Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 3 VG 163/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 VG 6/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 verurteilt, die bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung "Zustand nach Abdominalplastik mit zwei großen quer verlaufenden Narben im Ober- und Unterbauch mit korrigiertem Nabel mit Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich" als durch ein schädigendes Ereignis im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hervorgerufene Gesundheitsstörung festzustellen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat die Hälfte der Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die am 00.00.1954 geborene Klägerin macht einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG), hilfsweise die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge nach diesem Gesetz geltend.
Im Jahre 1987 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 30 aufgrund einer neurotischen Fehlhaltung fest. 1996 erkannte er als weitere Einzelbehinderungen eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule und eine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit jeweils Einzel-GdB-Werten von 10 an. 1998 stellte er fest, dass bei der Klägerin ein GdB von wenigstens 20 nicht mehr vorliege, weil sich die neurotische Fehlhaltung gebessert habe.
Im Jahre 2000 unterzog sich die Klägerin zwei operativen Eingriffen bei dem Gynäkologen Dr. C. (im Folgenden: C.). Es handelte sich dabei um kosmetische Eingriffe in Form einer Fettabsaugung am 13.01.2000 und einer operativen Korrektur einer Fettschürze verbunden mit einer weiteren Fettabsaugung am 20.06.2000. Zum damaligen Zeitpunkt litt die Klägerin an einer Koronarinsuffizienz, einem Bluthochdruck, einer Lungeninsuffizienz, einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus und einer Darmerkrankung. Die Klägerin machte den Arzt vor den Eingriffen auf diese Vorerkrankungen aufmerksam. Der C. wies die Klägerin im Vorfeld der ersten Operation bewusst nicht darauf hin, dass angesichts der vorliegenden Vorerkrankungen mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko während und nach der Operation zu rechnen sei. Dies erfolgte aus finanziellen Motiven, weil der C. befürchtete die Klägerin werde bei ordnungsgemäßer Aufklärung von einer Operation absehen. Die Vornahme eines Aufklärungsgesprächs und einer Einwilligung der Klägerin in den Eingriff sind nicht dokumentiert. Dem C. war während der Operation klar, dass die mündlich erteilte Einwilligung in die Operation mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtsunwirksam war und dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen die Operation entschieden hätte. Er nahm dies zumindest billigend in Kauf. Nach dem Eingriff im Januar 2000 stellten sich bei der Klägerin Komplikationen in Form von Nachblutungen und Kreislaufproblemen ein. Gegen ihren Willen wurde die Klägerin aus der ärztlichen Obhut des C. entlassen. In der Folge entwickelte sich u.a. ein großer Bluterguss im Bauchfettgewebe, welcher schließlich aufplatzte und zu einem 5 x 5 cm großen Hautdefekt führte. Am 20.06.2000 versuchte der C. eine operative Korrektur der weiterhin bestehenden Fettschürze bei der Klägerin vorzunehmen und nahm eine weitere Fettabsaugung vor. Er unterließ es erneut bewusst, die Klägerin über die Risiken dieses Eingriffes aufzuklären, obwohl ihm bewusst war, dass bereits bei der ersten Operation eine Lebensgefahr für die Klägerin hätte eintreten können. Ihm war wiederum klar, bzw. er nahm dies zumindest billigend in Kauf, dass sich die Klägerin bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung gegen den weiteren Eingriff entschieden hätte. Auch nach dem Eingriff am 20.06.2000 kam es nach der Operation zu erheblichen Komplikationen. Die Klägerin wurde auf eigenen Wunsch in das Universitätsklinikum Aachen verbracht. Dort verblieb sie bis zum 1.8.2000 und musste sich einer Revisionsoperation unterziehen, wo u.a. abgestorbenes Gewebe entfernt werden musste. Danach befand sie sich noch 3 Wochen in stationärer medizinischer Rehabilitation. Im Jahre 2003 unterzog sich die Klägerin einer Korrekturoperation im Bauchbereich mit Fettabsaugung und Rekonstruktion im Bauchdeckenbereich.
Das Landgericht Aachen verurteilte den C. wegen der dargestellten Eingriffe zum Nachteil der Klägerin mit rechtskräftigem Urteil vom 17.7.2002 wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten für den Eingriff am 13.01.2000 und zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten wegen des Eingriffes am 20.06.2000 verurteilt. Der C. wurde wegen der zum Nachteil der Klägerin vorgenommenen gefährlichen Körperverletzung und aufgrund weiterer vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 StGB in insgesamt weiteren 39 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.
