L 6 Kg 408/93

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 22 Kg 2876/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Kg 408/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 RKp 11/94
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Fertigung der Dissertation und die darauf gerichtete Vorbereitung nach Abschluß der Diplom-Prüfung stellt für einen Diplom-Physiker im Regelfall keine Berufsausbildung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG dar, so daß die darauf ausgerichtete Zeit einen Anspruch auf Kindergeld nicht begründen kann.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 1993 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 1993 abgeändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

III. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld für den Sohn C.-P. des Klägers streitig. Die Aufhebung betrifft die Zeit von Januar 1991 bis September 1991. Von der Rückforderung ist die Zeit von Januar 1991 bis August 1991 in Höhe von monatlich 70,– DM betroffen.

Der 1934 geborene Kläger ist Richter am Oberlandesgericht F., Sein Sohn C.-P. S. ist am 3. Juni 1963 geboren. C.-P. leistete in der Zeit vom 1. Oktober 1982 bis zum 31. Dezember 1983 seinen gesetzlichen Wehrdienst ab. Mit Beginn des Sommersemesters 1984 nahm er ein Hochschulstudium im Studiengang Physik auf. Am 20. Dezember 1990 bestand C.-P. die Diplomprüfung im Fach Physik an der Freien Universität XY ...

Nach dem Vortrag des Klägers strebte sein Sohn anschließend die Promotion auf diesem Fachgebiet an. Für die Zeit ab dem 1. Mai 1991 wurde er bei dem am Fachbereich Physik der Freien Universität XY. tätigen Prof. Dr. Sch. als wissenschaftlicher Mitarbeiter nach Maßgabe der §§ 57 a ff. Hochschulrahmengesetz (HRG) angestellt. Nach dem abgeschlossenen Arbeitsvertrag gehörte zum Aufgabengebiet des Sohnes des Klägers die Mitarbeit am Forschungsprojekt "Streutheorie von Anyonen und Plektonen”. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wurde auf die Hälfte der tarifvertraglichen Arbeitszeit für Vollbeschäftigte festgesetzt. Die Bezahlung des auch jetzt noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses erfolgt in Höhe der Hälfte des Gehaltes nach Vergütungsgruppe II a BAT.

Nach Aufnahme des Hochschulstudiums bezog der Kläger für seinen Sohn vom Land Hessen laufend Kindergeld. Die letzte darauf bezogene Berechnungsanordnung vor dem streitbefangenen Zeitraum wurde am 23. April 1990 für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 2. September 1991 erstellt. In einem Begleitschreiben zu dieser Berechnungsanordnung wurde der Kläger darauf hingewiesen, daß er verpflichtet sei, alle Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen sowie jede Tatsache, die Einfluß auf die Gewährung des Kindergeldes haben könne, der Besoldungsfestsetzungsbehörde, die zugleich als Kindergeldstelle gelte, unverzüglich mitzuteilen und durch gleichzeitige Vorlage entsprechender Bescheinigungen zu belegen. Eine solche Änderung liege bei über 16 Jahre alten Kindern insbesondere darin, wenn eine Ausbildung – auch vorzeitig – abgeschlossen oder abgebrochen werde, aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge von wenigstens 750,– DM bezogen würden oder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werde.

Vor dem streitbefangenen Zeitraum legte der Kläger der Besoldungsfestsetzungsstelle beim Oberlandesgericht F. letztmals mit Schreiben vom 7. Juni 1990 eine auf das Sommersemester 1990 bezogene Studienbescheinigung für C.-P. vor.

Mit Schreiben vom 13. Juni 1991 unterrichtete der Kläger das beklagte Land darüber, sein Sohn C.-P. setze nach Ablegung der Diplomprüfung sein Studium mit dem Ziel der Promotion fort und werde gleichzeitig als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit nach Maßgabe der Hälfte von BAT II a beschäftigt. Die bezahlte Tätigkeit überwiege nicht gegenüber der für die Fortsetzung der Ausbildung aufgewandten Zeit. Eine Durchschrift des zwischen C.-P. und Prof. Dr. Sch. abgeschlossenen Arbeitsvertrages legte der Kläger vor.

Von der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts F. wurde der Kläger daraufhin am 26. Juni 1991 telefonisch darauf hingewiesen, das Studium seines Sohnes werde mit Ablegung der Diplomprüfung als beendet angesehen.

