L 4 R 2885/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 2130/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2885/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2006 abgeändert, soweit die Beklagte verpflichtet wurde, die Befreiung des Klägers von der Antragspflichtversicherung zum 29. Dezember 1997 auszusprechen, und soweit ein Beitragsanspruch der Beklagten für die Zeit vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 in Höhe von EUR 6.895,15 verneint wurde. Insoweit wird die Klage ebenso wie die Klage wegen des Bescheids vom 15. August 2005 abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren, ob der Kläger von der Beklagten von der Antragsversicherung als Pflichtversicherter ab 29. Dezember 1997 zu befreien ist sowie die Höhe der Pflichtbeiträge des Klägers zur Antragsversicherung als Pflichtversicherter vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000.

Der 1949 geborene Kläger ist als freier Architekt selbstständig tätig. Er ist seit 14. März 1978 Mitglied der Architektenkammer Baden-Württemberg und infolgedessen kraft Gesetzes seit 01. April 1978 Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-Württemberg. Er hat insoweit von 1979 bis 1994 und seit 1996 einkommensabhängige Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk gezahlt. Aufgrund der bis 2004 gezahlten Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk ergibt sich ein erreichter Rentenanspruch im Alter von 65 Jahren in Höhe von monatlich EUR 941,60. Mit Wirkung zum 01. Oktober 1995 wurde der Kläger zum Universitätsprofessor (Besoldungsgruppe C 3) an der Technischen Universität B. für das Fach "Planungs- und Bauökonomie" mit einer Regellehrverpflichtung von acht Stunden im Semester ernannt. Er ist daraufhin Beamter auf Lebenszeit im Dienste der Technischen Universität B. und mittelbarer Landesbeamter. Als Nebentätigkeit übt er seine Tätigkeit als selbstständiger Architekt weiter aus. Der Bescheid des Finanzamts Stuttgart II für 1995 über Einkommenssteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 24. März 1998 weist Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von EUR 17.517,00 aus (Bl. 174 bis 176 der Verwaltungsakte der Beklagten). Nach der Auskunft des genannten Finanzamts vom 10. August 2000 lagen die Einkünfte des Klägers aus selbstständiger Arbeit dann 1996 bei DM 69.742,00, 1997 bei DM 85.134,00 und 1998 bei DM 177.147,00 (Bl. 196 der Verwaltungsakte der Beklagten). Der Kläger gab im Schreiben vom 10. Februar 2005 an die Beklagte (Bl. 62 der SG-Akte) sein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit mit - EUR 23.338,22 (1995), EUR 33.266,69 (1996), EUR 43.528,32 (1997), EUR 90.573,82 (1998), EUR 13.752,73 (1999), - EUR 8.330,99 (2000), - EUR 24.479,12 (2001) und - EUR 13.197,00 (2002) an. Für 2003 und 2004 lag danach kein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit vor.

Am 19. Dezember 1979 hatte der Kläger bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) einen Antrag auf bargeldlose Beitragsentrichtung in der Angestelltenversicherung für eine Pflichtversicherung als Selbstständiger (freier Architekt) seit Dezember 1979 nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) gestellt. Er hatte den Ausweis über die Eintragung in die Architektenliste eingereicht. Mit Bescheid vom 06. Oktober 1980 hatte die Beklagte ihm mitgeteilt, für die Dauer der selbstständigen Tätigkeit unterliege er aufgrund seines Antrags seit 01. Dezember 1979 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten für die Dauer der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Monatliche Beiträge seien nach dem beitragspflichtigen Bruttoarbeitseinkommen aus der die Versicherungspflicht begründenden Tätigkeit zu entrichten. Maßgebend für die Berechnung des Monatsbeitrags sei ein Zwölftel des jährlichen Gesamtbeitrags der Einkünfte aus der versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit nach Abzug der Betriebsausgaben, aber vor Abzug der Sonderausgaben und Freibeträge. Der Beitrag sei höchstens nach dem Wert der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, mindestens nach einem Einkommen von monatlich DM 400,00 zu berechnen. In der Folgezeit entrichtete der Kläger entsprechende einkommensabhängige Pflichtbeiträge, ab 01. August 1994 jedoch den Regelbeitrag nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI), der im August 1994 DM 752,64 und ab 01. Januar 1995 DM 755,16 betrug.

