L 4 KR 746/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1571/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 746/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Januar 2006 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren L 4 KR 746/06 wird auf EUR 77.195,91 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen - einschließlich Beiträgen zu den Umlagen U 1 und U 2 zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung nach dem bis 31. Dezember 2005 geltenden § 14 Abs. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) - und die Forderung von Säumniszuschlägen.

Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen, seit 1985 in der Rechtsform der GmbH. Sie beschäftigte im Zeitraum von 1993 bis 1996 14 Arbeitnehmer, davon vier Aushilfskräfte. Gesellschafterin mit einem Anteil von 70 vom Hundert (v.H.) und auch Geschäftsführerin der Klägerin ist - neben H. W. - M. W. (im Folgenden Geschäftsführerin). Sie absolvierte eine Ausbildung als Zahnarzthelferin und war bis 1979 in diesem Beruf beschäftigt. Seit 1979 war sie bei der Klägerin unter anderem mit der Lohnbuchhaltung (auch im streitigen Zeitraum) betraut. Bis Mai 1997 zahlte die Klägerin an ihre Arbeitnehmer pauschalierte Übernachtungsgelder (für eine Übernachtung im eigenen LKW), für die weder Lohnsteuer noch Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet wurden. Im April 1993 fand eine Lohnsteuer-Außenprüfung des Finanzamts N. für den Zeitraum von Januar 1989 bis Dezember 1992 statt, die zur Nacherhebung von Lohnsteuer führte (Haftungsbescheid vom 28. Juni 1993). Die steuerfreie Zahlung der Übernachtungsgelder wurde - trotz stichprobenweiser Prüfung des Reisekostenersatzes - nicht beanstandet (vgl. Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung nebst Prüfungsfeststellungen vom 18. Juni 1993). Von Mai 1997 bis zum 02. Februar 1998 fand an vier Tagen eine weitere Lohnsteuer-Außenprüfung des Finanzamts N. für den Zeitraum von Januar 1993 bis Dezember 1996 statt, die ebenfalls zu einer Nacherhebung von Lohnsteuer in Höhe eines Gesamtbetrags von DM 204.663,60 führte (Haftungsbescheid vom 05. Februar 1998). In Anlage 1 zum Prüfungsbericht vom 02. Februar 1998 wurde festgestellt, dass nach Abschnitt 40 Abs. 3 Satz 4 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) bei einer Fahrtätigkeit die steuerfreie Zahlung des Pauschbetrags für eine Übernachtung im Fahrzeug nicht zulässig sei. Der Arbeitgeber werde mit dem Nettosteuersatz in Anspruch genommen.

