L 6 Ar 385/86

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 Ar 231/84
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 385/86
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der von der Klägerin während bestehender Arbeitslosigkeit besuchte Studiengang „Ausländerpädagogik” an der Gesamthochschule Kassel war sowohl vom generellen Aufbau (Pflichtveranstaltungen) als auch vom individuellen Vorlesungsplan der Klägerin so gestaltet (Lehrveranstaltungen in den späten Nachmittags- und Abendstunden), daß Verfügbarkeit im Sinne des § 103 AFG vorlag.
2. Die Klägerin, die bei Antragstellung das Bestehen von Bedürftigkeit nachgewiesen hat, ist nicht verpflichtet, für den Zeitraum, für den sie in der Folgezeit Leistungen begehrt, Nachweise darüber zu erbringen, wovon sie gelebt hat. Dies jedenfalls dann nicht, wenn die Beklagte weder vorher einen entsprechenden Hinweis gegeben hat, noch Anhaltspunkte bestehen, die für eine Anwendung des § 10 Alhi-VO sprechen.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Januar 1986 dahin geändert, daß die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Arbeitslosenhilfe sich auf die Zeiten vom 15. Februar 1983 bis 11. August 1983 und vom 14. September 1983 bis 15. Juli 1984 beschränkt. Bezüglich der Zeit ab Antragstellung bis 14. Februar 1983 und vom 12. August 1983 bis 13. September 1983 wird die Klage abgewiesen. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin 4/5 der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht im Rechtsstreit um die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe während eines Ergänzungsstudiums – Ausländerpädagogik – an der Gesamthochschule Kassel (GhK).

Die 1955 geborene Klägerin studierte nach ihren Angaben vom 1. Oktober 1975 bis zum 31. Oktober 1980 und schloß das Studium mit dem Staatsexamen ab. Vom 1. Mai 1981 bis 31. Oktober 1982 war sie Lehramtsreferendarin und schloß auch diese Ausbildung erfolgreich ab. Am 27. Oktober 1982 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zum 1. November 1982 arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe. Die Klägerin gab an, daß sie im Wintersemester 1982/83 als Studentin an der GhK Ausländerpädagogik studiere. Mit Vermerk vom 10. Dezember 1982 stellte die Beklagte fest, daß die Klägerin ab 1. Dezember 1982 nicht verfügbar sei, da die Klägerin mitgeteilt habe, daß sie zur Zeit bis Weihnachten vormittags das Baby einer Freundin betreue. Mit im März 1983 bei der Beklagten zugegangenem Schreiben ohne Datum legte die Klägerin eine Kopie des Veranstaltungs- und Vorlesungsverzeichnisses für das Sommersemester 1983 vor und erklärte, daß sich der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab Dato 15. Februar beziehen würde. Mit Schreiben vom 11. April 1983 legte die Klägerin eine Aufstellung über die von ihr im Sommersemester 1983 belegten Vorlesungen und Übungen sowie eine Bescheinigung der GhK vom 13. April 1983 (Frau Prof. H.) vor.

Im Antrag auf Wiederbewilligung vom 14. September 1983 war angegeben, daß die Klägerin vom 12. August bis 13. September 1983 nicht verfügbar gewesen sei.

Mit Bescheid vom 9. April 1984 lehnte die Beklagte die Anträge der Klägerin mit der Begründung ab, daß der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach § 118 a AFG ruhe, solange die Klägerin am Studiengang Ausländerpädagogik teilnehme. Da nicht alle für den Ausbildungsgang erforderlichen Unterrichtsveranstaltungen außerhalb der üblichen Arbeitszeit für Vollbeschäftigte stattfänden, könne nicht von einem berufsbegleitenden Ausbildungsgang gesprochen werden. Es komme nicht darauf an, ob ein Student einen Studiengang wie einen berufsbegleitenden Ausbildungsgang absolviere.

Den Widerspruch der Klägerin vom 9. Mai 1984 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1984 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 13. Juli 1984 Klage erhoben und vorgetragen, daß der Studiengang Ausländerpädagogik generell so eingerichtet gewesen sei, daß arbeitslose Lehrer das Studium außerhalb der üblichen Arbeitszeit ableisten könnten; dies könne Frau Prof. H. von der GhK bezeugen. Auch ihre eigene schriftliche Belegung des Veranstaltungsangebotes beweise dies.