Nachdem ab Januar 1995 keine Beiträge mehr gezahlt worden waren, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. August 1997 für die Zeit vom 01. Januar 1995 bis 31. Juli 1997 einen Beitragsanspruch in Höhe von DM 24.565,73 (berechnet nach dem jeweiligen Regelbeitrag ab 01. Januar 1995 von DM 755,16, ab 01. Januar 1996 von DM 781,62, ab 01. August 1996 von DM 792,96 und ab 01. Januar 1997 von DM 866,81) zuzüglich Säumniszuschlägen von DM 3.810,00 (Gesamtforderung DM 28.375,73) fest. Nach vergeblichen Mahnungen und Vollstreckungsersuchen teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 29. Dezember 1997 mit, er sei seit 01. Oktober 1995 Beamter auf Lebenszeit. Dazu reichte er neben dem Ernennungsschreiben des Präsidenten der Technischen Universität B. vom 06. Oktober 1995 Lohnsteuerbescheinigungen für 1995 und 1996 ein. Er machte geltend, die noch offene Beitragsforderung sei nach seiner Ansicht damit aus der Welt geschaffen. Die Beklagte unterrichtete den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 25. Mai 1998 davon, dass sich nach § 5 Abs. 1 SGB VI die Versicherungsfreiheit für Beamte nur auf diese Beschäftigung und auf Beschäftigungen, auf die sich die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft erstrecke, beziehe. Der Kläger wurde gebeten, Nachweise über die eventuelle Aufgabe seiner selbstständigen Tätigkeit bzw. über die Höhe des Einkommens aus dieser Tätigkeit ab 01. Januar 1995 vorzulegen. Dazu reichte der Kläger am 15. Januar 1998 den genannten Einkommenssteuerbescheid für 1995 vom 24. März 1998 ein. Daraus ergebe sich, dass seine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, nämlich Nebentätigkeit im Sinne des Beamtenrechts, mit einem nicht unerheblichen Minus geendet hätten. Dies sei auf sein neues berufliches Ziel zurückzuführen sowie auch auf die Auflösung der Büropartnerschaft mit dem früheren Kollegen. Die Tätigkeit als Architekt übe er also nicht mehr im ursprünglichen Umfang aus, sondern nur noch im Rahmen einer zulässigen beamtenrechtlichen Nebentätigkeit. Ab 01. Oktober 1995 sei er Beamter auf Lebenszeit mit Pensionsansprüchen. Er zahle beim Versorgungswerk der Architekten noch den Mindestbeitrag ein. Seit der Verbeamtung sei er bei der Beklagten nicht mehr pflichtversichert. Diese Versicherung könne er als weitere Versicherung nun nicht mehr anerkennen. Nachdem der Kläger die geforderten Einkommenssteuerbescheide für die Jahre ab 1996 nicht eingereicht hatte, erhob die Beklagte die genannte Auskunft des Finanzamts vom 10. August 2000. Mit Schreiben vom 20. September 2000 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, er unterliege der Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 11 AVG (ab 01. Januar 1992 § 4 Abs. 2 SGB VI). Eine Befreiung für auf Antrag Pflichtversicherte sei möglich, wenn sie folgende Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfüllen würden: Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung, Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer, einkommensgerechte Beitragszahlung. Der Kläger wurde aufgefordert, zur Prüfung einer möglichen Befreiung insoweit Unterlagen vorzulegen. Mit weiteren Schreiben vom 26. Oktober und 14. November 2000 wies die Beklagte unter Bezugnahme auf die eingeholte Auskunft des Finanzamts darauf hin, dass sie im Hinblick auf die darin angegebenen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit auch ab 01. August 1997 weiterhin Regelbeiträge fordern werde. Die Versicherungspflicht sei auch durch die zum 01. Oktober 1995 erfolgte Berufung in das Beamtenverhältnis nicht beendet worden, da der Kläger die selbstständige Tätigkeit weiterhin ausübe und aus dieser Einkünfte erziele. Mit Beitragsbescheid vom 15. Januar 2001 setzte die Beklagte danach die weiteren Beiträge von August 1997 bis November 2000 nach dem jeweiligen Regelbeitrag fest (Beitragsforderung von DM 34.842,57 zuzüglich Säumniszuschlägen von DM 6.840,00). Die Gesamtforderung wurde mit DM 70.158,30 beziffert, und zwar unter Einschluss der früheren Forderung von DM 28.475,73 (gemäß dem Bescheid vom 14. August 1997 zuzüglich DM 100,00 Mahnkosten). Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger erneut geltend, er sei seit Oktober 1995 nicht mehr versicherungspflichtig. Die Beitragsforderung bestehe daher nicht mehr. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsstelle vom 02. April 2001 zurückgewiesen. Seit 01. Dezember 1979 unterliege er antragsgemäß der Versicherungspflicht. Diese ende nur bei Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit bzw. wenn aufgrund dieser selbstständigen Erwerbstätigkeit Versicherungspflicht kraft Gesetzes aufgrund vorrangiger Vorschriften eintrete. Die Berufung in das Beamtenverhältnis wegen einer neben der selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgeübten anderweitigen Beschäftigung beende die Versicherungspflicht nicht. Nachweise über die Beendigung der selbstständigen Tätigkeit seien nicht vorgelegt worden. Die selbstständige Tätigkeit werde auch nicht geringfügig im Sinne von § 8 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) ausgeübt. Nach dieser Vorschrift liege eine geringfügige Beschäftigung oder Tätigkeit vor, wenn die Beschäftigung oder Tätigkeit regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt werde und das Arbeitsentgelt bzw. Einkommen aus dieser Beschäftigung ein Siebtel der jeweils geltenden Bezugsgröße (ab 01. April 1999 DM 630,00) nicht übersteige. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger ebenfalls nicht.