Im August 1998 führte die AOK - Die Gesundheitskasse Enzkreis und Stadt P., Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) (im Folgenden einheitlich Beigeladene zu 1), einen Kontenabgleich nach § 28k Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung für den Zeitraum bis 31. Dezember 1996 durch. Im Bescheid vom 11. August 1998 wurde eine Nachforderung erhoben und vermerkt, dass ein Lohnsteuerbescheid nicht vorgelegen habe. Die gewährten Übernachtungsgelder wurden nicht beanstandet.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet), führte in der Zeit vom 21. November 2001 bis 13. Juni 2003 eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 1997 bis 31. Dezember 2000 durch und stellte (nach Durchführung des Anhörungsverfahrens, Schreiben vom 11. November 2002) mit Bescheid vom 08. Oktober 2003 die Beitragspflicht der Zahlungen von Übernachtungsgeldern und die Pflicht zur Zahlung pauschaler Krankenversicherungsbeiträge für einen geringfügig Beschäftigten fest. Es wurde für den Zeitraum vom 01. Dezember 1993 bis 31. Mai 1997 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt EUR 89.700,97 erhoben, die neben Gesamtsozialversicherungsbeiträgen auch Säumniszuschläge in Höhe von EUR 27.632,77 und pauschale Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 644,23 (EUR 276,10 + EUR 368,13) enthielt. Die Zahlungen für eine Übernachtung im Fahrzeug seien steuer- und beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Nach § 1 der - bis 31. Dezember 2006 geltenden - Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) richte sich die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt grundsätzlich nach dem Steuerrecht. Aus dem Prüfbericht und dem Haftungsbescheid ergäben sich die festgestellten beitragsrechtlichen Konsequenzen. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien auch nicht verjährt. Denn wegen der engen Anknüpfung des Beitragsrechts an das Steuerrecht gelte bei Beitragsansprüchen auf der Grundlage eines Haftungsbescheids der Finanzverwaltung die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Die Klägerin hätte aufgrund des Haftungsbescheids Gesamtsozialversicherungsbeiträge zahlen oder sich bei der zuständigen Einzugsstelle vergewissern müssen, dass Beitragspflicht nicht vorgelegen habe. Sie (die Klägerin) habe jedoch den Haftungsbescheid bzw. den Prüfbericht der im Prüfungszeitraum durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung beitragsrechtlich nicht zeitnah ausgewertet. Unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. März 2000 - B 12 KR 14/99 R - (SozR 3-2400 § 25 Nr. 7) könne bedingter Vorsatz unterstellt werden. Denn bei den nachzuversteuernden Entgelten habe es sich auch um eine verbreitete Nebenleistung im Speditionsgewerbe gehandelt. Zudem habe die Geschäftsführerin über eine langjährige Erfahrung in der Lohn- und Finanzbuchhaltung verfügt. Zugrunde zu legen seien danach ausschließlich die zum Zeitpunkt des Erlasses des Lohnsteuerhaftungsbescheids noch nicht verjährten Gesamtsozialversicherungsbeiträge, d.h. die Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab dem 01. Dezember 1993. Dass das Finanzamt N. im Jahr 1993 bei der vorangegangenen Lohnsteuerprüfung die Übernachtungsgelder nicht beanstandet habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Ebenso sei unerheblich, dass die Beigeladene zu 1) den Zeitraum von Januar 1993 bis 31. Dezember 1996 ohne Beanstandungen geprüft habe. Denn es sei davon auszugehen, dass die Prüfung am 11. August 1998 nur stichprobenartig erfolgt sei; zudem sei der Lohnsteuerprüfbericht nicht vorgelegt worden. Ein Beanstandungsschutz könne sich daher nicht ergeben. Die Verpflichtung zur Zahlung von Säumniszuschlägen ergebe sich aus § 24 Abs. 1 und 2 SGB IV. Die im Rahmen der Betriebsprüfung aufgegriffenen Sachverhalte seien bereits im Rahmen der Besprechung am 21. November 2001 erörtert worden, sodass für die Berechnung der Säumniszuschläge nicht das Datum der Anhörung (11. November 2002) zugrunde gelegt werde, sondern vielmehr der 21. November 2001. Da der Bescheid über die Lohnsteueraußenprüfung am 08. Februar 1998 zugestellt worden sei, seien Säumniszuschläge für die Monate März 1998 bis einschließlich November 2001 zu erheben.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Beitragsforderung sei verjährt, soweit Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit bis einschließlich 1999 verlangt würden. Dies ergebe sich aus dem von der Beklagten genannten Urteil des BSG vom 30. März 2000 - B 12 KR 14/99 R -. Die Nichtauswertung des Lohnsteuerhaftungsbescheids führe nicht zu einer 30-jährigen Verjährungsfrist. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass sie (die Klägerin) seitens der Finanzbehörde oder ihres Steuerberaters keinen Hinweis auf die Beitragspflicht der Lohnbestandteile erhalten habe. Sie betreibe eine kleine mittelständische Spedition, wobei die Geschäftsführerin und Gesellschafterin gelernte Zahnarzthelferin sei und nicht über weitreichende steuerrechtliche Kenntnisse verfüge. Der lohnsteuer- und beitragsrechtliche Zusammenhang sei der Geschäftsführerin nicht bekannt gewesen. Die Nichtauswertung des Lohnsteuerhaftungsbescheids "vom 28. Juni 1993" (gemeint wohl 05. Februar 1998) beruhe daher nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis. Die Lohnsteuer- und Beitragspflicht der Übernachtungsgelder sei auch keineswegs offensichtlich. Dies ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass die Lohnsteueraußenprüfer anlässlich der Betriebsprüfung im April 1993 diese nicht beanstandet hätten. Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch zurück. Es genüge, dass der Beitragsschuldner die Gesamtsozialversicherungsbeiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalte. Hiervon sei auszugehen, wenn ein Arbeitgeber die Nichtabführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen billigend in Kauf nehme, obwohl er die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht des gewährten Arbeitsentgelts für möglich halte. In Anbetracht der zu einem früheren Zeitpunkt von den Einzugsstellen durchgeführten Betriebsprüfungen und der damit verbundenen Auswertung der Lohn- und Gehaltsunterlagen sei für die Klägerin ersichtlich gewesen, dass zwischen steuerpflichtigem Arbeitslohn und sozialversicherungspflichtigem Arbeitsentgelt ein enger Zusammenhang bestehe. Des Weiteren habe sie Kenntnis davon gehabt, dass eine Auswertung des Lohnsteuerhaftungsbescheids auch beitragsrechtliche Nachforderungen begründen könne. Trotz der möglicherweise bestehenden Beitragsverpflichtung habe sie aber den Lohnsteuerhaftungsbescheid weder der Einzugsstelle vorgelegt noch selbst eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung vorgenommen. Die Nichtabführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sei somit billigend in Kauf genommen worden. Die Geschäftsführerin sei im streitigen Zeitraum mit der gesamten Lohnbuchhaltung betraut gewesen und habe eine mehrjährige Berufserfahrung aufgewiesen. Sie sei damit hinreichend qualifiziert gewesen, die engen Zusammenhänge des Steuerrechts mit dem Sozialversicherungsrecht zu erkennen. Im Übrigen habe es sich um verbreitete Nebenleistungen gehandelt, da LKW-Fahrer stets die gesetzlichen Ruhezeiten (z.B. im Hotel oder im Fahrzeug) einhalten müssten. Hinsichtlich der Säumniszuschläge könne die Klägerin sich nicht darauf berufen, unverschuldet keine Kenntnis von ihrer Zahlungspflicht gehabt zu haben (Widerspruchsbescheid vom 18. März 2004).