Das Zeugnis über die abgelegte Diplomprüfung legte der Kläger mit Schreiben vom 11. Juli 1991 vor. In diesem Schreiben vertrat er zugleich die Ansicht, ihm stehe für seinen Sohn trotz des Hochschulabschlusses als Diplom-Physiker und trotz der aufgenommenen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter stehe ihm für die Zeit bis September 1991 weiterhin Kindergeld zu.

Mit Änderungsanordnung vom 25. Juli 1991 verfügte der Präsident des Oberlandesgerichts F. die "Einstellung” der Kindergeldzahlung für die Zeit ab Januar 1991; gleichzeitig wurde der Einbehalt der ab diesem Zeitpunkt überzahlten Bezüge verfügt. Über beides wurde der Kläger mit Schreiben vom selben Tage unterrichtet. Durch Bescheid vom 22. August 1991 wurde die erfolgte "Einstellung” ab Januar 1991 damit begründet, mit Ablegung der Diplomprüfung hätten bei C.-P. die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) nicht mehr vorgelegen. Die Vorbereitung auf die Promotion sei nur dann als Ausbildung anzusehen, wenn die Promotion das Studium anstelle des Diplom- oder Staatsexamens bzw. der Magisterprüfung abschließe. Der erstmalige Einbehalt der bis einschließlich August 1991 vorgenommenen Kindergeld-Zahlung erfolgte im September 1991.

Gegen die Anordnung vom 25. Juli 1991 und den Bescheid vom 22. August 1991 legte der Kläger Widerspruch ein. Dieser Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1991 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wurde ausgeführt, die Vorbereitung auf die Promotion könne kindergeldrechtlich nicht mehr der Berufsausbildung zugerechnet werden. Diese Auffassung entspreche der gegebenen Erlaßlage und der Verfahrensweise der Bundesanstalt für Arbeit. Hinsichtlich der Zeit ab dem 1. Mai 1991 lägen im übrigen die Voraussetzungen für den Weiterbezug des Kindergeldes auch schon deshalb nicht vor, weil der Sohn des Klägers mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit des öffentlichen Dienstes beschäftigt sei und eine Vergütung in Höhe der Hälfte der Vergütungsgruppe II a BAT erhalte. Die der Promotion dienende Tätigkeit nehme deshalb die Zeit und Arbeitskraft des Doktoranten nicht überwiegend in Anspruch, was gleichfalls der Kindergeldbewilligung entgegenstehe.

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom 22. März 1993 die Bescheide des beklagten Landes vom 25. Juli 1991 und vom 22. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1991 insoweit aufgehoben, als diese die Zeit von Januar 1991 bis April 1991 betreffen und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung gegen dieses Urteil hat das Sozialgericht zugelassen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, ein mitteilungspflichtiger Tatbestand, der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Sozialgesetzbuch X eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung rechtfertigen könnte, habe für die Zeit bis April 1991 nicht vorgelegen. Denn der Sohn des Klägers habe sich auch nach Ablegung der Diplomprüfung weiter in Berufsausbildung befunden. Zwar sei in der Rechtsprechung die Frage umstritten, ob und ggfs. wann eine Promotion die Voraussetzung für eine Berufsausbildung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG erfülle. Die Voraussetzung einer Berufsausbildung während der Promotionszeit sei vorliegend jedoch bereits deshalb gegeben, weil der Sohn des Klägers – wie dieser glaubhaft dargelegt habe – den Beruf eines Hochschullehrers anstrebe. Wer diesen Beruf anstrebe, müsse dazu jedoch grundsätzlich promoviert sein (Hinweis auf §§ 44 Abs. 1 Nr. 3, 47 Abs. 4 HRG i.V.m. entsprechendem Landesrecht). Offen bleiben könne deshalb die Frage, ob eine Promotionszeit im Fach Physik nach abgelegter Diplomprüfung auch dann als Berufsausbildung anzuerkennen sei, wenn eine Tätigkeit außerhalb des Hochschulbereichs angestrebt werde. Seit Mai 1991 sei jedoch der Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt. Denn seit diesem Zeitpunkt sei der Sohn des Klägers mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit als wissenschaftlicher Assistent beschäftigt und erhalte Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT. Ein Weiterbezug von Kindergeld sei deshalb nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG ausgeschlossen. Die Bezüge des Sohnes des Klägers seien als solche aus dem Ausbildungsverhältnis anzusehen und überstiegen den Grenzbetrag von 750,– DM. Zwar sei der Sohn des Klägers kein formelles Ausbildungsverhältnis eingegangen, so daß der Wortlaut des § 2 Abs. 2 BKGG den vorliegenden Fall nicht treffe. Diese Vorschrift sei jedoch entsprechend anzuwenden. Diese entsprechende Anwendung ergebe sich daraus, daß sich die gesamte Tätigkeit des Sohnes aufgrund des Arbeitsvertrages auf ein Forschungsprojekt beziehe, welches wiederum unmittelbar Gegenstand der Doktorarbeit – also der Berufsausbildung – sei. Dem entspreche auch der Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG. Das Ausbildungskindergeld diene dem Zweck des Familienausgleichs. Auf den Unterhalt durch die Eltern seien Kinder über 16 Jahre wirtschaftlich weiterhin angewiesen, soweit sie infolge ihrer noch andauernden Ausbildung keine für ihren eigenen Unterhalt verfügbaren Einkünfte erzielen könnten. Dieser Zweck entfalle aber, wenn das Kind ein aus dem Ausbildungsverhältnis fließendes Einkommen habe. Dazu gehörten nicht nur Gegenleistungen im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern alle Leistungen, die das Kind dafür erhalte, daß es seine Arbeitskraft für seine Ausbildung einsetze (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Juni 1986 – 10 RKg 17/85 = SozR 5870 § 2 Nr. 45). Entscheidend sei insoweit, daß zwischen Einkommen und Ausbildung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe und die Bezüge zumindest auch für die Ausbildung gewährt würden, wenn auch die Ergebnisse der Dissertation sicher später in das allgemeine Forschungsprojekt mit einflössen. Dem Kläger stehe nach alledem Kindergeld für seinen Sohn C.-P. lediglich bis einschließlich April 1991 zu.

