Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 3/85
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1232/87
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. September 1987 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene am 16. Juli 1983 einen Arbeitsunfall erlitten hat, für den der Beklagte als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung leistungspflichtig ist.
Der im Jahre 1928 geborene Beigeladene, ein italienischer Staatsangehöriger, half seit mehreren Jahren dem Zeugen O. bei Arbeiten in dessen Garten. Dieser gab dem Beklagten mit der Unfallanzeige vom 24. Februar 1984 bekannt, der Beigeladene sei am 16. Juli 1983 bei der Kirschenernte abgestürzt; Zeugen für den Unfallhergang gäbe es keine. Da sich der Beigeladene auch im Februar 1984 noch in stationärer Krankenhausbehandlung befand, beantwortete dessen Ehefrau eine an ihn gerichtete Anfrage nach dem Unfallhergang dahingehend, daß niemand den Unfall gesehen habe; erst nachdem er geschehen sei, sei ihr Mann von ihrer Tochter gefunden worden. Sie – die Ehefrau – vermute, daß ihr Mann beim Pflücken von Kirschen vom Baum gefallen sei. Mit Schreiben vom 21. Februar 1984 hatte der Zeuge O. die Klägerin davon unterrichtet, daß der Beigeladene ihm seit etwa 13 Jahren im Garten helfe, da er – O. – dieser Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachkommen könne. Die Arbeit des Beigeladenen werde "honoriert mit eigener Gartennutzung und der Hälfte der Obsternte”. Der Beigeladene habe am Unfalltag nach Angaben seiner – des Zeugen – Frau schon als sie um 7.00 Uhr früh zur Arbeit gefahren sei, gearbeitet und im Kirschbaum gestanden. Dort habe er Kirschen gepflückt und Äste ausgeschnitten.
Mit Schreiben vom 24. Februar 1984 vertrat die Klägerin die Ansicht, die Tätigkeit des Beigeladenen habe nach § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) dem Unfallversicherungsschutz unterlegen; der Unfall habe sich bei einer Tätigkeit ereignet, die dem Haushalt des Gartenbesitzers gedient habe, so daß der Beklagte zur Entschädigung der Folgen des Arbeitsunfalls zuständig sei. Ein Erstattungsanspruch werde angemeldet.
Auf Anfrage des Beklagten teilte der Zeuge O. im Schreiben vom 15. März 1984 mit, er komme als Schwerbehinderter nicht ohne Hilfe anderer Personen aus. Zu der Frage, ob mit dem Beigeladenen eine vertragliche Regelung bezüglich der Gartennutzung und der Obstaberntung getroffen worden sei, gab er an, es habe nur eine mündliche Absprache gegeben. Der Beigeladene habe sich auf einem ca. 300 bis 400 qm großen Stück (des etwa 1.800 qm großen Gartens) einen Nutzgarten eingerichtet. "Gegenleistung dafür” seien Hilfeleistungen auf dem übrigen Grundstück gewesen. Wenn Obst erntereif gewesen sei, habe sich der Beigeladene eine Leiter geben lassen und selbständig geerntet. Der Ertrag sei dann "zur privaten Nutzung etwa zur Hälfte geteilt” worden. Art und Menge der geernteten Früchte (Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen) seien von Jahr zu Jahr unterschiedlich gewesen, gewogen worden seien sie nie. Daraufhin gab der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 26. März 1984 bekannt, das § 539 Abs. 2 RVO vorliegend nicht anwendbar sei, weil der Verletzte zur Unfallzeit auch für seinen eigenen Haushalt tätig geworden sei; er habe selbständig entscheidend Obst pflücken dürfen. Die Klägerin räumte im Schreiben vom 30. April 1984 zwar ein, daß der Beigeladene für den eigenen Haushalt auch in der Form tätig geworden sei, daß er als Gegenleistung für seine Arbeit auf dem Grundstück, wie vereinbart, die Hälfte der von ihm geernteten Kirschen hätte behalten können; jedoch dienten die Baumpflege und die Obsternte in erster Linie dem Haushalt des Zeugen O., der dies körperlich nicht mehr selbst erledigen könne. Deshalb sei der Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO zu bejahen. Demgegenüber hielt der Beklagte im Schreiben vom 18. Juni 1984 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) an seinem Rechtsstandpunkt fest.
Auf die am 4. Januar 1985 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Gießen nach Vernehmung des Gartenbesitzers O. als Zeugen durch Urteil vom 24. September 1987, dem Antrag der Klägerin folgend, festgestellt, daß der Beigeladene am 16. Juli 1983 einen Arbeitsunfall erlitten habe, für den der Beklagte der leistungspflichtige Sozialversicherungsträger sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Beigeladene sei beim Obsternten im Garten des Zeugen wie ein nach § 539 Abs. 1 RVO Versicherter tätig geworden, so daß Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO zu bejahen sei. Beim Tätigwerden des Beigeladenen habe es sich insbesondere nicht um eine besondere Form der Erbringung des Pachtzinses gegenüber dem Zeugen für den von diesem zur Nutzung überlassenen Teil des Gartens gehandelt. Die Beweisaufnahme habe eindeutig ergeben, daß der Zeuge letztlich den Besitz und die volle Verfügungsgewalt über sein Grundstück nicht habe aufgeben und sich auch nicht zeitlich an einen Pächter binden wollen. Dem Vorliegen eines Arbeitsunfalles stehe auch nicht entgegen, daß das abgeerntete bzw. abzuerntende Obst nur zur Hälfte für den Haushalt des Zeugen und Betriebsinhabers und zur anderen Hälfte für den Haushalt des Beigeladenen bestimmt gewesen sei. Die Obsternte habe zumindest gleichwertig auch der versicherten Tätigkeit gedient und sei damit insgesamt versichert gewesen.
