Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 22 Eg 1289/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Eg 501/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ob gesundheitliche Gründe der Erziehung von Erwerbseinkommen entgegenstehen, ist für die Anwendung von § 6 Abs. 3 BErzGG grundsätzlich ohne Belang. Auch der Bezug von Versorgungsbezügen wegen Dienstunfähigkeit nach dem Beamtenversorgungsgesetz während des einkommensabhängigen Zeitraums, hindert die Außerachtlassung des im vorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes bezogenen Erwerbseinkommens aus der damals noch ausgeübten abhängigen Beschäftigung deshalb nicht.
I. Die Berufung des beklagten Landes gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 1993 wird zurückgewiesen.
II. Das beklagte Land hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 2. Juni 1991 bis zum 31. Oktober 1991 Erziehungsgeld ohne die Anrechnung des von ihr im Jahre 1988 bezogenen Einkommens aus der damals ausgeübten Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin.
Die Klägerin ist seit 1981 mit Herrn W. S. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder J. (geb. 03.12.1988) und D. (geb. 02.12.1990) hervorgegangen. Im streitbefangenen Zeitraum lebten die Eheleute S. in Haushaltsgemeinschaft. Ihre Kinder wurden von der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum betreut und erzogen.
Bis zum 28. Februar 1989 stand die Klägerin als Verwaltungsbeamtin im Dienst der Bundesanstalt für Arbeit. Mit Wirkung zum 1. März 1989 wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Ab diesem Zeitpunkt erhielt sie bis zum 31. Oktober 1991 Versorgungsbezüge. In dieser Zeit übte die Klägerin keine Erwerbstätigkeit aus. Mit Wirkung zum 1. November 1991 wurde die Klägerin erneut in das Beamtenverhältnis berufen. Anschließend befand sie sich bis zum 1. Juni 1992 im Erziehungsurlaub.
Im Jahre 1988 bezog die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit abzüglich Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag sowie abzüglich der Werbungskosten in Höhe von 41.752,00 DM. Bei ihrem Ehemann belief sich dieser Betrag auf 44.032,00 DM.
Aufgrund ihres Antrages vom 28. Dezember 1990 bewilligte das beklagte Land der Klägerin durch Bescheid vom 1. März 1991 Erziehungsgeld für ihren Sohn D. für die Zeit vom 2. Februar 1990 bis zum 1. Juni 1991. Eine weitergehende Erziehungsgeldgewährung lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, der aus § 5 Abs. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) zu errechnende Minderungsbetrag übersteige ab dem 7. Lebensmonat des Kindes D. den Leistungssatz von 600,00 DM, so daß ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Erziehungsgeld nicht mehr gegeben sei. Das beklagte Land ging dabei von den Einkünften aus, die durch Bescheid des Finanzamtes Langen vom 10. April 1989 für 1988 der Besteuerung der Klägerin und ihres Ehemannes zugrunde gelegt worden waren. Den Minderungsbetrag errechnete das beklagte Land wie folgt:
Einkünfte des Ehemannes aus
nichtselbständiger Arbeit 44.032,00 DM
zuzügl. Einkünfte der Klägerin aus
nichtselbständiger Arbeit 41.752,00 DM
Gesamtbetrag der Einkünfte 85.784,00 DM
davon abzusetzen
- festgesetzte Einkommensteuer 15.658,00 DM
- steuerlich anerkannte
Vorsorgeaufwendungen 6.096,00 DM
Einkommen i.S.v. § 6 Abs. 1 BErzGG 64.030,00 DM
abzüglich Freibetrag (§ 6 Abs. 2) 33.600,00 DM
übersteigender Betrag 30.430,00 DM
davon 40 % 12.172,00 DM
davon 1/12 (=Minderungsbetrag) 1.014,33 DM
Gegen den Bescheid vom 1. März 1991 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte aus, der Bezug der Versorgungsbezüge stelle, ähnlich wie derjenige einer Rente, keine Erwerbstätigkeit dar, so daß ihr im Jahre 1988 erzieltes Erwerbseinkommen bei der Berechnung des Erziehungsgeldes gemäß § 6 Abs. 3 BErzGG unberücksichtigt bleiben müsse.
