Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 120/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 224/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rentenhöhe der Klägerin, insbesondere über einen Anspruch auf Berücksichtigung eines Steigerungssatzes für Beschäftigungszeiten im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR.
Die 1939 geborene Klägerin befand sich seit 1957 in einer Ausbildung zum Apothekenhelfer in einer staatlichen Apotheke, besuchte vom 1. April 1960 bis zum 24. Fe-bruar 1962 eine Fachschule, schloss diese als Apothekenassistentin ab und blieb danach im mittleren medizinischen Dienst des Gesundheitswesens beschäftigt.
Mit Bescheid vom 24. November 1999 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Wirkung von Januar 2000 an eine Altersrente für Frauen in Höhe der Hälfte der Vollrente.
Die Klägerin beantragte mit Eingangsdatum vom 26. April 2002 bei der Beklagten die Überprüfung des Rentenbescheides gem. § 44 SGB X im Hinblick auf den erhöhten Steigerungssatz nach § 47 der Rentenverordnung der DDR vom 23. November 1979.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte aus, als Verdienst im Sinne des § 256a Abs. 1 SGB VI zähle allein das tatsächliche erzielte Einkommen, sofern hierfür Beiträge zur Sozialpflichtversicherung gezahlt worden seien. Mangels besonderer Anordnung scheide die Anhebung dieses Arbeitsverdienstes auf das 1,5-fache aus. Aus den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 10. November 1998 folge nichts anderes. Zum Einen folge die Beklagte diesen Urteilen nicht. Zum Anderen hätten die Urteile ausschließlich ehemalige Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn und Deutschen Post im Hinblick auf die für sie geltenden früheren Versorgungsordnungen betroffen. Mit dem noch im Juni 2002 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Wegfall der Rentensteigerungsbeträge stelle einen unzulässigen Eingriff in ihr grundrechtlich geschütztes Eigentum dar. Mit Bescheid vom 2. Juli 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin vom 1. September 2004 an die Regelaltersrente als Vollrente.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2006 lehnte die Beklagte erneut den Neufeststellungsantrag der Klägerin ab. Sie legte dar, das SGB VI enthalte keine Bestimmung, die einer Anwendung des besonderen Steigerungssatzes der Rentenverordnung bei der Rentenberechnung gestatte. Dies stehe mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum besonderen Steigerungssatz in Einklang.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 10. Januar 2007 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2007 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten diesen Widerspruch zurück und blieb bei der abgegebenen Begründung.
Mit der am 20. März 2007 beim Sozialgericht Dessau erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Neuberechung der gezahlten Rente und entsprechende Änderung der zu Grunde liegenden Rentenbescheide. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X lägen nicht vor. Die Berechnung der Altersrente der Klägerin richte sich ausschließlich nach dem SGB VI, das einen besonderen Steigerungssatz nicht kenne. Die der Klägerin danach gezahlte Rente sei deutlich höher als eine nach dem bis zum 31. Dezember 1996 fortgeltenden Recht ermittelte Rente. Eine Übertragung einzelner Berechnungselemente des Rentenrechts der DDR in das bundesdeutsche Rentenrecht sei nicht möglich.
Mit der am 29. Mai 2007 beim Sozialgericht Dessau eingelegten Berufung bezieht sich die Klägerin auf ihre Widerspruchsbegründung und regt ein Ruhen des Verfahrens an.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 2. Mai 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2007 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, die Rentenbescheide vom 24. November 1999 und 2. Juli 2004 abzuändern und die Rentenhöhe unter Berücksichtigung des 1,5-fachen Steigerungssatzes über den Zeitraum vom 1. September 1957 bis zum 2. Oktober 1991 günstiger zu ermitteln.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides und lehnt ein Ruhen des Verfahrens ab. Dazu führt sie aus, anhängige Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rechtfertigten kein Ruhen, weil sie nur in Ausnahmefällen direkten Einfluss auf anhängige Prozesse hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien die Entscheidungen dieses Gerichtshofes für die deutschen Gerichte lediglich Auslegungshilfen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung allein durch den Vorsitzenden – der nach der Senatsgeschäftsverteilung für die Bearbeitung zuständig ist - ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 24. April 2008 und 12. Juni 2008 zugestimmt.