Gegen das ihm am 27. Oktober 1987 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 2. November 1987 Berufung eingelegt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die zwischen dem Beigeladenen und dem Zeugen O. getroffenen Absprachen und Verfahrensweisen würden belegen, daß zwischen beiden ein Pachtvertrag zustande gekommen sei. Aufgrund der Aussage des Zeugen stehe fest, daß der Beigeladene einen Grundstücksteil zur eigenen Nutzung abgetrennt und eingezäunt habe, um dort nach eigenem Gutdünken Gemüse und Salat für den eigenen Bedarf anzubauen. Daraus gehe hervor, daß der Beigeladene hinsichtlich der Nutzung seines eigenen Gartengrundstückes in Art und Umfang frei gewesen sei. Dies aber sei gerade Merkmal seiner aufgrund des Pachtvertrages gegebenen Rechtsposition, die auch darin zum Ausdruck komme, daß eine Teilung der dort angebauten Pflanzen nicht vereinbart worden sei. Dem Beigeladenen habe demnach auch der Genuß der Früchte zugestanden, was ebenfalls für das Vorliegen eines Pachtvertrages spreche. Im übrigen habe das SG übersehen, daß der Beigeladene nicht nur die Hälfte der Obsternte, sondern auch die Nutzung am eigenen abgegrenzten Garten erhalten habe. Von einer annähernden Gleichwertigkeit zwischen eigenwirtschaftlicher und betriebsfremder Tätigkeit könne deshalb nicht gesprochen werden. Im Vordergrund habe vielmehr das Eigeninteresse gestanden. Schließlich dürfe nicht übersehen werden, daß der Zeuge O. dem Ausgang des Rechtsstreits wohl kaum ohne innere Anteil- und Parteinahme entgegensehen dürfte.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. September 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung sei eindeutig erkennbar, daß Zweck der Tätigkeit des Beigeladenen gewesen sei, dem Zeugen O. helfen. Damit habe das Verhältnis zwischen den Parteien dienstvertraglichen Charakter erhalten, von der Annahme eines Pachtverhältnisses zu reden, sei verfehlt. Das angefochtene Urteil habe daher zu Recht den Arbeitsunfall im Sinne der §§ 548, 539 Abs. 1 RVO gewürdigt.
Der Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Unfallakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 145, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht angenommen, daß der Beigeladene am 16. Juli 1983 einen Arbeitsunfall erlitten hat, für den der Beklagte zuständig ist. Nach § 548 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet.
Zunächst ist ohne Bedenken davon auszugehen, daß sich der Beigeladene am 16. Juli 1983 die schweren Verletzungen durch einen Sturz von der Leiter, die an den Kirschbaum gestellt war, dessen Früchte er erntete, zugezogen hatte. Wie es im einzelnen hierzu gekommen ist, wurde zwar von Augenzeugen nicht wahrgenommen; gleichwohl steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Angaben des Zeugen O. sowohl in dessen Schreiben vom 21. Februar 1984 als auch bei seiner Vernehmung vor dem SG im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. September 1987 mit der insoweit erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (vgl. u.a. BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG, Urteil vom 24. Februar 1988 – 2 RU 30/87) fest, daß die Verletzungen des Beigeladenen einem beim Kirschenpflücken erlittenen Sturz zuzurechnen sind. Darüber besteht auch unter den Beteiligten Übereinstimmung.
Zutreffend hat das SG zunächst angenommen, daß der Beigeladene, als er die Kirschen pflückte, nicht aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses für den Zeugen O. tätig wurde, also nicht in einem den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO stand. Für das Vorliegen einer das Beschäftigungsverhältnis kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit des Beigeladenen vom Zeugen O. bestehen keine Anhaltspunkte. Dieser besaß keinerlei Weisungsbefugnis bezüglich Art, Umfang und Zeit des Arbeitseinsatzes des Beigeladenen. Die Klägerin unterliegt einem Irrtum, wenn sie nunmehr im Berufungsverfahren vorträgt, das SG habe den durch die Beweisaufnahme festgestellten Sachverhalt zutreffend als einen Arbeitsunfall nach den §§ 548, 539 Abs. 1 RVO gewürdigt. Dies ist nach den Gründen der angefochtenen Entscheidung eindeutig nicht der Fall.
