Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 6 KN 1391/01 KR
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 2/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. März 2004 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2001 verurteilt, dem Kläger die Kosten für die vom 22. Oktober 2003 bis zum 25. November 2003 durchgeführte stationäre Reha-Kur in der M.-Klinik in Höhe von 4.887,04 EUR zu erstatten abzüglich des Betrages, den der Kläger nach den gesetzlichen Vorschriften als Zuzahlung hätte entrichten müssen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten in Höhe von 4.887,06 EUR für eine von ihm in der Zeit vom 22. Oktober 2003 bis 25. November 2003 durchgeführte Kur in der M.-Klinik in B. Zudem begehrt er festzustellen, dass ihm eine Kur in der betreffenden Klinik von der Beklagten künftig jährlich zu bewilligen ist.
Der 1939 geborene Kläger erhält seit 1985 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Bei dem Kläger, der allein lebt und sich allein versorgt, liegt ein komplexes und chronisches Krankheitsbild vor. Er leidet u. a. an ausgeprägten seelischen Störungen (ausgeprägte Erschöpfung mit Neigung zur Depression), an einer Herzerkrankung (pectanginöse Beschwerden), an einer hypotonen Kreislaufdysregulation mit Kollapsneigung, einer Lungenkrankheit, einer Allergie der Haut und Schleimhäute (Neurodermitis, Psoriaisis, Hautjucken), Wirbelsäulenveränderungen und Gelenkbeschwerden, einer Sehbehinderung, einer Funktionsschwäche der Bauchspeicheldrüse mit funktionellen Magen-Darmbeschwerden und Neigung zu Koliken sowie einem massivem peripheren Lymphstau mit Geschwürbildung im Bereich des linken Unterschenkels. Das Versorgungsamt hatte ihm mit Bescheid vom 23. Februar 2000 einen Grad der Behinderung von 70 zuerkannt; inzwischen ist der Grad der Behinderung auf 80 erhöht worden (Bescheid des Versorgungsamtes vom 5. September 2007).
Vom 2. März 1997 bis zum 30. März 1997 hatte der Kläger zuletzt aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ein stationäres Heilverfahren in der M.-Klinik durchgeführt. Die M.-Klinik ist eine Fachklinik für Naturheilverfahren und ganzheitliche Medizin und als Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung zur Versorgung zugelassen.
Im Juli 2000 beantragte der Kläger erneut eine stationäre Rehabilitationskur in der M. Klinik wegen zunehmenden Kräfteverfalls und drohender Pflegebedürftigkeit und legte dazu eine Bescheinigung seines behandelnden Internisten Dr. K. vom 8. Juli 2000 vor. Der Arzt stellte fest, der Kläger sei schwierig zu therapieren. Die Therapie in der M.-Klinik mit Ruhigstellung der Verdauungsorgane und sodann allergiefreien Nahrungsaufbau sowie die Förderung der Selbstheilungskräfte und Regenerationsfähigkeit sowohl auf körperlicher als auch auf seelischer Ebene sei allein Erfolg versprechend und verhindere eine Verschlechterung des Krankheitszustandes; eine ambulante Heilbehandlung sei dabei nicht mehr ausreichend.
Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung einer Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes mit Bescheid vom 1. August 2000 ab.
Aufgrund des Widerspruchs des Klägers holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes von Dr. X., Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin, vom 9. November 2000 sowie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Hessen (MDK) durch den Arzt im MDK Dr. Y. vom 3. April 2001 ein. Dr. Y. stellte fest, der Kläger sei auf eine eigene Art von Medizin fixiert. Um über die Notwendigkeit der von dem Kläger angestrebten stationären Kur in der M.-Klinik zu entscheiden sei zuvor eine enterologische und gastroenterologische Diagnostik notwendig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2001 wies die Beklagte den Widerspruch aufgrund der ärztlichen Stellungnahmen zurück. Eine stationäre Rehabilitationskur komme aktuell nicht in Betracht; die von dem Kläger in Aussicht genommene Fastenkur sei im Übrigen bei seinem Gesundheitszustand kontraproduktiv.
Der Kläger hat am 23. Juli 2001 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben und geltend gemacht, aufgrund seines komplexen Krankheitsbildes verspreche nur ein stationärer Aufenthalt in der M.-Klinik mit dem dort gegebenen Bio-Klima sowie dem dort angewandten bioenergetischen Therapieansatz eine nachhaltige Verbesserung seines Gesundheitszustandes. Der Kläger legte dazu ein Attest seines behandelnden Arztes Dr. K. vor. Während des Klageverfahrens in der Zeit vom 23. Oktober 2003 bis zum 15. November 2003 führte der Kläger die Kur in der M.-Klinik auf eigene Kosten durch. Zuvor hatte er der Beklagten letztmalig eine Frist gesetzt, seinem Begehren nachzukommen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. K. vom 18. Juli 2003 eingeholt und den Entlassungsbericht in der M.-Klinik vom 12. Dezember 2003 zum Verfahren beigezogen. Mit Urteil vom 2. März 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung sei nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass allein eine Kur in der M.-Klinik bei dem komplexen Krankheitsbild des Klägers Erfolg verspreche.