Gegen das dem Kläger am 25. März 1993 und dem beklagten Land am 31. März 1993 zugestellte Urteil richten sich die jeweils am 26. April 1993 eingegangenen Berufungen des Klägers und des beklagten Landes.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe für den gesamten streitbefangenen Zeitraum Kindergeld für seinen Sohn C.-P. zu. Sein Sohn strebe eine Tätigkeit als Hochschullehrer an. Die Promotion sei hierfür unerläßliche Voraussetzung. Wenn aber die Rechtsordnung das Erreichen eines bestimmten Berufes an die Bedingung der Promotion knüpfe, dann könne dieser Beruf anders als durch eine entsprechende Ausbildung nicht erreicht werden. Die Promotion sei bei derartigen Berufen nicht nur berufstypisch, sondern berufsnotwendig. Es könne nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, daß der Beruf des Hochschullehrers ein Beruf sei, dem Eigenständigkeit zugemessen werden müsse. Er könne nicht einfach mit dem des Biologen, Physikers, Chemikers oder Juristen gleichgesetzt werden, erfordere vielmehr zusätzliche Fähigkeiten und berufliche Qualifikationen, für die man ausgebildet werden müsse. Der Beruf des Hochschullehrers sei durch seine Doppelfunktion in Forschung und Lehre gekennzeichnet. Zwar gebe es für die Lehrfunktion keine gesonderte Ausbildung, wohl aber für die Forschungsfunktion. Diese müsse u.a. durch die Erlangung einer Promotion nachgewiesen werden. Es sei offensichtlich und entspreche damit auch dem Sinn der Kindergeldregelung, daß Eltern, wie auch der Kläger, verpflichtet seien, ihren Kindern, die entsprechende überdurchschnittliche Fähigkeiten besäßen, auch über die Ablegung des Diploms hinaus während der Promotionsdauer Unterhalt zu leisten. Wollte man den Kindergeldanspruch versagen, müsse man solchen Kindern und Eltern empfehlen, das Diplom möglichst lange hinauszuzögern und davor die Promotion anzufertigen. Dies könne jedoch kaum im Sinne einer juristischen Auslegung von § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG sein. Soweit das Sozialgericht den Kindergeldanspruch für die Zeit ab Mai 1991 verneine, könne dem nicht gefolgt werden. Die in § 2 Abs. 2 Satz 2 getroffene Regelung sei einer Analogie nicht zugänglich. Das Bundessozialgericht habe nämlich bereits in seiner Entscheidung vom 8. Mai 1980 (gemeint ist wohl das Verfahren 8 b RKg 11/79 = SozR 5870 § 2 Nr. 17) das Vorliegen eines Gesetzeslücke verneint. Ohnehin erfolge die Entlohnung des Sohnes des Klägers nicht für die Promotionstätigkeit, sondern für seine Mitarbeit an und in einem bestimmten Forschungsprojekt. Dabei bestehe lediglich ausnahmsweise die Besonderheit, daß sich der Gegenstand des Forschungsprojektes mit dem der Promotion überschneide. Im Hinblick darauf könne auch nicht eingewandt werden, daß eine Tätigkeit ab einer bestimmten Mindestzeit die für die Ausbildung verwendbare Zeit so einschränke, daß diese Zeit nicht mehr als Ausbildung im Sinne des Bundeskindergeldgesetzes gewertet werden könne. Könne aber der Auszubildende seine bezahlte Tätigkeit für seine Promotion nutzen, dann liege diese Voraussetzung nicht mehr vor. Die Entlohnung erhalte der Sohn des Klägers jedoch lediglich im Hinblick auf seinen Beitrag an der Projektarbeit. Daß ihm diese Projektarbeit auch für seine Promotionstätigkeit zugute komme, sei ein bloßer zufälliger Nebeneffekt, der nicht im synallagmatischen Verhältnis von Projektarbeit und Entlohnung zu begreifen sei. Auch nach Ablegung der Diplomprüfung habe er im übrigen seinem Sohn weiterhin Unterhalt geleistet. Bis einschließlich Mai 1991 habe er etwa 900,– DM bis 950,– DM monatlich gezahlt, danach seien die Zahlungen auf monatlich 200,– DM reduziert worden. Von der Ablegung der Diplomprüfung sei er von seinem Sohn sogleich unterrichtet worden. Wie es nach Ablegung der Diplomprüfung weitergehen sollte, sei sowohl ihm als auch seinem Sohn damals bereits klar gewesen, nachdem sein Sohn in der Person von Prof. Dr. Sch. einen Doktorvater gefunden gehabt habe. Den Abschluß der Diplomprüfung habe er der Besoldungsstelle seinerzeit im Hinblick darauf nicht mitgeteilt, als er der Meinung gewesen sei, sein Sohn stehe auch nach Ablegung dieser Diplomprüfung weiterhin in Ausbildung. Ihm seien erst zu dem Zeitpunkt Bedenken gekommen, als sein Sohn im Hinblick auf den mit Prof. Dr. Sch. abgeschlossenen Vertrag ein festes Monatsgehalt bezogen habe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 1993 abzuändern und die Bescheide des beklagten Landes vom 25. Juli 1991 sowie vom 22. August 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 1991 auch insoweit aufzuheben, als sie die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld in der Zeit von Mai 1991 bis einschließlich September 1991 betreffen und im übrigen die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