In Betracht gezogen hat das SG vielmehr zu Recht allein § 539 Abs. 2 RVO. Nach dieser Vorschrift stehen Personen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, die wie ein nach § 539 Abs. 1 RVO Versicherter – wenn auch nur vorübergehend – tätig werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Beigeladene ist am Unfalltag wie ein Beschäftigter tätig geworden.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert der Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem möglichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen und unter solchen Umständen geleistet wird, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Die Tätigkeit muß zudem in einem inneren Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen stehen (BSGE 5, 168; 25, 102; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119).
Die unfallbringende Tätigkeit des Beigeladenen war – wie auch unter den Beteiligten unstreitig ist – dem Unternehmen, nämlich der Haushaltung des Zeugen O. dienlich; sie entsprach dessen Willen. Das zum Unfall führende Tun entlastete den Besitzer des Kirschbaums von einem Teil der Arbeit, die er sonst hätte selbst verrichten oder durch eine Arbeitskraft, etwa einen von ihm angestellten Gärtner oder Obstpflücker, hätte verrichten lassen müssen. Insoweit stellt das Pflücken von Kirschen, bei dem der Beigeladene verunglückte, auch der Art nach grundsätzlich eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit dar (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Februar 1985 – L-3/U-174/82). Schließlich bestehen keine Zweifel, daß es sich bei dem unfallbegründenden Tun um eine ernstliche Tätigkeit gehandelt hat.
Allerdings reicht das Vorliegen dieser Voraussetzungen für einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht aus. Insbesondere wird nicht jede einzelne Verrichtung, die – losgelöst von den sie tragenden Umständen – dem Unternehmen nützlich und ihrer Art nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet (vgl. BSGE 31, 275, 277). Erforderlich ist vielmehr, wie das BSG im Urteil vom 20. Januar 1987 – 2 RU 15/86 (SozR 2200 § 539 Nr. 119) ausgeführt hat, daß die Handlungstendenz der betreffenden Personen auf die Belange des Unternehmens gerichtet waren. In der genannten Entscheidung hat das Gericht zu Recht auch auf seine bisherige Rechtsprechung hingewiesen: So hat es im Urteil vom 16. Dezember 1970 ausdrücklich als maßgebend angesehen, daß die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignete, dazu "bestimmt” gewesen ist, "den Zwecken seines Unternehmens zu dienen” (SozR Nr. 22 zu § 548 RVO). Erneut hat das BSG im Urteil vom 28. Juni 1984 die mit dem – objektiv arbeitnehmerähnlichen – Tun verbundene Handlungstendenz als für die Bejahung des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 2 RVO ausschlaggebend angesehen und deshalb das für den Obstgartenbesitzer nützliche Selbsternten gekauften Obstes durch einen anderen als unversichert angesehen, weil es für die Zwecke des eigenen Haushaltes erfolgte (SozR 2200 § 539 Nr. 100). Verfolgt demnach eine Person mit solchem Tun in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, so ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 539 Abs. 2 RVO wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119).
Im zu entscheidenden Falle kann diese Handlungstendenz auf Seiten des Beigeladenen festgestellt werden. Nach der Überzeugung des Senats verfolgte er mit der unfallbringenden Tätigkeit zwar wesentlich eigene Interessen. Zum einen hat er vom Zeugen O. einen zur eigenen Benutzung vorgesehenen Anteil vom Garten zur Verfügung gestellt bekommen; dem Beigeladenen war sicherlich daran gelegen, das gutnachbarschaftliche Verhältnis zu pflegen, um den Fortbestand dieser Vergünstigung zu wahren und auch um weiterhin die Obsternte auf dem vom Zeugen bewirtschafteten Teil mit diesem teilen zu können. Gleichzeitig verfolgte er jedoch – betrachtet man die unfallbringende Tätigkeit des Kirschenpflückens nicht isoliert, sondern stellt man sie in Zusammenhang mit den sie tragenden Umständen – wesentlich auch die Interessen des Obstbaumbesitzers, des Zeugen O ... Diese Beurteilung mag möglicherweise anders ausfallen für die Zeit, als der Zeuge O. noch aufgrund seiner gesundheitlichen Verhältnisse grundsätzlich in der Lage gewesen ist, seinen Garten, insbesondere die Obstbäume auch ohne Hilfe des Beigeladenen in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Diese Verhältnisse änderten sich jedoch im Laufe der Zeit. Der Zeuge hat vor dem SG glaubhaft dargestellt, daß sich sein Gesundheitszustand nach und nach verschlechtert, er aber gewollt habe, daß sein Garten nicht "vergammelte”. Deshalb sei er "froh” gewesen, daß der Beigeladene ihm Arbeiten abgenommen habe. Spätestens im September 1977 war bei ihm – so hat der Zeuge weiter bekundet – eine "totale Lähmung” eingetreten, so daß er nicht mehr habe auf Bäume steigen können. Das besondere Interesse an der Hilfe des Beigeladenen, die von diesem offensichtlich gerade auch mit Rücksicht auf den körperlichen Zustand des Zeugen geleistet worden ist, wird auch deutlich durch dessen Aussage, er – O. – habe "nach dem Beigeladenen schon mehrere Leute, die ähnlich wie er das Gartenstück nutzten und die Bäume pflegten”, gehabt.