Der Kläger hat gegen das ihm am 22. März 2004 zugestellte Urteil am 25. März 2004 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Er trägt vor, er habe auch in den Jahren 2004, 2005 und 2006 stationäre Kuren in der M. Klinik auf eigene Kosten durchgeführt. Hinsichtlich der Kostenerstattung seien mehrere Verfahren beim Sozialgericht Gießen anhängig. Finanziell sei er nunmehr nicht mehr in der Lage, die Kosten für diese Heilmaßnahmen zu tragen. Nur durch halbjährige bis einjährige stationäre Kuren nach dem Konzept dieser Klinik könne er indes für eine gewisse Zeit eine Besserung seines Gesundheitszustandes erreichen und ein Abgleiten in die Pflegebedürftigkeit vermeiden. Dazu hat der Kläger u.a. ein Attest seines behandelnden Arztes Dr. K. vom 10. März 2006 sowie Entlassungsberichte aus der M. Klinik vom 13. Juli 2006 und vom 18. Dezember 2006 sowie Atteste seines behandelnden Arztes Dr. U. vom 17. Mai 2004 und vom 24. Juli 2007 vorgelegt. Dr. U. hat ausgeführt, nur durch einen regelmäßigen stationären Aufenthalt in der M.-Klinik würde eine Verschlechterung des komplexen und chronischen Krankheitszustandes vermieden. Dies bestätigt Dr. F., Chefarzt des Sanatoriums F., Klinik für rehabilitative Medizin und Naturheilverfahren, nach Auswertung der hausärztlichen Befunde für die Jahre 1978 bis 2004 in einer von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 22. Juni 2004. Auf den ganzheitlichen Ansatz und die Heilfastenkuren nach dem Konzept der M.-Klinik würden insbesondere die bei dem Kläger vorliegenden Allergien, der Erschöpfungszustand, die hypotone Kreislaufdysregulation, die Wirbelsäulenerkrankung und die Darmfermentschwäche gut ansprechen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten in Höhe von 4.887,046 EUR für die in der Zeit vom 23. Oktober 2003 bis 15. November 2003 durchgeführte stationäre Rehabilitationskur in der M.-Klinik zu erstatten sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm künftig jährlich eine stationäre Rehabilitationskur in der M.-Klinik zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie sei zur Kostenerstattung nicht verpflichtet. Ein solcher Anspruch komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger sich die Leistung beschafft habe, ohne das Ergebnis des Klageverfahrens abzuwarten. Im Übrigen könne nicht festgestellt werden, dass die seinerzeit im Jahre 2003 in der M.-Klinik durchgeführte Kur und damit eine alternative Therapie notwendig gewesen sei. Sie bleibe bei ihrer bisherigen Bewertung, dass zunächst eine umfassende schulmedizinische und interdisziplinäre Diagnostik bei dem Kläger erforderlich gewesen sei; erst danach könne entschieden werden, ob ggf. auch eine alternativ-medizinische Behandlung in Betracht komme. Die Beklagte stützt sich dazu auf die Stellungnahmen von Dr. X., Sozialmedizinischer Dienst, von 28. April 2005 und vom 30. November 2006.
Der Senat hat am 11. Oktober 2007 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten persönlich angehört. In dem Erörterungstermin wurde auf Vorschlag des Senats ein Vergleich zwischen den Beteiligten abgeschlossen, der von der Beklagten widerrufen worden ist. Die Beteiligten haben sich sodann mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten (Band I bis IV) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung des Klägers ist teilweise erfolgreich. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Gießen war entsprechend zu ändern.
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung des überwiegenden Teils der von ihm geltend gemachten Kosten für die von ihm in der Zeit vom 22. Oktober 2003 bis zum 25. November 2003 durchgeführte Rehabilitationskur in der M.-Klinik. Da sich der behauptete Kostenerstattungsanspruch spätestens mit dem Abschluss der Kurmaßnahme im November 2003 realisiert hat, ist die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt maßgeblich. Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist daher § 13 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V in der ab dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung in Verbindung mit § 15 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX vom 19. Juni 2001, in Kraft getreten am 1. Juli 2001.