Am 30. April 2001 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er wandte sich dagegen, dass ab 01. Oktober 1995 keine Möglichkeit bestehen solle, die Versicherungspflicht zu beenden. Seit Oktober 1995 bestehe keine Zahlungspflicht mehr gegenüber der Beklagten. Es müssten auch seine Zahlungen an das Versorgungswerk berücksichtigt werden. Er gab seine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit seit 1996 an. Es ergebe sich insoweit ein durchschnittliches Jahreseinkommen von EUR 1.126,60, d.h. entsprechend monatlich weniger als EUR 100,00. Insoweit sei unstreitig von Geringfügigkeit zu sprechen. Im Übrigen habe er als Beamter im Rahmen von Nebentätigkeit, wenn überhaupt, nur maximal 20 vom Hundert (v.H.) seiner Dienstzeit arbeiten dürfen. Somit ergebe sich lediglich eine Arbeitszeit als Freiberufler für acht Stunden pro Woche. Insoweit habe seine wöchentliche Arbeitszeit als freier Architekt die Zeitgrenze von 15 Stunden pro Woche auch nicht erreicht. Beitragspflicht ab 01. Januar 1995 bestehe daher nicht.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Antragspflichtversicherung nach § 4 SGB VI ende nur mit der Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit. Die Befreiung nach § 6 Abs. 1 SGB VI stehe Antragsversicherten dann nicht zur Verfügung, wenn sie im Zeitpunkt der Aufnahme der Antragspflichtversicherung bereits Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk gewesen seien, was für den Kläger zutreffe. Daher sei der Kläger auch verpflichtet, Beiträge für die Zeit ab 01. Januar 1995 zu zahlen. Der Kläger sei bereits ab 01. April 1978 Mitglied der Architektenversorgung gewesen. Er habe sich außerdem für den Verbleib der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden, indem er zum 01. Dezember 1979 die Antragsversicherung aufgenommen habe. Er habe auch entsprechende Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Eine unfreiwillig eingegangene Doppelversicherung liege nicht vor. Es treffe auch nicht zu, dass den Selbstständigen schon deswegen ein uneingeschränktes Befreiungsrecht zustehe, weil sie in dem seit 01. Januar 1992 geltenden § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) ausdrücklich und ohne Einschränkung genannt seien. Der Gesetzgeber des Rentenreformgesetzes 1992 habe mit der Einfügung dieses Personenkreises in die Befreiungsvorschrift nicht das Befreiungsrecht erweitern, sondern lediglich eine gesetzliche Klarstellung erreichen wollen, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Urteilen die nur für Angestellte geltende Befreiungsregelung des § 7 Abs. 2 AVG im Wege der Auslegung auch für Selbstständige ausgeweitet gehabt habe. Dabei sei das BSG zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die pflichtversicherten Selbstständigen eine Befreiungsmöglichkeit hätten, allerdings mit der Einschränkung, dass die doppelte Versicherungs- und Beitragspflicht ebenso wie bei den Angestellten unfreiwillig eingetreten sein müsse, die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung also nach dem Beginn der Antragsversicherung gelegen habe. Dass sich hieran mit dem Inkrafttreten des SGB VI nichts habe ändern sollen, ergebe sich nicht aus der Begründung des Entwurfs des Rentenreformgesetzes 1992, wonach die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI dem bisherigen Recht des § 7 Abs. 2 AVG entspreche. Die Schlussfolgerung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 06. Mai 1999 (L 14 RA 42/98), § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI räume, anders als § 7 Abs. 2 AVG, ohne Rücksicht auf die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung den Selbstständigen nunmehr ein umfassendes Befreiungsrecht ein, sei von daher weder nachvollziehbar noch zutreffend, was sich auch aus der Kommentarliteratur ergebe. Die Beklagte erließ auch den Bescheid vom 15. August 2005, mit dem sie den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ablehnte (Bl. 78 der SG-Akte). Ferner (Schriftsatz vom 29. März 2005 - Bl. 65 der SG-Akte) führte sie aus: 1995 seien aus der selbstständigen Tätigkeit Verluste erzielt worden, sodass für dieses Jahr keine Beiträge gefordert würden. Eine Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für versicherungspflichtige Selbstständige sei erst wieder zum 01. Januar 1999 eingeführt worden. 1996 habe das Jahreseinkommen DM 65.064,00 (EUR 33.266,69), 1997 DM 85.134,00 (EUR 43.528,32) und 1998 DM 177.147,00 (EUR 90.573,82) betragen. Für diese Jahre sei der Regelbeitrag (1996 DM 49.560,00, 1997 DM 51.240,00, 1998 DM 52.080,00) günstiger, da das tatsächlich erzielte Einkommen die Bezugsgröße übersteige. Mithin ergebe sich für die Jahre 1996 bis 1998 eine Beitragsforderung von insgesamt EUR 15.589,02. In den Jahren 1999 bis 2003 seien Verluste erzielt worden. Zum 01. Januar 1999 sei wieder die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage eingeführt worden, d.h., dass bei Versicherungspflicht nunmehr auch eine Beitragspflicht bestehe. Liege das nachgewiesene Arbeitseinkommen unter der Mindestbeitragsbemessungsgrenze, müsse bei Vorliegen von Versicherungspflicht der Mindestbeitrag gezahlt werden. Eine Wahlmöglichkeit bestehe insoweit nicht. Für 1999 bis 31. März 2003 ergebe sich daher aufgrund des Mindestbeitrags eine Beitragsforderung von EUR 3.180,89. Ab 01. April 2003 bestehe Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, da eine geringfügige selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 3 SGB IV ausgeübt werde und die Zeitgrenze (Arbeitszeit weniger als 15 Stunden wöchentlich) weggefallen sei. Da auch im Jahr 2004 mit Verlusten zu rechnen sei, bleibe die Versicherungsfreiheit voraussichtlich auch für 2004 bestehen.