Neben Ablichtungen der Rentenbescheide vom 24. November 1999 und 2. Juli 2004 hat die Akte der Beklagten – Vers.-Nr. 48 070839 E 514 – bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg. Darüber konnte das Gericht gem. § 155 Abs. 3 SGG durch den Vorsitzenden entscheiden, weil beide Beteiligten dieser Besetzung zugestimmt haben und der Fall tatsächlich und rechtlich einfach ist. Das Gericht konnte über den Rechtsstreit abschließend entscheiden. Ein Ruhen des Verfahrens kam nach § 202 SGG i.V.m. § 251 S. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) mangels eines entsprechenden Antrages der Beklagten nicht in Betracht. Für eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 114 SGG bestand kein Anlass, weil nicht erkennbar ist, dass selbst in der gleichen sachlichen Frage anhängige Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für den Ausgang des Verfahrens vorgreiflich sein könnten. Die Europäische Menschenrechtskonvention enthält nicht in dem Sinne unmittelbar anwendbares Recht, dass schon bestandskräftige Verwaltungsakte von der Beklagten unmittelbar als rechtswidrig aufzuheben wären. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Umsetzung durch Bundesrecht, in deren Zuge entsprechende Anordnungen getroffen werden können, aber nicht müssen. Insoweit besteht keine Abhängigkeit der Entwicklung von dem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X, da dessen Anhängigkeit und nachfolgende Überprüfung vor einem Gericht an der Bestandskraft der Rentenbescheide nichts ändert. Im Übrigen steht es ebenso wie die Schaffung einer sachlichen Neuregelung im Ermessen des Gesetzgebers, diese ggf. auf bestandskräftige Entscheidungen rückwirkend auszudehnen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2007 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil er rechtmäßig ist. Die Klägerin hat gem. § 44 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in der Fassung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) keinen Anspruch auf entsprechende Rücknahme der Rentenbescheide vom 24. November 1999 und 2. Juli 2004, weil die Beklagte darin das Recht nicht im Sinne dieser Vorschrift unrichtig angewendet hat. Die hier allein im Streit stehende Rentenhöhe bemaß sich bei Anspruchsbeginn der Altersrente für Frauen nach § 64 i.V.m. § 254b des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 24.3.99 (BGBl. I S. 388), bei Beginn der Regelaltersrente in der Fassung durch Gesetz vom 30.7.04 (BGBl. I S. 2014). Keiner der in die dort bestimmte Rentenformel eingestellten Maßstäbe (näher geregelt in §§ 65-69, 254c, 254d SGB VI) enthält einen Steigerungssatz oder eine Größe gleicher regelungstechnischer und rechnerischer Bedeutung. Dies ist auch unvermeidlich, weil der erhöhte Steigerungssatz des § 47 der Rentenverordnung (1. Renten-VO) v. 23.11.1979 (GBl. I S. 401) auf einen Durchschnittsverdienst nach § 5 Buchst. a 1. Renten-VO bezogen wird, der nur aus einem Zwanzigjahreszeitraum ermittelt wird, selbst aber möglicherweise nur einen Teil der Arbeitsjahre umfasst, der nicht einmal – ganz oder auch nur teilweise – in diesem Zwanzigjahreszeitraum liegen muss. Eine solche Berechnungsweise ist nach der Rentenformel des SGB VI mit ihrer konkreten monatlichen Zuordnung von Entgeltpunkten (vgl. § 70 Abs. 1 S. 1 SGB VI, § 122 Abs. 1 SGB VI) nicht möglich. Eine ansatzweise dem erhöhten Steigerungssatz vergleichbare Wirkung durch den erhöhten Rentenartfaktor des § 82 S. 1 Nr. 1 SGB VI hat der Gesetzgeber für die ehemaligen Mitarbeiter des Gesundheitswesens nicht durch eine entsprechende Regelung hergestellt. Der erhöhte Steigerungssatz fließt auch nicht mittelbar über § 256a Abs. 1, 2 S. 1 SGB VI (für die Altersrente für Frauen insoweit in der Fassung durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz v. 27.7.01 – BGBl. I S. 1939) über den berücksichtigungsfähigen Verdienst in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) ein. Insoweit ordnet § 256a Abs. 2 S. 1 SGB VI ausdrücklich nur die Berücksichtigung tatsächlich erzielter Verdienste an. Darin liegt für die Klägerin keine nachteilige Rückwirkung gegenüber der Vorgängerfassung der Vorschrift. Die dort noch bestehende grundsätzliche Möglichkeit eines