Durch Widerspruchsbescheid vom 15. April 1991 wurde der Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, eine Berechnung nach § 6 Abs. 3 BErzGG sei in Fällen, in denen der Anspruchsberechtigte Ruhegehaltsempfänger sei, nicht zulässig. § 6 Abs. 3 BErzGG dürfte vielmehr nur dann angewendet werden, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit wegen fehlender Erwerbstätigkeit entfielen. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, so daß wegen der Höhe des Minderungsbetrages Erziehungsgeld nach Ablauf des 6. Lebensmonats von D. habe versagt werden müssen.
Die Klägerin hat dagegen Klage erhoben. Nachdem sie ab dem 1. November 1991 ihren Erziehungsurlaub antrat und die Versorgungsbezüge mit diesem Zeitpunkt in Wegfall gekommen waren, berechnete das beklagte Land für die Zeit ab November 1991 auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides 1988 den Minderungsbetrag nunmehr wie folgt neu:
Einkünfte des Ehemannes 44.032,00 DM
davon abzusetzen
- für den Ehemann zu berücksichtigende Steuern 8.032,55 DM
- Vorsorgeaufwendungen 6.096,00 DM
Damit Einkommen nach § 6 Abs. 3 29.903,45 DM
abzüglich Freibetrag 33.600,00 DM
Minderungsbetrag 0,00 DM
Auf dieser Berechnungsgrundlage wurde der Klägerin durch Bescheid vom 13. April 1992 ab dem 1. November 1991 Erziehungsgeld in ungeminderter Höhe gewährt.
Auf die weitergeführte Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid vom 25. März 1993 die angefochtenen Bescheide abgeändert und das beklagte Land dazu verurteilt, für die Zeit vom 2. Juni 1991 bis zum 31. Oktober 1991 Erziehungsgeld in gesetzlichem Umfang ohne Anrechnung des Einkommens der Klägerin zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, das von der Klägerin im Jahre 1988 erzielte Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin sowie die darauf entfallende Einkommens- und Kirchensteuer habe für die Zeit ab Beginn des 7. Lebensmonats von D. gemäß § 6 Abs. 3 BErzGG unberücksichtigt bleiben müssen. § 6 Abs. 3 BErzGG finde auf die Fallgestaltung der Klägerin Anwendung, da sie während des Erziehungsgeldbezuges nicht erwerbstätig gewesen sei, sondern lediglich Versorgungsbezüge aus ihrer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit bezogen habe. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 BErzGG komme es eindeutig nur auf die Erwerbstätigkeit in dem einkommensabhängigen Zeitraum an. Ob der Leistungsberechtigte in diesem Zeitraum Einkommen erzielt habe, sei ohne Belang. Sei jemand während des einkommensabhängigen Zeitraums erwerbstätig, werde demgegenüber zumindest der Teil des Einkommens aus der Erwerbstätigkeit angerechnet, für den der Leistungsberechtigte nicht für die Betreuung des Kindes zur Verfügung stehe; die Möglichkeit hierzu biete § 6 Abs. 4 BErzGG. Vorliegend würden jedoch Versorgungsbezüge aus Dienstunfähigkeit erzielt, die Klägerin stehe also für die Kindesbetreuung voll zur Verfügung. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3, wonach der Bezug des Erziehungsgeldes dann eingeschränkt werden und das Einkommen angerechnet werden müsse, wenn der Leistungsberechtigte aufgrund einer Erwerbstätigkeit nicht mehr ausschließlich für die Kinderbetreuung zur Verfügung stehe. Bei der Klägerin sei dies jedoch nicht der Fall.
Gegen das dem beklagten Land am 28. April 1993 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Mai 1993 eingegangene Berufung. Das beklagte Land führt aus, die Vorbedingungen in § 6 Abs. 3 BErzGG, wonach in der Zeit des einkommensabhängigen Erziehungsgeldbezuges keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden dürfe, sei lediglich der Obersatz der getroffenen Regelung. Dem folge zwingend der Untersatz, wonach als Folge dieser Freistellung von Erwerbstätigkeit nur das sog. Erwerbseinkommen außer Betracht bleibe. Damit korrespondierten die beiden Pole "Erwerbstätigkeit” und "Erwerbseinkommen” folgerichtig miteinander. Zwar habe die Klägerin keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, die ihr zukommenden Versorgungsbezüge seien aber kein Erwerbseinkommen im Sinne dieser Vorschrift. Andere als Erwerbseinkünfte, die keine zeitlich bemessene Anwesenheit an einem Geschäfts- oder Beschäftigungsort erforderten und deshalb auch nicht die kalendertägliche Betreuungszeit für das Kind unterbrächen, sollten durchaus berücksichtigt werden. Dazu zählten z.B. Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte im Sinne von § 22 Einkommensteuergesetz in Gestalt von Ertragsanteilen von Renten oder von Versorgungsbezügen, wie dies vorliegend der Fall sei. § 6 Abs. 3 BErzGG ergebe nur insofern einen Sinn, als der Gesetzgeber die Kinderbetreuungsperson dafür und nur dafür entschädigen wolle, daß durch die Kinderbetreuung nunmehr keine Erwerbstätigkeit und damit keine Einkünfte daraus mehr möglich seien. Die anderen Einkünfte ergäben sich unabhängig von der Kinderbetreuung automatisch weiter. Dies sei auch insofern systemgerecht, als zeitlicher Aufwand für Geschäftsvorgänge aus diesen Einkommensarten für die volle Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BErzGG unerheblich seien. Eine Anwendung von § 6 Abs. 3 BErzGG in der bis zum 30. Juni 1993 maßgeblichen Fassung sei für die Bezieher von Versorgungsbezügen deshalb ausgeschlossen.