Mit Urteil vom 09. Februar 2006 verpflichtete das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. April 2001, die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht zum 29. Dezember 1997 auszusprechen. Ferner hob es die Bescheide vom 14. August 1997 und 15. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. April 2001 auf, soweit Beitragszahlungen des Klägers über den 28. Dezember 1997 hinaus festgesetzt worden seien. Die darin festgesetzten Beiträge für die Zeit bis 28. Dezember 1997 wurden in der Höhe dahingehend abgeändert, dass der Kläger für die Zeit vom 01. Januar 1995 bis 28. Dezember 1997 EUR 10.183,52 zuzüglich Säumniszuschlägen in gesetzlicher Höhe zu zahlen habe. Im Übrigen wies das SG die Klage ab. Das SG ging davon aus, dass mit dem Widerspruchsbescheid vom 02. April 2001 die Beklagte auch den "Bescheid" vom 14. November 2000 zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gemacht habe, und führte weiter aus, die Beklagte habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ab 29. Dezember 1997 verneint. Zu Unrecht nehme die Beklagte an, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht insoweit als weitere - ungeschriebene - Befreiungsvoraussetzung verlange, dass die Doppelversicherung neben der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk unfreiwillig eingetreten sei. Die Einschränkung der überhaupt erst im Wege der erweiterten Auslegung durch das BSG auf den Personenkreis der Selbstständigen Anwendung findende Befreiungsmöglichkeit nach § 7 Abs. 2 AVG könne angesichts des eindeutigen Wortlauts des inzwischen in Kraft getretenen § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI keinen Bestand mehr haben. Eine Einschränkung des Antragsrechts für antragspflichtversicherte Selbstständige nach dem Zeitpunkt des Beginns ihrer Versicherungspflicht finde nicht mehr statt. Die differenzierende Rechtsprechung des BSG habe in der Neuregelung keinen Niederschlag gefunden. Der Gesetzgeber habe dann mit Wirkung vom 01. Januar 1996 für die Zukunft eine deutliche Einschränkung der Befreiungsmöglichkeit vorgenommen, ohne auf die Problematik einer Antragspflichtversicherung einzugehen. Das Schreiben des Klägers vom 29. Dezember 1997 sei als Befreiungsantrag anzusehen. Pflichtbeiträge seien mithin auch nur bis zum 28. Dezember 1997 zu zahlen. Damit bestehe für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis 28. Dezember 1997 lediglich ein Beitragsanspruch in Höhe von EUR 10.183,52 zuzüglich Säumniszuschlägen in gesetzlicher Höhe. Hier entfalle eine Beitragszahlung für das Kalenderjahr 1995 im Hinblick auf den Steuerbescheid für dieses Jahr.