Am 24.01.2001 stellte die Klägerin einen Antrag auf Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertenrecht. Mit Bescheid vom 27.11.2001 erkannte der Beklagte bei ihr einen GdB von 50 an. Am 26.04.2002 stellte die Klägerin einen weiteren Änderungsantrag. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs in dem Verfahren S 3 SB XXXX beim Sozialgericht Aachen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 18.02.2004 einen GdB von 80 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" an. Er ging dabei unter anderem vom Vorliegen einer Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion (Einzel-GdB 30) und einer Beeinträchtigung der Verdauungsorgane mit der Folge einer ständigen abdominellen Schmerzsymptomatik und der Notwendigkeit einer operativen Revision (Einzel-GdB 50) aus.
Am 22.11.2003 stellte die Klägerin einen Antrag nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Der Beklagte zog das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17.07.2002 (Az ... 61 KLs /42 Js 1109/00 – 2/02 bei. Mit Bescheid vom 09.01.2004 lehnte er den Antrag nach dem OEG ab. Zwar habe das Landgericht Aachen den C. wegen der an der Klägerin vorgenommenen Eingriffe wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dennoch lägen die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht vor. § 1 OEG verlange einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff. Unter einem tätlichen Angriff sei die Einwirkung feindseliger Willensrichtung zu verstehen, die unmittelbar auf den Körper des Angegriffenen ziele. Hierfür sei erforderlich, dass dem Verhältnis des Täters zu seinem Opfer objektiv eine feindselige Tendenz innewohne. Es fehle an einer objektiv feindseligen Tendenz. Das OEG bezwecke ausschließlich die Entschädigung von Kriminalitätsopfern, die vom Staat trotz des von diesem in Anspruch genommenen Gewaltmonopols im Einzelfall nicht ausreichend geschützt werden konnten. Der Staat schütze seine Bürger vor Kriminalität durch seine Polizeikräfte. Nur wenn dieser Polizeischutz im Einzelfall versage, greife das OEG ein. Vorliegend handele es sich um einen mehrfachen Kunstfehler, der naturgemäß nicht durch den polizeilichen Schutz gedeckt sei, so dass es an einer feindseligen Tendenz i.S. des OEG fehle.
Den nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 22.06.2004 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 21.07.2004 erhobene Klage. Zu deren Begründung trägt die Klägerin vor, dass es sich bei beiden Eingriffen des C. um vorsätzliche rechtswidrige Angriffe gegenüber der Klägerin i.S. des OEG gehandelt haben.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09. 01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 zu verurteilen, für die Zeit ab Antragstellung Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einer MdE von mindestens 25 v.H. zu gewähren, hilwsweise den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass bei ihr Gesundheitsstörungen vorliegen, die ursächlich durch schädigenden Ereingnisse i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hervorgerufen worden sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass die im Rahmen der Operationen begangenen ärztlichen Kunst- und Behandlungsfehler lediglich fahrlässig vorgenommen worden seien. Der Vorwurf des Vorsatzes ergebe sich ausschließlich daraus, dass der Arzt den ihm obliegenden Aufklärungspflichten bewusst nicht nachgekommen sei. Es handelt sich dabei um eine reine Unterlassung, aus der sich die für eine Entschädigung nach dem OEG erforderliche feindselige Willensrichtung nicht entnehmen lasse.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Krankenunterlagen von der Gynäkologin N. dem Neurologen und Psychiater Dr. E. dem Allgemeinmediziner Dr. EE., der Psychiaterin Dr. N.und der Behandlungsunterlagen aus der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin des Universitätsklinikums B. Es hat ein Gutachten von dem Internisten und Gastroenterologen Dr. P. vom 24.08.2006 und ein Gutachten von der Neurologin und Psychiaterin Dr. N. vom 14.03.2006. eingeholt. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Vorprozessakte S XXXXXXund der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 09.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Bescheide sind rechtswidrig, weil es der Beklagte zu Unrecht abgelehnt hat, die bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung "Zustand nach Abdominalplastik mit zwei großen quer verlaufenden Narben im Ober- und Unterbauch mit korrigiertem Nabel mit Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich" als eine durch ein schädigendes Ereignis im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hervorgerufene Gesundheitsstörung festzustellen. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung von Versorgungsleistungen, weil die bei ihr vorliegenden schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen keine MdE von mindestens 25 v. H. erreichen.