Das beklagte Land beantragt,
unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 1993 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Das beklagte Land hält für den gesamten streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Kindergeld nicht für gegeben. Die Zeit, die für die Promotion aufgewandt werde, könne nicht mehr der Berufsausbildung zugerechnet werden. Die Promotion stelle den Nachweis des selbständigen wissenschaftlichen Arbeitens dar. Mit der Aufnahme der Arbeit zur Anfertigung einer Doktorarbeit beginne damit eine neue Phase. Diese baue zwar auf der bisherigen Ausbildung auf, sei aber nicht Teil derselben. Der Promovierende werde vielmehr nunmehr "forschend” tätig. Die Promotion stelle keinen weiteren berufsqualifizierenden Abschluß dar. Deshalb gelte die Vorbereitung der Promotion auch nicht als weitere Ausbildung im Sinne von § 7 Abs. 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), wenn, wie im vorliegenden Fall, ein berufsqualifizierender Abschluß im Sinne von § 15 a Abs. 3 BAföG bereits durch die Verleihung, eines Diplomgrades erreicht worden sei. Dem speziellen Berufswunsch des Sohnes des Klägers komme dabei keine entscheidende Bedeutung zu. Das Gesetz orientiere den Begriff der Ausbildung nicht am Berufswunsch, sondern berücksichtige nach objektiven Kriterien nur bestimmte Ausbildungsgänge. Diese objektiven Kriterien bestimmten das Ende der Ausbildungszeit. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß wegen der gesellschaftlichen Anerkennung, die der Promotion entgegengebracht werde, diese ganz allgemein das berufliche Fortkommen günstig beeinflussen könne. Ein der Promotion adäquater beruflicher Einsatz beschränke sich also gerade nicht auf die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Hochschulbereich. Die Promotionsvorbereitung könne deshalb auch einer Stufenausbildung oder sonstigen – vertikalen – Fortbildung, die besondere neue Kenntnisse vermittle und die von den vorhergehenden klar abgegrenzte andere berufliche Tätigkeitsfelder bzw. Positionen erschließe, nicht gleichgestellt werden. Deshalb münde die Promotion nicht typischerweise in eine bestimmte andere Berufstätigkeit. So könnten auch nur wenige promovierte Diplom-Physiker eine Hochschullaufbahn einschlagen. Eine zuverlässige Voraussage darüber, ob dies beim Sohn des Klägers der Fall sei, dürfte kaum möglich sein.

