Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 4 V 56/83
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 519/88
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auch zur Gewährung von Witwenbeihilfe genügt es regelmäßig, wenn der verstorbene Beschädigte dadurch für mindestens 5 Jahre einen Einkommensverlust erlitten hat, daß er frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und sich zur Erlangung einer Altersversorgung auf eine wesentlich durch Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen mußte. Dies gilt auch dann, wenn der Beschädigte in Anwendung von § 1248 Abs. 1 RVO a.F. erst mit Beendigung des 62. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist (Anschluß an BSG, Urteil vom 10. Mai 1994 – 9 RV -14/93 –, in SGb 1995, S. 162 ff).
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. März 1988 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. Oktober 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1983 verurteilt, der Klägerin Witwenbeihilfe nach ihrem verstorbenen Ehemann N. ab Januar 1982 zu gewähren.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung einer Witwenbeihilfe nach § 48 Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die Klägerin ist die Witwe des 1914 geborenen und 1981 gestorbenen Beschädigten N. Dieser war als Soldat der ehemaligen deutschen Wehrmacht am 21. September 1941 so schwer verwundet worden, daß ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden mußte. Mit Umanerkennungsbescheid vom 9. November 1951 erkannte das Versorgungsamt bei dem Beschädigten als Schädigungsfolgen "Verlust des rechten Unterschenkels infolge Minensplitterverletzung” an und gewährte ihm Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. Gleichzeitig gewährte es dem Beschädigten eine Kleiderverschleißzulage. Einen Antrag auf Erhöhung der Beschädigtenrente wegen einer wesentlichen Verschlimmerung oder einen Antrag auf einkommensabhängige Leistungen nach dem BVG stellte der Beschädigte zu Lebzeiten nicht. Am 21. Dezember 1981 verstarb er an den Folgen einer Venenkathedersepsis bei toxisch bedingter Stoffwechselstörung und nachfolgendem Nierenversagen.
Am 14. Januar 1982 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenbeihilfe. Die Ermittlungen des Versorgungsamtes zum beruflichen Werdegang des Beschädigten ergaben folgendes:
Vor der Schädigung erlernte der Beschädigte den Beruf des Bäckers und arbeitete in diesem, bis er im Oktober 1939 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach der Schädigung und dem Ausscheiden aus dem Militärdienst erhielt er ab November 1942 Versehrtengeld, war arbeitslos bis zum 3. Januar 1943 und wurde dann für ein Jahr zum Fotolaboranten umgeschult. In diesem Beruf arbeitete er sodann bei der Firma Foto-H. in R. bis zu seiner Vertreibung aus der damaligen CSSR. Nach seiner Umsiedlung in den Kreis L. nahm er eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Metallindustrie auf. Am 2. August 1976 stellte er einen Antrag auf Gewährung von Altersruhegeld bei der LVA Hessen und berief sich zur Begründung insbesondere auf seine Anerkennung als Schwerbehinderter. Ab 1. Oktober 1976 bezog er flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Schwerbehinderter, der das 62. Lebensjahr vollendet hat.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 1982 lehnte das Versorgungsamt W. die Gewährung von Witwenbeihilfe mit der Begründung ab, die Witwenversorgung sei jedenfalls schädigungsbedingt nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar könne unterstellt werden, daß der Verstorbene seinen erlernten Beruf als Bäcker wegen der anerkannten Schädigungsfolgen habe aufgeben müssen. Jedoch sei er im Jahr 1943 zum Fotolaboranten umgeschult worden und habe diesen Beruf bis zu seiner Aussiedlung ausgeübt. Bis zur Erreichung der Altersgrenze habe er in vollem Umfang bei verschiedenen Firmen gearbeitet. Es könne nach den durchgeführten Überprüfungen nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Schädigungsfolgen derart negativ auf den beruflichen Werdegang ausgewirkt hätten, daß die Hinterbliebenenversorgung erheblich beeinträchtigt sei. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 9. November 1982 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, daß ihr verstorbener Ehemann den Beruf eines Bäckers und Konditors erlernt habe und aufgrund der Schädigungsfolgen nicht mehr habe ausüben können. Er sei nach dem Kriege gezwungen gewesen, die Tätigkeit eines Hilfsarbeiters in der Metallindustrie auszuüben. Es dürfe wohl auf der Hand liegen, daß ein Hilfsarbeiter wesentlich schlechter entlohnt sei als ein Bäcker und Konditor. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1983 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und bezog sich zur Begründung im wesentlichen auf den angegriffenen Bescheid.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. Februar 1983 vor dem Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben. Sie hat ihre Ansicht aufrechterhalten, daß ihr verstorbener Ehemann in seinem erlernten Beruf als Bäcker ein wesentlich höheres Einkommen erzielt hätte und damit auch eine höhere Hinterbliebenenversorgung hätte erarbeiten können als in seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Hilfsarbeiter. Die von der Versorgungsverwaltung selbst errechnete schädigungsbedingte Minderung der Hinterbliebenenrente um 10,83 % sei eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Hinterbliebenenversorgung, die einen Anspruch auf Gewährung einer Witwenbeihilfe begründe.