Gegen das ihr am 15. Mai 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07. Juni 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Über den Befreiungsantrag habe sie erst mit Bescheid vom 15. August 2005 entschieden. Sie habe im Übrigen bereits im Verfahren vor dem SG anerkannt, dass infolge des Verlusts aus der selbstständigen Tätigkeit im Jahr 1995 für dieses Jahr keine Beitragspflicht bestehe. Im Übrigen bestehe jedoch für die Zeit von 1996 bis 30. November 2000 eine Beitragspflicht, da die Antragspflichtversicherung des Klägers nicht beendet gewesen sei. Eine Antragspflichtversicherung, die erst nach dem Beginn der Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgenommen worden sei, schließe eine Befreiung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich aus. Auch wenn dies dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht zu entnehmen sei, sei ab 01. Januar 1992 die differenzierende Rechtsprechung des BSG zum alten Recht weiterhin anzuwenden. Ab 01. Januar 1992 habe überhaupt kein Anlass dafür bestanden, für den hier betroffenen Personenkreis ein umfassendes Befreiungsrecht zu schaffen, zumal es dem Gesetzgeber lediglich um eine Klarstellung gegangen sei. Auch die einschlägige Kommentarliteratur gehe davon aus, dass im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI die von der Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 AVG entwickelten Kriterien weiterhin Anwendung fänden. Es gehe lediglich darum, unfreiwillige Doppelversicherungen zu vermeiden. Eine solche unfreiwillige Doppelversicherung liege jedoch nicht vor, wenn die Antragspflichtversicherung erst nach der berufsständischen Pflichtversicherung gegründet worden sei. Dass die Antragspflichtversicherung grundsätzlich für die Dauer der selbstständigen Tätigkeit fortbestehe und weder gekündigt, widerrufen oder sonst durch Willenserklärung beendet werden könne, habe im Übrigen das BSG in seinen Urteilen vom 26. Januar 2005 (B 12 RA 3/03 R) und vom 22. Juni 2005 (B 12 RA 2/04 R) ausgeführt. Da eine Befreiung des Klägers von der Antragspflichtversicherung nicht möglich sei, bestehe auch über den 28. Dezember 1997 hinaus Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung. Nach dem Schriftsatz vom 29. März 2005 ergebe sich für den Zeitraum vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 ein Beitragsanspruch von EUR 6.895,15. Die Beklagte hat eine Berechnung der Säumniszuschläge für die Zeit ab Dezember 1997 vorgelegt (Bl. 45-51 der LSG-Akte).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2006 aufzuheben, soweit darin ihre Verpflichtung, die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht zum 29. Dezember 1997 ausgesprochen und die Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 aufgehoben wurde, soweit sie über den Betrag von EUR 6.895,15 zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 1.864,68 hinausgeht, sowie die Klage insoweit und wegen des Bescheids vom 15. August 2005 abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und deren Bescheid vom 15. August 2005 aufzuheben.

Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet, soweit das SG die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen hat, den Kläger ab 29. Dezember 1997 von der Antragspflichtversicherung zu befreien. Sie ist ferner begründet, soweit das SG die Beitragsforderung der Beklagten für die Antragspflichtversicherung des Klägers für die Zeit vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 in Höhe von EUR 6.895,15 verneint hat. Im Übrigen (soweit es Säumniszuschläge für die Zeit vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 in Höhe von EUR 1.864,68 betrifft) ist die Berufung der Beklagten unbegründet.

1. Streitgegenstand ist einerseits die Befreiung des Klägers von der Antragspflichtversicherung. Allerdings hat die Beklagte über den Befreiungsantrag erst aufgrund des nach § 96 SGG in das Klageverfahren einbezogenen Bescheids vom 15. August 2005 entschieden. Diesen Bescheid hat das SG übergangen, weil es ersichtlich davon ausgegangen ist, dass über den Befreiungsantrag bereits mit "Bescheid" vom 14. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. April 2001 entschieden worden sei. Das Schreiben vom 14. November 2000 enthält jedoch keinen Bescheid über die Befreiung, wie die Beklagte zutreffend im Schriftsatz vom 05. April 2007 dargelegt hat. Die Überprüfung des entsprechenden Bescheids vom 15.August 2005 war jedoch im Berufungsverfahren kraft Klage nachzuholen, und zwar unabhängig davon, dass der Kläger gegen das Urteil des SG keine Berufung eingelegt hat. Nachdem der Kläger, der ersichtlich mit der Klage noch die Befreiung von der Antragspflichtversicherung ab 01. Oktober 1995 begehrt hatte, das SG-Urteil hinsichtlich der Befreiung erst ab 29. Dezember 1997 hat rechtskräftig werden lassen, war nur aufgrund der Berufung der Beklagten zu prüfen, ob die Befreiung ab 29. Dezember 1997 gerechtfertigt war.