Auseinanderfallens des Verdienstes, von dem Beiträge entrichtet worden sind und des Verdienstes, für den Beiträge entrichtet worden sind (BSG, Urt. v. 10.11.1998 – B 4 RA 32/98 R – zitiert nach Juris-Rechtsprechung), hat im Falle der Klägerin nicht die Folge, dass zumindest ein Teil des Verdienstes 1,5-fach für die Rentenberechnung maßgeblich ist. Ein Verdienst im Sinne des § 256a Abs. 2 S. 1 SGB VI ist auch nach dieser Fassung nur ein tatsächlicher Arbeitsverdienst, wie schon dort der Wortlaut allein zulässt (so wohl auch – allerdings nicht eindeutig – BSG, a.a.O.). Soweit § 256a Abs. 2 SGB VI – für den Sonderfall der freiwilligen Versicherung – fiktive Verdienste berücksichtigt, macht er dies durch die angeordnete Geltung als Verdienst deutlich. Ein Verstoß gegen den Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) liegt in der unterbliebenen Berücksichtigung des erhöhten Steigerungssatzes bei der Rentenberechnung nach dem SGB VI nicht (BVerfG, Beschluss v. 30.08.05 - 1 BvR 616/99, 1 BvR 1028/03 – zitiert nach Juris-Rechtsprechung).
Rentenansprüche und -anwartschaften unterfallen grundsätzlich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Für rentenrechtliche Ansprüche und Anwartschaften, die in der Deutschen Demokratischen Republik begründet wurden, gilt dies mit der Einschränkung, dass Art. 14 Abs. 1 GG sie nur in der Form schützt, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrags erhalten haben (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 – BVerfGE 100, 1, 33 ff.).
Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Steigerungssatz als Element der Rentenberechnung nach den genannten Grundsätzen der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterlag. Auch im Falle einer Unterstellung unter die Eigentumsgarantie verletzen die hier zu prüfenden Regelungen jedenfalls Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Sie lägen innerhalb des Regelungsspielraums, den Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums und insbesondere auch bei der Ausgestaltung eigentumsrechtlich geschützter sozialrechtlicher Rechtspositionen eröffnet. Sie dienten nämlich einem Gemeinwohlzweck und genügten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999, a.a.O., S. 38).
Der gesamtdeutsche Gesetzgeber verfolgte nach der Herstellung der Deutschen Einheit ein Ziel des Gemeinwohls, als er das System der gesetzlichen Rentenversicherung in einem einheitlichen Rechtsrahmen zusammenführte (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999, a.a.O., S. 40 f.). Dieses Ziel war schon in Art. 20 des Staatsvertrages v. 18.5.1990 (GBl. I S. 332) vorgezeichnet und wurde in Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages (G. v. 23.9.1990, BGBl. II S. 885) aufgenommen. Der Gesetzgeber durfte auch seinen Vorstellungen über das künftige einheitliche Rentenrecht ein Konzept zu Grunde legen, das in der Gestalt des Rentenreformgesetzes bereits seit 1989 vorlag. Er war nicht gehalten, strukturelle Besonderheiten des Sozialversicherungsrechts der Deutschen Demokratischen Republik im gesamtdeutschen Rentenrecht zu berücksichtigen. Anderenfalls wären Ungleichheiten zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Rentenanwartschaften entstanden, die sich durch unterschiedlich hohe, durch Beiträge versicherte Arbeitseinkommen nicht begründen ließen. Der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zustehende Gestaltungsspielraum, den aus seiner Sicht geeigneten Weg zur Rechtseinheit im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu bestimmen, schließt die Befugnis ein, rentenrechtliche Positionen umzugestalten (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999, a.a.O., S. 37 f.), wenn und soweit dies dem Ziel der Rechtseinheit dient. Der Gesetzgeber durfte mit der Regelung eines Abbaus solcher Rentenleistungen, die auf strukturellen Eigenarten der Sozialversicherung der Deutschen Demokratischen Republik beruhten, auch das Ziel verfolgen, die Beitragszahler in den alten und den neuen Bundesländern auf längere Sicht von der Finanzierung solcher Vorteile des Rentenversicherungssystems der Deutschen Demokratischen Republik zu entlasten, die ihnen im System des SGB VI nicht mehr zugute kommen konnten.