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 23. März 2004 zugegangenen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 21. April 2004 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Dabei wandte sie sich gegen den angegriffenen Bescheid nur insoweit, als die Beklagte einen Betrag von mehr als EUR 644,23 forderte. Zur Begründung trug sie vor, die Beitragsansprüche seien verjährt, weshalb die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Geltendmachung der Säumniszuschläge rechtswidrig seien. Die Beklagte verkenne die Rechtsprechung des BSG (Verweis auch auf das Urteil vom 21. Juni 1990 - 12 RK 13/89 -) und habe die Umstände, die die Annahme des bedingten Vorsatzes stützten, nicht hinreichend aufgeklärt. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich um verbreitete Nebenleistungen gehandelt habe, müsse ein Vorsatz ihrerseits ausdrücklich festgestellt werden. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass im Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 28. Juni 1993 die Zahlung der Übernachtungsgelder geprüft und nicht beanstandet worden sei. Die Geschäftsführerin habe deshalb keine Konsequenzen hieraus ziehen können. Eine Nichtabführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei mithin nicht in Kauf genommen worden. Die Behauptung der Beklagten, es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen steuerpflichtigem Arbeitslohn und sozialversicherungspflichtigem Arbeitsentgelt, begründe keine billigende Inkaufnahme der Nichtabführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Im vorliegenden Fall müsse zudem beachtet werden, dass die Lohnbuchhaltung durch eine ungelernte Kraft durchgeführt worden sei. Nachdem die Gesamtsozialversicherungsbeiträge erst im Jahr 2003 geltend gemacht worden seien, sei die vierjährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf § 5 Abs. 5 der Beitragsüberwachungsverordnung (BÜVO), wonach der Arbeitgeber verpflichtet sei, Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden vorzulegen. Schon hieraus ergebe sich ein enger Zusammenhang zwischen Bescheiden der Finanzbehörden und dem Sozialversicherungsrecht. Davon ausgehend, dass die Klägerin mit der Bekanntgabe des Bescheids der Finanzbehörde Kenntnis von den daraus folgenden beitragsrechtlichen Konsequenzen und der Zahlungspflicht gehabt habe, würden ab diesem Zeitpunkt auch Säumniszuschläge fällig. Sofern sich die Klägerin auf frühere Betriebsprüfungen, die keinerlei Feststellungen bzw. Beitragsnachforderungen ergeben hätten, stütze, reiche dies nicht aus, um Vertrauensschutz zu begründen. Es sei im Übrigen davon auszugehen, dass es sich nur um Stichprobenprüfungen gehandelt habe.