Das habe aber niemals so richtig geklappt; er wisse nicht genau, wie es in Zukunft weitergehen solle. Notfalls müsse das Gartenstück wieder zu Gras werden und für die Obstbäume müsse er sich "jemanden nehmen und bezahlen”.
Die hier vorliegenden besonderen Verhältnisse rechtfertigen die Annahme eines wesentlichen Interesses auch des Obstbaumbesitzers an der unfallbringenden Tätigkeit. Es tritt hinter dem eigenen Interesse des Beigeladenen nicht zurück. Diente nach alledem die unfallbringende Verrichtung wesentlich auch den Interessen des Zeugen O., so stand der Beigeladene dabei nach § 539 Abs. 2 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
An diesem Ergebnis könnte sich allenfalls dann etwas ändern, wenn der Beigeladene am Unfalltag aufgrund eines nicht schriftlich geschlossenen Pachtvertrages tätig geworden wäre und sich daraus eine Verpflichtung zur Ausübung der unfallbringenden Tätigkeit ergeben hätte. Allerdings kann insoweit nicht entscheidend sein, ob zwischen dem Obstbaumbesitzer und dem Beigeladenen ein rechtswirksames Pachtverhältnis im Sinne des § 581 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestand und insbesondere etwaige Formvorschriften (vgl. § 581 Abs. 2 Satz 1 BGB) beachtet wurden.
Das BSG hat in seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 28. Juni 1984 (SozR 2200 § 539 Nr. 100) den Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO nicht etwa deshalb verneint, weil zwischen dem Kirschbaumbesitzer und dem "Selbstpflücker” rechtlich ein Kaufvertrag bestanden hatte, sondern weil – wie es im Urteil vom 20. Januar 1987 (SozR 2200 § 539 Nr. 119) klargestellt hat – das Ernten im konkreten Fall wesentlich allein für die Zwecke des Haushalts des Käufers erfolgt war. Maßgeblich kann vielmehr allein sein, ob die Tätigkeit, bei der der Beigeladene verunglückte, auf einer vermeintlichen – von den Beteiligten angenommenen – pachtrechtlichen Verpflichtung beruhte. Solchenfalls hätte es sich nicht mehr um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gehandelt, sondern um eine mit dem – wenn auch unter Umständen rechtsunwirksamen – Pachtvertrag übernommene Verpflichtung zur Ausführung bestimmter Gartenarbeiten. Von einer derartigen Verpflichtung kann vorliegend jedoch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Rede sein. Es sind keine Umstände dafür ersichtlich, daß den sich zwischen dem Zeugen O. und dem Beigeladenen entwickelnden Beziehungen vertraglicher Bindungswille zugrunde lag. Zu Recht hat das SG als Indiz hierfür die vom Zeugen geschilderte geschichtliche Entwicklung des Verhältnisses zu dem Beigeladenen angeführt. Dieser half ihm anfänglich nur gelegentlich im Garten, wofür er auch manchmal einen Teil der Ernte erhielt. Erst später, als der Beigeladene den Zeugen, der seit 1977 gesundheitlich zu Gartenarbeiten nicht mehr in der Lage war, in größerem Umfang half, erhielt er einen Teil des Gartens zur eigenen Nutzung überlassen. Im Vordergrund stand mithin stets die Arbeitsleistung des Beigeladenen und nicht eine – für das Pachtverhältnis typische – Gebrauchsüberlassung eines Gegenstandes (Grundstück). Sie begründet nicht die Annahme, daß sich seitdem der Beigeladene verpflichten wollte, zeitlich unbeschränkt dem Zeugen O. dienlich zu sein. Die Gebrauchsüberlassung läßt sich zwanglos als Gegenleistung für die Hilfe des Beigeladenen begründen; im Rahmen des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 2 RVO ist eine solche Gegenleistung unerheblich (vgl. BSGE 5, 168, 172; 17, 211, 216).
Der Beklagte ist schließlich der für den Arbeitsunfall des Beigeladenen zuständige Versicherungsträger. Daß es sich bei dem Garten des Zeugen O. in Anbetracht von Größe (zu diesem Kriterium vgl. Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. § 778 Anm. 4), der Lage direkt am Wohnhaus und der Bewirtschaftung um einen Hausgarten im Sinne von § 778 RVO handelt, der nicht als landwirtschaftliches Unternehmen oder Unternehmen der Gartenpflege gilt (vgl. BSG, SozR 2200 § 778 Nr. 1), wird auch von dem Beklagten anerkannt. Seine Zuständigkeit beruht auf § 657 Abs. 1 Nr. 3 RVO. Etwas anderes würde nur dann zu gelten haben, wenn der Hausgarten im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Unternehmen bewirtschaftet würde. Das war jedoch jedenfalls zur Zeit des Unfalls nicht der Fall. Nach der Mitteilung der Land- und Forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Darmstadt vom 30. Juni 1987 war die Ehefrau des Zeugen O. mit landwirtschaftlichen Stückländereien in der Gemarkung O. in dem Unternehmerverzeichnis eingetragen, allerdings lediglich bis zum Jahre 1982, weil die Ländereien ab Juli 1982 anderweitig verpachtet wurden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene am 16. Juli 1983 einen Arbeitsunfall erlitten hat, für den der Beklagte als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung leistungspflichtig ist.