Andererseits ist Streitgegenstand auch die Beitragspflicht bzw. Beitragshöhe sowie die Erhebung von Säumniszuschlägen. Die Beklagte hat bisher über die Beiträge zur Antragspflichtversicherung im Bescheid vom 14. August 1997 (Beiträge vom 01. Januar 1995 bis 31. Juli 1997 zuzüglich Säumniszuschlägen) und vom 15. Januar 2001 (Beiträge vom 01. August 1997 bis 30. November 2000 zuzüglich Säumniszuschlägen) entschieden. Soweit das SG lediglich für die Zeit vom 01. Januar 1995 bis 28. Dezember 1997 einen Beitragsanspruch in Höhe von EUR 10.183,52 (zuzüglich Säumniszuschlägen in gesetzlicher Höhe) festgestellt hat, haben weder der Kläger noch die Beklagte das Urteil des SG mit Rechtsmitteln angegriffen, weshalb lediglich über die Beitragshöhe (zuzüglich Säumniszuschlägen) für die Zeit vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 zu entscheiden ist. Den Beitragsanspruch für diese Zeit hat die Beklagte nach ihren Schriftsätzen vom 29. März 2005 und 05. April 2007 auf den Betrag von EUR 6.895,15 begrenzt. Soweit es um die im Schriftsatz vom 29. März 2005 angesprochene Zeit ab Dezember 2000 bis März 2003 geht, hat die Beklagte ersichtlich Beitragsbescheide bisher nicht erlassen. Im Hinblick auf die Schriftsätze der Beklagten vom 29. März 2005 und 05. April 2007 war danach im Berufungsverfahren nur zu prüfen, ob für die Zeit vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 ein Beitragsanspruch in Höhe von EUR 6.895,15 sowie ein Anspruch auf Säumniszuschläge für diese Zeit bestanden hat.

2. Der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2005, mit dem diese die Befreiung von der Antragspflichtversicherung abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit es hier um die vom SG ausgesprochene Befreiung ab 29. Dezember 1997 geht.

Beim Kläger bestand (Antrag vom 19. Dezember 1979) aufgrund des Bescheids vom 06. Oktober 1980 ab 01. Dezember 1979 Antragspflichtversicherung als Selbstständiger nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 AVG (seit 01. Januar 1992 § 4 Abs. 2 SGB VI). Der Antragspflichtversicherung stand nicht entgegen, dass bereits seit 01. April 1978 beim Kläger eine Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Architektenkammer Baden-Württemberg als freier Architekt gegeben war. Die insoweit begründete freiwillige Doppelversicherung war nicht ausgeschlossen. Die Antragspflichtversicherung war ab 29. Dezember 1997 auch nicht deswegen beendet, weil der Kläger ab 01. Oktober 1995 als C 3-Professor Beamter auf Lebenszeit war. Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI, wonach Beamte auf Lebenszeit versicherungsfrei sind, führte hier entgegen der Ansicht des Klägers nicht nach § 4 Abs. 4 Satz 2 SGB VI zum Ende der Antragspflichtversicherung. Denn der Kläger hatte auch ab 01. Oktober 1995 seinem Vorbringen zufolge die selbstständige Tätigkeit als freier Architekt nicht aufgegeben. Die Antragspflichtversicherung des Selbstständigen erstreckt sich auf jede selbstständige Tätigkeit und besteht fort, solange eine selbstständige Tätigkeit, die nicht einer vorrangigen Versicherungspflicht kraft Gesetzes unterliegt, ausgeübt wird (BSG SozR 4-2600 § 4 Nr. 3). Darauf, dass der Kläger seine selbstständige Tätigkeit als Architekt ab 01. Oktober 1995 nur im zeitlichen Rahmen einer beamtenrechtlich zulässigen Nebentätigkeit ausgeübt haben mag, kommt es nicht an.