Das SG zog die Akten der Beigeladene zu 1) bei. Es hörte im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 11. Mai 2005 die Geschäftsführerin der Klägerin an und vernahm ihren Ehemann, S. W., sowie den Steuerberater, F. R., als Zeugen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 11. Mai 2005 (Bl. 89 bis 93 der SG-Akte) Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2006 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 08. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. März 2004 insoweit auf, als darin ein Betrag von mehr als EUR 12.499,06 gefordert wird und wies im Übrigen die Klage ab. Neben den nicht streitigen pauschalen Krankenversicherungsbeiträgen für eine geringfügige Beschäftigung in Höhe von EUR 644,23 habe die Klägerin lediglich Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen nach dem LFZG in Höhe von EUR 11.854,83 für die Zeit vom 01. Dezember 1996 bis 31. Mai 1997 nachzuzahlen, nicht aber für die Zeit vom 01. Dezember 1993 bis 30. November 1996 sowie Säumniszuschläge. Soweit Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01. Dezember 1993 bis 30. November 1996 nachgefordert würden, sei der Bescheid rechtswidrig, da diese Gesamtsozialversicherungsbeiträge bei Beginn der Betriebsprüfung am 21. November 2001 bereits verjährt gewesen seien. Die 30-jährige Verjährungsfrist finde keine Anwendung, da die Klägerin die streitigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht (bedingt) vorsätzlich vorenthalten habe. Eine bekannte oder ohne Weiteres erkennbare Übereinstimmung zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung der Übernachtungspauschalen bestehe aus Sicht eines Laien nicht. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin für die Erledigung der Lohnbuchhaltung im streitigen Zeitraum kein Fachpersonal beschäftigt habe. Die Geschäftsführerin habe über keine einschlägige Aus- oder Fortbildung im Bereich der Lohnbuchhaltung verfügt. Der Umstand, dass das Finanzamt N. in seinen Prüfungsfeststellungen vom 02. Februar 1998 die steuerfreie Zahlung von Pauschbeträgen für eine Übernachtung im Fahrzeug beanstandet habe, genüge nicht für die Annahme, die Klägerin habe ihre Beitragspflicht für möglich gehalten. Denn es sei nicht ersichtlich, dass diese steuerrechtlichen Feststellungen von der (Geschäftsführerin als der) für die Lohnbuchhaltung zuständigen Mitarbeiterin der Klägerin ausgewertet und in ihrer beitragsrechtlichen Relevanz erfasst worden seien. Dies könne den Vorwurf der Fahrlässigkeit im Sinne eines Organisationsverschuldens begründen, lasse aber nicht ohne Weiteres den Schluss auf (bedingten) Vorsatz zu. Hierbei sei irrelevant, ob der die Prüfungsfeststellungen des Finanzamts auswertende Zeuge R., der im fraglichen Zeitraum für die Klägerin als Steuerberater tätig gewesen sei, die beitragsrechtlichen Konsequenzen erkannt habe. Denn eine etwaige Kenntnis sei der Klägerin nicht zuzurechnen. Gegen die Annahme von Vorsatz spreche hier auch die Mitteilung der Beigeladenen zu 1) vom 11. August 1998 über den durchgeführten Kontenausgleich. Der Klägerin sei hierdurch der Eindruck vermittelt worden, "alles sei in Ordnung". Zwar könne die Prüfung der Beigeladenen zu 1) keinen Vertrauensschutz im engeren Sinne begründen, gleichwohl diene der Bescheid als Indiz, das der Annahme von Vorsatz entgegenstehe. Die Klägerin sei nicht verpflichtet, die Säumniszuschläge zu zahlen, da sie unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe.