Mit Urteil vom 25. März 1988 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Voraussetzungen zur Gewährung einer Witwenrente nach § 48 BVG lägen nicht vor. Im vorliegenden Fall sei § 48 BVG in seiner ab 1. Juli 1985 geltenden Fassung anzuwenden, denn § 84 Abs. 3 BVG bestimme, daß die neue Vorschrift auf alle Fälle anzuwenden sei, in denen vor dem 1. Juli 1985 Witwenbeihilfe noch nicht bewilligt worden sei. In der Neufassung werde tabellarisch bestimmt, wann eine "nicht unerhebliche Minderung der Hinterbliebenenversorgung” vorliege. Nach dieser Tabelle müßten gewisse Vom-Hundert-Sätze erfüllt sein, um das Tatbestandsmerkmal einer nicht unerheblichen Minderung zu erfüllen. Nach der Rentenvergleichsberechnung des Versorgungsamtes W. vom 28. Mai 1982 betrage die schädigungsbedingte Minderung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 10,83 %. Das Sozialgericht habe diese Rentenvergleichsberechnung überprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Minderung von ca. 13 % vorliege. Selbst dies sei nach der Tabelle zu § 48 BVG jedoch noch keine erhebliche Minderung. Die Klägerin habe deshalb keinen Anspruch auf Witwenbeihilfe. Etwas anderes könne sich nur dann ergeben, wenn die Klägerin glaubhaft machen würde, daß ihr Ehemann, hätte er die Kriegsbeschädigung nicht erlitten, nicht bereits bei Vollendung des 62. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre, sondern zumindest bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres oder sogar noch länger erwerbstätig gewesen wäre. In diesem Falle würden sich die Zeiträume eines schädigungsbedingten Minderverdienstes über den 8. September 1976 hinaus erstrecken. Dies habe die Klägerin bis zum Abschluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz jedoch nicht vorgetragen, die Klage müsse deshalb abgewiesen werden.
Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 9. April 1988 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 2. Mai 1988 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, sie trägt vor, ihr verstorbener Ehemann hätte ohne die Kriegsverletzung bis zu seinem 65. Lebensjahr gearbeitet. Erst durch das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden sei sie darauf aufmerksam geworden, daß dieser Tatbestand für sie von Bedeutung sein könne. Ihr Mann sei Schwerbeschädigter gewesen und 22 Jahre betriebszugehörig, bei seinem letzten Arbeitgeber als Vertrauensmann der Schwerbeschädigten sei er unkündbar gewesen. Angesichts seiner Beschwerden durch die Kriegsverletzung habe man ihm vorgeschlagen, mit 61 Jahren, also ein Jahr bevor er flexibles Altersruhegeld hätte beziehen können, aufzuhören. Ihr Ehemann habe nach diesem Strohhalm gegriffen, ein Jahr Arbeitslosengeld bezogen und sodann die Rente beantragt. Zum Beweis hierfür legt sie schriftliche Erklärungen der Frau M. M., des A. K. des E. B. und ärztliche Atteste des Hausarztes Dr. M. vor. Dr. M. hat in seinem Attest vom 27. April 1988 die Ansicht vertreten, der Verstorbene sei ein aktiver und lebensfroher Patient gewesen, der bestimmt bis zur Altersgrenze gearbeitet hätte, wäre er nicht durch die Kriegsverletzung daran gehindert gewesen. Außerdem habe er öfters über Phantomschmerzen und Stumpfbeschwerden im Sinne von Durchblutungsstörungen geklagt. In seinem Attest vom 16. Juni 1989 hat er ergänzend dargestellt, der Verstorbene habe infolge erheblicher Phantomschmerzen seinen Beruf nicht mehr ausüben können. Er habe deshalb seine verfrühte Rente beantragt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. März 1988 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. Oktober 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1983 zu verurteilen, ihr Witwenbeihilfe nach ihrem verstorbenen Ehemann N. ab Januar 1982 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Witwenversorgung sei nicht schädigungsbedingt gemindert. Zwar habe der Verstorbene den erlernten Bäckerberuf nicht ausüben können, er sei jedoch zum Fotolaboranten umgeschult worden und habe diesen Beruf nach der Schädigung ausgeübt. Dabei handele es sich um einen sozial und wirtschaftlich zumindest gleichwertigen Beruf. Der spätere Berufswechsel zum Hilfsarbeiter in der Metallindustrie sei nicht schädigungsbedingt erfolgt, sondern aufgrund der Aussiedlung aus der ehemaligen CSSR. Auch habe der Verstorbene keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich gehabt. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei es zwar nicht mehr erforderlich, daß der Beschädigte selbst einen Antrag auf Berufsschadensausgleich gestellt habe. Es müßten lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen klar erkennbar bestanden haben, so daß sich der Verwaltung aufdrängen mußte, daß alle Voraussetzungen erfüllt seien. Im vorliegenden Falle habe jedoch offenkundig kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bestanden. Die Beweiserleichterung des § 48 Abs. 1 Satz 5 BVG greife daher nicht. Insbesondere sei das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit dem 62. Lebensjahr nicht schädigungsbedingt erfolgt. Insoweit legt der Beklagte drei Stellungnahmen seiner Ärztin Dr. von F. vor. In ihrer Stellungnahme vom 15. August 1989 vertritt Frau Dr. von F. die