Das Sozialgericht hat eine schriftliche Auskunft über Aufbau und Ausgestaltung des Studienganges Ausländerpädagogik eingeholt bei Frau Prof. H. vom 2. November 1984 und die Vorlesungsverzeichnisse sowie Prüfungsordnung und Studiengangbeschreibung beigezogen. Das Sozialgericht hat Frau Prof. H. am 30. Januar 1986 als Zeugin gehört.

Mit Urteil vom 30. Januar 1986 hat das Sozialgericht Kassel der Klage in vollem Umfang stattgegeben (Arbeitslosenhilfe vom 1. November 1982 bis 15. Juli 1984), die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab Antragstellung Arbeitslosenhilfe zu zahlen. In der Begründung hat es ausgeführt, der Studiengang Ausländerpädagogik sei weder als regelförmiges Vollzeitstudium angelegt, noch nehme es einen Studenten im allgemeinen voll in Anspruch. Die erforderlichen zwölf Zeitstunden pro Woche seien nach dem Konzept des Studienganges so zu verteilen, daß sie frühestens um 16 Uhr, in der Regel aber erst um 16.30 Uhr begännen, so daß Vollzeitbeschäftigte diese Weiterbildung nach der Arbeit durchführen könnten. Das Studienangebot sei auch ausdrücklich gedacht für Berufstätige und Arbeitslose. Es könne deshalb auch dahingestellt bleiben, ob § 118 a AFG verfassungswidrig sei.

Gegen das ihr am 27. Februar 1986 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. März 1986 Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, es handele sich nicht um einen berufsbegleitenden Studiengang. Die vorgelegten Unterlagen wiesen aus, daß auch Veranstaltungen während der für Vollzeitbeschäftigte üblichen Arbeitszeit stattfänden. Es könne also nicht von einem berufsbegleitenden Studium gesprochen werden. Es sei auch ungeklärt, ob die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorlägen. Bezüglich der Verfügbarkeit sei festzustellen, daß die Klägerin vom 12. August 1983 bis 13. September 1983 eine ältere Dame betreut habe und deshalb nicht verfügbar gewesen sei. Auch sei sie der Aufforderung zur Meldung am 9. August 1983 nicht nachgekommen. Die genannten Gründe könnten nicht als wichtig anerkannt werden. Es bestünden auch Zweifel, ob die Klägerin bedürftig gewesen sei, da sie einen eigenen Haushalt geführt habe und keine Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch genommen habe. Da die Klägerin in der streitigen Zeit auch keine Arbeitslosenhilfe erhalten habe, komme der Frage Bedeutung zu, aus welchen Mitteln die Klägerin ihren Lebensunterhalt bestritten habe. Der Klägerin solle aufgegeben werden, hierfür Erklärungen abzugeben. Die Klägerin müsse ihrer Verpflichtung nachkommen, das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen. § 10 Nr. 2 der Alhi-VO könnte ggf. Platz greifen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 30. Januar 1986 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz ihr Diplom vom 5. Dezember 1984 sowie ihren Mietvertrag aus 1981 vorgelegt. Die Klägerin hat ferner Aufstellungen der von ihr im Wintersemester 1982/83, Wintersemester 1983/84 und Sommersemester 1984 besuchten Lehrveranstaltungen vorgelegt.