Gegen den der Beklagten am 18. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 15. Februar 2006 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das Urteil des SG entspreche nicht den Vorgaben des BSG in dessen Urteil vom 30. März 2000 (B 12 KR 14/99 R). Die strittigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien noch nicht verjährt, da die 30-jährige Verjährungsfrist gelte. Hierfür reiche es, wenn der Schuldner die Gesamtsozialversicherungsbeiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalte. Die Geschäftsführerin sei zum Zeitpunkt der Vorlage des Lohnsteuerhaftungsbescheids seit 18 Jahren mit der Lohnbuchhaltung betraut gewesen. Sie habe sich nach und nach eingearbeitet und sich damit detaillierte Kenntnisse in der Lohnabrechnung angeeignet. Vor dem SG habe sie erklärt, in Zweifelsfällen sozialversicherungsrechtlichen Rat und Hilfe bei der zuständigen Beigeladenen zu 1) eingeholt zu haben. Dies bekräftige die Annahme, dass sie die sozialversicherungsrechtliche Tragweite von Lohnsteuerhaftungsbescheiden gekannt habe, sodass sie auch habe wissen müssen, dass der Lohnsteuerhaftungsbescheid Folgen für die Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung habe. Im Übrigen begründe die anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit keinen Vertrauensschutz. Die Klägerin habe ihre Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge aber billigend in Kauf genommen, da sie den Lohnsteuerhaftungsbescheid lediglich hinsichtlich der Steuernachforderung beachtet, nicht jedoch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht ausgewertet bzw. die zuständige Einzugsstelle befragt habe. Unterlasse der Arbeitgeber eine solche Anfrage, handle er nicht nur fahrlässig, sondern er nehme bewusst und billigend in Kauf, dass Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt würden. Soweit das SG von einer Verjährung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge bis zum 30. November 1996 ausgehe, betrage die Beitragsforderung für den Zeitraum vom 01. Dezember 1996 bis 31. Mai 1997 EUR 12.976,04 zuzüglich der Forderung der pauschalen Krankenversicherungsbeiträge für eine geringfügige Beschäftigung in Höhe von EUR 644,23, insgesamt mithin EUR 13.620,27. Da nur die Verjährung und die Säumniszuschläge Gegenstand des Verfahrens seien, sei nur ein Betrag in Höhe von EUR 76.080,70 streitig.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Januar 2006 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Zahlung der pauschalierten Übernachtungsgelder für die Übernachtungen im LKW sei anlässlich der Lohnsteuer-Außenprüfung im April 1993 nicht beanstandet worden, obwohl bereits für den Prüfungszeitraum Januar 1989 bis Dezember 1992 die LStR eine steuerfreie Zahlung von Übernachtungsgeldern für Übernachtungen im Fahrzeug nicht vorgesehen hätten. Auch sei das Steuerstrafverfahren gegen ihre Geschäftsführerin und deren Ehemann wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Oktober 2002 eingestellt worden. Ihrer Geschäftsführerin sei zuvor die leichtfertige (nicht vorsätzliche) Verletzung von Erkundigungspflichten vorgeworfen worden. Die Beitragsnachforderung in Höhe von EUR 12.499,06 (Zeitraum vom 01. Dezember 1996 bis 31. Mai 1997 einschließlich der Beitragsnachforderung für eine geringfügige Beschäftigung) sei berechtigt. Im Übrigen sei jedoch die Beitragsnachforderung verjährt. In der Zeit von 1996 bis einschließlich 1998 habe die Geschäftsführerin die Lohn- und Gehaltsabrechnungen der Beigeladenen zu 1) wiederholt und aus eigenem Antrieb der Prüfung vorgelegt. Eine Beitragsvorenthaltung sei daher nicht billigend in Kauf genommen worden. Die beitragsrechtlichen Konsequenzen des Lohnsteuerhaftungsbescheids seien ihr (der Klägerin) nicht bewusst gewesen. Aus diesem Grund seien auch keine Säumniszuschläge zu entrichten.