Ansicht, nach dem vorliegenden Akteninhalt könne die Frage nach den Gründen zur Berufsaufgabe nicht beantwortet werden. Dies hat sie in ihrer ärztlichen Stellungnahme vom 16. November 1989 nochmals bekräftigt. In einer weiteren Stellungnahme vom 17. April 1991 vertritt sie die Ansicht, in Auswertung der vorgelegten Krankenunterlagen könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Entschluß zur Berufsaufgabe durch erhebliche, therapiebedürftige Stumpfbeschwerden veranlaßt worden sei. Es seien nämlich zwischen Oktober 1974 und September 1976 nur dreimal Medikamente verordnet worden, die analgetisch/antiphlogistisch wirken würden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts bei dem Hausarzt des Verstorbenen Dr. M., und durch Beiziehung sämtlicher Krankenunterlagen. Weiterhin hat der Senat Unterlagen des Statistischen Bundesamtes zum Durchschnittsverdienst im Bäckerhandwerk beigezogen. Die Einholung von Auskünften bei dem letzten Arbeitgeber des Verstorbenen blieb erfolglos, da dieser nicht mehr besteht.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichts-, Verwaltungs- und Beschädigtenakte des N. sowie auf die Rentenakten der LVA Hessen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 151 Abs. 1, 143 und 148 Sozialgerichtsgesetz –SGG– in der Fassung vom 23. September 1975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1990).
Die Berufung ist sachlich auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. März 1988 und die angegriffenen Bescheide waren aufzuheben, denn die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Witwenbeihilfe.
Zu Recht ist das Sozialgericht zunächst davon ausgegangen, daß § 48 BVG in der ab 1. Juli 1985 in Kraft getretenen Fassung Anwendung findet, denn § 84 Abs. 3 BVG bestimmte, daß die geänderte Vorschrift auf alle Fälle anzuwenden sei, in denen vor dem 1. Juli 1985 Witwenbeihilfe noch nicht bewilligt worden ist. In der nunmehr geltenden Fassung bestimmt § 84 Abs. 1 BVG, daß § 48 BVG in der alten Fassung nur Anwendung findet auf vor dem 1. Juli 1985 bewilligte Witwenbeihilfen. Gemäß § 48 BVG in der hier geltenden Fassung ist Witwenbeihilfe zu gewähren, wenn ein rentenberechtigter Beschädigter nicht an den Folgen der Schädigung gestorben ist, wenn er aber durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die Versorgung seiner Hinterbliebenen um im Gesetz genannte Vom-Hundert-Sätze gemindert ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1). Diese Voraussetzung gilt bei Hinterbliebenen von Schwerbeschädigten als erfüllt, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt des Todes Anspruch auf Beschädigtenrente eines Erwerbsunfähigen oder wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit Anspruch auf eine Pflegezulage oder mindestens fünf Jahre Anspruch auf Berufsschadensausgleich hatte (§ 48 Abs. 1 Satz 5 und 6 BVG). Dabei ist die unwiderlegbare Rechtsvermutung des § 48 Abs. 1 Satz 6 BVG, wonach ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Dauer von fünf Jahren vorliegen muß, nur eine Beweiserleichterung (BSG, Urteil vom 14. Februar 1990 – 9 a/9 RV 4/89 –), so daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Dritten Alternative auch ohne Antrag des Beschädigten vorliegen können, wenn es sich der Verwaltung aufdrängen mußte, daß alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Berufsschadensausgleich für mindestens fünf Jahre vor dem Tod gegeben waren (BSG, Urteil vom 27. Januar 1987 – 9 a RV 6/86). Nach der neuesten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10. Februar 1993 – 9/9 a RV 4/92), welcher der Senat folgt, muß der Anspruch auf den ersten Blick für jeden Kundigen klar erkennbar sein. Insoweit hat das BSG entschieden, daß ein wegen Schädigungsfolgen Schwerbehinderter, der nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausscheidet und vorgezogenes Altersruhegeld erhält, einen schädigungsbedingten Einkommensverlust erleidet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990 in SozR 3100 § 30 Nr. 2). Dies hat das BSG mit Urteil vom 15. Juli 1992 (BSGE 71, 68 ff. = SozR 3100 § 48 Nr. 4) nochmals bekräftigt und ergänzend ausgeführt, daß ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich insoweit auch leicht erkennbar rückschauend gegeben sei, wenn der beschädigte Ehemann als Schwerbeschädigter im Sinne des BVG ab 60 Jahren das vorgezogene Altersruhegeld der Rentenversicherung in Anspruch genommen habe. Das Glaubhaftmachen weiterer Erwerbstätigkeit ohne die Schädigungsfolge werde nur durch eine zu Lebzeiten getroffene Feststellung widerlegt, nach der klar erkennbar sei, daß andere Gesundheitsstörungen als die Schädigungsfolgen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben allein verursacht hätten (BSG a.a.O.). Mit Urteil vom 10. Mai 1994 (in SGb 1995, S. 162 mit Anmerkung von Schroth) hat das BSG die Voraussetzungen für eine Beweiserleichterung noch weiter herabgesetzt und ausgeführt, daß die Schädigungsfolgen schon für das frühzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ursächlich sind, wenn sich der Beschädigte zur gleichzeitigen Erlangung einer Altersversorgung auf eine wesentlich durch Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen muß.