Die Klägerin trägt vor, sie habe durch das der Beklagten im März 1983 zugegangene Schreiben ihren Anspruch nicht auf die Zeit ab 15. Februar 1983 begrenzt. Das Schreiben sei mißverständlich, nach ihrer Erinnerung habe sie damit ausdrücken wollen, daß ab 15. Februar 1983 der Anspruch unproblematisch sei. Bis Mai 1983 habe sie in der von ihr gemieteten Wohnung allein gewohnt, anschließend habe sie im gemeinsamen Haushalt mit einer Bekannten gewohnt, von der sie jedoch keine finanzielle Unterstützung erhalten habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig, § 143 SGG. Berufungsausschließungsgründe nach §§ 144 ff. SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch zu einem Teil begründet. Soweit das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten in vollem Umfang aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, Arbeitslosenhilfe vor dem 15. Februar 1983 und für die Zeit vom 12. August bis 13. September 1983 zu zahlen, ist das Urteil rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben, die Klage war insoweit abzuweisen. Für die genannten Zeiträume hat die Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren keinen Anspruch geltend gemacht (12. August bis 13. September 1983) bzw. den gestellten Antrag wieder zurückgenommen (1. November 1982 bis 14. Februar 1983). Damit waren diese Zeiten nicht mehr Gegenstand der angefochtenen Bescheide und konnten deshalb auch nicht mit Erfolg mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt werden.

Bezüglich der Zeit vom 12. August bis 13. September 1983 ergibt sich die fehlende Geltendmachung aus der Tatsache, daß die Klägerin am 14. September 1983 einen Wiederbewilligungsantrag stellte. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn sie einen einheitlichen und durchgehenden Arbeitslosenhilfeanspruch geltend gemacht hätte. In 2 b des Antrages ist auch der Grund für dieses Vorgehen der Klägerin zu sehen, dort ist nämlich vermerkt "12. August 1983–13. September 1983 nicht verfügbar”.

Bezüglich der Zeit vor dem 15. Februar 1983 findet sich in der Akte ein Vermerk vom 10. Dezember 1982 anläßlich eines von der Klägerin nicht wahrgenommenen Meldetermins, daß die Klägerin ab 1. Dezember 1982 nicht verfügbar sei, da sie schriftlich mitgeteilt habe, daß sie zur Zeit vormittags das Baby ihrer Freundin bis Weihnachten betreue. Als entscheidend sieht es der erkennende Senat jedoch an, daß die Klägerin mit im März 1983 bei der Beklagten zugegangenem Schreiben ohne Datum ihren Anspruch sinngemäß auf die Zeit ab 15. Februar 1983 begrenzt hat. Sie legt mit diesem Schreiben das Veranstaltungs- und Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1983 vor und weist darauf hin, da das Wintersemester am 15. Februar 1983 zu Ende gegangen sei und in der Zwischenzeit bis zum Sommersemester sowieso keine Veranstaltungen bis 16 Uhr stattfänden, würde sich der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab Dato 15. Februar beziehen. Soweit die Klägerin diese Formulierung als mißverständlich bezeichnet, konnte dem der erkennende Senat nicht folgen. Schreiben sind aus der Sicht des Empfängers auszulegen. Aus der Sicht der Beklagten war eine Beschränkung des Anspruchs der Klägerin auf die Zeit ab 15. Februar 1983 enthalten. Die Klägerin wies auf das Vorlesungsende und die vorlesungsfreie Zeit ab 15. Februar 1983 hin. Die Klägerin hat auch nur das Vorlesungsverzeichnis sowie ihren eigenen Veranstaltungskalender für das Sommersemester 1983 vorgelegt. Wenn sie den Anspruch für das Wintersemester 1982/83 hätte aufrechterhalten wollen (aber als problematisch angesehen hätte), wären mindestens auch Angaben zu diesem Zeitraum zu erwarten gewesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten war jedoch zurückzuweisen. Das angefochtene Urteil hat zutreffend bezüglich der Zeiten vom 15. Februar bis 11. August 1983 und vom 14. September 1983 bis 15. Juli 1984 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Arbeitslosenhilfe verurteilt.

Die Klägerin hatte die Voraussetzungen zum Bezug von Arbeitslosenhilfe nach § 134 AFG erfüllt, sie war arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosenhilfe beantragt, sie hatte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, war bedürftig und hatte durch die Tätigkeit als Beamtin auf Widerruf (Lehramtsreferendarin) in der Zeit vom 1. Mai 1981 bis 31. Oktober 1982 die erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt. Innerhalb der einjährigen Rahmenfrist vom 15. Februar 1982 bis 14. Februar 1983 hat die Klägerin die erforderlichen 150 Tage in einer die Anwartschaft begründenden Beschäftigung gestanden, § 134 Abs. 1 Nr. 4 b, Abs. 2 Nr. 1 AFG i.d.F. des AFKG vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1497).