Der Berichterstatter hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2006 die AOK Baden-Württemberg und die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg, Beigeladene zu 2), und die Bundesagentur für Arbeit, Beigeladene zu 3), beigeladen sowie die Verwaltungsakte der Beigeladenen zu 1) beigezogen (vgl. Anlage zu Bl. 46 der LSG-Akte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beigeladenen zu 1) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, da der Bescheid der Beklagten vom 08. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2004 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge - einschließlich Beiträgen zu den Umlagen U 1 und U 2 zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung nach dem bis 31. Dezember 2005 geltenden § 14 Abs. 1 LFZG - ist nicht verjährt. Auch die Erhebung von Säumniszuschlägen ist rechtmäßig.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 08. Oktober 2003 nur in dem Umfang, in dem die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die gezahlten Übernachtungsgelder für den Zeitraum vom 01. Dezember 1993 bis 30. November 1996 in Höhe von EUR 49.569,14 sowie die Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 27.632,77 geregelt werden. Hinsichtlich der Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01. Dezember 1996 bis 31. Mai 1997 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat hiergegen keine Berufung eingelegt, sodass der Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2006 insoweit rechtskräftig ist. Hinsichtlich der pauschalierten Krankenversicherungsbeiträge für einen geringfügig Beschäftigten ist der Bescheid der Beklagten vom 08. Oktober 2003 bestandskräftig, weil die Klägerin den Bescheid insoweit schon nicht angefochten hat.

2. In den im Berufungsverfahren streitigen Jahren 1993 bis 1996 wurde bei versicherungspflichtig Beschäftigten in der gesetzlichen Krankenversicherung und (seit 01. Januar 1995) der Pflegeversicherung der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB V], § 57 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB XI]). Gleiches galt in der Rentenversicherung (§ 162 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB VI]) sowie im Recht der Arbeitsförderung (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes [AFG]). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Nach § 1 Satz 1 der bis 31. Dezember 2006 geltenden und auf der Rechtsgrundlage des § 17 SGB IV beruhenden ArEV sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV - was hier nicht der Fall ist - nichts Abweichendes ergibt. Danach sind die von der Klägerin den bei ihr Beschäftigten Kraftfahrern in den Jahren 1993 bis 1996 gezahlten Übernachtungsgelder Arbeitsentgelt.

Die Zahlung von Übernachtungsgeldern für eine Übernachtung im Fahrzeug gehören nicht zu den steuerfreien Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 16 des Einkommenssteuergesetzes (EStG; in der bis zum 27. Dezember 1996 geltenden Fassung). Dies ergibt sich für den streitigen Zeitraum aus Abschnitt 40 Abs. 3 LStR 1993 und 1996. Nach Satz 2 der genannten Regelung durfte der Arbeitgeber zwar für jede Übernachtung im Inland einen Pauschbetrag von DM 39,00 steuerfrei zahlen. Bei einer Fahrtätigkeit war die steuerfreie Zahlung des Pauschbetrags für eine Übernachtung im Fahrzeug jedoch nicht zulässig (Satz 4). Dementsprechend hat das Finanzamt N. den entsprechenden Haftungsbescheid vom 05. Februar 1998 erlassen und in den Prüfungsfeststellungen vom 02. Februar 1998 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einer Fahrtätigkeit die steuerfreie Zahlung des Pauschbetrags für eine Übernachtung im Fahrzeug nicht zulässig ist, was von der Klägerin auch akzeptiert wurde. Demnach handelt es sich bei den Übernachtungspauschalen in der Zeit von Dezember 1993 bis November 1996 auch um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV, das Teil der Bemessungsgrundlage für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Umlagen nach § 14 LFZG war. Hiergegen werden von der Klägerin auch keine Einwände erhoben.

3. Die Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01. Dezember 1993 bis 30. November 1996 war, als sie mit dem angefochtenen Bescheid vom 08. Oktober 2003 geltend gemacht wurden, auch noch nicht verjährt.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, der nach § 17 LFZG auf die Umlagen nach § 14 LFZG entsprechend Anwendung findet, verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren dagegen nach Satz 2 der Vorschrift in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung) werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Bei der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist wären die Beiträge für den Zeitraum vom 01. Dezember 1993 bis 30. November 1994 mit Ablauf des 31. Dezember 1998, für den Zeitraum vom 01. Dezember 1994 bis 30. November 1995 mit Ablauf des 31. Dezember 1999, für den Zeitraum vom 01. Dezember 1995 bis 30. November 1996 mit Ablauf des 31. Dezember 2000 und für den Zeitraum vom 01. Dezember 1996 bis 31. Mai 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 2001 verjährt. Die kurze Verjährungsfrist gilt allerdings nur dann, wenn der Arbeitgeber bis zu ihrem Ablauf gutgläubig geblieben ist. War er zwar bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig, ist er aber vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden, gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7; SozR 4-2400 § 23a Nr. 3; ständige Rechtsprechung). Eine anfängliche Gutgläubigkeit begründet mithin keinen Vertrauensschutz, wenn nach der Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutritt.