Nach den oben dargestellten Grundsätzen hatte der verstorbene Beschädigte Anspruch auf Berufsschadensausgleich, denn er ist schädigungsbedingt mit dem 62. Lebensjahr aus dem Berufsleben ausgeschieden. Wie aus seinem Rentenantrag an die LVA Hessen vom 2. August 1976 (vgl. Bl. 6 der Rentenakte) hervorgeht, hat er sich zur Begründung wesentlich auf die durch die Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen. Die LVA Hessen hat ihm deshalb mit Bescheid vom 20. Oktober 1976 flexibles Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 1 RVO gewährt. § 1248 Abs. 1 RVO in der damals geltenden Fassung bestimmte, daß flexibles Altersruhegeld auf Antrag Versicherte erhalten, die das 63. Lebensjahr vollendet haben oder die das 62. Lebensjahr vollendet haben und in diesem Zeitpunkt anerkannte Schwerbeschädigte sind. Soweit dem Beschädigten mit Ablauf des 62. Lebensjahres Rente gewährt worden ist, konnte dies nur geschehen, weil er schwerbeschädigt war. Allein weil der Beschädigte sich auf diese Norm berufen hatte, steht fest, daß die Schädigungsfolgen für das vorzeitige Ausscheiden ursächlich waren. Zwar ist dem Beklagten darin zuzustimmen, daß diese von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen nur eine Beweiserleichterung für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs darstellen, der Gegenbeweis kann vorliegend jedoch nicht geführt werden. Insoweit fordert die Rechtsprechung des BSG (BSGE 71, 68), der sich der Senat ausdrücklich anschließt, daß die Glaubhaftmachung weiterer Erwerbstätigkeit ohne die Schädigung nur durch eine zu Lebzeiten getroffene Feststellung widerlegt werden kann, nach der klar erkennbar ist, daß andere Gesundheitsstörungen als die Schädigungsfolgen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben allein verursacht haben. Vorliegend kann nach dem im Berufungsverfahren beim Hausarzt des Beschädigten eingeholten Befundbericht und den beigezogenen Krankenunterlagen zwar nicht eindeutig festgestellt werden, daß die Schädigungsfolgen den Verstorbenen unabdingbar zur Aufgabe seines Berufes gezwungen haben. Insoweit sind ihm Schmerzmittel zur Bekämpfung der Phantomschmerzen nur relativ selten verschrieben worden. Aufgrund dieses Befundberichtes steht aber fest, daß im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Berufsleben keine anderen Gesundheitsstörungen als die Schädigungsfolgen hierfür ursächlich waren. Der geforderte Gegenbeweis kann deshalb nicht geführt werden. Dies geht im Ergebnis auch aus den im Verfahren vom Beklagten eingeführten medizinischen Stellungnahmen der Frau Dr. von F. hervor. Frau Dr. von F. hat keine anderen Gesundheitsstörungen diagnostiziert, sie hat lediglich darauf verwiesen, daß es zweifelhaft sei, ob der Beschädigte wegen der Schädigungsfolgen ausscheiden mußte. Tatsachen oder Anhaltspunkte, die zu weiteren Ermittlungen bezüglich der Führung des Gegenbeweises Anlaß geben würden, hat sie auch nicht vorlegen können. Insoweit ist in Anwendung der Grundsätze des BSG davon auszugehen, daß die Schädigungsfolgen ursächlich für das Ausscheiden waren. Der Beschädigte hatte somit ab 1. Oktober 1976 Anspruch auf Berufsschadensausgleich. Dies mußte für das Versorgungsamt auch leicht erkennbar sein, denn mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1976, beim Versorgungsamt am 27. Oktober 1976 eingegangen, hat die LVA Hessen mitgeteilt, daß der verstorbene Beschädigte Anspruch auf flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 RVO habe. Der Beschädigte hätte auch letztlich Anspruch auf Berufsschadensausgleichsleistungen für mehr als fünf Jahre gehabt, denn er ist erst am 21. Dezember 1981 verstorben. Da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 6 BVG vorliegen, ist der Klägerin Witwenbeihilfe zu gewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung einer Witwenbeihilfe nach § 48 Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die Klägerin ist die Witwe des 1914 geborenen und 1981 gestorbenen Beschädigten N. Dieser war als Soldat der ehemaligen deutschen Wehrmacht am 21. September 1941 so schwer verwundet worden, daß ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden mußte. Mit Umanerkennungsbescheid vom 9. November 1951 erkannte das Versorgungsamt bei dem Beschädigten als Schädigungsfolgen "Verlust des rechten Unterschenkels infolge Minensplitterverletzung” an und gewährte ihm Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. Gleichzeitig gewährte es dem Beschädigten eine Kleiderverschleißzulage. Einen Antrag auf Erhöhung der Beschädigtenrente wegen einer wesentlichen Verschlimmerung oder einen Antrag auf einkommensabhängige Leistungen nach dem BVG stellte der Beschädigte zu Lebzeiten nicht. Am 21. Dezember 1981 verstarb er an den Folgen einer Venenkathedersepsis bei toxisch bedingter Stoffwechselstörung und nachfolgendem Nierenversagen.
