L 25 B 1459/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 1778/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1459/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Juni 2008 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller mit Wirkung vom 20. August 2008 vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 30. November 2008 weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Höhe von 200 EUR monatlich auszuzahlen unter Anrechnung der Leistungen, die die Antragsgegnerin dem Antragsteller bereits aufgrund der richterlichen Zwischenverfügung vom 20. August 2008 erbracht hat. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zur Hälfte zu erstatten.

Gründe:

1. Der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 19. Juni 2008 war zu ändern, weil für den aus dem Tenor ersichtlichen Zeitraum und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geboten erscheint.

a) Zwar ist für den Senat weiterhin nicht abschließend feststellbar, ob dem Antragsteller gegenwärtig ein Anordnungsanspruch zur Seite steht, gerichtet auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) in Gestalt eines Zuschusses. Der Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24. April 2008 ist zwar durch den Antragsteller fristgemäß mit einem Widerspruch angefochten worden; in der Sache selbst bedarf es aber einer gegebenenfalls auch umfangreichen Prüfung, ob, in welchem Zeitraum und in welchem Umfang dem Kläger Einkommen oder Vermögen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zusteht oder zugeflossen ist. Diese Prüfung kann in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erfolgen und muss einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben.

Andererseits spricht zur Überzeugung des Senats sehr vieles dafür, dass der Antragsteller jedenfalls gegenwärtig nicht über hinreichende präsente Geldmittel verfügt und insoweit eine aktuelle Notlage droht. In dieser Situation verlangt das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, eine Folgenabwägung vorzunehmen. Hierbei sind die Folgen gegeneinander abzuwägen, die einerseits entstünden, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Sache zu Unrecht unterbliebe, und die andererseits zu erwarten wären, wenn eine einstweilige Anordnung in der Sache zu Unrecht erginge. Diese Abwägung führt vorliegend dazu, die aus dem Tenor ersichtliche einstweilige Anordnung zu erlassen, weil eine zu Unrecht ergangene einstweilige Anordnung die Antragsgegnerin erheblich weniger belasten würde als dies umgekehrt hinsichtlich des Antragstellers der Fall wäre, wenn eine einstweilige Anordnung zu seinen Gunsten im Ergebnis zu Unrecht unterbliebe.

b) Der Senat weist allerdings darauf hin, dass die aus dem Tenor ersichtliche einstweilige Anordnung die Antragsgegnerin lediglich dazu verpflichtet, die tatsächliche Auszahlung des Geldbetrages an den Antragsteller zu bewirken. In welcher Weise die Antragstellerin dies bewirkt, ist ihr in dieser einstweiligen Anordnung nicht vorgegeben; die Geldzahlung kann sowohl als rein tatsächliche Auszahlung als auch auf Grundlage eines echten Ausführungsbescheides erfolgen, eine weitergehende Bescheidung (etwa über ein weiteres materiell-rechtliches Darlehen oder gar durch einen Zuschuss) ist jedenfalls durch diese einstweilige Anordnung nicht geboten. Die Leistung braucht durch die Antragsgegnerin auch lediglich vorläufig bewilligt zu werden und kann von ihr gegebenenfalls bereits nach Maßgabe des Prozessrechts zurückgefordert werden.

c) Den Beginn der einstweiligen Anordnung hat der Senat auf den 20. August 2008 festgesetzt. Zwar spricht der Senat in ständiger Rechtsprechung im Regelfalle Leistungen aufgrund einstweiliger Anordnung erst ab dem Zeitpunkt der Senatsentscheidung zu. Vorliegend war jedoch zu berücksichtigen, dass ab dem 20. August 2008 bereits die richterliche Zwischenverfügung wirksam war, die insoweit wie eine zeitlich vorverlagerte Senatsentscheidung wirkt.

2. Im Übrigen jedoch war die Beschwerde zurückzuweisen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung war weder für die Zeit vor dem 20. August 2008 noch für die Zeit nach dem 30. November 2008 geboten; ebenso wenig kann der Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines Zuschusses verlangen:

a) Der Erlass der einstweiligen Anordnung für die Zeit vor dem 20. August 2008 war nicht geboten, weil im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich Leistungen für die Vergangenheit – und damit für die Zeit vor der richterlichen Entscheidung – nicht zu gewähren sind. Dies ist nur dann anders zu beurteilen, wenn das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz dies gebietet, d. h. etwa dann, wenn schwere, anders nicht abwendbare Nachteile drohen, die auch in einem Verfahren der Hauptsache nicht mehr korrigiert werden können. Derartiges ist im vorliegenden Verfahren nicht ersichtlich.

b) Für die Zeit nach dem 30. November 2008 fehlt es gegenwärtig jedenfalls noch an einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers, denn zu diesem Zeitpunkt endet der gegenwärtige Bewilligungsabschnitt; die prozessual vorrangige Entscheidung der Antragsgegnerin über einen etwaigen Folgezeitraum steht noch aus.

c) Ebenso wenig kann der Antragsteller aus den bereits genannten Gründen die Gewährung eines Zuschusses verlangen; die oben genannte Folgenabwägung gebietet allein das Zur-Verfügung-Stellen von Geldmitteln, nicht jedoch die materiell-rechtlich wirksame und wesentlich weiter gehende Gewährung eines Zuschusses.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das wechselseitige Unterliegen der Verfahrensbeteiligten in den unterschiedlichen Stadien des gesamten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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