Das beklagte Land beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte des beklagten Landes (III XXXXXXX) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 150 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.
Einschlägig sind vorliegend die Regelungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der bis zum 30. Juni 1993 maßgeblichen Fassung (a.F.). Dies ergibt sich aus Art. 4 Nr. 8 b des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms – FKPG – vom 23. Juni 1993 (BGBl. I, S. 944). Diese Regelungen führen zu einem Anspruch auf Erziehungsgeld für den gesamten streitbefangenen Zeitraum.
Das von der Klägerin im Jahre 1988 erzielte Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin muß bei der nach § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. vorzunehmenden Einkommensberechnung außer Betracht bleiben. Dies gilt auch für die der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum gezahlten Versorgungsbezüge.
Gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 BErzGG a.F. wird Erziehungsgeld vom Beginn des 7. Monats an einkommensabhängig gewährt. Nach § 5 Abs. 2 BErzGG a.F. wird das sich gem. § 5 Abs. 1 BErzGG auf monatlich 600,– DM belaufende Erziehungsgeld vom Beginn des 7. Lebensmonats an gemindert, wenn das Einkommen nach § 6 BErzGG bei Verheirateten, die von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, 29.400,– DM übersteigt, wobei sich dieser Betrag für jedes weitere Kind des Berechtigten um 4.200, DM erhöht.
Ausgehend davon stand der Klägerin während der einkommensabhängigen Phase ungekürztes Erziehungsgeld nur dann zu, wenn das nach § 6 BErzGG zu ermittelnde Einkommen den Betrag von 33.600,– DM nicht überstieg. Dies war bei der Klägerin tatsächlich nicht der Fall. Unter Außerachtlassung des von der Klägerin im Jahre 1988 nach dem insoweit maßgeblichen Einkommenssteuerbescheid vom 10. April 1989 erzielten Einkommens aus ihrer Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin ergab sich vielmehr kein Minderungsbetrag, so daß ihr für die Dauer des streitbefangenen Zeitraums Erziehungsgeld in ungeminderter Höhe zusteht.
Da die Klägerin keinen Antrag nach § 6 Abs. 4 BErzGG a.F. über die Zugrundelegung des Einkommens desjenigen Kalenderjahres gestellt hat, in dem der 7. Lebensmonat ihres Kindes Daniel begann, ist für die Klägerin die Regelung des § 6 Abs. 1 BErzGG a.F. maßgebend.
Als Einkommen gilt danach die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt erzielten positiven Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, und zwar so, wie sie der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind.
Welche Beträge von dem nach § 6 Abs. 1 BErzGG a.F. zu ermittelnden Einkommen in Abzug zu bringen sind, ergibt sich zunächst aus § 6 Abs. 2 BErzGG. Die Höhe dieser Beträge ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Umstritten ist dagegen, inwieweit der Klägerin die Regelung des § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. zugute kommt.
Nach dieser Bestimmung bleibt das vor oder nach dieser Zeit erzielte Erwerbseinkommen und die darauf entfallende Einkommen- und Kirchensteuer unberücksichtigt, wenn der Berechtigte in der Zeit, in der das Erziehungsgeld einkommensabhängig ist, nicht erwerbstätig ist.
Die Voraussetzungen von § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. sind vorliegend gegeben: Die Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum tatsächlich nicht erwerbstätig, ihr vorangegangenes Erwerbseinkommen des Jahres 1988 kann deshalb zur Errechnung des Minderungsbetrages nicht herangezogen werden.