Am 14. Januar 1982 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenbeihilfe. Die Ermittlungen des Versorgungsamtes zum beruflichen Werdegang des Beschädigten ergaben folgendes:
Vor der Schädigung erlernte der Beschädigte den Beruf des Bäckers und arbeitete in diesem, bis er im Oktober 1939 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach der Schädigung und dem Ausscheiden aus dem Militärdienst erhielt er ab November 1942 Versehrtengeld, war arbeitslos bis zum 3. Januar 1943 und wurde dann für ein Jahr zum Fotolaboranten umgeschult. In diesem Beruf arbeitete er sodann bei der Firma Foto-H. in R. bis zu seiner Vertreibung aus der damaligen CSSR. Nach seiner Umsiedlung in den Kreis L. nahm er eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Metallindustrie auf. Am 2. August 1976 stellte er einen Antrag auf Gewährung von Altersruhegeld bei der LVA Hessen und berief sich zur Begründung insbesondere auf seine Anerkennung als Schwerbehinderter. Ab 1. Oktober 1976 bezog er flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Schwerbehinderter, der das 62. Lebensjahr vollendet hat.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 1982 lehnte das Versorgungsamt W. die Gewährung von Witwenbeihilfe mit der Begründung ab, die Witwenversorgung sei jedenfalls schädigungsbedingt nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar könne unterstellt werden, daß der Verstorbene seinen erlernten Beruf als Bäcker wegen der anerkannten Schädigungsfolgen habe aufgeben müssen. Jedoch sei er im Jahr 1943 zum Fotolaboranten umgeschult worden und habe diesen Beruf bis zu seiner Aussiedlung ausgeübt. Bis zur Erreichung der Altersgrenze habe er in vollem Umfang bei verschiedenen Firmen gearbeitet. Es könne nach den durchgeführten Überprüfungen nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Schädigungsfolgen derart negativ auf den beruflichen Werdegang ausgewirkt hätten, daß die Hinterbliebenenversorgung erheblich beeinträchtigt sei. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 9. November 1982 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, daß ihr verstorbener Ehemann den Beruf eines Bäckers und Konditors erlernt habe und aufgrund der Schädigungsfolgen nicht mehr habe ausüben können. Er sei nach dem Kriege gezwungen gewesen, die Tätigkeit eines Hilfsarbeiters in der Metallindustrie auszuüben. Es dürfe wohl auf der Hand liegen, daß ein Hilfsarbeiter wesentlich schlechter entlohnt sei als ein Bäcker und Konditor. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1983 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und bezog sich zur Begründung im wesentlichen auf den angegriffenen Bescheid.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. Februar 1983 vor dem Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben. Sie hat ihre Ansicht aufrechterhalten, daß ihr verstorbener Ehemann in seinem erlernten Beruf als Bäcker ein wesentlich höheres Einkommen erzielt hätte und damit auch eine höhere Hinterbliebenenversorgung hätte erarbeiten können als in seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Hilfsarbeiter. Die von der Versorgungsverwaltung selbst errechnete schädigungsbedingte Minderung der Hinterbliebenenrente um 10,83 % sei eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Hinterbliebenenversorgung, die einen Anspruch auf Gewährung einer Witwenbeihilfe begründe.