Soweit die Beklagte sich auf den Ruhenstatbestand des § 118 a Abs. 1 AFG in der Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl. I S. 1189) bezog und damit die Leistungsablehnung begründete, ist dies nicht mehr möglich, da das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 18. November 1986 (1 BVL 29/83 u.a.) die Vorschrift als nichtig angesehen hat, soweit diese Vorschrift für Studenten einer Hochschule das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld anordnet. Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten und durch Runderlaß vom 26. Mai 1987 Nr. 49, 1 bis 6 die Arbeitsämter angewiesen hat, bei Arbeitslosenhilfe-Ansprüchen von Studenten weiterhin § 118 a AFG anzuwenden, vermag sich dem der erkennende Senat nicht anzuschließen. Über die allgemeine Verweisung des § 134 Abs. 4 AFG kann § 118 a Abs. 1 AFG zumindest für Studenten an Hochschulen keine Weitergeltung beanspruchen. Ist eine Norm wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben, geht eine Verweisungsnorm, die sich auf die aufgehobene Vorschrift bezieht, ins Leere (vgl. Brocke SGb 1987 S. 401). Die Verfügbarkeit der Klägerin ist also nicht mehr durch § 118 a AFG verneint, sondern muß nach den allgemeinen Vorschriften geprüft werden (vgl. nicht rechtskräftiges Urteil des erkennenden Senates vom 21. Oktober 1987 – L-6/Ar-571/85).

Zur Überzeugung des erkennenden Senats steht fest, daß die Klägerin für die Zeiten vom 15. Februar bis 11. August 1983 und vom 14. September 1983 bis 15. Juli 1984 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Nach § 103 Abs. 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer

1) eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,

2) bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf sowie 3) das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.

Nach den Feststellungen der Beklagten war die Klägerin für das Arbeitsamt erreichbar und konnte es auch täglich aufsuchen, ferner hat die Klägerin sich auch bereit erklärt, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie ausüben könne und dürfe.