In der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 1994 wurde der Kläger persönlich angehört. Auf die darüber gefertigte Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Besoldungsakte der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts F. (Pers.Nr.: xxxxx).

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen beider Beteiligten sind form- und fristgerecht eingelegt und kraft Zulassung statthaft (§§ 151, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Auf die Berufung des beklagten Landes hin war das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Dem Kläger steht für seinen Sohn C.P. im gesamten streitbefangenen Zeitraum kein Kindergeld zu. Das beklagte Land war berechtigt, die zuvor erfolgte Leistungsbewilligung nicht nur für die Zukunft, sondern bereits ab Januar 1991 aufzuheben und vom Kläger die insoweit bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 560,– DM zurückzufordern, sowie mit diesem Rückforderungsbetrag gegen die laufenden Zahlungen aufzurechnen.

Der Aufhebung war die Leistungsbewilligung durch die als Verwaltungsakt anzusehende Berechnungsanordnung (vgl. insoweit BSG Urteil vom 29.10.1992 – 10 RKg 4/92) vom 23. April 1990 vorangegangen. Diese Leistungsbewilligung war rechtmäßig. Die Aufhebung und Rückforderung dieser Leistungsbewilligung unterliegt demnach den Regelungen der §§ 48, 50 Sozialgesetzbuch X (SGB X).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 u.a. dann bereits vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an u.a. dann aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Satz 2 Nr. 2) oder nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Satz 2 Nr. 3), oder der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz bzw. teilweise weggefallen ist (Satz 2 Nr. 4). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums.

Die von der Beklagten getroffenen Entscheidungen enthalten eine solche Leistungsaufhebung für die Vergangenheit. Zwar wird weder in der das Kindergeld betreffenden Einstellungsverfügung vom 25. Juli 1991, noch im Bescheid vom 22. August 1991 und noch nicht einmal im Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1991 auf die Regelung des § 48 SGB X Bezug genommen. Doch lassen die ergangenen Verfügungen des beklagten Landes durch die Kennzeichnung als "Änderungsanordnung” noch mit einer hinreichenden Sicherheit erkennen, daß mit ihnen die Aufhebung vorangegangene Bewilligungsentscheidung vom 23. April 1990 hinsichtlich der Zeit ab Januar 1991 gewollt war. Zumindest können die ergangenen Bescheide als Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung nach §§ 48 Abs. 1, 50 SGB X umgedeutet werden. Da es – wie auszuführen sein wird – der Ausübung von Ermessen nicht bedurfte, steht insbesondere § 43 Abs. 1 SGB X einer solchen Umdeutung nicht entgegen.

Mit dem Beginn der Vorbereitung auf seine Promotion unmittelbar nach Erreichen des Abschlusses als Dipl.-Physiker durch den Sohn C.P. des Klägers war eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die zum Wegfall des bis zu diesem Zeitpunkt für C. P. gegebenen Kindergeldanspruches führte.

Als Grundlage für einen möglichen Anspruch auf Kindergeld ab Januar 1991 kommt für C.P. lediglich die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in Betracht. Danach werden Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, nur berücksichtigt, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden. Ein Kindergeldanspruch scheidet aus, wenn aus dem Ausbildungsverhältnis Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750,– DM monatlich zustehen. Im Falle des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG werden Kinder nur berücksichtigt, wenn sie noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet haben. Für ein Kind, das den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, verlängert sich insoweit jedoch der Bezugszeitraum darüber hinaus für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BKGG).

Der Sohn des Klägers stand ab Januar 1991 nicht mehr in einer Berufsausbildung. Ein Anspruch auf Kindergeld für C.-P. war ab diesem Zeitpunkt deshalb nicht mehr gegeben.