Es liegt im Rahmen der Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, wenn er solche besonderen, dem Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik eigenen Elemente nicht in das gesamtdeutsche Rentenrecht übernommen hat, weil sie diesem fremd sind. Ein unverhältnismäßiger Eingriff ist damit nicht verbunden. Die aufgrund des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Rentenanwartschaften, deren Höhe bei Beschäftigten des Gesundheitswesens durch den besonderen Steigerungsbetrag mitbestimmt war, wurden für rentennahe Jahrgänge durch die Gewährung der Übergangszuschläge nach § 319b S. 1 SGB VI i.V.m. Art. 2 § 35 Nr. 1 RÜG bis zum 31. Dezember 1996 geschützt. Für einen späteren Zeitraum durfte der Gesetzgeber dem Ziel der Rechtseinheit Vorrang einräumen, zumal die vertrauensgeschützten Beträge typischerweise wirtschaftlich keine Rolle mehr spielten.
Aber auch soweit Art. 14 Abs. 1 GG dem Inhaber eines Anspruchs oder einer anspruchsähnlichen Rechtsposition deren Bestand unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gewährleistet, ist eine Eigentumsverletzung im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Ein Vertrauen auf die Beibehaltung des besonderen Steigerungsbetrages konnte nicht entstehen, weil dieser dem Rentenrecht der Bundesrepublik Deutschland fremd ist. Vertrauen in den Fortbestand von Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik konnte sich mit Blick auf eine mögliche Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht allgemein bilden, sondern nur dort, wo besonderer Anlass für die Erwartung bestand, das Recht der Deutschen Demokratischen Republik werde ausnahmsweise in Kraft bleiben (BVerfG, Beschluss v. 2.7.02, SozR 3-8120 Kap. VIII H III Nr. 6, Nr. 3). Für das Vorliegen einer solchen Ausnahme ist hier nichts ersichtlich. Der in Frage stehende Steigerungssatz war schon in der Deutschen Demokratischen Republik eine Begünstigung, die nur einzelnen Berufsgruppen zugute kam.
Weiterhin verletzt die gleiche Behandlung von Beschäftigten des Gesundheitswesens der DDR mit anderen Versicherten nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz kann allerdings auch verletzt sein, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte – bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart – ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (BVerfG, Beschluss v. 26.07.07 – 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07 – zitiert nach Juris-Rechtsprechung).
Ist eine Regelung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, die Bestandteil der gesetzlichen Überleitung von Renten aus einem System der Rentenversicherung in ein anderes System ist, so genügt es den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zu Grunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt (BVerfG, Beschluss v. 11.05.05 – 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2300/98, 1 BvR 2144/00 – zitiert nach Juris-Rechtsprechung). Es ist durch den Gleichheitssatz nicht geboten, einzelne der Klägerin aufgrund ihrer individuellen Rentenbiographie nachteilige Regelungen isoliert einer Prüfung dahingehend zu unterwerfen, ob sie gemessen an diesem Maßstab im Vergleich zu anderen vom Systemwechsel betroffenen Normadressaten gerechtfertigt sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in einem so komplexen Zusammenhang wie dem Wechsel eines Rentenversicherungssystems eine Gesamtbetrachtung der Vor- und Nachteile dieses Wechsels den gleichheitsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes angemessen ist. Dies gilt in ganz besonderer Weise, wenn der Systemwechsel durch die einzigartige Aufgabe der juristischen Bewältigung der Wiederherstellung der Deutschen Einheit veranlasst gewesen ist.