Mit Urteil vom 25. März 1988 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Voraussetzungen zur Gewährung einer Witwenrente nach § 48 BVG lägen nicht vor. Im vorliegenden Fall sei § 48 BVG in seiner ab 1. Juli 1985 geltenden Fassung anzuwenden, denn § 84 Abs. 3 BVG bestimme, daß die neue Vorschrift auf alle Fälle anzuwenden sei, in denen vor dem 1. Juli 1985 Witwenbeihilfe noch nicht bewilligt worden sei. In der Neufassung werde tabellarisch bestimmt, wann eine "nicht unerhebliche Minderung der Hinterbliebenenversorgung” vorliege. Nach dieser Tabelle müßten gewisse Vom-Hundert-Sätze erfüllt sein, um das Tatbestandsmerkmal einer nicht unerheblichen Minderung zu erfüllen. Nach der Rentenvergleichsberechnung des Versorgungsamtes W. vom 28. Mai 1982 betrage die schädigungsbedingte Minderung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 10,83 %. Das Sozialgericht habe diese Rentenvergleichsberechnung überprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Minderung von ca. 13 % vorliege. Selbst dies sei nach der Tabelle zu § 48 BVG jedoch noch keine erhebliche Minderung. Die Klägerin habe deshalb keinen Anspruch auf Witwenbeihilfe. Etwas anderes könne sich nur dann ergeben, wenn die Klägerin glaubhaft machen würde, daß ihr Ehemann, hätte er die Kriegsbeschädigung nicht erlitten, nicht bereits bei Vollendung des 62. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre, sondern zumindest bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres oder sogar noch länger erwerbstätig gewesen wäre. In diesem Falle würden sich die Zeiträume eines schädigungsbedingten Minderverdienstes über den 8. September 1976 hinaus erstrecken. Dies habe die Klägerin bis zum Abschluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz jedoch nicht vorgetragen, die Klage müsse deshalb abgewiesen werden.
Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 9. April 1988 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 2. Mai 1988 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, sie trägt vor, ihr verstorbener Ehemann hätte ohne die Kriegsverletzung bis zu seinem 65. Lebensjahr gearbeitet. Erst durch das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden sei sie darauf aufmerksam geworden, daß dieser Tatbestand für sie von Bedeutung sein könne. Ihr Mann sei Schwerbeschädigter gewesen und 22 Jahre betriebszugehörig, bei seinem letzten Arbeitgeber als Vertrauensmann der Schwerbeschädigten sei er unkündbar gewesen. Angesichts seiner Beschwerden durch die Kriegsverletzung habe man ihm vorgeschlagen, mit 61 Jahren, also ein Jahr bevor er flexibles Altersruhegeld hätte beziehen können, aufzuhören. Ihr Ehemann habe nach diesem Strohhalm gegriffen, ein Jahr Arbeitslosengeld bezogen und sodann die Rente beantragt. Zum Beweis hierfür legt sie schriftliche Erklärungen der Frau M. M., des A. K. des E. B. und ärztliche Atteste des Hausarztes Dr. M. vor. Dr. M. hat in seinem Attest vom 27. April 1988 die Ansicht vertreten, der Verstorbene sei ein aktiver und lebensfroher Patient gewesen, der bestimmt bis zur Altersgrenze gearbeitet hätte, wäre er nicht durch die Kriegsverletzung daran gehindert gewesen. Außerdem habe er öfters über Phantomschmerzen und Stumpfbeschwerden im Sinne von Durchblutungsstörungen geklagt. In seinem Attest vom 16. Juni 1989 hat er ergänzend dargestellt, der Verstorbene habe infolge erheblicher Phantomschmerzen seinen Beruf nicht mehr ausüben können. Er habe deshalb seine verfrühte Rente beantragt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. März 1988 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. Oktober 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1983 zu verurteilen, ihr Witwenbeihilfe nach ihrem verstorbenen Ehemann N. ab Januar 1982 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Witwenversorgung sei nicht schädigungsbedingt gemindert. Zwar habe der Verstorbene den erlernten Bäckerberuf nicht ausüben können, er sei jedoch zum Fotolaboranten umgeschult worden und habe diesen Beruf nach der Schädigung ausgeübt. Dabei handele es sich um einen sozial und wirtschaftlich zumindest gleichwertigen Beruf. Der spätere Berufswechsel zum Hilfsarbeiter in der Metallindustrie sei nicht schädigungsbedingt erfolgt, sondern aufgrund der Aussiedlung aus der ehemaligen CSSR. Auch habe der Verstorbene keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich gehabt. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei es zwar nicht mehr erforderlich, daß der Beschädigte selbst einen Antrag auf Berufsschadensausgleich gestellt habe. Es müßten lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen klar erkennbar bestanden haben, so daß sich der Verwaltung aufdrängen mußte, daß alle Voraussetzungen erfüllt seien. Im vorliegenden Falle habe jedoch offenkundig kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bestanden. Die Beweiserleichterung des § 48 Abs. 1 Satz 5 BVG greife daher nicht. Insbesondere sei das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit dem 62. Lebensjahr nicht schädigungsbedingt erfolgt. Insoweit legt der Beklagte drei Stellungnahmen seiner Ärztin Dr. von F. vor. In ihrer Stellungnahme vom 15. August 1989 vertritt Frau Dr. von F. die Ansicht, nach