Der Begriff der Berufsausbildung hat in zahlreichen Rechtsgebieten Eingang gefunden. Im Sozialrecht sind dies neben dem Kindergeldrecht vor allem die Rechtsgebiete der Arbeitsförderung, der Renten- und der Unfallversicherung sowie des Erziehungsgeldes. In diesen Rechtsgebieten sind von der Rechtsprechung jeweils eigenständige Abgrenzungen dieses Begriffs vorgenommen worden (zusammenfassend vgl. z.B. BSG Urteil vom 3. November 1993 – 14 b REg 3/93 m.w.N.). Im Sachzusammenhang des Kindergeldrechts wird Berufsausbildung in einem ursprünglichen Sinne verstanden und das Vorliegen einer solchen Berufsausbildung nur dann angenommen, wenn es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt seinem Wesen nach um eine Ausbildung handelt und diese dazu dient, Fähigkeiten zu erlangen, die die Ausübung des zukünftigen Berufes ermöglichen (BSG Urteil vom 23.08.1989 – 10 RKg 12/88 = SozR 5870 § 2 Nr. 66, Urteil vom 14.02.1991 – 10 RKg 2/90 m.w.N.).

Kindergeldrechtlich ist die Frage des erfolgreichen "Abschlusses” einer ersten Ausbildung kein Kriterium, das – so wie dies etwa in der Rentenversicherung der Fall ist (vgl. dazu §§ 1259 Abs. 1 Nr. 4, 1262 Abs. 3 Satz 2 RVO a.F., § 58 Abs. 1 Nr. 4 b SGB VI) – zur Abgrenzung herangezogen werden könnte. Ob und wie z.B. ein Hochschulstudium abgeschlossen worden ist, ist im Rahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG deshalb grundsätzlich ohne Belang. Im Rahmen dieser Bestimmung kann nämlich auch ein Zweitstudium – innerhalb der Altersgrenzen des § 2 Abs. 3 BKGG – zur Fortdauer des Anspruchs auf Kindergeld führen, und zwar unabhängig davon, ob bereits zuvor ein (anderer) Hochschulabschluß erreicht worden ist, der die Aufnahme eines Berufes ermöglicht.

Nicht maßgeblich ist deshalb auch, welches "konkrete” Berufsziel letztlich von dem Betreffenden verfolgt wird. Es genügt, daß eine durchlaufene Ausbildung dazu "dient” (BSG Urteil vom 23.08.1989 a.a.O.), Fähigkeiten zu erlangen, die die Ausübung des zukünftigen Berufes ermöglichen.

Eine sinnvolle Abgrenzung darüber, ob eine Betätigung kindergeldrechtlich noch der Berufsausbildung zugerechnet werden kann, muß deshalb in Fällen der vorliegenden Art in erster Linie am Inhalt und der Gestaltung der tatsächlichen oder vermeintlichen Ausbildung ansetzen. Erst wenn sich daraus der Ausbildungscharakter ableiten läßt, kann dem "konkreten” Berufswunsch eine rechtliche Bedeutung zukommen. Der gegenteiligen Auffassung des Klägers, aus dem Berufswunsch "Hochschullehrer” könne bereits abgeleitet werden, daß der Weg dorthin, jedenfalls soweit er die Promotionszeit betrifft, stets Berufsausbildung sei, kann insoweit nicht gefolgt werden.

Eine Ausnahme gilt allerdings insoweit, als mit der Promotion überhaupt erstmals ein Berufszugang erreicht werden kann, wie dies bei Studiengängen der Fall ist, die nicht durch ein Staats-, Magister- oder Diplom-Examen zu Ende geführt werden (vgl. insoweit Wickenhagen, BKGG, Stand Juni 1992, Anm. 147 zu § 2). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich jedoch vorliegend nicht. Denn das Studium der Physik wird grundsätzlich mit dem Diplom abgeschlossen. Auch beim Sohn des Klägers war dies der Fall.