Die gleiche Behandlung von Beschäftigten des Gesundheitswesens der DDR mit anderen Versicherten genügt den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG. Die angegriffenen Regelungen beruhen - wie bereits ausgeführt - auf dem legitimen Ziel des Gesetzgebers, ab dem 1. Januar 1992 die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland für alle Bestands- und Zugangsrentner in den alten und neuen Bundesländern auf die einheitliche Rechtsgrundlage des SGB VI zu stellen. Diesem Ziel diente die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Neuberechnung der Renten auf der Grundlage des SGB VI die Berechnungselemente nicht zu berücksichtigen, die dem gesamtdeutschen Rentenrecht fremd sind. Danach errechnet sich typischerweise eine anpassungsfähige Rente, die diejenige nach der Rentenverordnung der DDR einschließlich eines erhöhten Steigerungssatzes deutlich übersteigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rentenhöhe der Klägerin, insbesondere über einen Anspruch auf Berücksichtigung eines Steigerungssatzes für Beschäftigungszeiten im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR.
Die 1939 geborene Klägerin befand sich seit 1957 in einer Ausbildung zum Apothekenhelfer in einer staatlichen Apotheke, besuchte vom 1. April 1960 bis zum 24. Fe-bruar 1962 eine Fachschule, schloss diese als Apothekenassistentin ab und blieb danach im mittleren medizinischen Dienst des Gesundheitswesens beschäftigt.
Mit Bescheid vom 24. November 1999 gewährte die Beklagte der Klägerin mit Wirkung von Januar 2000 an eine Altersrente für Frauen in Höhe der Hälfte der Vollrente.
Die Klägerin beantragte mit Eingangsdatum vom 26. April 2002 bei der Beklagten die Überprüfung des Rentenbescheides gem. § 44 SGB X im Hinblick auf den erhöhten Steigerungssatz nach § 47 der Rentenverordnung der DDR vom 23. November 1979.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte aus, als Verdienst im Sinne des § 256a Abs. 1 SGB VI zähle allein das tatsächliche erzielte Einkommen, sofern hierfür Beiträge zur Sozialpflichtversicherung gezahlt worden seien. Mangels besonderer Anordnung scheide die Anhebung dieses Arbeitsverdienstes auf das 1,5-fache aus. Aus den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 10. November 1998 folge nichts anderes. Zum Einen folge die Beklagte diesen Urteilen nicht. Zum Anderen hätten die Urteile ausschließlich ehemalige Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn und Deutschen Post im Hinblick auf die für sie geltenden früheren Versorgungsordnungen betroffen. Mit dem noch im Juni 2002 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Wegfall der Rentensteigerungsbeträge stelle einen unzulässigen Eingriff in ihr grundrechtlich geschütztes Eigentum dar. Mit Bescheid vom 2. Juli 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin vom 1. September 2004 an die Regelaltersrente als Vollrente.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2006 lehnte die Beklagte erneut den Neufeststellungsantrag der Klägerin ab. Sie legte dar, das SGB VI enthalte keine Bestimmung, die einer Anwendung des besonderen Steigerungssatzes der Rentenverordnung bei der Rentenberechnung gestatte. Dies stehe mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum besonderen Steigerungssatz in Einklang.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 10. Januar 2007 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2007 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten diesen Widerspruch zurück und blieb bei der abgegebenen Begründung.
Mit der am 20. März 2007 beim Sozialgericht Dessau erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Neuberechung der gezahlten Rente und entsprechende Änderung der zu Grunde liegenden Rentenbescheide. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X lägen nicht vor. Die Berechnung der Altersrente der Klägerin richte sich ausschließlich nach dem SGB VI, das einen besonderen Steigerungssatz nicht kenne. Die der Klägerin danach gezahlte Rente sei deutlich höher als eine nach dem bis zum 31. Dezember 1996 fortgeltenden Recht ermittelte Rente. Eine Übertragung einzelner Berechnungselemente des Rentenrechts der DDR in das bundesdeutsche Rentenrecht sei nicht möglich.