Die Klägerin konnte und durfte neben dem Studiengang Ausländerpädagogik auch eine längere als kurzzeitige, zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben. Nach Wegfall des § 118 a AFG kommt es nicht mehr darauf an, ob der Studiengang Ausländerpädagogik die Arbeitskraft einer Studentin im fraglichen Zeitraum im allgemeinen voll in Anspruch genommen hat, sondern nur, ob die individuelle Gestaltung des Studiums durch die Klägerin die Aufnahme einer längeren als kurzzeitigen zumutbaren Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zuließ. Insoweit sind die umfangreichen Ermittlungen des Sozialgerichts zwar zu weitgehend, lassen sich aber dennoch im wesentlichen zur Sachaufklärung auch unter veränderter Gesetzeslage verwenden. Der von der Klägerin besuchte Studiengang Ausländerpädagogik setzte nach § 4 der Prüfungsordnung den Abschluß eines Lehramtsstudienganges mit der ersten Staatsprüfung (oder eine vergleichbare Prüfung) voraus und richtete sich nach seiner Ausschreibung vornehmlich an Berufstätige und Arbeitslose. Die für Organisation, Planung und Durchführung des Studienganges verantwortliche Zeugin Prof. H. sagte dazu aus, daß diese Ausbildung im Wintersemester 1980/81 begonnen habe und von vorneherein als berufsbegleitende Ausbildung konzipiert worden sei. Ab Wintersemester 1982/83 sei bewußt darauf geachtet worden, daß alle nach der Prüfungsordnung erforderlichen Veranstaltungen nach 16 Uhr an den Wochentagen bzw. an Wochenenden als Kompaktveranstaltungen hätten besucht werden können. Dem entspricht die von der Klägerin vorgelegte individuelle Vorlesungsübersicht vom 11. April 1983 mit der entsprechenden Bescheinigung der GhK vom 13. April 1983. Die Vorlesungen begannen frühestens um 16.15 Uhr und umfaßten 11 Zeitstunden in der Woche. Einschließlich sog. Vor- und Nacharbeiten ergibt sich damit jedenfalls keine höhere wöchentliche Belastung als 20 Stunden, vor allem unter Berücksichtigung der bereits durch das abgeschlossene Studium gewonnenen Erfahrung und Fähigkeiten zu konzentriertem Lernen im Gegensatz etwa zu Studienanfängern. Soweit die Beklagte darauf verweist, daß auch während der üblichen täglichen Arbeitszeiten Vorlesungen angeboten wurden, konnte es sich evtl. um einen wichtigen Einwand im Hinblick auf das Wort "allgemein” in § 118 a Abs. 1 AFG handeln, ihm kommt jedoch keine Bedeutung zu bei Prüfung der individuellen Belastung (bzw. Verfügbarkeit) der Klägerin. Ausschlaggebend ist, daß die Klägerin nicht auf Vorlesungen und Veranstaltungen angewiesen war, die während der üblichen Arbeitszeit für vollschichtig Arbeitstätige angeboten wurden, um das Studienziel zu erreichen. Damit ist ihre Angabe auch glaubhaft, daß sie nur außerhalb dieser Zeit, also erst ab 16.30 Uhr studiert habe. Bei dem für Lehrer in Frage kommenden Arbeitsmarkt ist eine festgelegte Arbeitszeit vorwiegend auf den Vormittag, aber auch auf den Nachmittag bis 16 Uhr festzustellen, während die Lehrer die Verteilung der Unterrichtsvorbereitung und der Korrekturarbeiten frei gestalten können, sei es in sog. "Freistunden” oder zu jeder beliebigen anderen Zeit zu Hause. Eine Einschränkung würde sich für Lehrer allerdings für den Samstagvormittag ergeben, da diese Zeit für die Abhaltung des Unterrichts immer noch als üblich angesehen werden muß. Obwohl die Zeugin Prof. H. von Kompaktseminaren an den Wochenenden von Freitag 16 Uhr bis Samstagabend oder Sonntagmittag berichtet hat, deren Besuch der Verfügbarkeit entgegenstehen könnte, hat die Klägerin nach ihrer Aufstellung an solchen Seminaren nicht teilgenommen. Auch von der Gesamtbelastung zuzüglich des Ergänzungsstudiums her gesehen ergibt sich kein Ausschluß der Verfügbarkeit. Wie die Zeugin Prof. H. überzeugend ausführte, wurde der Studiengang bereits so geplant und angeboten, daß er auch von Berufstätigen erfolgreich besucht werden konnte. Dann hat dies auch entsprechend für die Verfügbarkeit von Arbeitslosen zu gelten.

Soweit die Beklagte auf die Betreuung der älteren Dame durch die Klägerin (12. August bis 13. September 1983) hinweist, betrifft dies eine Zeit, die von der Klägerin ausweislich des Wiederbewilligungsantrags ohnehin nicht geltend gemacht wurde. Die Nichtwahrnehmung des Meldetermins am 9. August 1983 schränkt die Verfügbarkeit der Klägerin nicht ein. Die Beklagte hätte die Verpflichtung gehabt, die Klägerin auf die Unrichtigkeit ihrer Rechtsauffassung hinzuweisen.

Die gleichen Feststellungen gelten auch für das Wintersemester 1983/84 und das Sommersemester 1984 entsprechend den von der Klägerin noch nachgereichten persönlichen Veranstaltungsplänen.

Bezüglich der Bedürftigkeit der Klägerin sieht der erkennende Senat keine Einschränkung gegeben. Eine eheähnliche Gemeinschaft lag nicht vor. Unterhaltsansprüche der volljährigen und akademisch ausgebildeten Klägerin gegen ihre Eltern sind nicht erkennbar (vgl. Urteil des BSG vom 7. September 1988 – 11 RAr 25/88). Eigene Einnahmen und Vermögen hat die Klägerin im Antrag vom 27. Oktober 1982 verneint. Hierzu hat die Beklagte auch nicht substantiiert vorgetragen. Bedürftigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung ist nach Auffassung des erkennenden Senats damit nachgewiesen.