Unter Erwerbseinkommen i.S.v. § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. sind Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 Einkommenssteuergesetz (EStG) anzusehen (vgl. insoweit BSG Urteil vom 20. Dezember 1990 – 4 REg 11/90 = SozR 3 7833 § 6 Nr. 1). Auch die Einkünfte der Klägerin als Verwaltungsinspektorin sind insoweit dem Erwerbseinkommen zuzurechnen.
Daß die Klägerin während des streitbefangenen Zeitraums Versorgungsbezüge erhielt, steht der Anwendung dieser Bestimmung – und damit der in § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. vorgesehenen Außerachtlassung der im Jahre 1988 erzielten Einkünfte aus der Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin – nicht entgegen. Aus welchen Gründen eine Erwerbstätigkeit im einkommensabhängigen Erziehungsgeldzeitraum nicht – oder nicht mehr – ausgeübt wird, ist nach Auffassung des Senats für die Inanspruchnahme der durch § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. eingeräumten Begünstigung nämlich ohne Belang. Insbesondere ist es nicht entscheidungserheblich, ob der Erziehungsgeldberechtigte Erwerbseinkommen i.S. dieser Bestimmung nicht erzielt oder nicht mehr erzielen kann, weil sein Gesundheitszustand dies gar nicht zuläßt. Lediglich für die in § 2 Abs. 2 BErzGG a.F. genannten Fälle gilt insoweit eine Ausnahme.
Zwar soll mit dem Erziehungsgeld die "Wahlfreiheit” zwischen der Tätigkeit im Beruf und in der Familie zur Betreuung und Erziehung des Kindes erleichtert werden (BT-Drucks. 10/3792, S. 16). Eine Überprüfung, ob etwa aus gesundheitlichen Gründen eine Berufstätigkeit ausgeübt werden könnte, sieht das Bundeserziehungsgeldgesetz und insbesondere § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. indes nicht vor. Auch aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 BErzGG läßt sich die gegenteilige Annahme nicht ableiten.
Der Erziehungsgeldanspruch ist nach dieser Regelung daran gebunden, daß der Berechtigte keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Dabei wird unausgesprochen vorausgesetzt, daß der Begünstigte, rechtlich erlaubt, eine Erwerbstätigkeit überhaupt hätte aufnehmen dürfen, wenn er dies während des möglichen Leistungszeitraums gewollt hätte (BSG Urteil vom 27. September 1990 – 4 REg 30/89 = SozR 3 – 7833 § 1 Nr. 1). Diese Einschränkung bezieht sich indes allein auf die rechtliche Zulässigkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, nicht jedoch darauf, ob überhaupt die Fähigkeit hierzu vorhanden ist. Auch der Dienst- oder Erwerbsunfähige ist vom Bezug des Erziehungsgeldes deshalb nicht ausgeschlossen.
Zu Recht hat das beklagte Land der Klägerin deshalb auch in der Zeit vom 2. Februar 1990 bis zum 1. Juni 1991 Erziehungsgeld gewährt. Denn rechtlich zulässig wäre eine Tätigkeit der Klägerin auch während der Zeit gewesen, in der sie Versorgungsbezüge erhalten hat. Welche Auswirkungen sich dabei ggfs. auf die Höhe der Versorgungsbezüge ergeben hätten, ist jedoch insoweit ohne Belang.
Ohne Belang ist auch, daß die Klägerin während des Erziehungsgeldzeitraums Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz erhielt. Da insoweit das "historische Einkommen” der Klägerin im Jahre 1988 maßgeblich ist, finden Einkünfte während des Erziehungsgeldzeitraumes keine Berücksichtigung. Die gegenteilige Annahme des beklagten Landes findet im Gesetz keine Grundlage.
Der Erhalt der Versorgungsbezüge führt auch nicht dazu, daß die Klägerin etwa nach § 2 BErzGG so gestellt werden müßte, als übe sie tatsächlich eine volle Erwerbstätigkeit aus. Der Erhalt von Versorgungsbezügen ist in § 2 Abs. 2 BErzGG nicht genannt. Dabei handelt es sich um eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers, und nicht etwa um eine Regelungslücke. Die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes hebt insoweit (BT-Drucks. 10/3792, S. 15) ausdrücklich hervor, daß Dauerleistungen, wie z.B. Renten, nicht den Lohnersatzleistungen zugerechnet werden sollten, die den Bezug von Erziehungsgeld ausschließen. Auch bei den Versorgungsbezügen handelt es sich jedoch um solche Dauerleistungen.
