L 12 AS 42/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 32/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 42/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 134/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 16.08.2006 erledigt ist. Dem Kläger werden Gerichtskosten gemäß § 192 I 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 300,00 EUR auferlegt. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Rechtsstreit im Berufungsverfahren durch einen Vergleich beendet wurde. In der Sache begehrt der Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Streitgegenstand ist der Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.08.2005.

Der am 00.00.1946 geborene Kläger ist alleinstehend und bezog zuletzt bis Dezember 2004 monatliche Arbeitslosenhilfe in Höhe von 738,42 EUR sowie monatliches Nebeneinkommen in Höhe von 337,62 EUR netto.

Auf seinen am 29.09.2004 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Anrechung eines monatlichen Einkommens in Höhe von 246,23 EUR mit zwei Bescheiden vom 07.12.2004 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich 437,37 EUR.

Mit dem am 10.01.2005 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die jetzige Leistungsbemessung für ihn eine unzumutbare Härte bedeute. Die bewilligten Leistungen deckten bei Weitem nicht seinen notwendigen Bedarf.

Durch Änderungsbescheid vom 03.03.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Wirkung ab Juli 2005 Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 447,11 EUR.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16.03.2005 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 14.04.2005 vor dem Sozialgericht Aachen (SG) Klage erhoben.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 07.12.2004 und 03.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2005 zu verurteilen, dem Kläger ab Januar 2005 monatliche Leistungen zur Grundsicherung in Höhe der zuletzt bezogenen Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die getroffene Verwaltungsentscheidung für zutreffend.

Mit Urteil vom 07.09.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf Bl. 44 ff. der Gerichtsakte konkret Bezug genommen.

Das Urteil ist dem Kläger am 14.09.2005 zugestellt worden. Am 22.09.2005 hat er dagegen Berufung eingelegt, mit der er nunmehr die Zahlung eines zinslosen monatlichen Darlehns im Höhe von 300 EUR ab dem 01.08.2005 begehrt. Zur Begründung trägt er u.a. noch vor, dass ihm durch die Kürzung der Leistung die Möglichkeit genommen werde, die Zins und Tilgungsleistungen für seine als Vermögen geschützte Wohnung zu erbringen. Dadurch werde ihm auch die Wohnung genommen.

Durch zwei Bescheide vom 15.03.2006 hat die Beklagte die Höhe der Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 und 01.07.2005 bis 31.08.2006 auf 440,33 EUR festgesetzt.

Im Verhandlungstermin vor dem Senat am 16.08.2006 haben die Beteiligten "zur Beendigung des Rechtsstreits" einen Vergleich geschlossen. Auf die Niederschrift Bl. 84/85 der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Diesen Vergleich hat der Kläger noch im Termin angefochten. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, sich über den Inhalt des Vergleichs, insbesondere über seine den Rechtsstreit beendende Wirkung getäuscht zu haben.

Vom Verhandlungstermin am 25.07.2007 ist die Beklagte ordnungsgemäß benachrichtigt worden. Für sie ist im Termin jedoch niemand erschienen. Der Kläger ist im Termin auf die Erfolglosigkeit der Fortsetzung des Verfahrens und auf § 192 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) hingewiesen worden. Hierzu hat der Klägerbevollmächtigte wörtlich geäußert: "Das ist mir der Spaß wert".

Der Klägerbevollmächtigte beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ein monatliches zinsloses Darlehen in Höhe von monatlich 300 EUR, beginnend mit dem 01.08.2005 zu gewähren, hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 16.08.2006 nicht beendet worden ist.

Der Kläger persönlich hat hierzu erklärt, dass er den von seinem Bevollmächtigten gestellten Antrag so nicht übernehmen möchte. Ihm gehe es um die Erlangung der Tilgung in der tatsächlichen Höhe.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Rechtsstreit rechtswirksam beendet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Streitsache auch in Abwesendheit der Beklagten verhandeln und entscheiden, denn die Beklagte ist mit der Terminsladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Weil der Kläger sich gegen die Rechtswirkungen des am 16.08.2006 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs wendet, ist festzustellen, dass der Rechtstreit durch diesen Vergleich erledigt ist (vgl. zur Verfahrensweise nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 101 SGG, Rz, 17a).

Der gerichtliche Vergleich ist, wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 16.08.2006 ergibt, ohne Beschränkung auf Teile des Streitgegenstandes und ausdrücklich zur Beendigung des Rechtsstreits getroffen worden. Dieser Niederschrift kommt gem. § 122 SGG, § 165 Zivilprozessordnung (ZPO) Beweiskraft zu. Ein Vergleich beinhaltet neben den materiellrechtlichen Regelungen eine Prozesshandlung, die den Rechstreit unmittelbar erledigt. Eine Prozesshandlung ist - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht anfechtbar (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Vor § 60 Rz. 12). Im Übrigen ist auch ein Anfechtungsgrund nicht ersichtlich. Die Rechtswirkung des Vergleichs ergibt sich bereits aus § 101 Abs. 1 SGG und steht insoweit nicht in einem Zusammenhang zur Willenserklärung des Klägerbevollmächtigten, die alleine gem. § 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anfechtbar sein könnte. Vielmehr handelt es sich hier um einen Rechtsfolgenirrtum, der keinen Anfechtungsgrund darstellt (vgl. nur Gruber in jurisPK-BGB, 3. Aufl 2006, § 119 BGB Rz. 19).

Vor dem Hintergrund, dass der Rechtstreit erledigt ist, erübrigt sich ein Eingehen auf den vom Klägerbevollmächtigen in der Sache gestellten Antrag und der hierzu im Widerspruch stehenden Erklärung der Klägers selbst.

Die Entscheidung, dem Kläger Verschuldenskosten aufzuerlegen, beruht auf § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden im einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Ein Missbrauch liegt dann vor, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. nur Bundesverfassungsgericht, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein.

Die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegen hier vor. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden, dass wegen der Aussichtslosigkeit die weitere Rechtsverfolgung als missbräuchlich angesehen wird. Die Missbräuchlichkeit ergibt sich hier daraus, dass der Klägerbevollmächtigte sich allen Argumenten des Senats verschlossen hat, ohne diesen substantiell etwas entgegenzusetzen. Vielmehr hat er die Hinweise des Senats auf die Kostentragungspflicht mit dem Kommentar versehen, dies sei ihm der Spaß wert. Deutlicher kann man sachfremde Beweggründe fast nicht mehr zum Ausdruck bringen. Dieses Verhalten seines Bevollmächtigten hat sich der Kläger zurechnen zu lassen, denn gem. § 192 Abs. 1 Satz 2 SGG steht dem Beteiligten gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter, was allerdings mögliche Ersatzansprüche des Klägers gegen seinen Bevollmächtigen nicht ausschließt.

Der Höhe nach hat der Senat einen Betrag von 300 Euro für angemessen gehalten. Dieser Betrag liegt zwar über dem festzusetzenden Mindestbetrag von 225 Euro (§ 192 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 184 Abs. 2 SGG), aber noch deutlich unter den Kosten, die der Landeskasse durch das Verhalten der Klägerseite tatsächlich entstanden sind.

Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 u 2 SGG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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