Die genannte Gesundheitsstörung ist eine Schädigungsfolge im Sinne des OEG
Gemäß § 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, Versorgung für die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung. Dazu zählen auch die kostenlose Gesundheitsbehandlung (§ ...), die bereits ab einer MdE von 10 gewährt wird.
Die durch den C. am 13.01.2000 und 20.06.2000 durchgeführten Eingriffen, die ohne eine wirksame Einwilligung von Seiten der Klägerin und ohne die für diese Eingriffe erforderliche ärztliche Qualifikation erfolgt sind, stellen vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriffe i.S. von § 1 OEG dar.
Bei den von B. durchgeführten Eingriffen handelt es sich tatbestandlich um Körperverletzungshandlungen wie sie Voraussetzung für eine Strafbarkeit gemäß gemäß § 223 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) und § 230 (fahrlässige Körperverletzung) sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) erfüllt jeder ärztliche Heileingriff grundsätzlich den äußeren Tatbestand eine Körperverletzung im Sinne von §§ 223, 230 StGB (seit BGH, Urt. v. 10.07.1994, Az. VI ZR 45/54). Sofern eine wirksame Einwilligung nicht vorliegt ist diese Körperverletzung auch rechtswidrig (BGH a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Die Einwilligung war unwirksam, weil der C. die Klägerin nicht über die spezifischen Risiken und Erfolgsaussichten der betreffenden Eingriff informiert hatte. Die Körperverletzung ist vorliegend sogar als vorsätzlich zu qualifizieren, weil der B. es bewusst vermieden hatte, die Klägerin auf Risiken und mögliche Komplikationen der geplanten Eingriffe hinzuweisen und die Klägerin überdies auch über seine Befähigung zur Durchführung der entsprechenden Operationen getäuscht hatte. Die Kammer schließt sich bei dieser Bewertung in vollem Umfang der überzeugenden Beurteilung durch das Landgericht Aachen im rechtskräftigen Strafurteil gegen den C. an.
Es handelt sich bei dem Verhalten des C. auch um einen tätlichen Angriff i.S. von § 1 OEG. Unter einem tätlichen Angriff in diesem Sinne ist eine Einwirkung in feindlicher Willensrichtung zu verstehen, die unmittelbar auf den Körper des Angegriffenen zielt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht , Urteil vom 16.3.1990, Az.: L 10 VG 1/89). Es ist hierbei ausreichend, dass dem Verhältnis des Täters zum Opfer objektiv eine feindliche Tendenz innewohnt (vgl. Kommentar zum Opferentschädigungsgesetz, Kunz-Zellner § 1 Rn 10). Ein Einwirken, welches unmittelbar auf den Körper der Klägerin wirkt, ist mit den Eingriffen vom 13.01.2000 und 20.06.2000 gegeben. Diese Einwirkung ist auch in objektiv feindlicher Willensrichtung erfolgt. Grundsätzlich haben Eingriffe, die in die körperliche Integrität eines anderen eingreifen, die Tendenz, diesen zum bloßen Objekt herabzuwürdigen und missachten damit seine Persönlichkeit. Sie sind somit als feindselig anzusehen (vgl. Bayerisches LSG a.a.O., Kunz/Zellner OEG a.a.O. Hiervon abweichend sind Eingriffe in die körperliche Integrität, die als regelrecht ausgeführte ärztliche Maßnahmen erfolgen und denen eine Einwilligung des Betroffenen zu Grunde liegt, regelmäßig nicht als tätlicher Angriff in diesem Sinne zu bewerten. Insoweit fehlt es normalerweise an der objektiv feindlichen Willensrichtung. Denn derjenige, der zu einem ärztlichen Eingriff auf Grund ordnungsgemäßer Aufklärung seine Einwilligung erteilt, ist nicht bloßes Objekt, sondern begibt sich auf Grund eine bewussten und nach Abwägung aller maßgeblichen für und gegen den Eingriff sprechenden Gesichtspunkte in die Hände des Arztes. Anders liegt es jedoch hier. Der C ... täuschte die Klägerin bewußt, vor allem aus finanziellen Motiven, über die Risiken des Eingriffs getäuscht und veranlasste die Klägerin dadurch, die Einwilligung zu den Eingriffen zu erteilen. der bei der Durchführung der Engriffe bewusst war, dass eine rechtswirksame Einwilligung nicht vorlag. Auch vor der Durchführung des zweiten Eingriffs unterliess es der C ... bewusst, die Klägerin über die erheblichen Risiken eines weiteren Eingriffs aufzuklären, und dies obwohl ihm nach dem ersten Eingriff klar war, dass wiederum die Gefahr lebensgefährlicher Komplikationen drohte. Es war dem C ... erneut klar, bzw. wurde von ihm billigend in Kauf genommen, dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung in Kenntnis der tatsächlichen Risiken gegen die Operation entschieden hätte. Dieses Verhalten des C. stellt eine gravierende Missachtung der Persönlichkeit der Klägerin dar. Durch sein vorsätzliches Vorgehen machte der B. die Klägerin zu einem bewusst zu einem bloßen Objekt seines Willens und hinderte die Klägerin bewusst daran, sich und ihre körperliche Integrität zu schützen. Hieraus ergibt sich eine objektiv feindselige Tendenz im Verhältnis des B. zur Klägerin.
Eine Versorgung der Klägerin ist auch nicht aus sonstigen Gründen unbillig (§ 2 Abs. 1 2. Alt. OEG). Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten, dass das OEG nur der Entschädigung von Kriminalitätsopfern diene, die vom Staat durch Polizeischutz nicht ausreichend geschützt werden konnten und ärztliche Kunstfehler "naturgemäß" nicht durch polizeilichen Schutz gedeckt und somit nicht durch das OEG entschädigt werden können. Für eine derartige Einschränkung findet sich im Gesetz kein Anhalt. Zuzustimmen ist dem Beklagten allerdings insoweit, als ein ärztlicher "Kunstfehler" in der Regel nicht zu einem Entschädigungsanspruch nach dem OEG führen kann. Der Beklagte verkennt jedoch, dass dies nicht in der Einschätzung begründet liegt, dass vorwerfbares ärztliches Fehlverhalten nicht durch polizeilichen Schutz gedeckt ist. Vielmehr zeigt die Vielzahl der gegen Ärzte infolge Fehlverhaltens in Ausübung der ärztlichen Tätigkeit geführten Ermittlungs- und Gerichtsverfahren, dass dies selbstverständlich der Fall ist. Ein Entschädigungsanspruch nach dem OEG scheidet beim Vorliegen eines vorwerfbaren ärztlichen Behandlungsfehlers jedoch regelmäßig deswegen aus, weil es sich fast immer nur um fahrlässig begangene Delikte (fahrlässige Körperverletzung/ fahrlässige Tötung) handelt. Der Vorwurf eines vorsätzlichen Handelns ist einem Arzt hingegen ausnahmsweise nur dann zu machen, wenn dieser entweder bewusst einen Eingriff entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst durchführt oder aber, wie hier, bewusst einen Patienten bei der Aufklärung über den Eingriff täuscht. Der Beklagte verkennt weiter, dass sich die Fälle des vorsätzlichen und des fahrlässigen ärztlichen Fehlverhaltens nicht nur hinsichtlich ihrer Strafbarkeit voneinander grundlegend unterscheiden, sondern auch in Bezug auf das OEG unterschiedlich zu beurteilen sind. Denn nur in den Fällen in denen ein Arzt vorsätzlich über die Risiken einer Operation täuscht und sich hierdurch eine Einwilligung bewusst "erschleicht" würdigt er seinen Patienten zum bloßen Objekt seines Willens herab und missachtet dessen Persönlichkeit. Ausschließlich in derartigen Fällen liegt ein tätlicher Angriff im Sinne einer Einwirkung in objektiv feindlicher Willensrichtung vor. Dies ist bei einem bloß fahrlässigen Verhalten eines Arztes, der sich nur über den Umfang seiner Aufklärungsverpflichtung in vorwerfbarer Weise täuscht, nicht der Fall. In einem solchen Fall setzt sich der Arzt nicht bewusst über einen entgegenstehenden Willen des Patienten hinweg und missachtet dessen Persönlichkeit damit nicht.
Die Klägerin hat durch den Angriff auch unstreitig eine gesundheitliche Schädigung erlitten und leidet noch heute an den gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung. Bei ihr liegt in Folge des schädigenden Eingriffs als Gesundheitsstörung ein "Zustand nach Abdominalplastik mit zwei großen quer verlaufenden Narben im Ober- und Unterbauch mit korrigiertem Nabel mit Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich" vor. Diese Gesundheitstörung ist mit einer MdE von 10 zu bewerten. Dies entnimmt die Kammer den eingeholten Gutachten von Dr. P. und Dr. N ... Die von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen überzeugen die Kammer. Sie beruhen auf Feststellungen die von erfahrenen medizinischen Sachverständigen aufgrund von umfangreichen Untersuchungen erstellt wurden und an deren Richtigkeit sie im Ergebnis keinen Zweifel hat.
