlich gehaltenen Unterschieden der Tätigkeiten nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 und § 539 Abs. 2 RVO Bedeutung beigemessen. Demgemäß wurde im weiteren hervorgehoben, daß § 539 Abs. 2 RVO auch Personen erfassen könne, die aufgrund einer "länger dauernden” vertraglichen Verpflichtung tätig werden und jedenfalls für diese Sachverhalte – inzidenter – grundsätzlich die Beitragspflicht des Unternehmers angenommen. Entsprechendes muß auch für die freiwillige Arbeitsleistung z.B. von Vereinsmitgliedern gelten, die im Rahmen eines länger dauernden Bauvorhabens tätig werden, für das – wie hier – eine umfangreichere Eigenleistung vorgesehen und erbracht wird, selbst wenn angesichts der grundsätzlichen Freiwilligkeit der Mithilfe Umfang und Dauer der Arbeiten in bezug auf jedes einzelne Vereinsmitglied bzw. einzelne Vereinsmitglieder im voraus nicht festzustellen und tatsächlich dann auch völlig unterschiedlich sind. Das wiederum ergibt sich aus § 770 Satz 4 RVO i.V.m. § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO, wonach bei nichtgewerbsmäßigen Bauarbeiten keine Beiträge erhoben werden dürfen, wenn für die geplante Arbeit nicht mehr als 6 Arbeitstage tatsächlich verwendet werden. Das heißt zum einen, daß ohne diese Sonderregelung auch für kurzfristige nichtgewerbsmäßige Bauarbeiten die Beitragspflicht des Unternehmers dieser Arbeiten zu den insoweit zuständigen Gemeinden (§ 656 Abs. 1 RVO) oder Gemeindeunfallversicherungsverbänden (§ 656 Abs. 2 RVO) über § 767 Abs. 2 Nr. 6 RVO nach § 723 Abs. 1 RVO begründet wäre, wobei davon auszugehen ist, daß der Versicherungsschutz für die unter § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO fallenden Tätigkeiten in der Regel nach § 539 Abs. 2 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO begründet ist (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., Bd. III, S. 532; BSGE 34, 240). Da es für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gemeindeunfallversicherungsbänden oder Gemeinden und den Bau-Berufsgenossenschaften nach § 657 Abs. 1 Nr. 7 auf die Sache bzw. darauf ankommt, wie viele Arbeitstage auf das einzelne Bauvorhaben wirklich verwendet wurden und nicht wie lange eine bestimmte zur Hilfe herangezogene Person daran gearbeitet hat oder ob mehrere Personen tätig wurden (vgl. BSG SozR § 657 RVO Nrn. 3, 6; Brackmann, a.a.O., S. 532 a m.w.N.), folgt daraus zum anderen, daß es bei längerfristigen nichtgewerbsmäßigen Bauarbeiten für die in diesen Fällen nach § 723 Abs. 1 RVO vorgesehene Beitragspflicht des Unternehmers ebenfalls unerheblich ist, mit welcher Intensität und Zeitdauer die bei der Durchführung des Bauvorhabens mithelfenden Personen – hier Vereinsmitglieder – im einzelnen gearbeitet haben. Dem Kläger kann insofern allenfalls darin gefolgt werden, daß im allgemeinen nicht jede noch so kurzfristige bzw. vorübergehende versicherte Tätigkeit nach § 539 Abs. 2 RVO auch die Beitragspflicht des Unternehmers dieser Tätigkeit nach § 723 Abs. 1 RVO begründet, sondern – wie auch vom BSG (SozR 2200 § 723 Nr. 1) angedeutet wurde – auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. Ob die Regelung des § 770 Satz 4 RVO i.V.m. § 657 Abs. 1 Nr. 7 RVO für nichtgewerbsmäßige Bauarbeiten dabei auch als Zeitmaßstab oder jedenfalls Anhaltspunkt für die in anderen Bereichen verrichteten versicherten Tätigkeiten nach § 539 Abs. 2 RVO dienen kann, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls ist die Gesetzeslage für die hier allein zu beurteilenden nichtgewerbsmäßigen Bauarbeiten eindeutig mit der Folge, daß mangels Kurzfristigkeit dieser Arbeiten im Falle des Klägers für ihn Beitragspflicht nach § 723 Abs. 1 RVO besteht, weil er nach § 539 Abs. 2 RVO versicherte Vereinsmitglieder im Sinne dieser Vorschrift "beschäftigt” hat. Daran ändert auch die vom Kläger geltend gemachte Praxis der Berufsgenossenschaften bei der Erhebung von Beiträgen für arbeitnehmerähnlich tätige Personen nichts.
Da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, daß die nach § 728 Abs. 3 RVO i.V.m. §§ 62, 64 der Satzung der Beklagten vorgenommene Berechnung und die Höhe der Beiträge unrichtig ist, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved