Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 411/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 1265/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Scheidet eine Flugbegleiterin bei der Deutschen Lufthansa aus, indem sie von dem Optionsrecht des § 19 a MTV Gebrauch macht, führt die erhaltene Abfindung zum Ruhen ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 2, 3 AFG. (Fortführung der Rechtsprechung des BSG vom 13. März 1990 – 11 RAr 69/89 – SozR 3, 4100, § 117 Nr. 2 und vom 29. August 1991 – 7 RAr 130/90 – in SozR 3, 4100, § 117 Nr. 6, Beachtung des Beschlusses des BVerfG vom 12. Mai 1976 – 1 BvL 31/73 in BVerfGE 42, S. 176)
Tenor: I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Oktober 1993 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Frage, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen einer tarifvertraglich vereinbarten Abfindungsregelung ruht.
Die 1959 geborene Klägerin war ausweislich der Arbeitsbescheinigung ab 2. August 1978 bei der XY. AG (XY.) als Flugbegleiterin tätig. Sie arbeitete zuletzt in Teilzeitarbeit (25 % reduziert) und erzielte in den Monaten Juli bis September 1991 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von DM 11.176,45. Mit Schreiben vom 26. Juli 1991 nahm die Klägerin das in § 19 a Manteltarifvertrag Nr. 3 a für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa vom 1. Januar 1987 (MTV) geregelte Optionsrecht wahr und beendete ihr Arbeitsverhältnis zum 30. September 1991.
§ 19 a MTV lautet:
1) "Mit Vollendung des 32. Lebensjahres wird dem Flugbegleiter folgendes Optionsrecht angeboten: Beendet der Flugbegleiter sein fliegerisches Arbeitsverhältnis und scheidet er aus dem Konzern aus, erhält er eine einmalige Abfindungszahlung in Höhe von eineinhalb (1,5) Monatsvergütungen (§ 5 Abs. 1 a), c) und d) für jedes bis zum Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis als Flugbegleiter vollendete Dienstjahr.
2) Berechnungsgrundlage für die Abfindungszahlung ist das letzte Grundgehalt des fliegerischen Arbeitsverhältnisses.
3) Die Rechte nach Abs. 1 können im Laufe des Kalenderjahres geltend gemacht werden, in dem das maßgebliche Lebensalter vollendet wird. Bei Ausübung der Option endet das Beschäftigungsverhältnis bei XY. mit einer Frist von 6 Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres, ”
Nach § 22 MTV beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigung von mehr als 12 Jahren 6 Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres. Die Klägerin erhielt von der XY. eine Abfindung von DM 96.601,05.
Am 2. Oktober 1991 meldete die Klägerin sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 9. Januar 1992 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 1. April 1992 mit einem täglichen Leistungssatz von DM 50,70. Mit weiterem Bescheid vom 24. Januar 1992 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bis zum 31. März 1992 ruhe, da das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei.
Am 21. Januar 1992 hat die Klägerin Widerspruch erhoben, und zwar sowohl hinsichtlich der Höhe der Leistung als auch wegen der 6-monatigen Dauer des Leistungseinbehalts. Sie hat u.a. vorgetragen, sie habe die bei Ausübung der Option bestehende Kündigungsfrist von 6 Wochen eingehalten, also fristgerecht gekündigt. Die Beklagte hat eine Auskunft der XY. vom 13. April 1992 eingeholt.
Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 29. April 1992 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Hinsichtlich des streitbefangenen Ruhens der Leistung mit der Begründung, nach § 117 Abs. 3 AFG seien lediglich 60 % der Abfindungssumme von DM 96.601,05, also DM 57.960,63 zu berücksichtigen, bei einem kalendertäglichen Arbeitsentgelt von DM 121,48 entsprechend 477 Kalendertage, jedoch nicht über das Ende der eigentlichen ordentlichen Arbeitgeberkündigungsfrist zum 31. März 1992 hinaus.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Mai 1992 Klage erhoben mit dem Ziel, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 1991 zu erhalten. Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei in Wahrnehmung eines von Anfang an im Arbeitsverhältnis angelegten tarifvertraglichen Optionsrechts ausgeschieden, eine Kündigung sei zu keinem Zeitpunkt von niemandem erklärt worden. Eine Kündigungsfrist i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei tatbestandlich nicht gegeben. Gegen eine Anwendung des § 117 AFG i.S. der Beklagten bestünden verfassungsrechtliche Bedenken.
Die Beklagte hat im wesentlichen vorgetragen, von der Ruhensvorschrift des § 117 Abs. 2 AFG, die vereinfachend und typisierend die unwiderlegbare Vermutung enthalte, daß Abfindungen, Entschädigungen u.a. Leistungen anteilig Arbeitsentgelt enthielten, würden alle Fälle vorzeitiger Beendigungen von Arbeitsverhältnissen erfaßt, damit ein Doppelbezug von Arbeitslosengeld und Arbeitsentgelt ausgeschlossen werde. Es sei unerheblich, daß von keiner Seite eine Kündigung erfolgt sei. Maßgebend sei, daß das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei.
Mit Urteil vom 5. Oktober 1993 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die der Klägerin gezahlte Abfindung stehe in einem Kausalzusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es seien Lohnanteile enthalten, die die Zeit bis zum Erhalt von Arbeitslosengeld überbrücken sollten. Die Abfindung werde allein zu dem Zweck der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt. Die Klägerin sei auch vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Sie habe die ordentliche Kündigungsfrist nach § 22 MTV nicht eingehalten, die nach mehr als 12-jähriger Zugehörigkeit 6 Monate zum Schluß des Kalendervierteljahres betrage. Die Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Kalendervierteljahresende entspreche nicht dem Begriff der ordentlichen Kündigungsfrist i.S. § 117 Abs. 2 AFG. Der Einwand der Klägerin, das Arbeitsverhältnis habe nicht durch Kündigung, sondern durch Gebrauchmachen von dem Optionsrecht geendet, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn § 117 Abs. 2 AFG stelle lediglich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab, sei es durch Kündigung, durch gerichtlichen Vergleich, oder, wie hier, durch Gebrauchmachen von einer Option. § 117 Abs. 2 AFG sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Der Gesetzgeber habe keine willkürliche Regelung getroffen, sondern dafür Sorge getragen, daß den Arbeitnehmern ein gewisser Anteil von der Abfindung verbleibe.
Gegen das ihr am 30. November 1993 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Dezember 1993 Berufung eingelegt. Die Klägerin trägt vor, der Tatbestand des § 117 AFG kenne kein Ruhen, das anzuordnen sei, weil ein Arbeitnehmer von seinen tarifvertraglichen Kündigungsmöglichkeiten Gebrauch mache. Die Auffassung des Sozialgerichts stelle einen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Eingriff in die Tarifautonomie dar. Das Sozialgericht beachte bereits nicht, daß die Klägerin nicht durch Kündigungserklärung, sondern durch die Wahrnehmung eines tarifvertraglichen Optionsrechts ausgeschieden sei. Die tarifvertragliche Sonderzahlung stelle keine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung dar, die tatbestandlich die Voraussetzung des § 117 Abs. 2 AFG erfülle. Es liege keine vorzeitige Beendigung vor, da der einschlägige MTV gerade durch einseitige Option das Ausscheiden unter Einhaltung bestimmter Fristen gewährleiste. Selbst, wenn dem nicht gefolgt werde, begegne § 117 Abs. 2 AFG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zum einen werde der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien eingeengt, die aus übergeordneten Gesichtspunkten eine andere Schiebung der Gewichte vorgenommen hätten als der Gesetzgeber. Zum anderen würden die vom Bundesverfassungsgericht gegenüber der alten Gesetzesregelung erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken auch gegenüber der Neuregelung Platz greifen, wenn man die Auffassung des Sozialgerichts teile.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Oktober 1993 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 1992 zu ändern, sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1992 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 in gesetzlichem Umfang zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die erstinstanzliche Entscheidung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Oktober 1993 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die angefochtenen Bescheide vom 9. Januar 1992 und vom 24. Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1992 sind nicht zu beanstanden, soweit sie die Leistung von Arbeitslosengeld sinngemäß für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 abgelehnt (Bescheid vom 9. Januar 1992) bzw. das Ruhen von Arbeitslosengeld für diese Zeit festgestellt (Bescheid vom 24. Januar 1992) haben. Soweit die Klägerin mit ihrem Widerspruch höheres Arbeitslosengeld begehrt und dies mit dem weiteren Widerspruchsbescheid vom 29. April 1992 zurückgewiesen wurde, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, daß der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 ruht, § 117 Abs. 2 und 3 AFG.
§ 117 Abs. 2 Satz 1 und 2 AFG lauten: "Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.”
§ 117 Abs. 3 Satz 1 bis 3 AFG lauten: "Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach Absatz 2 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus,
1) bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von siebzig vom Hundert der Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung als Arbeitsentgelt verdient hätte,
2) an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte oder
3) an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können.
Der nach Satz 2 Nr. 1 zu berücksichtigende Anteil der Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres um je fünf vom Hundert; er beträgt nicht weniger als dreißig vom Hundert der Leistung.”
Die Klägerin hat wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der XY. eine Einmalzahlung von DM 96.601,05 erhalten. Dabei handelt es sich auch um eine Leistung, die nur im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Daß diese Zahlung tarifvertraglich geregelt ist, schließt die Anwendung des § 117 Abs. 2 AFG nicht aus (vgl. Urteil des BSG vom 13. März 1990 – 11 RAr 69/89 in SozR 3, 4100, § 117 Nr. 2). Dabei ist unerheblich, ob in dieser Zahlung ausdrücklich oder sinngemäß und ggfs. in welcher Höhe Lohnanteile enthalten sind und aus welchen Gründen die nach § 19 a MTV ausscheidenden Arbeitnehmer diese Leistung erhalten. Es reicht vielmehr das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung der hier streitbefangenen Leistung aus (vgl. Urteil des BSG vom 29. August 1991 – 7 RAr 130/90 – in SozR 3 – 4100 § 117 Nr. 6). Das Arbeitsverhältnis ist auch ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Dabei ist auszugehen von dem Datum des Schreibens der Klägerin vom 26. Juli 1991, das zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 1991 geführt hat, § 19 a Abs. 3 Satz 2 MTV. Es ist dabei unerheblich, ob das Gebrauchmachen von der Option als Kündigung zu verstehen ist, wofür viel spricht, da auch andere vorzeitige Beendigungsformen zur Anwendung des § 117 AFG führen. Bei dem anzustellenden Vergleich zwischen der ordentlichen Kündigungsfrist und der tatsächlichen Beendigungsfrist (hier Zeit vom 26. Juli 1991 bis zum 30. September 1991) kommt es allein auf die (ordentliche) Kündigungsfrist des Arbeitgebers an, so daß es unbeachtlich ist, daß das Gebrauchmachen von der Option nach § 19 a MTV aus der Sicht der Klägerin eine tarifvertraglich geregelte ordnungsgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt. Für die XY. gab es jedoch keine (tarifvertraglich geregelte) Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprechend der Regelung in § 19 a MTV. Für die XY. gelten vielmehr die Kündigungsfristen nach § 22 Abs. 2 MTV weiter, die für die Klägerin ohne Gebrauchmachen von der Option ebenfalls gegolten hätten. Dies bedeutet bei einem Beschäftigungsverhältnis von mehr als 12, aber weniger als 15 Jahren eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres. Die XY. hätte demnach am 26. Juli 1991 ordentlich zum 31. März 1992 kündigen können, dem Tag, zu dem längstens der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ruht, § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG. Eine Verkürzung der Ruhenszeit nach § 117 Abs. 3 AFG kommt im Falle der Klägerin nicht in Betracht. Ausgehend von einem zu berücksichtigenden Anteil von 60 % = DM 57.960,63 (70 % abzüglich jeweils 5 % für jeweils 5 Beschäftigungsjahre) und einem täglichen Arbeitsentgelt von DM 121,48 ergeben sich 477 Kalendertage, die keine Verkürzung der Ruhenszeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 bewirken können.
Der erkennende Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin nicht. Ein unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie ist jedenfalls im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der Gesetzgeber knüpft an die tatsächlich erfolgte Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung an und prüft dann fiktiv, welche ordentliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber Gültigkeit gehabt hätte. Daß dies auch eine tarifvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist sein kann, zeigt der vorliegende Fall, in dem die Beklagte die sich aus § 22 Abs. 2 MTV ergebende Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres der weiteren Berechnung zugrunde legt. Daß die Beklagte nicht auf die von der Klägerin zu beachtende Beendigungsfrist (oder sinngemäß auch als Kündigungsfrist zu verstehen) des § 19 a Abs. 3 MTV abhebt, liegt ganz einfach daran, daß diese Frist nur für den Arbeitnehmer, aber nicht für den Arbeitgeber Gültigkeit hat. Dem liegt aber der Gedanke zugrunde, daß immer dann, wenn ein Arbeitnehmer eine frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreicht, als es auch dem Arbeitgeber möglich wäre, bei einer Abfindungszahlung (o.ä.) unwiderlegbar vermutet wird, daß darin auch Lohnanteile enthalten sind, als Ausgleich für die frühere (aus Arbeitgebersicht) Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies kann letztlich nur dadurch vermieden werden, daß entweder die für den Arbeitgeber geltenden Kündigungsfristen eingehalten werden oder tariflich auch für den Arbeitgeber kürzere Kündigungsfristen vereinbart werden. Eine Verletzung der Tarifautonomie liegt darin nicht.
Der erkennende Senat ist auch nicht der Auffassung, daß im vorliegenden Fall ein Verfassungsverstoß des § 117 AFG unter Beachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 1976 (BVerfGE 42, S. 176 ff.) zu Tage tritt. Der Gesetzgeber hat die Beanstandungen des Bundesverfassungsgerichts hinreichend berücksichtigt und § 117 AFG neu gefaßt, so daß nur noch ein Teil der Abfindung (bzw. Entschädigung oder ähnlichen Leistung) berücksichtigt wird und auch längere Beschäftigungszeiten und höheres Lebensalter zu einer Minderung des zu berücksichtigenden Prozentsatzes führen. Ferner wurde eine zeitliche Begrenzung des Ruhens bei ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmern eingeführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Frage, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen einer tarifvertraglich vereinbarten Abfindungsregelung ruht.
Die 1959 geborene Klägerin war ausweislich der Arbeitsbescheinigung ab 2. August 1978 bei der XY. AG (XY.) als Flugbegleiterin tätig. Sie arbeitete zuletzt in Teilzeitarbeit (25 % reduziert) und erzielte in den Monaten Juli bis September 1991 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von DM 11.176,45. Mit Schreiben vom 26. Juli 1991 nahm die Klägerin das in § 19 a Manteltarifvertrag Nr. 3 a für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa vom 1. Januar 1987 (MTV) geregelte Optionsrecht wahr und beendete ihr Arbeitsverhältnis zum 30. September 1991.
§ 19 a MTV lautet:
1) "Mit Vollendung des 32. Lebensjahres wird dem Flugbegleiter folgendes Optionsrecht angeboten: Beendet der Flugbegleiter sein fliegerisches Arbeitsverhältnis und scheidet er aus dem Konzern aus, erhält er eine einmalige Abfindungszahlung in Höhe von eineinhalb (1,5) Monatsvergütungen (§ 5 Abs. 1 a), c) und d) für jedes bis zum Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis als Flugbegleiter vollendete Dienstjahr.
2) Berechnungsgrundlage für die Abfindungszahlung ist das letzte Grundgehalt des fliegerischen Arbeitsverhältnisses.
3) Die Rechte nach Abs. 1 können im Laufe des Kalenderjahres geltend gemacht werden, in dem das maßgebliche Lebensalter vollendet wird. Bei Ausübung der Option endet das Beschäftigungsverhältnis bei XY. mit einer Frist von 6 Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres, ”
Nach § 22 MTV beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigung von mehr als 12 Jahren 6 Monate zum Schluß eines Kalendervierteljahres. Die Klägerin erhielt von der XY. eine Abfindung von DM 96.601,05.
Am 2. Oktober 1991 meldete die Klägerin sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 9. Januar 1992 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 1. April 1992 mit einem täglichen Leistungssatz von DM 50,70. Mit weiterem Bescheid vom 24. Januar 1992 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bis zum 31. März 1992 ruhe, da das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei.
Am 21. Januar 1992 hat die Klägerin Widerspruch erhoben, und zwar sowohl hinsichtlich der Höhe der Leistung als auch wegen der 6-monatigen Dauer des Leistungseinbehalts. Sie hat u.a. vorgetragen, sie habe die bei Ausübung der Option bestehende Kündigungsfrist von 6 Wochen eingehalten, also fristgerecht gekündigt. Die Beklagte hat eine Auskunft der XY. vom 13. April 1992 eingeholt.
Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 29. April 1992 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Hinsichtlich des streitbefangenen Ruhens der Leistung mit der Begründung, nach § 117 Abs. 3 AFG seien lediglich 60 % der Abfindungssumme von DM 96.601,05, also DM 57.960,63 zu berücksichtigen, bei einem kalendertäglichen Arbeitsentgelt von DM 121,48 entsprechend 477 Kalendertage, jedoch nicht über das Ende der eigentlichen ordentlichen Arbeitgeberkündigungsfrist zum 31. März 1992 hinaus.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Mai 1992 Klage erhoben mit dem Ziel, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 1991 zu erhalten. Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei in Wahrnehmung eines von Anfang an im Arbeitsverhältnis angelegten tarifvertraglichen Optionsrechts ausgeschieden, eine Kündigung sei zu keinem Zeitpunkt von niemandem erklärt worden. Eine Kündigungsfrist i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei tatbestandlich nicht gegeben. Gegen eine Anwendung des § 117 AFG i.S. der Beklagten bestünden verfassungsrechtliche Bedenken.
Die Beklagte hat im wesentlichen vorgetragen, von der Ruhensvorschrift des § 117 Abs. 2 AFG, die vereinfachend und typisierend die unwiderlegbare Vermutung enthalte, daß Abfindungen, Entschädigungen u.a. Leistungen anteilig Arbeitsentgelt enthielten, würden alle Fälle vorzeitiger Beendigungen von Arbeitsverhältnissen erfaßt, damit ein Doppelbezug von Arbeitslosengeld und Arbeitsentgelt ausgeschlossen werde. Es sei unerheblich, daß von keiner Seite eine Kündigung erfolgt sei. Maßgebend sei, daß das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden sei.
Mit Urteil vom 5. Oktober 1993 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die der Klägerin gezahlte Abfindung stehe in einem Kausalzusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es seien Lohnanteile enthalten, die die Zeit bis zum Erhalt von Arbeitslosengeld überbrücken sollten. Die Abfindung werde allein zu dem Zweck der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt. Die Klägerin sei auch vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Sie habe die ordentliche Kündigungsfrist nach § 22 MTV nicht eingehalten, die nach mehr als 12-jähriger Zugehörigkeit 6 Monate zum Schluß des Kalendervierteljahres betrage. Die Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Kalendervierteljahresende entspreche nicht dem Begriff der ordentlichen Kündigungsfrist i.S. § 117 Abs. 2 AFG. Der Einwand der Klägerin, das Arbeitsverhältnis habe nicht durch Kündigung, sondern durch Gebrauchmachen von dem Optionsrecht geendet, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn § 117 Abs. 2 AFG stelle lediglich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab, sei es durch Kündigung, durch gerichtlichen Vergleich, oder, wie hier, durch Gebrauchmachen von einer Option. § 117 Abs. 2 AFG sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Der Gesetzgeber habe keine willkürliche Regelung getroffen, sondern dafür Sorge getragen, daß den Arbeitnehmern ein gewisser Anteil von der Abfindung verbleibe.
Gegen das ihr am 30. November 1993 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Dezember 1993 Berufung eingelegt. Die Klägerin trägt vor, der Tatbestand des § 117 AFG kenne kein Ruhen, das anzuordnen sei, weil ein Arbeitnehmer von seinen tarifvertraglichen Kündigungsmöglichkeiten Gebrauch mache. Die Auffassung des Sozialgerichts stelle einen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Eingriff in die Tarifautonomie dar. Das Sozialgericht beachte bereits nicht, daß die Klägerin nicht durch Kündigungserklärung, sondern durch die Wahrnehmung eines tarifvertraglichen Optionsrechts ausgeschieden sei. Die tarifvertragliche Sonderzahlung stelle keine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung dar, die tatbestandlich die Voraussetzung des § 117 Abs. 2 AFG erfülle. Es liege keine vorzeitige Beendigung vor, da der einschlägige MTV gerade durch einseitige Option das Ausscheiden unter Einhaltung bestimmter Fristen gewährleiste. Selbst, wenn dem nicht gefolgt werde, begegne § 117 Abs. 2 AFG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zum einen werde der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien eingeengt, die aus übergeordneten Gesichtspunkten eine andere Schiebung der Gewichte vorgenommen hätten als der Gesetzgeber. Zum anderen würden die vom Bundesverfassungsgericht gegenüber der alten Gesetzesregelung erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken auch gegenüber der Neuregelung Platz greifen, wenn man die Auffassung des Sozialgerichts teile.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Oktober 1993 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 1992 zu ändern, sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1992 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 in gesetzlichem Umfang zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die erstinstanzliche Entscheidung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Oktober 1993 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die angefochtenen Bescheide vom 9. Januar 1992 und vom 24. Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1992 sind nicht zu beanstanden, soweit sie die Leistung von Arbeitslosengeld sinngemäß für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 abgelehnt (Bescheid vom 9. Januar 1992) bzw. das Ruhen von Arbeitslosengeld für diese Zeit festgestellt (Bescheid vom 24. Januar 1992) haben. Soweit die Klägerin mit ihrem Widerspruch höheres Arbeitslosengeld begehrt und dies mit dem weiteren Widerspruchsbescheid vom 29. April 1992 zurückgewiesen wurde, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, daß der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 ruht, § 117 Abs. 2 und 3 AFG.
§ 117 Abs. 2 Satz 1 und 2 AFG lauten: "Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.”
§ 117 Abs. 3 Satz 1 bis 3 AFG lauten: "Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach Absatz 2 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus,
1) bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von siebzig vom Hundert der Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung als Arbeitsentgelt verdient hätte,
2) an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte oder
3) an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können.
Der nach Satz 2 Nr. 1 zu berücksichtigende Anteil der Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres um je fünf vom Hundert; er beträgt nicht weniger als dreißig vom Hundert der Leistung.”
Die Klägerin hat wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der XY. eine Einmalzahlung von DM 96.601,05 erhalten. Dabei handelt es sich auch um eine Leistung, die nur im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Daß diese Zahlung tarifvertraglich geregelt ist, schließt die Anwendung des § 117 Abs. 2 AFG nicht aus (vgl. Urteil des BSG vom 13. März 1990 – 11 RAr 69/89 in SozR 3, 4100, § 117 Nr. 2). Dabei ist unerheblich, ob in dieser Zahlung ausdrücklich oder sinngemäß und ggfs. in welcher Höhe Lohnanteile enthalten sind und aus welchen Gründen die nach § 19 a MTV ausscheidenden Arbeitnehmer diese Leistung erhalten. Es reicht vielmehr das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung der hier streitbefangenen Leistung aus (vgl. Urteil des BSG vom 29. August 1991 – 7 RAr 130/90 – in SozR 3 – 4100 § 117 Nr. 6). Das Arbeitsverhältnis ist auch ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Dabei ist auszugehen von dem Datum des Schreibens der Klägerin vom 26. Juli 1991, das zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 1991 geführt hat, § 19 a Abs. 3 Satz 2 MTV. Es ist dabei unerheblich, ob das Gebrauchmachen von der Option als Kündigung zu verstehen ist, wofür viel spricht, da auch andere vorzeitige Beendigungsformen zur Anwendung des § 117 AFG führen. Bei dem anzustellenden Vergleich zwischen der ordentlichen Kündigungsfrist und der tatsächlichen Beendigungsfrist (hier Zeit vom 26. Juli 1991 bis zum 30. September 1991) kommt es allein auf die (ordentliche) Kündigungsfrist des Arbeitgebers an, so daß es unbeachtlich ist, daß das Gebrauchmachen von der Option nach § 19 a MTV aus der Sicht der Klägerin eine tarifvertraglich geregelte ordnungsgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt. Für die XY. gab es jedoch keine (tarifvertraglich geregelte) Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprechend der Regelung in § 19 a MTV. Für die XY. gelten vielmehr die Kündigungsfristen nach § 22 Abs. 2 MTV weiter, die für die Klägerin ohne Gebrauchmachen von der Option ebenfalls gegolten hätten. Dies bedeutet bei einem Beschäftigungsverhältnis von mehr als 12, aber weniger als 15 Jahren eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres. Die XY. hätte demnach am 26. Juli 1991 ordentlich zum 31. März 1992 kündigen können, dem Tag, zu dem längstens der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ruht, § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG. Eine Verkürzung der Ruhenszeit nach § 117 Abs. 3 AFG kommt im Falle der Klägerin nicht in Betracht. Ausgehend von einem zu berücksichtigenden Anteil von 60 % = DM 57.960,63 (70 % abzüglich jeweils 5 % für jeweils 5 Beschäftigungsjahre) und einem täglichen Arbeitsentgelt von DM 121,48 ergeben sich 477 Kalendertage, die keine Verkürzung der Ruhenszeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. März 1992 bewirken können.
Der erkennende Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin nicht. Ein unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie ist jedenfalls im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der Gesetzgeber knüpft an die tatsächlich erfolgte Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung an und prüft dann fiktiv, welche ordentliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber Gültigkeit gehabt hätte. Daß dies auch eine tarifvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist sein kann, zeigt der vorliegende Fall, in dem die Beklagte die sich aus § 22 Abs. 2 MTV ergebende Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres der weiteren Berechnung zugrunde legt. Daß die Beklagte nicht auf die von der Klägerin zu beachtende Beendigungsfrist (oder sinngemäß auch als Kündigungsfrist zu verstehen) des § 19 a Abs. 3 MTV abhebt, liegt ganz einfach daran, daß diese Frist nur für den Arbeitnehmer, aber nicht für den Arbeitgeber Gültigkeit hat. Dem liegt aber der Gedanke zugrunde, daß immer dann, wenn ein Arbeitnehmer eine frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreicht, als es auch dem Arbeitgeber möglich wäre, bei einer Abfindungszahlung (o.ä.) unwiderlegbar vermutet wird, daß darin auch Lohnanteile enthalten sind, als Ausgleich für die frühere (aus Arbeitgebersicht) Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies kann letztlich nur dadurch vermieden werden, daß entweder die für den Arbeitgeber geltenden Kündigungsfristen eingehalten werden oder tariflich auch für den Arbeitgeber kürzere Kündigungsfristen vereinbart werden. Eine Verletzung der Tarifautonomie liegt darin nicht.
Der erkennende Senat ist auch nicht der Auffassung, daß im vorliegenden Fall ein Verfassungsverstoß des § 117 AFG unter Beachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 1976 (BVerfGE 42, S. 176 ff.) zu Tage tritt. Der Gesetzgeber hat die Beanstandungen des Bundesverfassungsgerichts hinreichend berücksichtigt und § 117 AFG neu gefaßt, so daß nur noch ein Teil der Abfindung (bzw. Entschädigung oder ähnlichen Leistung) berücksichtigt wird und auch längere Beschäftigungszeiten und höheres Lebensalter zu einer Minderung des zu berücksichtigenden Prozentsatzes führen. Ferner wurde eine zeitliche Begrenzung des Ruhens bei ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmern eingeführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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