Tatbestand:
Die am 00.00.1954 geborene Klägerin macht einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG), hilfsweise die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge nach diesem Gesetz geltend.
Im Jahre 1987 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 30 aufgrund einer neurotischen Fehlhaltung fest. 1996 erkannte er als weitere Einzelbehinderungen eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule und eine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit jeweils Einzel-GdB-Werten von 10 an. 1998 stellte er fest, dass bei der Klägerin ein GdB von wenigstens 20 nicht mehr vorliege, weil sich die neurotische Fehlhaltung gebessert habe.
Im Jahre 2000 unterzog sich die Klägerin zwei operativen Eingriffen bei dem Gynäkologen Dr. C. (im Folgenden: C.). Es handelte sich dabei um kosmetische Eingriffe in Form einer Fettabsaugung am 13.01.2000 und einer operativen Korrektur einer Fettschürze verbunden mit einer weiteren Fettabsaugung am 20.06.2000. Zum damaligen Zeitpunkt litt die Klägerin an einer Koronarinsuffizienz, einem Bluthochdruck, einer Lungeninsuffizienz, einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus und einer Darmerkrankung. Die Klägerin machte den Arzt vor den Eingriffen auf diese Vorerkrankungen aufmerksam. Der C. wies die Klägerin im Vorfeld der ersten Operation bewusst nicht darauf hin, dass angesichts der vorliegenden Vorerkrankungen mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko während und nach der Operation zu rechnen sei. Dies erfolgte aus finanziellen Motiven, weil der C. befürchtete die Klägerin werde bei ordnungsgemäßer Aufklärung von einer Operation absehen. Die Vornahme eines Aufklärungsgesprächs und einer Einwilligung der Klägerin in den Eingriff sind nicht dokumentiert. Dem C. war während der Operation klar, dass die mündlich erteilte Einwilligung in die Operation mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtsunwirksam war und dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen die Operation entschieden hätte. Er nahm dies zumindest billigend in Kauf. Nach dem Eingriff im Januar 2000 stellten sich bei der Klägerin Komplikationen in Form von Nachblutungen und Kreislaufproblemen ein. Gegen ihren Willen wurde die Klägerin aus der ärztlichen Obhut des C. entlassen. In der Folge entwickelte sich u.a. ein großer Bluterguss im Bauchfettgewebe, welcher schließlich aufplatzte und zu einem 5 x 5 cm großen Hautdefekt führte. Am 20.06.2000 versuchte der C. eine operative Korrektur der weiterhin bestehenden Fettschürze bei der Klägerin vorzunehmen und nahm eine weitere Fettabsaugung vor. Er unterließ es erneut bewusst, die Klägerin über die Risiken dieses Eingriffes aufzuklären, obwohl ihm bewusst war, dass bereits bei der ersten Operation eine Lebensgefahr für die Klägerin hätte eintreten können. Ihm war wiederum klar, bzw. er nahm dies zumindest billigend in Kauf, dass sich die Klägerin bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung gegen den weiteren Eingriff entschieden hätte. Auch nach dem Eingriff am 20.06.2000 kam es nach der Operation zu erheblichen Komplikationen. Die Klägerin wurde auf eigenen Wunsch in das Universitätsklinikum Aachen verbracht. Dort verblieb sie bis zum 1.8.2000 und musste sich einer Revisionsoperation unterziehen, wo u.a. abgestorbenes Gewebe entfernt werden musste. Danach befand sie sich noch 3 Wochen in stationärer medizinischer Rehabilitation. Im Jahre 2003 unterzog sich die Klägerin einer Korrekturoperation im Bauchbereich mit Fettabsaugung und Rekonstruktion im Bauchdeckenbereich.
Das Landgericht Aachen verurteilte den C. wegen der dargestellten Eingriffe zum Nachteil der Klägerin mit rechtskräftigem Urteil vom 17.7.2002 wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten für den Eingriff am 13.01.2000 und zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten wegen des Eingriffes am 20.06.2000 verurteilt. Der C. wurde wegen der zum Nachteil der Klägerin vorgenommenen gefährlichen Körperverletzung und aufgrund weiterer vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 StGB in insgesamt weiteren 39 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.