Die Berufung des beklagten Landes war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
II. Das beklagte Land hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 2. Juni 1991 bis zum 31. Oktober 1991 Erziehungsgeld ohne die Anrechnung des von ihr im Jahre 1988 bezogenen Einkommens aus der damals ausgeübten Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin.
Die Klägerin ist seit 1981 mit Herrn W. S. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder J. (geb. 03.12.1988) und D. (geb. 02.12.1990) hervorgegangen. Im streitbefangenen Zeitraum lebten die Eheleute S. in Haushaltsgemeinschaft. Ihre Kinder wurden von der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum betreut und erzogen.
Bis zum 28. Februar 1989 stand die Klägerin als Verwaltungsbeamtin im Dienst der Bundesanstalt für Arbeit. Mit Wirkung zum 1. März 1989 wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Ab diesem Zeitpunkt erhielt sie bis zum 31. Oktober 1991 Versorgungsbezüge. In dieser Zeit übte die Klägerin keine Erwerbstätigkeit aus. Mit Wirkung zum 1. November 1991 wurde die Klägerin erneut in das Beamtenverhältnis berufen. Anschließend befand sie sich bis zum 1. Juni 1992 im Erziehungsurlaub.
Im Jahre 1988 bezog die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit abzüglich Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag sowie abzüglich der Werbungskosten in Höhe von 41.752,00 DM. Bei ihrem Ehemann belief sich dieser Betrag auf 44.032,00 DM.
Aufgrund ihres Antrages vom 28. Dezember 1990 bewilligte das beklagte Land der Klägerin durch Bescheid vom 1. März 1991 Erziehungsgeld für ihren Sohn D. für die Zeit vom 2. Februar 1990 bis zum 1. Juni 1991. Eine weitergehende Erziehungsgeldgewährung lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, der aus § 5 Abs. 3 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) zu errechnende Minderungsbetrag übersteige ab dem 7. Lebensmonat des Kindes D. den Leistungssatz von 600,00 DM, so daß ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Erziehungsgeld nicht mehr gegeben sei. Das beklagte Land ging dabei von den Einkünften aus, die durch Bescheid des Finanzamtes Langen vom 10. April 1989 für 1988 der Besteuerung der Klägerin und ihres Ehemannes zugrunde gelegt worden waren. Den Minderungsbetrag errechnete das beklagte Land wie folgt:
Einkünfte des Ehemannes aus
nichtselbständiger Arbeit 44.032,00 DM
zuzügl. Einkünfte der Klägerin aus
nichtselbständiger Arbeit 41.752,00 DM
Gesamtbetrag der Einkünfte 85.784,00 DM
davon abzusetzen
- festgesetzte Einkommensteuer 15.658,00 DM
- steuerlich anerkannte
Vorsorgeaufwendungen 6.096,00 DM
Einkommen i.S.v. § 6 Abs. 1 BErzGG 64.030,00 DM
abzüglich Freibetrag (§ 6 Abs. 2) 33.600,00 DM
übersteigender Betrag 30.430,00 DM
davon 40 % 12.172,00 DM
davon 1/12 (=Minderungsbetrag) 1.014,33 DM
Gegen den Bescheid vom 1. März 1991 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte aus, der Bezug der Versorgungsbezüge stelle, ähnlich wie derjenige einer Rente, keine Erwerbstätigkeit dar, so daß ihr im Jahre 1988 erzieltes Erwerbseinkommen bei der Berechnung des Erziehungsgeldes gemäß § 6 Abs. 3 BErzGG unberücksichtigt bleiben müsse.
Durch Widerspruchsbescheid vom 15. April 1991 wurde der Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, eine Berechnung nach § 6 Abs. 3 BErzGG sei in Fällen, in denen der Anspruchsberechtigte Ruhegehaltsempfänger sei, nicht zulässig. § 6 Abs. 3 BErzGG dürfte vielmehr nur dann angewendet werden, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit wegen fehlender Erwerbstätigkeit entfielen. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, so daß wegen der Höhe des Minderungsbetrages Erziehungsgeld nach Ablauf des 6. Lebensmonats von D. habe versagt werden müssen.