Nach § 15 S. 4 2. Alt. SGB IX ist ein Rehabilitationsträger u. a. dann erstattungspflichtig, wenn er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kostenerstattungsanspruch tritt dann an die Stelle des durch Zweckerreichung erloschenen (primären) Sachleistungsanspruchs. Dabei muss zwischen den Kosten für die selbst beschaffte Leistung und der Leistungsablehnung durch den Rehabilitationsträger ein Kausalzusammenhang bestehen (§ 15 S. 4 SGB IX entspricht § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V, vgl. insoweit BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R). Entgegen der Auffassung der Beklagten muss der Versicherte indes nicht das Klageverfahren abwarten. Der notwendige Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn der Versicherte vor dem Behandlungsbeginn mit der Krankenkasse Kontakt aufgenommen und deren Entscheidung abgewartet hat. Dies ist vorliegend geschehen.
Die Beklagte hat die Rehabilitationskur zu Unrecht verweigert, denn der Kläger hätte einen Anspruch auf die Sachleistung gehabt. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf die Sachleistung bestimmen sich nach den Leistungsgesetzen des zuständigen Trägers (§ 7 S. 2 SGB IX). Für die im Jahr 2003 von dem Kläger durchgeführte stationäre Rehabilitationskur waren die Voraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 40 SGB V in der vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung erfüllt. Trotz des Wortlautes ("kann") ist § 40 Abs. 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung dabei nicht so zu verstehen, dass er den Krankenkassen einen Ermessensspielraum hinsichtlich des "ob" der Leistungserbringung einräumt (vgl. Wiemers in: jurisPK-SGB V, § 40, Rdnr. 4, m.w.N. und die nunmehr mit Wirkung vom 1. April 2007 geänderte Fassung des § 40 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz).
Medizinische Rehabilitation ist vorliegend erforderlich gewesen, um die in § 11 Abs. 3 SGB V beziehungsweise § 26 Abs. 1 SGB IX beschriebenen Rehabilitationsziele zu erreichen, nämlich um die Beschwerden des multimorbid und chronisch erkrankten Klägers zu mindern, ihm weiterhin ein selbst bestimmtes Leben zu ermöglichen und die drohende Pflegebedürftigkeit aufzuschieben. Für diese Feststellung stützt sich der Senat insbesondere auf die Befundberichte und ärztlichen Stellungnahmen des Facharztes für Innere Medizin Dr. K., und zwar insbesondere auf dessen Ausführungen in den bei Antragstellung beigefügten Attest vom 8. Juli 2000 und in dem Befundbericht vom 18. Juli 2003, auf die ärztlichen Stellungnahmen von Frau Dr. U., u. a. ihre Bescheinigung vom 17. Mai 2004, sowie auf den ärztlichen Schlussbericht der Ärzte der M.-Klinik vom 12. Dezember 2003. Die Ärzte, die den Kläger seit Jahren behandeln, haben überzeugend dessen seelischen und körperlichen Zustand zum Zeitpunkt der Heilmaßnahme geschildert und dargelegt, warum eine ambulante Krankenbehandlung nicht mehr ausreichend gewesen ist. Die von der Beklagten bzw. dem Arzt im MDK Dr. Y. empfohlene Durchführung weiterer Diagnostik hält der Senat angesichts der bekannten Diagnosen und der schon durchgeführten Diagnostik, die aus den Behandlungsunterlagen von Dr. K. ersichtlich ist, sowie auch angesichts des Alters des Klägers nicht mehr für weiterführend.
Zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes war hier eine ambulante Rehabilitation nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht mehr ausreichend. Die behandelnden Ärzte haben überzeugend ausgeführt, dass bei dem komplexen Krankheitsbild und insbesondere der seelischen Erschöpfung und der eingeschränkten Mobilität des Klägers aufgrund des Beinvenenleidens eine stationäre Rehabilitation erforderlich gewesen ist. Auch nach den Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen ist eine stationäre Kur bei stark ausgeprägter Multimorbidität und eingeschränkter Mobilität angezeigt (vgl. Ziff. 4.2 der "Gemeinsamen Rahmenempfehlung für ambulante und stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen auf der Grundlage des § 111a SGB V vom 12. Mai 1999").
Nach Auffassung des Senats ist die Beklagte auch verpflichtet gewesen, die stationäre Rehabilitation in der M.-Klinik zu bewilligen. § 40 Abs. 3 S. 1 SGB V räumt der Krankenkasse zwar hinsichtlich des "Wie" der Leistungserbringung Ermessen ein; sie bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Dieses Auswahlermessen war nach Auffassung des Senats zum Zeitpunkt der Durchführung der Behandlung im Jahr 2003 "auf Null" reduziert. Nach § 9 Abs. 1 SGB IX hat die Krankenkasse berechtigten Wünschen der Versicherten Rechnung zu tragen und insbesondere auch die Lebenssituation, das Alter und sonstige Bedürfnisse des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen. Berechtigte Wünsche bei der Auswahl der Rehabilitationseinrichtung können jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn die gewünschte Einrichtung – wie vorliegend die M.-Klinik – als Rehabilitationseinrichtung zugelassen ist. Dem Wunsch des Klägers auf Aufnahme in der M.-Klinik hätte die Beklagte hier nachkommen müssen. Unstreitig litt der Kläger im Zeitpunkt der von ihm selbst beschafften Leistung an einem komplexen und chronischen Krankheitszustand; schon im Jahr 2000 war ihm von den zuständigen Behörden der Grad der Behinderung von 70 zuerkannt worden. Bei dem komplexen Krankheitsbild mit seelischen und körperlichen Beschwerden versprach der ganzheitliche Therapieansatz in der M.-Klinik Erfolg. Dies ergibt sich aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, aus dem Entlassungsbericht dieser Klinik vom 12. Dezember 2003 sowie aus der Stellungnahme von Dr. F., Chefarzt im Sanatorium F. und der Rehabilitationsklinik F., Facharzt für Allgemeinmedizin und für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Dr. F. hat in seiner von dem Kläger vorgelegten Stellungnahme vom 22. Juni 2004 nach Auswertung der hausärztlichen Befunde des Klägers für die Jahre 1978 bis 2004 nachvollziehbar ausgeführt, gerade die bei dem Kläger vorliegenden Allergien, der Erschöpfungszustand, die hypertone Kreislaufdysregulation, die Wirbelsäulenerkrankung und die Darmfermentschwäche würden gut auf die in der M.-Klinik durchgeführten Heilfastenkuren ansprechen. Die Auffassung der Beklagten, "Fastenkuren" seien bei dem reduzierten Allgemeinzustand des Klägers nicht adäquat, vermag nicht zu überzeugen. Dem Senat leuchten vielmehr die Ausführungen von Frau Dr. U. in ihrer Bescheinigung vom 17. Mai 2004 ein, dass insbesondere angesichts des seelischen Zustandes des Klägers und im Hinblick auf den gewünschten Rehabilitationserfolg die Behandlung in einer Einrichtung erforderlich gewesen ist, die ihm vertraut gewesen ist und in der er wiederholt eine echte Erholung und Stabilisierung erfahren habe. Schließlich sprechen auch Kostenerwägungen, die durchaus ein Auswahlgesichtspunkt sein können, nicht gegen die Leistungserbringung in der M.-Klinik; jedenfalls hat die Beklagte solche Erwägungen zu keinem Zeitpunkt vorgebracht.
Da die im Jahr 2003 von dem Kläger selbstbeschaffte Leistung mehr als vier Jahre nach der letzten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragenen bzw. bezuschussten medizinischen Rehabilitation durchgeführt worden ist, spricht auch nicht das in § 40 Abs. 3 S. 4 SGB V bestimmte Wiederholungsintervall gegen eine Kostenerstattung.
Der von dem Kläger geltend gemachte Erstattungsbetrag ist hinsichtlich der Höhe zu reduzieren um die Zuzahlung, die er nach den Regelungen des § 40 Abs. 5 bis Abs. 7 SGB V an die Rehabilitationseinrichtung hätte leisten müssen und die von der Einrichtung an die Beklagte weiterzuleiten gewesen wäre. Die Kostenerstattung tritt an die Stelle der Sachleistung. Der Kläger kann daher durch die Kostenerstattung nicht besser gestellt werden als im Falle der Sachleistung. Die Zuzahlung als Eigenbeteiligung an den Kosten der Rehabilitation ist daher von dem geltend gemachten Betrag zum Abzug zu bringen.
Der Antrag des Klägers auf Feststellung, die Beklagte haben ihm auch künftig im jährlichen Abstand eine stationäre Rehabilitation in der M.-Klinik zu bewilligen, hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unzulässig, da der Kläger dieses Begehren mit der Leistungs- beziehungsweise Verpflichtungsklage verfolgen kann und die hier erhobene Feststellungsklage nach § 55 SGG insoweit subsidiär ist. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne von § 55 Abs. 1 SGG ergibt sich auch nicht aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte bisher die Kostenerstattung für in der Vergangenheit von dem Kläger auf eigene Kosten durchgeführte Kuren in der M.-Klinik abgelehnt hat. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Hinweise des Senats in diesem Urteil bei der Prüfung künftiger Anträge des Klägers berücksichtigt. Andererseits muss der Beklagten in jedem Einzelfall die Prüfung vorbehalten bleiben, ob die Notwendigkeit beziehungsweise medizinische Dringlichkeit für eine vorgezogene stationäre Rehabilitation außerhalb des in § 40 Abs. 3 S. 4 SGB V bestimmten Wiederholungsintervalls von vier Jahren besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten in Höhe von 4.887,06 EUR für eine von ihm in der Zeit vom 22. Oktober 2003 bis 25. November 2003 durchgeführte Kur in der M.-Klinik in B. Zudem begehrt er festzustellen, dass ihm eine Kur in der betreffenden Klinik von der Beklagten künftig jährlich zu bewilligen ist.
Der 1939 geborene Kläger erhält seit 1985 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Bei dem Kläger, der allein lebt und sich allein versorgt, liegt ein komplexes und chronisches Krankheitsbild vor. Er leidet u. a. an ausgeprägten seelischen Störungen (ausgeprägte Erschöpfung mit Neigung zur Depression), an einer Herzerkrankung (pectanginöse Beschwerden), an einer hypotonen Kreislaufdysregulation mit Kollapsneigung, einer Lungenkrankheit, einer Allergie der Haut und Schleimhäute (Neurodermitis, Psoriaisis, Hautjucken), Wirbelsäulenveränderungen und Gelenkbeschwerden, einer Sehbehinderung, einer Funktionsschwäche der Bauchspeicheldrüse mit funktionellen Magen-Darmbeschwerden und Neigung zu Koliken sowie einem massivem peripheren Lymphstau mit Geschwürbildung im Bereich des linken Unterschenkels. Das Versorgungsamt hatte ihm mit Bescheid vom 23. Februar 2000 einen Grad der Behinderung von 70 zuerkannt; inzwischen ist der Grad der Behinderung auf 80 erhöht worden (Bescheid des Versorgungsamtes vom 5. September 2007).
Vom 2. März 1997 bis zum 30. März 1997 hatte der Kläger zuletzt aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ein stationäres Heilverfahren in der M.-Klinik durchgeführt. Die M.-Klinik ist eine Fachklinik für Naturheilverfahren und ganzheitliche Medizin und als Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung zur Versorgung zugelassen.
Im Juli 2000 beantragte der Kläger erneut eine stationäre Rehabilitationskur in der M. Klinik wegen zunehmenden Kräfteverfalls und drohender Pflegebedürftigkeit und legte dazu eine Bescheinigung seines behandelnden Internisten Dr. K. vom 8. Juli 2000 vor. Der Arzt stellte fest, der Kläger sei schwierig zu therapieren. Die Therapie in der M.-Klinik mit Ruhigstellung der Verdauungsorgane und sodann allergiefreien Nahrungsaufbau sowie die Förderung der Selbstheilungskräfte und Regenerationsfähigkeit sowohl auf körperlicher als auch auf seelischer Ebene sei allein Erfolg versprechend und verhindere eine Verschlechterung des Krankheitszustandes; eine ambulante Heilbehandlung sei dabei nicht mehr ausreichend.
Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung einer Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes mit Bescheid vom 1. August 2000 ab.
Aufgrund des Widerspruchs des Klägers holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes von Dr. X., Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin, vom 9. November 2000 sowie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Hessen (MDK) durch den Arzt im MDK Dr. Y. vom 3. April 2001 ein. Dr. Y. stellte fest, der Kläger sei auf eine eigene Art von Medizin fixiert. Um über die Notwendigkeit der von dem Kläger angestrebten stationären Kur in der M.-Klinik zu entscheiden sei zuvor eine enterologische und gastroenterologische Diagnostik notwendig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2001 wies die Beklagte den Widerspruch aufgrund der ärztlichen Stellungnahmen zurück. Eine stationäre Rehabilitationskur komme aktuell nicht in Betracht; die von dem Kläger in Aussicht genommene Fastenkur sei im Übrigen bei seinem Gesundheitszustand kontraproduktiv.
Der Kläger hat am 23. Juli 2001 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben und geltend gemacht, aufgrund seines komplexen Krankheitsbildes verspreche nur ein stationärer Aufenthalt in der M.-Klinik mit dem dort gegebenen Bio-Klima sowie dem dort angewandten bioenergetischen Therapieansatz eine nachhaltige Verbesserung seines Gesundheitszustandes. Der Kläger legte dazu ein Attest seines behandelnden Arztes Dr. K. vor. Während des Klageverfahrens in der Zeit vom 23. Oktober 2003 bis zum 15. November 2003 führte der Kläger die Kur in der M.-Klinik auf eigene Kosten durch. Zuvor hatte er der Beklagten letztmalig eine Frist gesetzt, seinem Begehren nachzukommen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. K. vom 18. Juli 2003 eingeholt und den Entlassungsbericht in der M.-Klinik vom 12. Dezember 2003 zum Verfahren beigezogen. Mit Urteil vom 2. März 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung sei nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass allein eine Kur in der M.-Klinik bei dem komplexen Krankheitsbild des Klägers Erfolg verspreche.
Der Kläger hat gegen das ihm am 22. März 2004 zugestellte Urteil am 25. März 2004 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Er trägt vor, er habe auch in den Jahren 2004, 2005 und 2006 stationäre Kuren in der M. Klinik auf eigene Kosten durchgeführt. Hinsichtlich der Kostenerstattung seien mehrere Verfahren beim Sozialgericht Gießen anhängig. Finanziell sei er nunmehr nicht mehr in der Lage, die Kosten für diese Heilmaßnahmen zu tragen. Nur durch halbjährige bis einjährige stationäre Kuren nach dem Konzept dieser Klinik könne er indes für eine gewisse Zeit eine Besserung seines Gesundheitszustandes erreichen und ein Abgleiten in die Pflegebedürftigkeit vermeiden. Dazu hat der Kläger u.a. ein Attest seines behandelnden Arztes Dr. K. vom 10. März 2006 sowie Entlassungsberichte aus der M. Klinik vom 13. Juli 2006 und vom 18. Dezember 2006 sowie Atteste seines behandelnden Arztes Dr. U. vom 17. Mai 2004 und vom 24. Juli 2007 vorgelegt. Dr. U. hat ausgeführt, nur durch einen regelmäßigen stationären Aufenthalt in der M.-Klinik würde eine Verschlechterung des komplexen und chronischen Krankheitszustandes vermieden. Dies bestätigt Dr. F., Chefarzt des Sanatoriums F., Klinik für rehabilitative Medizin und Naturheilverfahren, nach Auswertung der hausärztlichen Befunde für die Jahre 1978 bis 2004 in einer von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 22. Juni 2004. Auf den ganzheitlichen Ansatz und die Heilfastenkuren nach dem Konzept der M.-Klinik würden insbesondere die bei dem Kläger vorliegenden Allergien, der Erschöpfungszustand, die hypotone Kreislaufdysregulation, die Wirbelsäulenerkrankung und die Darmfermentschwäche gut ansprechen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten in Höhe von 4.887,046 EUR für die in der Zeit vom 23. Oktober 2003 bis 15. November 2003 durchgeführte stationäre Rehabilitationskur in der M.-Klinik zu erstatten sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm künftig jährlich eine stationäre Rehabilitationskur in der M.-Klinik zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie sei zur Kostenerstattung nicht verpflichtet. Ein solcher Anspruch komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger sich die Leistung beschafft habe, ohne das Ergebnis des Klageverfahrens abzuwarten. Im Übrigen könne nicht festgestellt werden, dass die seinerzeit im Jahre 2003 in der M.-Klinik durchgeführte Kur und damit eine alternative Therapie notwendig gewesen sei. Sie bleibe bei ihrer bisherigen Bewertung, dass zunächst eine umfassende schulmedizinische und interdisziplinäre Diagnostik bei dem Kläger erforderlich gewesen sei; erst danach könne entschieden werden, ob ggf. auch eine alternativ-medizinische Behandlung in Betracht komme. Die Beklagte stützt sich dazu auf die Stellungnahmen von Dr. X., Sozialmedizinischer Dienst, von 28. April 2005 und vom 30. November 2006.
Der Senat hat am 11. Oktober 2007 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten persönlich angehört. In dem Erörterungstermin wurde auf Vorschlag des Senats ein Vergleich zwischen den Beteiligten abgeschlossen, der von der Beklagten widerrufen worden ist. Die Beteiligten haben sich sodann mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten (Band I bis IV) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung des Klägers ist teilweise erfolgreich. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Gießen war entsprechend zu ändern.
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung des überwiegenden Teils der von ihm geltend gemachten Kosten für die von ihm in der Zeit vom 22. Oktober 2003 bis zum 25. November 2003 durchgeführte Rehabilitationskur in der M.-Klinik. Da sich der behauptete Kostenerstattungsanspruch spätestens mit dem Abschluss der Kurmaßnahme im November 2003 realisiert hat, ist die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt maßgeblich. Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist daher § 13 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V in der ab dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung in Verbindung mit § 15 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX vom 19. Juni 2001, in Kraft getreten am 1. Juli 2001.
Nach § 15 S. 4 2. Alt. SGB IX ist ein Rehabilitationsträger u. a. dann erstattungspflichtig, wenn er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kostenerstattungsanspruch tritt dann an die Stelle des durch Zweckerreichung erloschenen (primären) Sachleistungsanspruchs. Dabei muss zwischen den Kosten für die selbst beschaffte Leistung und der Leistungsablehnung durch den Rehabilitationsträger ein Kausalzusammenhang bestehen (§ 15 S. 4 SGB IX entspricht § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V, vgl. insoweit BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R). Entgegen der Auffassung der Beklagten muss der Versicherte indes nicht das Klageverfahren abwarten. Der notwendige Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn der Versicherte vor dem Behandlungsbeginn mit der Krankenkasse Kontakt aufgenommen und deren Entscheidung abgewartet hat. Dies ist vorliegend geschehen.
Die Beklagte hat die Rehabilitationskur zu Unrecht verweigert, denn der Kläger hätte einen Anspruch auf die Sachleistung gehabt. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf die Sachleistung bestimmen sich nach den Leistungsgesetzen des zuständigen Trägers (§ 7 S. 2 SGB IX). Für die im Jahr 2003 von dem Kläger durchgeführte stationäre Rehabilitationskur waren die Voraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 40 SGB V in der vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung erfüllt. Trotz des Wortlautes ("kann") ist § 40 Abs. 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung dabei nicht so zu verstehen, dass er den Krankenkassen einen Ermessensspielraum hinsichtlich des "ob" der Leistungserbringung einräumt (vgl. Wiemers in: jurisPK-SGB V, § 40, Rdnr. 4, m.w.N. und die nunmehr mit Wirkung vom 1. April 2007 geänderte Fassung des § 40 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz).
Medizinische Rehabilitation ist vorliegend erforderlich gewesen, um die in § 11 Abs. 3 SGB V beziehungsweise § 26 Abs. 1 SGB IX beschriebenen Rehabilitationsziele zu erreichen, nämlich um die Beschwerden des multimorbid und chronisch erkrankten Klägers zu mindern, ihm weiterhin ein selbst bestimmtes Leben zu ermöglichen und die drohende Pflegebedürftigkeit aufzuschieben. Für diese Feststellung stützt sich der Senat insbesondere auf die Befundberichte und ärztlichen Stellungnahmen des Facharztes für Innere Medizin Dr. K., und zwar insbesondere auf dessen Ausführungen in den bei Antragstellung beigefügten Attest vom 8. Juli 2000 und in dem Befundbericht vom 18. Juli 2003, auf die ärztlichen Stellungnahmen von Frau Dr. U., u. a. ihre Bescheinigung vom 17. Mai 2004, sowie auf den ärztlichen Schlussbericht der Ärzte der M.-Klinik vom 12. Dezember 2003. Die Ärzte, die den Kläger seit Jahren behandeln, haben überzeugend dessen seelischen und körperlichen Zustand zum Zeitpunkt der Heilmaßnahme geschildert und dargelegt, warum eine ambulante Krankenbehandlung nicht mehr ausreichend gewesen ist. Die von der Beklagten bzw. dem Arzt im MDK Dr. Y. empfohlene Durchführung weiterer Diagnostik hält der Senat angesichts der bekannten Diagnosen und der schon durchgeführten Diagnostik, die aus den Behandlungsunterlagen von Dr. K. ersichtlich ist, sowie auch angesichts des Alters des Klägers nicht mehr für weiterführend.
Zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes war hier eine ambulante Rehabilitation nach § 40 Abs. 1 SGB V nicht mehr ausreichend. Die behandelnden Ärzte haben überzeugend ausgeführt, dass bei dem komplexen Krankheitsbild und insbesondere der seelischen Erschöpfung und der eingeschränkten Mobilität des Klägers aufgrund des Beinvenenleidens eine stationäre Rehabilitation erforderlich gewesen ist. Auch nach den Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen ist eine stationäre Kur bei stark ausgeprägter Multimorbidität und eingeschränkter Mobilität angezeigt (vgl. Ziff. 4.2 der "Gemeinsamen Rahmenempfehlung für ambulante und stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen auf der Grundlage des § 111a SGB V vom 12. Mai 1999").
Nach Auffassung des Senats ist die Beklagte auch verpflichtet gewesen, die stationäre Rehabilitation in der M.-Klinik zu bewilligen. § 40 Abs. 3 S. 1 SGB V räumt der Krankenkasse zwar hinsichtlich des "Wie" der Leistungserbringung Ermessen ein; sie bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Dieses Auswahlermessen war nach Auffassung des Senats zum Zeitpunkt der Durchführung der Behandlung im Jahr 2003 "auf Null" reduziert. Nach § 9 Abs. 1 SGB IX hat die Krankenkasse berechtigten Wünschen der Versicherten Rechnung zu tragen und insbesondere auch die Lebenssituation, das Alter und sonstige Bedürfnisse des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen. Berechtigte Wünsche bei der Auswahl der Rehabilitationseinrichtung können jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn die gewünschte Einrichtung – wie vorliegend die M.-Klinik – als Rehabilitationseinrichtung zugelassen ist. Dem Wunsch des Klägers auf Aufnahme in der M.-Klinik hätte die Beklagte hier nachkommen müssen. Unstreitig litt der Kläger im Zeitpunkt der von ihm selbst beschafften Leistung an einem komplexen und chronischen Krankheitszustand; schon im Jahr 2000 war ihm von den zuständigen Behörden der Grad der Behinderung von 70 zuerkannt worden. Bei dem komplexen Krankheitsbild mit seelischen und körperlichen Beschwerden versprach der ganzheitliche Therapieansatz in der M.-Klinik Erfolg. Dies ergibt sich aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, aus dem Entlassungsbericht dieser Klinik vom 12. Dezember 2003 sowie aus der Stellungnahme von Dr. F., Chefarzt im Sanatorium F. und der Rehabilitationsklinik F., Facharzt für Allgemeinmedizin und für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Dr. F. hat in seiner von dem Kläger vorgelegten Stellungnahme vom 22. Juni 2004 nach Auswertung der hausärztlichen Befunde des Klägers für die Jahre 1978 bis 2004 nachvollziehbar ausgeführt, gerade die bei dem Kläger vorliegenden Allergien, der Erschöpfungszustand, die hypertone Kreislaufdysregulation, die Wirbelsäulenerkrankung und die Darmfermentschwäche würden gut auf die in der M.-Klinik durchgeführten Heilfastenkuren ansprechen. Die Auffassung der Beklagten, "Fastenkuren" seien bei dem reduzierten Allgemeinzustand des Klägers nicht adäquat, vermag nicht zu überzeugen. Dem Senat leuchten vielmehr die Ausführungen von Frau Dr. U. in ihrer Bescheinigung vom 17. Mai 2004 ein, dass insbesondere angesichts des seelischen Zustandes des Klägers und im Hinblick auf den gewünschten Rehabilitationserfolg die Behandlung in einer Einrichtung erforderlich gewesen ist, die ihm vertraut gewesen ist und in der er wiederholt eine echte Erholung und Stabilisierung erfahren habe. Schließlich sprechen auch Kostenerwägungen, die durchaus ein Auswahlgesichtspunkt sein können, nicht gegen die Leistungserbringung in der M.-Klinik; jedenfalls hat die Beklagte solche Erwägungen zu keinem Zeitpunkt vorgebracht.
Da die im Jahr 2003 von dem Kläger selbstbeschaffte Leistung mehr als vier Jahre nach der letzten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragenen bzw. bezuschussten medizinischen Rehabilitation durchgeführt worden ist, spricht auch nicht das in § 40 Abs. 3 S. 4 SGB V bestimmte Wiederholungsintervall gegen eine Kostenerstattung.
Der von dem Kläger geltend gemachte Erstattungsbetrag ist hinsichtlich der Höhe zu reduzieren um die Zuzahlung, die er nach den Regelungen des § 40 Abs. 5 bis Abs. 7 SGB V an die Rehabilitationseinrichtung hätte leisten müssen und die von der Einrichtung an die Beklagte weiterzuleiten gewesen wäre. Die Kostenerstattung tritt an die Stelle der Sachleistung. Der Kläger kann daher durch die Kostenerstattung nicht besser gestellt werden als im Falle der Sachleistung. Die Zuzahlung als Eigenbeteiligung an den Kosten der Rehabilitation ist daher von dem geltend gemachten Betrag zum Abzug zu bringen.
Der Antrag des Klägers auf Feststellung, die Beklagte haben ihm auch künftig im jährlichen Abstand eine stationäre Rehabilitation in der M.-Klinik zu bewilligen, hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unzulässig, da der Kläger dieses Begehren mit der Leistungs- beziehungsweise Verpflichtungsklage verfolgen kann und die hier erhobene Feststellungsklage nach § 55 SGG insoweit subsidiär ist. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers im Sinne von § 55 Abs. 1 SGG ergibt sich auch nicht aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte bisher die Kostenerstattung für in der Vergangenheit von dem Kläger auf eigene Kosten durchgeführte Kuren in der M.-Klinik abgelehnt hat. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Hinweise des Senats in diesem Urteil bei der Prüfung künftiger Anträge des Klägers berücksichtigt. Andererseits muss der Beklagten in jedem Einzelfall die Prüfung vorbehalten bleiben, ob die Notwendigkeit beziehungsweise medizinische Dringlichkeit für eine vorgezogene stationäre Rehabilitation außerhalb des in § 40 Abs. 3 S. 4 SGB V bestimmten Wiederholungsintervalls von vier Jahren besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
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