Der Kläger war auch nicht ab 29. Dezember 1997 zu befreien. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab 01. Januar 1996 geltenden Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember 1995, BGBl. I, S. 1824, werden von der Versicherungspflicht befreit Angestellte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzierende Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Insoweit war die Bestimmung des § 6 Abs. 1 in der ab 01.Januar 1992 geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I, S. 2261, eingeschränkt und um § 6 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ergänzt worden (vgl. dazu Bundestags-Drucksache 13/2590 S. 21 ff.). Insoweit lautete § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in der Fassung des RRG 1992 wie folgt: Von der Versicherungspflicht werden befreit Angestellte und selbstständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit oder des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung sollte der Norm des § 7 Abs. 2 AVG entsprechen (vgl. Bundestags-Drucksache 11/4124 S. 151). Allerdings bestimmte insoweit § 7 Abs. 2 AVG: Auf ihren Antrag werden ferner von der Versicherungspflicht befreit Personen, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind, wenn für die Angestellten Mitglieder nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der Versicherungs- und Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Insoweit hatte jedoch das BSG die Bestimmung des § 7 Abs. 2 AVG nicht nur auf die Pflichtversicherten nach § 2 Abs. 1 AVG bezogen (Angestellte), sondern auch auf Antragspflichtversicherte (Selbstständige) nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 AVG erstreckt, und zwar im Hinblick auf eine im Ergebnis unfreiwillig eingetretene Doppelversicherung dann, wenn der Versicherte (Selbstständige) erst nach Begründung der Antragspflichtversicherung der Pflichtzugehörigkeit zu einem öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versorgungswerk unfreiwillig unterworfen wird (vgl. Urteil vom 28. April 1982 - 12 RK 30/80 - SozR 2400 § 7 Nr. 3; BSG, Urteil vom 09. Dezember 1982 - 12 RK 15/80 - SozR a.a.O. Nr. 4; auch Urteil vom 18. Mai 1983 - 12 RK 73/81 -; Urteil vom 07. November 1991 - 12 RK 49/89 - SozR 3-2940 § 7 Nr. 2). Für den Fall, dass die Antragspflichtversicherung erst nach dem Beginn der Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk eingetreten war, die doppelte Sicherung gegen ein und dasselbe Risiko mithin nicht zwangsläufig begründet worden war, war eine Befreiung nur dann eröffnet, wenn seit der Antragstellung zur Antragspflichtversicherung eine wesentliche Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten eingetreten war (vgl. BSG, SozR 2400 § 7 Nr. 4; BSG, Urteil vom 18. Mai 1983, a.a.O.). Nur in diesem Fall erschien die Geltendmachung des Befreiungsrechts nicht als ein widersprüchliches und deshalb mit dem auch im Sozialversicherungsrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben vereinbares Verhalten (BSG, a.a.O.). Nachdem der Gesetzgeber ersichtlich in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI mit der Erwähnung auch der selbstständig Tätigen die bis 31. Dezember 1991 geltende Rechtslage zu § 7 Abs.2 AVG übernehmen wollte, geht der Senat davon aus, dass auch ab 01. Januar 1992 unter der Geltung des SGB VI nach wie vor eine nachträgliche Befreiungsmöglichkeit nur für Fälle einer unfreiwilligen Pflichtversicherung begründet werden sollte, wenn einer Aufrechterhaltung der nach dem Eintritt der Pflichtversicherung in berufsständischen Versorgungseinrichtungen begründeten Antragsversicherung ausnahmsweise besondere, auf die individuellen Verhältnisse gestützte Umstände entgegenstehen, also besondere Umstände eine weitere Aufrechterhaltung der Antragspflichtversicherung für den Einzelnen unzumutbar machen (vgl. auch Boecken in GK-SGB VI § 6 Rdnrn. 41 ff.; Fichte in Hauck-Haines, SGB VI § 4 SGB VI Rdnr. 63; Gürtner in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 6 SGB VI Rdnr. 5;Lilge, SGB VI, § 4 SGB VI Anm. 3 und § 6 SGB VI Anm. 2; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der RV-SGB VI, 3. Aufl., § 6 SGB VI Rdnr. 14). Auch ab 01. Januar 1992 und vor allem im Hinblick auf die Gesetzesänderung ab 01. Januar 1996 sollte das Befreiungsrecht grundsätzlich nicht bestehen, wenn eine doppelte Beitragszahlungspflicht erst durch eine freiwillig Entscheidung des Betroffenen entstanden war (vgl. Bundestags-Drucksache 13/2590 S. 22). Eine durch Antrag begründete Antragsversicherung kann mithin grundsätzlich nicht gekündigt, widerrufen oder sonst durch Willenserklärung beendet werden (vgl. auch BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 6; BSG SozR 4-2600 § 4 Nr. 3).