Ob darüber hinaus sogar dann noch vom Berufsziel ausgehend auf den Ausbildungscharakter der Promotionszeit geschlossen werden kann, wenn sich die Promotion als "berufstypisch” darstellt – was z.B. bei Chemikern und teilweise auch bei Ärzten angenommen wird (Wickenhagen, a.a.O., Anm. 148 zu § 2; BSG Urteil vom 14.02.1991 a.a.O.) – kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn bei Physikern ist dies, wie dem in das Verfahren eingeführten "Blättern zur Berufskunde – Diplom-Physiker/Diplom-Physikerin” (Hrsg. Bundesanstalt für Arbeit, 9. Aufl. 1986) entnommen werden kann, nämlich nicht der Fall. Ein Berufszugang ist auch ohne Promotion möglich und üblich. Auch vom Kläger wird dies insoweit nicht mehr in Abrede gestellt.

Die Zuordnung einer Promotion nach erfolgtem Hochschulabschluß und ohne die zuletzt genannten Ausnahmefälle erschließt sich in erster Linie aus ihrer rechtlichen Ausgestaltung nach Maßgabe der hochschulrechtlichen Normen. Aus diesen läßt sich am ehesten ableiten, ob die auf die Promotion gerichtete Betätigung ihrem Wesen nach eine Ausbildung ist. Vorliegend sind dabei in erster Linie das einschlägige Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) vom 12. Oktober 1990 und die Promotionsordnung des Fachbereichs Physik der Freien-Universität XY. heranzuziehen.

§ 35 BerlHG sieht insoweit vor, daß die Promotion im Nachweis der Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit dient. Die Promotion wird aufgrund einer wissenschaftlichen Arbeit, die auf selbständiger Forschungstätigkeit beruht, und einer mündlichen Prüfung vorgenommen. Sie setzt den erfolgreichen Abschluß eines Hochschulstudiums in der Regel voraus und darf nicht von der Teilnahme an einem Ergänzungs-, Zusatz- oder Aufbaustudium abhängig gemacht werden. Die Promotionsordnung des Fachbereichs Physik der Freien-Universität XY. kennzeichnet in § 1 Abs. 1 die Promotion als besondere wissenschaftliche Qualifikation, die "über den ordentlichen Hochschulabschluß hinaus” durch eine eigene Forschungsleistung nachgewiesen wird.

Der nach diesen Regelungen ganz im Vordergrund stehende Nachweis der Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit aufgrund eigener Forschungsleistungen steht im Gegensatz zu dem, was Ausbildung ansonsten charakterisiert, nämlich der Wissensvermittlung, wie sie in erster Linie durch Dritte vorgenommen wird, und deren Rezeption durch denjenigen, der die Ausbildung durchläuft. Der Promotion des Sohnes des Klägers liegt deshalb kein auch nur halbwegs planmäßig ausgestaltetes Ausbildungsverhältnis (vgl. dazu BSG Urteil vom 23.08.1989 a.a.O.) zugrunde. Dies gilt sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht. Eine Unterweisung im eigentlichen Sinne (BSG a.a.O.) findet nicht statt. Dies steht dem Anspruch auf Kindergeld entgegen.

Ob dies anders wäre, wenn der Sohn des Klägers die Promotion im Rahmen eines nach § 2 der Promotionsordnung möglichen "Aufbaustudiums” durchführen würde, kann dahinstehen. Denn der Sohn des Klägers hat ein solches Aufbaustudium nicht durchlaufen und auch nicht durchlaufen können, weil ein solches Aufbaustudium am Fachbereich Physik der Freien-Universität XY. gar nicht eingerichtet ist.

Die in der Promotionsordnung vorgesehene Betreuung des Dissertationsverfahrens durch einen Professor oder Privatdozenten, der das betreffende Fachgebiet vertritt, steht der Annahme der fehlenden planmäßigen Ausgestaltung nicht entgegen. Diese Betreuung bezieht sich auf den von dem Kandidaten selbst auszuarbeitenden Arbeitsplan und die Begleitung des Forschungsvorhabens, nicht jedoch auf eine Wissensvermittlung, die insoweit nicht zum wesentlichen Bestandteil eines Dissertationsverfahrens gehört.

Unter diesen Voraussetzungen kann bereits für die Zeit ab Januar 1991 bei der Tätigkeit von C. P nicht mehr von einer Berufsausbildung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG gesprochen werden.

Ob für die Zeit ab Mai 1991 auch die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses bei Prof. Dr. Sch. einen Kindergeldanspruch ausschließt, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.

Zu Recht hat damit das beklagte Land die Leistungsbewilligung für die Zukunft, also für die Zeit ab August 1991 aufgehoben. Diese Aufhebung für die Zukunft ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht an weitere Voraussetzungen gebunden.