Für Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der Beiträge zu unterlassen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, reicht es aus, wenn der Arbeitgeber die Beiträge mit (nur) bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, also die Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil vom 17. April 2008 - B 13 R 123/07 R - = in Juris veröffentlicht; BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 S. 35f; SozR 4-2400 § 23a Nr. 3). Direkter Vorsatz ist daher nicht erforderlich.

Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin anfänglich gutgläubig war. Denn sie ist noch vor Ablauf der für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge der Jahre 1993 bis 1996 jeweils geltenden vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig im Sinne eines vorsätzlichen Vorenthaltens der Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Umlagen geworden. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum Dezember 1993 bis 30. November 1994 verjährten nach der vierjährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 1998. Vor diesem Zeitpunkt, nämlich im Februar 1998 (nach der Lohnsteuer-Außenprüfung), wurde die Klägerin jedoch bösgläubig.

Das BSG hat in seiner Rechtsprechung Fallgruppen entwickelt, die für das Vorliegen des (bedingten) Vorsatzes sprechen (vgl. BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Danach sind zwar allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen des subjektiven Tatbestands ausgeschlossen. Jedoch wird Vorsatz regelmäßig dann angenommen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (z.B. bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden. Vorsatz liegt auch noch nahe, wenn Beiträge für "verbreitete Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher sowie beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne Weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Demgegenüber muss der Vorsatz bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt ist, die nicht voll übereinstimmen, eingehend geprüft und festgestellt werden. Fehler bei der Beitragsentrichtung dürften nach Ansicht des BSG in diesen Fällen nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen, zumal wenn es sich um kleine Betriebe handelt, bei denen der Arbeitgeber die Beitragsberechnung ohne Fachpersonal selbst vornimmt (vgl. zum Ganzen BSG a.a.O.; SozR 4-2400 § 23a Nr. 3). Jedenfalls dann, wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG, Urteil vom 17. April 2008 - B 13 R 123/07 R - = in Juris veröffentlicht, dort Rdnrn. 31f). Andernfalls läuft die Verlängerung der Verjährung in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere (vgl. BSG a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, sowie der Angaben der Geschäftsführerin der Klägerin bei ihrer Anhörung durch das SG und der Aussagen der vom SG gehörten Zeugen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nach der Lohnsteuer-Außenprüfung im Februar 1998, mithin noch während des Laufs der vierjährigen Verjährungsfrist, das Bestehen einer Beitragspflicht hinsichtlich der Übernachtungsgelder für Übernachtungen im eigenen LKW für möglich gehalten, die Nichtabführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge damit billigend in Kauf genommen hat. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf die Angaben der Geschäftsführerin und des Zeugen S. W. vor dem SG am 11. Mai 2005. Die Geschäftsführerin hat hierbei erklärt, dass sich für sie damals die Beitragsfreiheit der Übernachtungsgelder aus der Steuerfreiheit ergeben habe (Seite 3 der Niederschrift vom 11. Mai 2005, 7. Absatz - Bl. 90 der SG-Akte). Daraus folgt, dass sie bereits zum damaligen Zeitpunkt, d.h. bereits im Jahr 1993, den Zusammenhang zwischen Steuer- und Beitragsrecht kannte, also wusste, dass grundsätzlich dasjenige Arbeitsentgelt, das steuerpflichtig ist, auch beitragspflichtig ist. Hieraus und aus dem Umstand, dass sie zum einen den Haftungsbescheid vom 05. Februar 1998 nicht der damals zuständigen Einzugsstelle zur Überprüfung vorgelegt hat, wozu sie im Übrigen nach § 5 Abs. 5 BÜVO (in der bis 18. Juli 2003 geltenden Fassung; nunmehr ab 01. Juli 2006 § 10 Abs. 2 der Beitragsverfahrensverordnung) verpflichtet war, und sie auch die Beigeladene zu 1) im August 1998 anlässlich des Kontenabgleichs nicht auf den Prüfbericht bzw. den Haftungsbescheid hingewiesen hat, entnimmt der Senat, dass sie die Nichtabführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge zumindest billigend in Kauf genommen hat. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Aussage des Zeugen S. W. hinzuweisen, wonach niemand von Seiten der Klägerin über die Nachforderung nochmals mit der Beigeladenen zu 1) gesprochen habe (Seite 5 der Niederschrift vom 11. Mai 2005, 1. Absatz - Bl. 92 der SG-Akte). Unterlässt der Arbeitgeber, wie hier, jedoch eine solche Anfrage, obwohl er den Zusammenhang zwischen Steuerfreiheit und Beitragsfreiheit gekannt hat (wie hier die Geschäftsführerin), handelt er nicht nur fahrlässig, sondern nimmt bewusst und damit billigend in Kauf, dass Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt werden. Hinzukommt, dass die Geschäftsführerin nach ihren Angaben gegenüber dem SG wegen der Abführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in regelmäßigem Kontakt mit der zuständigen Einzugsstelle (der Beigeladenen zu 1)) stand. Aufgrund des Haftungsbescheids des Finanzamts N. vom 05. Februar 1998 musste sich aufdrängen, dass jedenfalls bezüglich der hier streitigen Übernachtungsgeldern die bislang praktizierte Verfahrensweise nicht zutreffend sein konnte. Dies muss sich jedenfalls zu dem Zeitpunkt aufgedrängt haben, nachdem der Haftungsbescheid vom 05. Februar 1998 auch mit dem Steuerberater der Klägerin, dem Zeugen R., durchgesprochen worden war mit dem Ergebnis, dass die Steuernachforderung zu Recht erhoben wurde. Dem steht nicht entgegen, dass die Geschäftsführerin keine förmliche Ausbildung in der Lohnbuchhaltung hat. Zum streitigen Zeitpunkt hat sie diese Tätigkeit bereits mehr als 10 Jahre verrichtet und sich nach ihren eigenen Angaben auch, soweit es ihr möglich war, fortgebildet. Der Grundsatz, dass steuerpflichtiges auch beitragspflichtiges Arbeitsentgelt ist, gehört zu den grundlegenden Kenntnissen jeder Lohnbuchhaltung und war der Geschäftsführerin bekannt.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat auch offenlassen, ob es sich bei der Zahlung der Übernachtungsgelder um verbreitete "Nebenleistungen" handelte.