Da hier die Pflichtmitgliedschaft des Klägers im Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg, zu der der Kläger insoweit in den Jahren 1979 bis 1994 und ab 1996 einkommensabhängige Pflichtbeiträge geleistet hat, seit 01. April 1978 bestand, während er aufgrund des am 19. Dezember 1979 gestellten Antrags von der Antragspflichtversicherung Gebrauch gemacht hat, erscheint die Ausübung des Befreiungsrechts (Antragstellung nach § 6 Abs. 2 SGB VI) im Dezember 1997, um sich der zunächst gewollt eingegangenen doppelten Beitragszahlung zu entledigen, als treuwidrig. Der Kläger setzt sich mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch. Im Schreiben vom 22. Februar 2002 (Blatt 12 der SG-Akte) hat er selbst dargelegt, dass er sich in Kenntnis der doppelten Absicherung einschließlich der finanziellen Mehrbelastung für die Antragspflichtversicherung entschieden hatte. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger, dessen Verhalten seit Dezember 1979 bewusst auf die Beschaffung einer dauernden doppelten Sicherung ausgerichtet war und der (jedenfalls durch Beitragszahlung bis 1994) die doppelten Beiträge aufgebracht hat, die doppelte Beitragsbelastung ab Dezember 1997 nicht mehr zumutbar wäre. Solche beachtlichen Umstände aus seinen individuellen Verhältnissen hat der Kläger nicht geltend gemacht. Insoweit ergibt sich die Unzumutbarkeit der Fortführung der Antragspflichtversicherung auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger seit 01. Oktober 1995 Beamter ist. Auch die vom Kläger angegebenen Einkünfte aus seiner selbstständigen Tätigkeit als freier Architekt seit 1997 rechtfertigen insoweit die (nachträgliche) Befreiung von der Antragspflichtversicherung nicht. Die vom Kläger mitgeteilten Einkünfte haben zwar Bedeutung für die Höhe der für die Zeit ab 29. Dezember 1997 nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von dem Selbstständigen zu zahlenden Pflichtbeiträge. Die von der Beklagten (Schriftsatz vom 29. März 2005) festgesetzten Regelbeiträge (bis Dezember 1998) bzw. Mindestbeiträge (Januar 1999 bis November 2000) ergeben jedoch keine unzumutbare Beitragsbelastung, die in einer unvorhergesehenen Änderung der finanziellen Situation des Klägers begründet wäre.

3. Soweit es um die Beiträge für die hier noch streitige Zeit vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 geht, hat die Beklagte die Beiträge für diese Zeit zu Recht mit EUR 6.895,15 berechnet, wie sich aus den Schriftsätzen vom 29. März 2005 und 05. April 2007 ergibt. Sie hat nämlich die Beiträge für die Zeit vom 29. Dezember 1997 bis Dezember 1998 nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung berechnet, wonach beitragspflichtige Einnahmen bei selbstständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen sind. Dabei hat die Beklagte die vom Finanzamt mitgeteilten Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit bis 1998 berücksichtigt. Aufgrund der vom Kläger in den Jahren 1999 und 2000 nachgewiesenen negativen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit hat die Beklagte ferner dann zutreffend für die Zeit von Januar 1999 bis November 2000 nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab 01. Januar 1999 geltenden Fassung den Mindestbeitrag festgesetzt. Zutreffend hat die Beklagte für die Zeit vom 29. Dezember 1997 bis 30. November 2000 eine geringfügige Beschäftigung mit der Folge der Beitragsfreiheit verneint.

4. Der Anspruch auf Säumniszuschläge in Höhe von EUR 1.864,68 hinsichtlich der Beitragsforderung von EUR 6.895,15 ist nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat Säumniszuschläge nicht mehr geltend gemacht, sondern nur auch die Beiträge in Höhe von EUR 6.895,15. Sie hat ihre ursprüngliche Forderung (Beitragsforderung und Säumniszuschläge) in ihren Schriftsätzen vom 29. März 2005 (Blatt 65 der SG-Akte) und 05. April 2007 (Blatt 24 der SG-Akte) auf Beiträge in Höhe von EUR 6.895,15 beschränkt. Säumniszuschläge hat sie in diesen Schriftsätzen nicht mehr aufgeführt. Damit hat sie den ursprünglichen Beitragsbescheid vom 15. Januar 2001 abgeändert und ihre Forderung auf die Beiträge in der zu vorgenannten Höhe begrenzt.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Im Hinblick darauf, dass die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 29. März 2005 die ursprünglich geltend gemachte Beitragsforderung für die Zeit vom 01. Januar 1995 bis 30. November 2000 reduziert hatte und im Berufungsverfahren hinsichtlich der Säumniszuschläge erfolglos geblieben ist, erscheint es gerechtfertigt, sie zu verpflichten, ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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