Schließlich ist der erkennende Senat nicht der Auffassung, daß § 10 Nr. 2 Alhi-VO Anwendung findet. Die Gesamtumstände der Lebensführung der Klägerin lassen nicht den Schluß zu, daß sie nicht oder nur teilweise bedürftig war. So hat die Klägerin ab Juli 1981 eine Wohnungsmiete von DM 250,00 zuzüglich DM 40,00 Nebenkosten zu zahlen gehabt. Ab Juni 1983 hat sie dann mit einer Bekannten zusammen gewohnt, so daß sich die Mietkosten noch verringert haben dürften. Von einem aufwendigen Lebensstil hat die Beklagte nichts festgestellt. Bei bescheidener Lebensführung der alleinstehenden Klägerin, die auch Anspruch auf Wohngeld gehabt haben dürfte, wäre für die verbleibenden zugesprochenen 16 Monate rechnerisch der Lebensunterhalt aus einem Sparbetrag von DM 8.000,00 zu bestreiten gewesen, der nach der Alhi-VO noch nicht als anrechenbares Vermögen gilt und im entsprechenden Formular keiner Angabe bedarf. Auch darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß gerade in studentischen Kreisen eine sparsame Lebensführung weit verbreitet ist. Bei Verzicht auf den Kauf von Kleidung, dem Verkauf von Wertgegenständen und der Aufnahme von kleineren privaten Darlehen lassen sich auch einkommenslose Zeiten von mehr als kurzer Dauer überbrücken. Hinzu kommt auch die Möglichkeit der Erzielung anrechnungsfreier Einkünfte nach § 138 Abs. 3 AFG, § 11 Alhi-VO. Damit verbietet sich ein Schluß nach § 10 Nr. 2.

Das Verlangen der Beklagten, die Klägerin müsse nachweisen, wovon sie in der streitigen Zeit gelebt habe, hält der erkennende Senat nicht für gerechtfertigt. Die Klägerin ist ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen und hat alle erforderlichen Angaben im Antragsformular gemacht sowie Verdienstbescheinigungen ihrer Eltern vorgelegt. Danach hat der erkennende Senat keine Zweifel an dem Vorliegen der Bedürftigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung. Daß die Beklagte anschließend rechtswidrig die der Klägerin zustehenden Leistungen ab 15. Februar 1983 nicht gezahlt hat, erlegt der Klägerin nicht nachträglich zusätzliche Mitwirkungspflichten auf, wenn nicht ein Fall des § 10 Alhi-VO vorliegt. Daß dem nicht so ist, wurde bereits oben ausgeführt. Die Forderung der Beklagten würde andernfalls darauf hinauslaufen, daß ihre rechtswidrige Leistungsverweigerung nachträglich doch noch zum Erfolg führen würde, wenn es dem Anspruchsberechtigten etwa wegen fehlender Unterlagen nicht gelingen würde, den von der Beklagten geforderten Beweis zu erbringen. Der erkennende Senat hält es deshalb auch in Fällen der vorliegenden Art für ausreichend, erst dann gezielte Ermittlungen über die Bedürftigkeit anzustellen, wenn konkrete Zweifel auftauchen bzw. von der Beklagten substantiierte Anhaltspunkte vorgetragen worden sind. Der allgemeine Hinweis der Beklagten, es sei unklar, wovon die Klägerin in der streitigen Zeit gelebt habe, reicht jedenfalls nicht aus.

Eine Darlegungs- und weitere Mitwirkungspflicht der Klägerin im von der Beklagten gewünschten Sinne hätte nach Auffassung des erkennenden Senats allenfalls dann entstehen können, wenn die Beklagte der Klägerin bei Ablehnung der beantragten Leistung den konkreten Hinweis gegeben hätte, diese möge vorsorglich entweder Sozialhilfe beantragen oder beweiserhebliche Unterlagen sammeln, mit deren Hilfe sie auch zu einem späteren Zeitraum noch nachweisen könne, welche Ausgaben sie in einem Zeitraum (für den Leistungen begehrt werden) gehabt habe und wovon sie diese Ausgaben bestritten habe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war wegen besonderer Bedeutung zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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