dem vorliegenden Akteninhalt könne die Frage nach den Gründen zur Berufsaufgabe nicht beantwortet werden. Dies hat sie in ihrer ärztlichen Stellungnahme vom 16. November 1989 nochmals bekräftigt. In einer weiteren Stellungnahme vom 17. April 1991 vertritt sie die Ansicht, in Auswertung der vorgelegten Krankenunterlagen könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Entschluß zur Berufsaufgabe durch erhebliche, therapiebedürftige Stumpfbeschwerden veranlaßt worden sei. Es seien nämlich zwischen Oktober 1974 und September 1976 nur dreimal Medikamente verordnet worden, die analgetisch/antiphlogistisch wirken würden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts bei dem Hausarzt des Verstorbenen Dr. M., und durch Beiziehung sämtlicher Krankenunterlagen. Weiterhin hat der Senat Unterlagen des Statistischen Bundesamtes zum Durchschnittsverdienst im Bäckerhandwerk beigezogen. Die Einholung von Auskünften bei dem letzten Arbeitgeber des Verstorbenen blieb erfolglos, da dieser nicht mehr besteht.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichts-, Verwaltungs- und Beschädigtenakte des N. sowie auf die Rentenakten der LVA Hessen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 151 Abs. 1, 143 und 148 Sozialgerichtsgesetz –SGG– in der Fassung vom 23. September 1975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1990).
Die Berufung ist sachlich auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. März 1988 und die angegriffenen Bescheide waren aufzuheben, denn die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Witwenbeihilfe.
Zu Recht ist das Sozialgericht zunächst davon ausgegangen, daß § 48 BVG in der ab 1. Juli 1985 in Kraft getretenen Fassung Anwendung findet, denn § 84 Abs. 3 BVG bestimmte, daß die geänderte Vorschrift auf alle Fälle anzuwenden sei, in denen vor dem 1. Juli 1985 Witwenbeihilfe noch nicht bewilligt worden ist. In der nunmehr geltenden Fassung bestimmt § 84 Abs. 1 BVG, daß § 48 BVG in der alten Fassung nur Anwendung findet auf vor dem 1. Juli 1985 bewilligte Witwenbeihilfen. Gemäß § 48 BVG in der hier geltenden Fassung ist Witwenbeihilfe zu gewähren, wenn ein rentenberechtigter Beschädigter nicht an den Folgen der Schädigung gestorben ist, wenn er aber durch die Folgen der Schädigung gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die Versorgung seiner Hinterbliebenen um im Gesetz genannte Vom-Hundert-Sätze gemindert ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1). Diese Voraussetzung gilt bei Hinterbliebenen von Schwerbeschädigten als erfüllt, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt des Todes Anspruch auf Beschädigtenrente eines Erwerbsunfähigen oder wegen nicht nur vorübergehender Hilflosigkeit Anspruch auf eine Pflegezulage oder mindestens fünf Jahre Anspruch auf Berufsschadensausgleich hatte (§ 48 Abs. 1 Satz 5 und 6 BVG). Dabei ist die unwiderlegbare Rechtsvermutung des § 48 Abs. 1 Satz 6 BVG, wonach ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Dauer von fünf Jahren vorliegen muß, nur eine Beweiserleichterung (BSG, Urteil vom 14. Februar 1990 – 9 a/9 RV 4/89 –), so daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Dritten Alternative auch ohne Antrag des Beschädigten vorliegen können, wenn es sich der Verwaltung aufdrängen mußte, daß alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Berufsschadensausgleich für mindestens fünf Jahre vor dem Tod gegeben waren (BSG, Urteil vom 27. Januar 1987 – 9 a RV 6/86). Nach der neuesten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10. Februar 1993 – 9/9 a RV 4/92), welcher der Senat folgt, muß der Anspruch auf den ersten Blick für jeden Kundigen klar erkennbar sein. Insoweit hat das BSG entschieden, daß ein wegen Schädigungsfolgen Schwerbehinderter, der nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausscheidet und vorgezogenes Altersruhegeld erhält, einen schädigungsbedingten Einkommensverlust erleidet (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990 in SozR 3100 § 30 Nr. 2). Dies hat das BSG mit Urteil vom 15. Juli 1992 (BSGE 71, 68 ff. = SozR 3100 § 48 Nr. 4) nochmals bekräftigt und ergänzend ausgeführt, daß ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich insoweit auch leicht erkennbar rückschauend gegeben sei, wenn der beschädigte Ehemann als Schwerbeschädigter im Sinne des BVG ab 60 Jahren das vorgezogene Altersruhegeld der Rentenversicherung in Anspruch genommen habe. Das Glaubhaftmachen weiterer Erwerbstätigkeit ohne die Schädigungsfolge werde nur durch eine zu Lebzeiten getroffene Feststellung widerlegt, nach der klar erkennbar sei, daß andere Gesundheitsstörungen als die Schädigungsfolgen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben allein verursacht hätten (BSG a.a.O.). Mit Urteil vom 10. Mai 1994 (in SGb 1995, S. 162 mit Anmerkung von Schroth) hat das BSG die Voraussetzungen für eine Beweiserleichterung noch weiter herabgesetzt und ausgeführt, daß die Schädigungsfolgen schon für das frühzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ursächlich sind, wenn sich der Beschädigte zur gleichzeitigen Erlangung einer Altersversorgung auf eine wesentlich durch Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen muß.
Nach den oben dargestellten Grundsätzen hatte der verstorbene Beschädigte Anspruch auf Berufsschadensausgleich, denn er ist schädigungsbedingt mit dem 62. Lebensjahr aus dem Berufsleben ausgeschieden. Wie aus seinem Rentenantrag an die LVA Hessen vom 2. August 1976 (vgl. Bl. 6 der Rentenakte) hervorgeht, hat er sich zur Begründung wesentlich auf die durch die Schädigungsfolgen bedingte Schwerbehinderung berufen. Die LVA Hessen hat ihm deshalb mit Bescheid vom 20. Oktober 1976 flexibles Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 1 RVO gewährt. § 1248 Abs. 1 RVO in der damals geltenden Fassung bestimmte, daß flexibles Altersruhegeld auf Antrag Versicherte erhalten, die das 63. Lebensjahr vollendet haben oder die das 62. Lebensjahr vollendet haben und in diesem Zeitpunkt anerkannte Schwerbeschädigte sind. Soweit dem Beschädigten mit Ablauf des 62. Lebensjahres Rente gewährt worden ist, konnte dies nur geschehen, weil er schwerbeschädigt war. Allein weil der Beschädigte sich auf diese Norm berufen hatte, steht fest, daß die Schädigungsfolgen für das vorzeitige Ausscheiden ursächlich waren. Zwar ist dem Beklagten darin zuzustimmen, daß diese von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen nur eine Beweiserleichterung für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs darstellen, der Gegenbeweis kann vorliegend jedoch nicht geführt werden. Insoweit fordert die Rechtsprechung des BSG (BSGE 71, 68), der sich der Senat ausdrücklich anschließt, daß die Glaubhaftmachung weiterer Erwerbstätigkeit ohne die Schädigung nur durch eine zu Lebzeiten getroffene Feststellung widerlegt werden kann, nach der klar erkennbar ist, daß andere Gesundheitsstörungen als die Schädigungsfolgen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben allein verursacht haben. Vorliegend kann nach dem im Berufungsverfahren beim Hausarzt des Beschädigten eingeholten Befundbericht und den beigezogenen Krankenunterlagen zwar nicht eindeutig festgestellt werden, daß die Schädigungsfolgen den Verstorbenen unabdingbar zur Aufgabe seines Berufes gezwungen haben. Insoweit sind ihm Schmerzmittel zur Bekämpfung der Phantomschmerzen nur relativ selten verschrieben worden. Aufgrund dieses Befundberichtes steht aber fest, daß im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Berufsleben keine anderen Gesundheitsstörungen als die Schädigungsfolgen hierfür ursächlich waren. Der geforderte Gegenbeweis kann deshalb nicht geführt werden. Dies geht im Ergebnis auch aus den im Verfahren vom Beklagten eingeführten medizinischen Stellungnahmen der Frau Dr. von F. hervor. Frau Dr. von F. hat keine anderen Gesundheitsstörungen diagnostiziert, sie hat lediglich darauf verwiesen, daß es zweifelhaft sei, ob der Beschädigte wegen der Schädigungsfolgen ausscheiden mußte. Tatsachen oder Anhaltspunkte, die zu weiteren Ermittlungen bezüglich der Führung des Gegenbeweises Anlaß geben würden, hat sie auch nicht vorlegen können. Insoweit ist in Anwendung der Grundsätze des BSG davon auszugehen, daß die Schädigungsfolgen ursächlich für das Ausscheiden waren. Der Beschädigte hatte somit ab 1. Oktober 1976 Anspruch auf Berufsschadensausgleich. Dies mußte für das Versorgungsamt auch leicht erkennbar sein, denn mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1976, beim Versorgungsamt am 27. Oktober 1976 eingegangen, hat die LVA Hessen mitgeteilt, daß der verstorbene Beschädigte Anspruch auf flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 RVO habe. Der Beschädigte hätte auch letztlich Anspruch auf Berufsschadensausgleichsleistungen für mehr als fünf Jahre gehabt, denn er ist erst am 21. Dezember 1981 verstorben. Da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 6 BVG vorliegen, ist der Klägerin Witwenbeihilfe zu gewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
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