Aber auch die Aufhebung für die Vergangenheit, also für die Zeit ab Januar 1991 ist rechtmäßig. Denn der Kläger ist in zumindest grob fahrlässiger Weise seiner auf § 60 Sozialgesetzbuch I (SGB I) beruhenden Verpflichtung zur Mitteilung über das abgeschlossene Hochschulstudium seines Sohnes C.P. gegenüber der Beklagten, die bereits im Dezember 1990 hätte erfolgen können und müssen, nicht nachgekommen (§ 48 Satz 2 Nr. 2 SGB X).

Grob fahrlässig ist ein Verhalten dann, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muß. Auszugehen ist dabei von einem subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff, d.h. die Sorgfaltspflichtverletzung ist anhand der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen und Verhalten des Klägers sowie nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (BSG Urteil vom 21.05.1974 – 7 RKg 8/73 = SozR 5870 § 13 Nr. 1).

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Der Kläger mußte schon aufgrund einfachster Überlegungen erkennen, daß der erfolgte Schulabschluß seines Sohnes und die von diesem im Anschluß daran geplante Promotion und die darauf gerichtete Betätigung der zuständigen Besoldungsfeststellungsstelle mitzuteilen war. Aufgrund seiner beruflichen Stellung und dem Inhalt des dem Kläger zur Verfügung stehenden Merkblattes über Kindergeld und des am 23. April 1990 gegebenen Hinweises mußte sich ihm diese Mitteilungsverpflichtung geradezu aufdrängen. Zwar handelt es sich bei dem Hinweis in dem dem Kläger zuletzt vor dem streitbefangenen Zeitraum überlassenen Merkblatt vom Oktober 1986 über die Verpflichtung zur Mitteilung des Ausbildungsabschlusses bzw. des Abbruches oder der Unterbrechung einer Ausbildung lediglich um die Umschreibung eines Rechtsbegriffes, dessen Auslegung darüber hinaus umstritten ist, was auch der vorliegende Fall belegt. Dennoch kann sich der Kläger mit seinem Vortrag, er habe auch nicht entfernt daran gedacht, daß die Mitteilung über den Abschluß der Diplomprüfung für den Anspruch auf Kindergeld entscheidungserheblich sein könnte, nicht entlasten. Denn der Abschluß einer Diplom-Prüfung ist jedenfalls ein solch gravierender Einschnitt in der persönlichen und beruflichen Entwicklung seines Sohnes, daß unabhängig von der persönlichen Auslegung des Begriffs der Berufsausbildung durch den Kläger selbst, jedenfalls zunächst einmal die Besoldungsfestsetzungsstelle in die Lage versetzt werden mußte, die entsprechende Information hierüber zu erhalten um daraus Rückschlüsse über die mögliche Weitergewährung des Kindergeldes ziehen zu können. Aufdrängen mußte sich diese Unterrichtung nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, als die letzte vom Kläger vorgelegte Immatrikulationsbescheinigung sich noch auf das vorangegangene Sommersemester 1990 bezogen hatte, das mit dem 30. September 1990 zu Ende gegangen war und eine Folgebescheinigung vom Kläger nicht vorgelegt worden ist.

Unter diesen Voraussetzungen bedurfte es keiner Überprüfung darüber, ob – jedenfalls für die Zeit ab Mai 1991 – eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung auch nach § 48 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorgenommen werden konnte.

Daß das beklagte Land von dem ihm zustehenden Aufhebungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere bedurfte es keiner Ermessensentscheidung des beklagten Landes darüber, ob es von der rückwirkenden Aufhebung absehen wollte. Denn eine solche Entscheidung ist nur in atypischen Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X erforderlich und möglich (BSG Urteil vom 19.02.1986 – 7 RAr 55/84 = SozR 1300 § 48 Nr. 22 m.w.N.). Der vorliegende Fall bietet indes keine Anhaltspunkte für eine signifikante Abweichung vom Regelfall.

Soweit ein Verwaltungsakt nach § 48 SGB X aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Mit dem Erstattungsbetrag in Höhe von 560,– DM durfte das beklagte Land gegen die Ansprüche des Klägers auf Kindergeld für seine Tochter Sophie (geb. 13.08.1967) gemäß § 51 SGB X aufrechnen.

Die Berufung des Klägers war nach alledem zurückzuweisen. Auf die Berufung des beklagten Landes war das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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