Am 24.01.2001 stellte die Klägerin einen Antrag auf Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertenrecht. Mit Bescheid vom 27.11.2001 erkannte der Beklagte bei ihr einen GdB von 50 an. Am 26.04.2002 stellte die Klägerin einen weiteren Änderungsantrag. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs in dem Verfahren S 3 SB XXXX beim Sozialgericht Aachen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 18.02.2004 einen GdB von 80 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" an. Er ging dabei unter anderem vom Vorliegen einer Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion (Einzel-GdB 30) und einer Beeinträchtigung der Verdauungsorgane mit der Folge einer ständigen abdominellen Schmerzsymptomatik und der Notwendigkeit einer operativen Revision (Einzel-GdB 50) aus.
Am 22.11.2003 stellte die Klägerin einen Antrag nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Der Beklagte zog das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17.07.2002 (Az ... 61 KLs /42 Js 1109/00 – 2/02 bei. Mit Bescheid vom 09.01.2004 lehnte er den Antrag nach dem OEG ab. Zwar habe das Landgericht Aachen den C. wegen der an der Klägerin vorgenommenen Eingriffe wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dennoch lägen die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht vor. § 1 OEG verlange einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff. Unter einem tätlichen Angriff sei die Einwirkung feindseliger Willensrichtung zu verstehen, die unmittelbar auf den Körper des Angegriffenen ziele. Hierfür sei erforderlich, dass dem Verhältnis des Täters zu seinem Opfer objektiv eine feindselige Tendenz innewohne. Es fehle an einer objektiv feindseligen Tendenz. Das OEG bezwecke ausschließlich die Entschädigung von Kriminalitätsopfern, die vom Staat trotz des von diesem in Anspruch genommenen Gewaltmonopols im Einzelfall nicht ausreichend geschützt werden konnten. Der Staat schütze seine Bürger vor Kriminalität durch seine Polizeikräfte. Nur wenn dieser Polizeischutz im Einzelfall versage, greife das OEG ein. Vorliegend handele es sich um einen mehrfachen Kunstfehler, der naturgemäß nicht durch den polizeilichen Schutz gedeckt sei, so dass es an einer feindseligen Tendenz i.S. des OEG fehle.
Den nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 22.06.2004 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 21.07.2004 erhobene Klage. Zu deren Begründung trägt die Klägerin vor, dass es sich bei beiden Eingriffen des C. um vorsätzliche rechtswidrige Angriffe gegenüber der Klägerin i.S. des OEG gehandelt haben.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09. 01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 zu verurteilen, für die Zeit ab Antragstellung Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einer MdE von mindestens 25 v.H. zu gewähren, hilwsweise den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass bei ihr Gesundheitsstörungen vorliegen, die ursächlich durch schädigenden Ereingnisse i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hervorgerufen worden sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass die im Rahmen der Operationen begangenen ärztlichen Kunst- und Behandlungsfehler lediglich fahrlässig vorgenommen worden seien. Der Vorwurf des Vorsatzes ergebe sich ausschließlich daraus, dass der Arzt den ihm obliegenden Aufklärungspflichten bewusst nicht nachgekommen sei. Es handelt sich dabei um eine reine Unterlassung, aus der sich die für eine Entschädigung nach dem OEG erforderliche feindselige Willensrichtung nicht entnehmen lasse.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Krankenunterlagen von der Gynäkologin N. dem Neurologen und Psychiater Dr. E. dem Allgemeinmediziner Dr. EE., der Psychiaterin Dr. N.und der Behandlungsunterlagen aus der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin des Universitätsklinikums B. Es hat ein Gutachten von dem Internisten und Gastroenterologen Dr. P. vom 24.08.2006 und ein Gutachten von der Neurologin und Psychiaterin Dr. N. vom 14.03.2006. eingeholt. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Vorprozessakte S XXXXXXund der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 09.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2004 im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Bescheide sind rechtswidrig, weil es der Beklagte zu Unrecht abgelehnt hat, die bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung "Zustand nach Abdominalplastik mit zwei großen quer verlaufenden Narben im Ober- und Unterbauch mit korrigiertem Nabel mit Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich" als eine durch ein schädigendes Ereignis im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hervorgerufene Gesundheitsstörung festzustellen. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung von Versorgungsleistungen, weil die bei ihr vorliegenden schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen keine MdE von mindestens 25 v. H. erreichen.
Die genannte Gesundheitsstörung ist eine Schädigungsfolge im Sinne des OEG
Gemäß § 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, Versorgung für die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung. Dazu zählen auch die kostenlose Gesundheitsbehandlung (§ ...), die bereits ab einer MdE von 10 gewährt wird.