Der im Jahre 1928 geborene Beigeladene, ein italienischer Staatsangehöriger, half seit mehreren Jahren dem Zeugen O. bei Arbeiten in dessen Garten. Dieser gab dem Beklagten mit der Unfallanzeige vom 24. Februar 1984 bekannt, der Beigeladene sei am 16. Juli 1983 bei der Kirschenernte abgestürzt; Zeugen für den Unfallhergang gäbe es keine. Da sich der Beigeladene auch im Februar 1984 noch in stationärer Krankenhausbehandlung befand, beantwortete dessen Ehefrau eine an ihn gerichtete Anfrage nach dem Unfallhergang dahingehend, daß niemand den Unfall gesehen habe; erst nachdem er geschehen sei, sei ihr Mann von ihrer Tochter gefunden worden. Sie – die Ehefrau – vermute, daß ihr Mann beim Pflücken von Kirschen vom Baum gefallen sei. Mit Schreiben vom 21. Februar 1984 hatte der Zeuge O. die Klägerin davon unterrichtet, daß der Beigeladene ihm seit etwa 13 Jahren im Garten helfe, da er – O. – dieser Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachkommen könne. Die Arbeit des Beigeladenen werde "honoriert mit eigener Gartennutzung und der Hälfte der Obsternte”. Der Beigeladene habe am Unfalltag nach Angaben seiner – des Zeugen – Frau schon als sie um 7.00 Uhr früh zur Arbeit gefahren sei, gearbeitet und im Kirschbaum gestanden. Dort habe er Kirschen gepflückt und Äste ausgeschnitten.
Mit Schreiben vom 24. Februar 1984 vertrat die Klägerin die Ansicht, die Tätigkeit des Beigeladenen habe nach § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) dem Unfallversicherungsschutz unterlegen; der Unfall habe sich bei einer Tätigkeit ereignet, die dem Haushalt des Gartenbesitzers gedient habe, so daß der Beklagte zur Entschädigung der Folgen des Arbeitsunfalls zuständig sei. Ein Erstattungsanspruch werde angemeldet.
Auf Anfrage des Beklagten teilte der Zeuge O. im Schreiben vom 15. März 1984 mit, er komme als Schwerbehinderter nicht ohne Hilfe anderer Personen aus. Zu der Frage, ob mit dem Beigeladenen eine vertragliche Regelung bezüglich der Gartennutzung und der Obstaberntung getroffen worden sei, gab er an, es habe nur eine mündliche Absprache gegeben. Der Beigeladene habe sich auf einem ca. 300 bis 400 qm großen Stück (des etwa 1.800 qm großen Gartens) einen Nutzgarten eingerichtet. "Gegenleistung dafür” seien Hilfeleistungen auf dem übrigen Grundstück gewesen. Wenn Obst erntereif gewesen sei, habe sich der Beigeladene eine Leiter geben lassen und selbständig geerntet. Der Ertrag sei dann "zur privaten Nutzung etwa zur Hälfte geteilt” worden. Art und Menge der geernteten Früchte (Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen) seien von Jahr zu Jahr unterschiedlich gewesen, gewogen worden seien sie nie. Daraufhin gab der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 26. März 1984 bekannt, das § 539 Abs. 2 RVO vorliegend nicht anwendbar sei, weil der Verletzte zur Unfallzeit auch für seinen eigenen Haushalt tätig geworden sei; er habe selbständig entscheidend Obst pflücken dürfen. Die Klägerin räumte im Schreiben vom 30. April 1984 zwar ein, daß der Beigeladene für den eigenen Haushalt auch in der Form tätig geworden sei, daß er als Gegenleistung für seine Arbeit auf dem Grundstück, wie vereinbart, die Hälfte der von ihm geernteten Kirschen hätte behalten können; jedoch dienten die Baumpflege und die Obsternte in erster Linie dem Haushalt des Zeugen O., der dies körperlich nicht mehr selbst erledigen könne. Deshalb sei der Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO zu bejahen. Demgegenüber hielt der Beklagte im Schreiben vom 18. Juni 1984 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) an seinem Rechtsstandpunkt fest.
Auf die am 4. Januar 1985 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Gießen nach Vernehmung des Gartenbesitzers O. als Zeugen durch Urteil vom 24. September 1987, dem Antrag der Klägerin folgend, festgestellt, daß der Beigeladene am 16. Juli 1983 einen Arbeitsunfall erlitten habe, für den der Beklagte der leistungspflichtige Sozialversicherungsträger sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Beigeladene sei beim Obsternten im Garten des Zeugen wie ein nach § 539 Abs. 1 RVO Versicherter tätig geworden, so daß Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO zu bejahen sei. Beim Tätigwerden des Beigeladenen habe es sich insbesondere nicht um eine besondere Form der Erbringung des Pachtzinses gegenüber dem Zeugen für den von diesem zur Nutzung überlassenen Teil des Gartens gehandelt. Die Beweisaufnahme habe eindeutig ergeben, daß der Zeuge letztlich den Besitz und die volle Verfügungsgewalt über sein Grundstück nicht habe aufgeben und sich auch nicht zeitlich an einen Pächter binden wollen. Dem Vorliegen eines Arbeitsunfalles stehe auch nicht entgegen, daß das abgeerntete bzw. abzuerntende Obst nur zur Hälfte für den Haushalt des Zeugen und Betriebsinhabers und zur anderen Hälfte für den Haushalt des Beigeladenen bestimmt gewesen sei. Die Obsternte habe zumindest gleichwertig auch der versicherten Tätigkeit gedient und sei damit insgesamt versichert gewesen.