4. Nicht zu beanstanden ist schließlich auch, dass die Beklagte Säumniszuschläge festgesetzt hat. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf EUR 50,00 nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach § 24 Abs. 2 SGB IV ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Für die Frage, ob verschuldet oder unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist in Ermangelung anderer Maßstäbe auf die zur Prüfung des Vorsatzes entwickelten Kriterien zurückzugreifen (BSG SozR 4-2400 § 23a Nr. 3). Bedingter Vorsatz der Klägerin ist somit auch hinsichtlich der Zahlungspflicht anzunehmen.

5. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die für den Zeitraum vom 01. Dezember 1993 bis 30. November 1996 geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich Umlagen in Höhe von EUR 49.569,14 und Säumniszuschläge in Höhe von EUR 27.632,77 fehlerhaft berechnet hat, hat die Klägerin weder dargelegt noch sind sie für den Senat ersichtlich.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

7. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren richtet sich nach § 72 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts nach dem seit 01. Juli 2004 geltenden Recht, weil die Berufung nach dem 01. Juli 2004 eingelegt worden ist. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus dem im Berufungsverfahren streitigen Betrag der Forderung der Beklagten von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01. Dezember 1993 bis 30. November 1996 in Höhe von EUR 49.569,14 sowie von Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 27.632,77, insgesamt mithin EUR 77.195,91. Die Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV sind mit einzurechnen, denn es handelt sich nicht um Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten im Sinne des § 43 GKG (Behn, ZfS 2005, 198 ff.). Der Säumniszuschlag soll auch ein Ausgleich dafür schaffen, dass die Beiträge den Versicherungsträgern nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen; es handelt sich damit um einen standardisierten Mindestschadensausgleich (BSG SozR 4-2400 § 24 Nr. 2).
Rechtskraft
Aus
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