Die durch den C. am 13.01.2000 und 20.06.2000 durchgeführten Eingriffen, die ohne eine wirksame Einwilligung von Seiten der Klägerin und ohne die für diese Eingriffe erforderliche ärztliche Qualifikation erfolgt sind, stellen vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriffe i.S. von § 1 OEG dar.
Bei den von B. durchgeführten Eingriffen handelt es sich tatbestandlich um Körperverletzungshandlungen wie sie Voraussetzung für eine Strafbarkeit gemäß gemäß § 223 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) und § 230 (fahrlässige Körperverletzung) sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) erfüllt jeder ärztliche Heileingriff grundsätzlich den äußeren Tatbestand eine Körperverletzung im Sinne von §§ 223, 230 StGB (seit BGH, Urt. v. 10.07.1994, Az. VI ZR 45/54). Sofern eine wirksame Einwilligung nicht vorliegt ist diese Körperverletzung auch rechtswidrig (BGH a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Die Einwilligung war unwirksam, weil der C. die Klägerin nicht über die spezifischen Risiken und Erfolgsaussichten der betreffenden Eingriff informiert hatte. Die Körperverletzung ist vorliegend sogar als vorsätzlich zu qualifizieren, weil der B. es bewusst vermieden hatte, die Klägerin auf Risiken und mögliche Komplikationen der geplanten Eingriffe hinzuweisen und die Klägerin überdies auch über seine Befähigung zur Durchführung der entsprechenden Operationen getäuscht hatte. Die Kammer schließt sich bei dieser Bewertung in vollem Umfang der überzeugenden Beurteilung durch das Landgericht Aachen im rechtskräftigen Strafurteil gegen den C. an.
Es handelt sich bei dem Verhalten des C. auch um einen tätlichen Angriff i.S. von § 1 OEG. Unter einem tätlichen Angriff in diesem Sinne ist eine Einwirkung in feindlicher Willensrichtung zu verstehen, die unmittelbar auf den Körper des Angegriffenen zielt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht , Urteil vom 16.3.1990, Az.: L 10 VG 1/89). Es ist hierbei ausreichend, dass dem Verhältnis des Täters zum Opfer objektiv eine feindliche Tendenz innewohnt (vgl. Kommentar zum Opferentschädigungsgesetz, Kunz-Zellner § 1 Rn 10). Ein Einwirken, welches unmittelbar auf den Körper der Klägerin wirkt, ist mit den Eingriffen vom 13.01.2000 und 20.06.2000 gegeben. Diese Einwirkung ist auch in objektiv feindlicher Willensrichtung erfolgt. Grundsätzlich haben Eingriffe, die in die körperliche Integrität eines anderen eingreifen, die Tendenz, diesen zum bloßen Objekt herabzuwürdigen und missachten damit seine Persönlichkeit. Sie sind somit als feindselig anzusehen (vgl. Bayerisches LSG a.a.O., Kunz/Zellner OEG a.a.O. Hiervon abweichend sind Eingriffe in die körperliche Integrität, die als regelrecht ausgeführte ärztliche Maßnahmen erfolgen und denen eine Einwilligung des Betroffenen zu Grunde liegt, regelmäßig nicht als tätlicher Angriff in diesem Sinne zu bewerten. Insoweit fehlt es normalerweise an der objektiv feindlichen Willensrichtung. Denn derjenige, der zu einem ärztlichen Eingriff auf Grund ordnungsgemäßer Aufklärung seine Einwilligung erteilt, ist nicht bloßes Objekt, sondern begibt sich auf Grund eine bewussten und nach Abwägung aller maßgeblichen für und gegen den Eingriff sprechenden Gesichtspunkte in die Hände des Arztes. Anders liegt es jedoch hier. Der C ... täuschte die Klägerin bewußt, vor allem aus finanziellen Motiven, über die Risiken des Eingriffs getäuscht und veranlasste die Klägerin dadurch, die Einwilligung zu den Eingriffen zu erteilen. der bei der Durchführung der Engriffe bewusst war, dass eine rechtswirksame Einwilligung nicht vorlag. Auch vor der Durchführung des zweiten Eingriffs unterliess es der C ... bewusst, die Klägerin über die erheblichen Risiken eines weiteren Eingriffs aufzuklären, und dies obwohl ihm nach dem ersten Eingriff klar war, dass wiederum die Gefahr lebensgefährlicher Komplikationen drohte. Es war dem C ... erneut klar, bzw. wurde von ihm billigend in Kauf genommen, dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung in Kenntnis der tatsächlichen Risiken gegen die Operation entschieden hätte. Dieses Verhalten des C. stellt eine gravierende Missachtung der Persönlichkeit der Klägerin dar. Durch sein vorsätzliches Vorgehen machte der B. die Klägerin zu einem bewusst zu einem bloßen Objekt seines Willens und hinderte die Klägerin bewusst daran, sich und ihre körperliche Integrität zu schützen. Hieraus ergibt sich eine objektiv feindselige Tendenz im Verhältnis des B. zur Klägerin.