Gegen das ihm am 27. Oktober 1987 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 2. November 1987 Berufung eingelegt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die zwischen dem Beigeladenen und dem Zeugen O. getroffenen Absprachen und Verfahrensweisen würden belegen, daß zwischen beiden ein Pachtvertrag zustande gekommen sei. Aufgrund der Aussage des Zeugen stehe fest, daß der Beigeladene einen Grundstücksteil zur eigenen Nutzung abgetrennt und eingezäunt habe, um dort nach eigenem Gutdünken Gemüse und Salat für den eigenen Bedarf anzubauen. Daraus gehe hervor, daß der Beigeladene hinsichtlich der Nutzung seines eigenen Gartengrundstückes in Art und Umfang frei gewesen sei. Dies aber sei gerade Merkmal seiner aufgrund des Pachtvertrages gegebenen Rechtsposition, die auch darin zum Ausdruck komme, daß eine Teilung der dort angebauten Pflanzen nicht vereinbart worden sei. Dem Beigeladenen habe demnach auch der Genuß der Früchte zugestanden, was ebenfalls für das Vorliegen eines Pachtvertrages spreche. Im übrigen habe das SG übersehen, daß der Beigeladene nicht nur die Hälfte der Obsternte, sondern auch die Nutzung am eigenen abgegrenzten Garten erhalten habe. Von einer annähernden Gleichwertigkeit zwischen eigenwirtschaftlicher und betriebsfremder Tätigkeit könne deshalb nicht gesprochen werden. Im Vordergrund habe vielmehr das Eigeninteresse gestanden. Schließlich dürfe nicht übersehen werden, daß der Zeuge O. dem Ausgang des Rechtsstreits wohl kaum ohne innere Anteil- und Parteinahme entgegensehen dürfte.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. September 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung sei eindeutig erkennbar, daß Zweck der Tätigkeit des Beigeladenen gewesen sei, dem Zeugen O. helfen. Damit habe das Verhältnis zwischen den Parteien dienstvertraglichen Charakter erhalten, von der Annahme eines Pachtverhältnisses zu reden, sei verfehlt. Das angefochtene Urteil habe daher zu Recht den Arbeitsunfall im Sinne der §§ 548, 539 Abs. 1 RVO gewürdigt.
Der Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Im übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Unfallakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 145, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht angenommen, daß der Beigeladene am 16. Juli 1983 einen Arbeitsunfall erlitten hat, für den der Beklagte zuständig ist. Nach § 548 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet.
Zunächst ist ohne Bedenken davon auszugehen, daß sich der Beigeladene am 16. Juli 1983 die schweren Verletzungen durch einen Sturz von der Leiter, die an den Kirschbaum gestellt war, dessen Früchte er erntete, zugezogen hatte. Wie es im einzelnen hierzu gekommen ist, wurde zwar von Augenzeugen nicht wahrgenommen; gleichwohl steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Angaben des Zeugen O. sowohl in dessen Schreiben vom 21. Februar 1984 als auch bei seiner Vernehmung vor dem SG im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. September 1987 mit der insoweit erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (vgl. u.a. BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG, Urteil vom 24. Februar 1988 – 2 RU 30/87) fest, daß die Verletzungen des Beigeladenen einem beim Kirschenpflücken erlittenen Sturz zuzurechnen sind. Darüber besteht auch unter den Beteiligten Übereinstimmung.
Zutreffend hat das SG zunächst angenommen, daß der Beigeladene, als er die Kirschen pflückte, nicht aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses für den Zeugen O. tätig wurde, also nicht in einem den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO stand. Für das Vorliegen einer das Beschäftigungsverhältnis kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit des Beigeladenen vom Zeugen O. bestehen keine Anhaltspunkte. Dieser besaß keinerlei Weisungsbefugnis bezüglich Art, Umfang und Zeit des Arbeitseinsatzes des Beigeladenen. Die Klägerin unterliegt einem Irrtum, wenn sie nunmehr im Berufungsverfahren vorträgt, das SG habe den durch die Beweisaufnahme festgestellten Sachverhalt zutreffend als einen Arbeitsunfall nach den §§ 548, 539 Abs. 1 RVO gewürdigt. Dies ist nach den Gründen der angefochtenen Entscheidung eindeutig nicht der Fall.