Die Klägerin hat dagegen Klage erhoben. Nachdem sie ab dem 1. November 1991 ihren Erziehungsurlaub antrat und die Versorgungsbezüge mit diesem Zeitpunkt in Wegfall gekommen waren, berechnete das beklagte Land für die Zeit ab November 1991 auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides 1988 den Minderungsbetrag nunmehr wie folgt neu:
Einkünfte des Ehemannes 44.032,00 DM
davon abzusetzen
- für den Ehemann zu berücksichtigende Steuern 8.032,55 DM
- Vorsorgeaufwendungen 6.096,00 DM
Damit Einkommen nach § 6 Abs. 3 29.903,45 DM
abzüglich Freibetrag 33.600,00 DM
Minderungsbetrag 0,00 DM
Auf dieser Berechnungsgrundlage wurde der Klägerin durch Bescheid vom 13. April 1992 ab dem 1. November 1991 Erziehungsgeld in ungeminderter Höhe gewährt.
Auf die weitergeführte Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid vom 25. März 1993 die angefochtenen Bescheide abgeändert und das beklagte Land dazu verurteilt, für die Zeit vom 2. Juni 1991 bis zum 31. Oktober 1991 Erziehungsgeld in gesetzlichem Umfang ohne Anrechnung des Einkommens der Klägerin zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, das von der Klägerin im Jahre 1988 erzielte Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin sowie die darauf entfallende Einkommens- und Kirchensteuer habe für die Zeit ab Beginn des 7. Lebensmonats von D. gemäß § 6 Abs. 3 BErzGG unberücksichtigt bleiben müssen. § 6 Abs. 3 BErzGG finde auf die Fallgestaltung der Klägerin Anwendung, da sie während des Erziehungsgeldbezuges nicht erwerbstätig gewesen sei, sondern lediglich Versorgungsbezüge aus ihrer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit bezogen habe. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 BErzGG komme es eindeutig nur auf die Erwerbstätigkeit in dem einkommensabhängigen Zeitraum an. Ob der Leistungsberechtigte in diesem Zeitraum Einkommen erzielt habe, sei ohne Belang. Sei jemand während des einkommensabhängigen Zeitraums erwerbstätig, werde demgegenüber zumindest der Teil des Einkommens aus der Erwerbstätigkeit angerechnet, für den der Leistungsberechtigte nicht für die Betreuung des Kindes zur Verfügung stehe; die Möglichkeit hierzu biete § 6 Abs. 4 BErzGG. Vorliegend würden jedoch Versorgungsbezüge aus Dienstunfähigkeit erzielt, die Klägerin stehe also für die Kindesbetreuung voll zur Verfügung. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3, wonach der Bezug des Erziehungsgeldes dann eingeschränkt werden und das Einkommen angerechnet werden müsse, wenn der Leistungsberechtigte aufgrund einer Erwerbstätigkeit nicht mehr ausschließlich für die Kinderbetreuung zur Verfügung stehe. Bei der Klägerin sei dies jedoch nicht der Fall.
Gegen das dem beklagten Land am 28. April 1993 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Mai 1993 eingegangene Berufung. Das beklagte Land führt aus, die Vorbedingungen in § 6 Abs. 3 BErzGG, wonach in der Zeit des einkommensabhängigen Erziehungsgeldbezuges keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden dürfe, sei lediglich der Obersatz der getroffenen Regelung. Dem folge zwingend der Untersatz, wonach als Folge dieser Freistellung von Erwerbstätigkeit nur das sog. Erwerbseinkommen außer Betracht bleibe. Damit korrespondierten die beiden Pole "Erwerbstätigkeit” und "Erwerbseinkommen” folgerichtig miteinander. Zwar habe die Klägerin keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, die ihr zukommenden Versorgungsbezüge seien aber kein Erwerbseinkommen im Sinne dieser Vorschrift. Andere als Erwerbseinkünfte, die keine zeitlich bemessene Anwesenheit an einem Geschäfts- oder Beschäftigungsort erforderten und deshalb auch nicht die kalendertägliche Betreuungszeit für das Kind unterbrächen, sollten durchaus berücksichtigt werden. Dazu zählten z.B. Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte im Sinne von § 22 Einkommensteuergesetz in Gestalt von Ertragsanteilen von Renten oder von Versorgungsbezügen, wie dies vorliegend der Fall sei. § 6 Abs. 3 BErzGG ergebe nur insofern einen Sinn, als der Gesetzgeber die Kinderbetreuungsperson dafür und nur dafür entschädigen wolle, daß durch die Kinderbetreuung nunmehr keine Erwerbstätigkeit und damit keine Einkünfte daraus mehr möglich seien. Die anderen Einkünfte ergäben sich unabhängig von der Kinderbetreuung automatisch weiter. Dies sei auch insofern systemgerecht, als zeitlicher Aufwand für Geschäftsvorgänge aus diesen Einkommensarten für die volle Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BErzGG unerheblich seien. Eine Anwendung von § 6 Abs. 3 BErzGG in der bis zum 30. Juni 1993 maßgeblichen Fassung sei für die Bezieher von Versorgungsbezügen deshalb ausgeschlossen.