Eine Versorgung der Klägerin ist auch nicht aus sonstigen Gründen unbillig (§ 2 Abs. 1 2. Alt. OEG). Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten, dass das OEG nur der Entschädigung von Kriminalitätsopfern diene, die vom Staat durch Polizeischutz nicht ausreichend geschützt werden konnten und ärztliche Kunstfehler "naturgemäß" nicht durch polizeilichen Schutz gedeckt und somit nicht durch das OEG entschädigt werden können. Für eine derartige Einschränkung findet sich im Gesetz kein Anhalt. Zuzustimmen ist dem Beklagten allerdings insoweit, als ein ärztlicher "Kunstfehler" in der Regel nicht zu einem Entschädigungsanspruch nach dem OEG führen kann. Der Beklagte verkennt jedoch, dass dies nicht in der Einschätzung begründet liegt, dass vorwerfbares ärztliches Fehlverhalten nicht durch polizeilichen Schutz gedeckt ist. Vielmehr zeigt die Vielzahl der gegen Ärzte infolge Fehlverhaltens in Ausübung der ärztlichen Tätigkeit geführten Ermittlungs- und Gerichtsverfahren, dass dies selbstverständlich der Fall ist. Ein Entschädigungsanspruch nach dem OEG scheidet beim Vorliegen eines vorwerfbaren ärztlichen Behandlungsfehlers jedoch regelmäßig deswegen aus, weil es sich fast immer nur um fahrlässig begangene Delikte (fahrlässige Körperverletzung/ fahrlässige Tötung) handelt. Der Vorwurf eines vorsätzlichen Handelns ist einem Arzt hingegen ausnahmsweise nur dann zu machen, wenn dieser entweder bewusst einen Eingriff entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst durchführt oder aber, wie hier, bewusst einen Patienten bei der Aufklärung über den Eingriff täuscht. Der Beklagte verkennt weiter, dass sich die Fälle des vorsätzlichen und des fahrlässigen ärztlichen Fehlverhaltens nicht nur hinsichtlich ihrer Strafbarkeit voneinander grundlegend unterscheiden, sondern auch in Bezug auf das OEG unterschiedlich zu beurteilen sind. Denn nur in den Fällen in denen ein Arzt vorsätzlich über die Risiken einer Operation täuscht und sich hierdurch eine Einwilligung bewusst "erschleicht" würdigt er seinen Patienten zum bloßen Objekt seines Willens herab und missachtet dessen Persönlichkeit. Ausschließlich in derartigen Fällen liegt ein tätlicher Angriff im Sinne einer Einwirkung in objektiv feindlicher Willensrichtung vor. Dies ist bei einem bloß fahrlässigen Verhalten eines Arztes, der sich nur über den Umfang seiner Aufklärungsverpflichtung in vorwerfbarer Weise täuscht, nicht der Fall. In einem solchen Fall setzt sich der Arzt nicht bewusst über einen entgegenstehenden Willen des Patienten hinweg und missachtet dessen Persönlichkeit damit nicht.
Die Klägerin hat durch den Angriff auch unstreitig eine gesundheitliche Schädigung erlitten und leidet noch heute an den gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung. Bei ihr liegt in Folge des schädigenden Eingriffs als Gesundheitsstörung ein "Zustand nach Abdominalplastik mit zwei großen quer verlaufenden Narben im Ober- und Unterbauch mit korrigiertem Nabel mit Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich" vor. Diese Gesundheitstörung ist mit einer MdE von 10 zu bewerten. Dies entnimmt die Kammer den eingeholten Gutachten von Dr. P. und Dr. N ... Die von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen überzeugen die Kammer. Sie beruhen auf Feststellungen die von erfahrenen medizinischen Sachverständigen aufgrund von umfangreichen Untersuchungen erstellt wurden und an deren Richtigkeit sie im Ergebnis keinen Zweifel hat.
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