In Betracht gezogen hat das SG vielmehr zu Recht allein § 539 Abs. 2 RVO. Nach dieser Vorschrift stehen Personen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, die wie ein nach § 539 Abs. 1 RVO Versicherter – wenn auch nur vorübergehend – tätig werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Beigeladene ist am Unfalltag wie ein Beschäftigter tätig geworden.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert der Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem möglichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen und unter solchen Umständen geleistet wird, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Die Tätigkeit muß zudem in einem inneren Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen stehen (BSGE 5, 168; 25, 102; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119).
Die unfallbringende Tätigkeit des Beigeladenen war – wie auch unter den Beteiligten unstreitig ist – dem Unternehmen, nämlich der Haushaltung des Zeugen O. dienlich; sie entsprach dessen Willen. Das zum Unfall führende Tun entlastete den Besitzer des Kirschbaums von einem Teil der Arbeit, die er sonst hätte selbst verrichten oder durch eine Arbeitskraft, etwa einen von ihm angestellten Gärtner oder Obstpflücker, hätte verrichten lassen müssen. Insoweit stellt das Pflücken von Kirschen, bei dem der Beigeladene verunglückte, auch der Art nach grundsätzlich eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit dar (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Februar 1985 – L-3/U-174/82). Schließlich bestehen keine Zweifel, daß es sich bei dem unfallbegründenden Tun um eine ernstliche Tätigkeit gehandelt hat.
Allerdings reicht das Vorliegen dieser Voraussetzungen für einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht aus. Insbesondere wird nicht jede einzelne Verrichtung, die – losgelöst von den sie tragenden Umständen – dem Unternehmen nützlich und ihrer Art nach üblicherweise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet (vgl. BSGE 31, 275, 277). Erforderlich ist vielmehr, wie das BSG im Urteil vom 20. Januar 1987 – 2 RU 15/86 (SozR 2200 § 539 Nr. 119) ausgeführt hat, daß die Handlungstendenz der betreffenden Personen auf die Belange des Unternehmens gerichtet waren. In der genannten Entscheidung hat das Gericht zu Recht auch auf seine bisherige Rechtsprechung hingewiesen: So hat es im Urteil vom 16. Dezember 1970 ausdrücklich als maßgebend angesehen, daß die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignete, dazu "bestimmt” gewesen ist, "den Zwecken seines Unternehmens zu dienen” (SozR Nr. 22 zu § 548 RVO). Erneut hat das BSG im Urteil vom 28. Juni 1984 die mit dem – objektiv arbeitnehmerähnlichen – Tun verbundene Handlungstendenz als für die Bejahung des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 2 RVO ausschlaggebend angesehen und deshalb das für den Obstgartenbesitzer nützliche Selbsternten gekauften Obstes durch einen anderen als unversichert angesehen, weil es für die Zwecke des eigenen Haushaltes erfolgte (SozR 2200 § 539 Nr. 100). Verfolgt demnach eine Person mit solchem Tun in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, so ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 539 Abs. 2 RVO wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119).
Im zu entscheidenden Falle kann diese Handlungstendenz auf Seiten des Beigeladenen festgestellt werden. Nach der Überzeugung des Senats verfolgte er mit der unfallbringenden Tätigkeit zwar wesentlich eigene Interessen. Zum einen hat er vom Zeugen O. einen zur eigenen Benutzung vorgesehenen Anteil vom Garten zur Verfügung gestellt bekommen; dem Beigeladenen war sicherlich daran gelegen, das gutnachbarschaftliche Verhältnis zu pflegen, um den Fortbestand dieser Vergünstigung zu wahren und auch um weiterhin die Obsternte auf dem vom Zeugen bewirtschafteten Teil mit diesem teilen zu können. Gleichzeitig verfolgte er jedoch – betrachtet man die unfallbringende Tätigkeit des Kirschenpflückens nicht isoliert, sondern stellt man sie in Zusammenhang mit den sie tragenden Umständen – wesentlich auch die Interessen des Obstbaumbesitzers, des Zeugen O ... Diese Beurteilung mag möglicherweise anders ausfallen für die Zeit, als der Zeuge O. noch aufgrund seiner gesundheitlichen Verhältnisse grundsätzlich in der Lage gewesen ist, seinen Garten, insbesondere die Obstbäume auch ohne Hilfe des Beigeladenen in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Diese Verhältnisse änderten sich jedoch im Laufe der Zeit. Der Zeuge hat vor dem SG glaubhaft dargestellt, daß sich sein Gesundheitszustand nach und nach verschlechtert, er aber gewollt habe, daß sein Garten nicht "vergammelte”. Deshalb sei er "froh” gewesen, daß der Beigeladene ihm Arbeiten abgenommen habe. Spätestens im September 1977 war bei ihm – so hat der Zeuge weiter bekundet – eine "totale Lähmung” eingetreten, so daß er nicht mehr habe auf Bäume steigen können. Das besondere Interesse an der Hilfe des Beigeladenen, die von diesem offensichtlich gerade auch mit Rücksicht auf den körperlichen Zustand des Zeugen geleistet worden ist, wird auch deutlich durch dessen Aussage, er – O. – habe "nach dem Beigeladenen schon mehrere Leute, die ähnlich wie er das Gartenstück nutzten und die Bäume pflegten”, gehabt.