Das beklagte Land beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte des beklagten Landes (III XXXXXXX) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 150 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.
Einschlägig sind vorliegend die Regelungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der bis zum 30. Juni 1993 maßgeblichen Fassung (a.F.). Dies ergibt sich aus Art. 4 Nr. 8 b des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms – FKPG – vom 23. Juni 1993 (BGBl. I, S. 944). Diese Regelungen führen zu einem Anspruch auf Erziehungsgeld für den gesamten streitbefangenen Zeitraum.
Das von der Klägerin im Jahre 1988 erzielte Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin muß bei der nach § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. vorzunehmenden Einkommensberechnung außer Betracht bleiben. Dies gilt auch für die der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum gezahlten Versorgungsbezüge.
Gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 BErzGG a.F. wird Erziehungsgeld vom Beginn des 7. Monats an einkommensabhängig gewährt. Nach § 5 Abs. 2 BErzGG a.F. wird das sich gem. § 5 Abs. 1 BErzGG auf monatlich 600,– DM belaufende Erziehungsgeld vom Beginn des 7. Lebensmonats an gemindert, wenn das Einkommen nach § 6 BErzGG bei Verheirateten, die von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, 29.400,– DM übersteigt, wobei sich dieser Betrag für jedes weitere Kind des Berechtigten um 4.200, DM erhöht.
Ausgehend davon stand der Klägerin während der einkommensabhängigen Phase ungekürztes Erziehungsgeld nur dann zu, wenn das nach § 6 BErzGG zu ermittelnde Einkommen den Betrag von 33.600,– DM nicht überstieg. Dies war bei der Klägerin tatsächlich nicht der Fall. Unter Außerachtlassung des von der Klägerin im Jahre 1988 nach dem insoweit maßgeblichen Einkommenssteuerbescheid vom 10. April 1989 erzielten Einkommens aus ihrer Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin ergab sich vielmehr kein Minderungsbetrag, so daß ihr für die Dauer des streitbefangenen Zeitraums Erziehungsgeld in ungeminderter Höhe zusteht.
Da die Klägerin keinen Antrag nach § 6 Abs. 4 BErzGG a.F. über die Zugrundelegung des Einkommens desjenigen Kalenderjahres gestellt hat, in dem der 7. Lebensmonat ihres Kindes Daniel begann, ist für die Klägerin die Regelung des § 6 Abs. 1 BErzGG a.F. maßgebend.
Als Einkommen gilt danach die Summe der im vorletzten Kalenderjahr vor der Geburt erzielten positiven Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, und zwar so, wie sie der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind.
Welche Beträge von dem nach § 6 Abs. 1 BErzGG a.F. zu ermittelnden Einkommen in Abzug zu bringen sind, ergibt sich zunächst aus § 6 Abs. 2 BErzGG. Die Höhe dieser Beträge ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Umstritten ist dagegen, inwieweit der Klägerin die Regelung des § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. zugute kommt.
Nach dieser Bestimmung bleibt das vor oder nach dieser Zeit erzielte Erwerbseinkommen und die darauf entfallende Einkommen- und Kirchensteuer unberücksichtigt, wenn der Berechtigte in der Zeit, in der das Erziehungsgeld einkommensabhängig ist, nicht erwerbstätig ist.
Die Voraussetzungen von § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. sind vorliegend gegeben: Die Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum tatsächlich nicht erwerbstätig, ihr vorangegangenes Erwerbseinkommen des Jahres 1988 kann deshalb zur Errechnung des Minderungsbetrages nicht herangezogen werden.
Unter Erwerbseinkommen i.S.v. § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. sind Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 Einkommenssteuergesetz (EStG) anzusehen (vgl. insoweit BSG Urteil vom 20. Dezember 1990 – 4 REg 11/90 = SozR 3 7833 § 6 Nr. 1). Auch die Einkünfte der Klägerin als Verwaltungsinspektorin sind insoweit dem Erwerbseinkommen zuzurechnen.