Das habe aber niemals so richtig geklappt; er wisse nicht genau, wie es in Zukunft weitergehen solle. Notfalls müsse das Gartenstück wieder zu Gras werden und für die Obstbäume müsse er sich "jemanden nehmen und bezahlen”.
Die hier vorliegenden besonderen Verhältnisse rechtfertigen die Annahme eines wesentlichen Interesses auch des Obstbaumbesitzers an der unfallbringenden Tätigkeit. Es tritt hinter dem eigenen Interesse des Beigeladenen nicht zurück. Diente nach alledem die unfallbringende Verrichtung wesentlich auch den Interessen des Zeugen O., so stand der Beigeladene dabei nach § 539 Abs. 2 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
An diesem Ergebnis könnte sich allenfalls dann etwas ändern, wenn der Beigeladene am Unfalltag aufgrund eines nicht schriftlich geschlossenen Pachtvertrages tätig geworden wäre und sich daraus eine Verpflichtung zur Ausübung der unfallbringenden Tätigkeit ergeben hätte. Allerdings kann insoweit nicht entscheidend sein, ob zwischen dem Obstbaumbesitzer und dem Beigeladenen ein rechtswirksames Pachtverhältnis im Sinne des § 581 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestand und insbesondere etwaige Formvorschriften (vgl. § 581 Abs. 2 Satz 1 BGB) beachtet wurden.
Das BSG hat in seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 28. Juni 1984 (SozR 2200 § 539 Nr. 100) den Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO nicht etwa deshalb verneint, weil zwischen dem Kirschbaumbesitzer und dem "Selbstpflücker” rechtlich ein Kaufvertrag bestanden hatte, sondern weil – wie es im Urteil vom 20. Januar 1987 (SozR 2200 § 539 Nr. 119) klargestellt hat – das Ernten im konkreten Fall wesentlich allein für die Zwecke des Haushalts des Käufers erfolgt war. Maßgeblich kann vielmehr allein sein, ob die Tätigkeit, bei der der Beigeladene verunglückte, auf einer vermeintlichen – von den Beteiligten angenommenen – pachtrechtlichen Verpflichtung beruhte. Solchenfalls hätte es sich nicht mehr um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gehandelt, sondern um eine mit dem – wenn auch unter Umständen rechtsunwirksamen – Pachtvertrag übernommene Verpflichtung zur Ausführung bestimmter Gartenarbeiten. Von einer derartigen Verpflichtung kann vorliegend jedoch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Rede sein. Es sind keine Umstände dafür ersichtlich, daß den sich zwischen dem Zeugen O. und dem Beigeladenen entwickelnden Beziehungen vertraglicher Bindungswille zugrunde lag. Zu Recht hat das SG als Indiz hierfür die vom Zeugen geschilderte geschichtliche Entwicklung des Verhältnisses zu dem Beigeladenen angeführt. Dieser half ihm anfänglich nur gelegentlich im Garten, wofür er auch manchmal einen Teil der Ernte erhielt. Erst später, als der Beigeladene den Zeugen, der seit 1977 gesundheitlich zu Gartenarbeiten nicht mehr in der Lage war, in größerem Umfang half, erhielt er einen Teil des Gartens zur eigenen Nutzung überlassen. Im Vordergrund stand mithin stets die Arbeitsleistung des Beigeladenen und nicht eine – für das Pachtverhältnis typische – Gebrauchsüberlassung eines Gegenstandes (Grundstück). Sie begründet nicht die Annahme, daß sich seitdem der Beigeladene verpflichten wollte, zeitlich unbeschränkt dem Zeugen O. dienlich zu sein. Die Gebrauchsüberlassung läßt sich zwanglos als Gegenleistung für die Hilfe des Beigeladenen begründen; im Rahmen des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 2 RVO ist eine solche Gegenleistung unerheblich (vgl. BSGE 5, 168, 172; 17, 211, 216).
Der Beklagte ist schließlich der für den Arbeitsunfall des Beigeladenen zuständige Versicherungsträger. Daß es sich bei dem Garten des Zeugen O. in Anbetracht von Größe (zu diesem Kriterium vgl. Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. § 778 Anm. 4), der Lage direkt am Wohnhaus und der Bewirtschaftung um einen Hausgarten im Sinne von § 778 RVO handelt, der nicht als landwirtschaftliches Unternehmen oder Unternehmen der Gartenpflege gilt (vgl. BSG, SozR 2200 § 778 Nr. 1), wird auch von dem Beklagten anerkannt. Seine Zuständigkeit beruht auf § 657 Abs. 1 Nr. 3 RVO. Etwas anderes würde nur dann zu gelten haben, wenn der Hausgarten im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Unternehmen bewirtschaftet würde. Das war jedoch jedenfalls zur Zeit des Unfalls nicht der Fall. Nach der Mitteilung der Land- und Forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Darmstadt vom 30. Juni 1987 war die Ehefrau des Zeugen O. mit landwirtschaftlichen Stückländereien in der Gemarkung O. in dem Unternehmerverzeichnis eingetragen, allerdings lediglich bis zum Jahre 1982, weil die Ländereien ab Juli 1982 anderweitig verpachtet wurden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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