Daß die Klägerin während des streitbefangenen Zeitraums Versorgungsbezüge erhielt, steht der Anwendung dieser Bestimmung – und damit der in § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. vorgesehenen Außerachtlassung der im Jahre 1988 erzielten Einkünfte aus der Tätigkeit als Verwaltungsinspektorin – nicht entgegen. Aus welchen Gründen eine Erwerbstätigkeit im einkommensabhängigen Erziehungsgeldzeitraum nicht – oder nicht mehr – ausgeübt wird, ist nach Auffassung des Senats für die Inanspruchnahme der durch § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. eingeräumten Begünstigung nämlich ohne Belang. Insbesondere ist es nicht entscheidungserheblich, ob der Erziehungsgeldberechtigte Erwerbseinkommen i.S. dieser Bestimmung nicht erzielt oder nicht mehr erzielen kann, weil sein Gesundheitszustand dies gar nicht zuläßt. Lediglich für die in § 2 Abs. 2 BErzGG a.F. genannten Fälle gilt insoweit eine Ausnahme.
Zwar soll mit dem Erziehungsgeld die "Wahlfreiheit” zwischen der Tätigkeit im Beruf und in der Familie zur Betreuung und Erziehung des Kindes erleichtert werden (BT-Drucks. 10/3792, S. 16). Eine Überprüfung, ob etwa aus gesundheitlichen Gründen eine Berufstätigkeit ausgeübt werden könnte, sieht das Bundeserziehungsgeldgesetz und insbesondere § 6 Abs. 3 BErzGG a.F. indes nicht vor. Auch aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 BErzGG läßt sich die gegenteilige Annahme nicht ableiten.
Der Erziehungsgeldanspruch ist nach dieser Regelung daran gebunden, daß der Berechtigte keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Dabei wird unausgesprochen vorausgesetzt, daß der Begünstigte, rechtlich erlaubt, eine Erwerbstätigkeit überhaupt hätte aufnehmen dürfen, wenn er dies während des möglichen Leistungszeitraums gewollt hätte (BSG Urteil vom 27. September 1990 – 4 REg 30/89 = SozR 3 – 7833 § 1 Nr. 1). Diese Einschränkung bezieht sich indes allein auf die rechtliche Zulässigkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, nicht jedoch darauf, ob überhaupt die Fähigkeit hierzu vorhanden ist. Auch der Dienst- oder Erwerbsunfähige ist vom Bezug des Erziehungsgeldes deshalb nicht ausgeschlossen.
Zu Recht hat das beklagte Land der Klägerin deshalb auch in der Zeit vom 2. Februar 1990 bis zum 1. Juni 1991 Erziehungsgeld gewährt. Denn rechtlich zulässig wäre eine Tätigkeit der Klägerin auch während der Zeit gewesen, in der sie Versorgungsbezüge erhalten hat. Welche Auswirkungen sich dabei ggfs. auf die Höhe der Versorgungsbezüge ergeben hätten, ist jedoch insoweit ohne Belang.
Ohne Belang ist auch, daß die Klägerin während des Erziehungsgeldzeitraums Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz erhielt. Da insoweit das "historische Einkommen” der Klägerin im Jahre 1988 maßgeblich ist, finden Einkünfte während des Erziehungsgeldzeitraumes keine Berücksichtigung. Die gegenteilige Annahme des beklagten Landes findet im Gesetz keine Grundlage.
Der Erhalt der Versorgungsbezüge führt auch nicht dazu, daß die Klägerin etwa nach § 2 BErzGG so gestellt werden müßte, als übe sie tatsächlich eine volle Erwerbstätigkeit aus. Der Erhalt von Versorgungsbezügen ist in § 2 Abs. 2 BErzGG nicht genannt. Dabei handelt es sich um eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers, und nicht etwa um eine Regelungslücke. Die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes hebt insoweit (BT-Drucks. 10/3792, S. 15) ausdrücklich hervor, daß Dauerleistungen, wie z.B. Renten, nicht den Lohnersatzleistungen zugerechnet werden sollten, die den Bezug von Erziehungsgeld ausschließen. Auch bei den Versorgungsbezügen handelt es sich jedoch um solche Dauerleistungen.
Die Berufung des beklagten Landes war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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