Mit der am 29. Mai 2007 beim Sozialgericht Dessau eingelegten Berufung bezieht sich die Klägerin auf ihre Widerspruchsbegründung und regt ein Ruhen des Verfahrens an.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 2. Mai 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2007 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, die Rentenbescheide vom 24. November 1999 und 2. Juli 2004 abzuändern und die Rentenhöhe unter Berücksichtigung des 1,5-fachen Steigerungssatzes über den Zeitraum vom 1. September 1957 bis zum 2. Oktober 1991 günstiger zu ermitteln.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides und lehnt ein Ruhen des Verfahrens ab. Dazu führt sie aus, anhängige Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rechtfertigten kein Ruhen, weil sie nur in Ausnahmefällen direkten Einfluss auf anhängige Prozesse hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien die Entscheidungen dieses Gerichtshofes für die deutschen Gerichte lediglich Auslegungshilfen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung allein durch den Vorsitzenden – der nach der Senatsgeschäftsverteilung für die Bearbeitung zuständig ist - ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 24. April 2008 und 12. Juni 2008 zugestimmt.
Neben Ablichtungen der Rentenbescheide vom 24. November 1999 und 2. Juli 2004 hat die Akte der Beklagten – Vers.-Nr. 48 070839 E 514 – bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg. Darüber konnte das Gericht gem. § 155 Abs. 3 SGG durch den Vorsitzenden entscheiden, weil beide Beteiligten dieser Besetzung zugestimmt haben und der Fall tatsächlich und rechtlich einfach ist. Das Gericht konnte über den Rechtsstreit abschließend entscheiden. Ein Ruhen des Verfahrens kam nach § 202 SGG i.V.m. § 251 S. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) mangels eines entsprechenden Antrages der Beklagten nicht in Betracht. Für eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 114 SGG bestand kein Anlass, weil nicht erkennbar ist, dass selbst in der gleichen sachlichen Frage anhängige Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für den Ausgang des Verfahrens vorgreiflich sein könnten. Die Europäische Menschenrechtskonvention enthält nicht in dem Sinne unmittelbar anwendbares Recht, dass schon bestandskräftige Verwaltungsakte von der Beklagten unmittelbar als rechtswidrig aufzuheben wären. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Umsetzung durch Bundesrecht, in deren Zuge entsprechende Anordnungen getroffen werden können, aber nicht müssen. Insoweit besteht keine Abhängigkeit der Entwicklung von dem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X, da dessen Anhängigkeit und nachfolgende Überprüfung vor einem Gericht an der Bestandskraft der Rentenbescheide nichts ändert. Im Übrigen steht es ebenso wie die Schaffung einer sachlichen Neuregelung im Ermessen des Gesetzgebers, diese ggf. auf bestandskräftige Entscheidungen rückwirkend auszudehnen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2007 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil er rechtmäßig ist. Die Klägerin hat gem. § 44 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in der Fassung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) keinen Anspruch auf entsprechende Rücknahme der Rentenbescheide vom 24. November 1999 und 2. Juli 2004, weil die Beklagte darin das Recht nicht im Sinne dieser Vorschrift unrichtig angewendet hat. Die hier allein im Streit stehende Rentenhöhe bemaß sich bei Anspruchsbeginn der Altersrente für Frauen nach § 64 i.V.m. § 254b des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 24.3.99 (BGBl. I S. 388), bei Beginn der Regelaltersrente in der Fassung durch Gesetz vom 30.7.04 (BGBl. I S. 2014). Keiner der in die dort bestimmte Rentenformel eingestellten Maßstäbe (näher geregelt in §§ 65-69, 254c, 254d SGB VI) enthält einen Steigerungssatz oder eine Größe gleicher regelungstechnischer und rechnerischer Bedeutung. Dies ist auch unvermeidlich, weil der erhöhte Steigerungssatz des § 47 der Rentenverordnung (1. Renten-VO) v. 23.11.1979 (GBl. I S. 401) auf einen Durchschnittsverdienst nach § 5 Buchst. a 1. Renten-VO bezogen wird, der nur aus einem Zwanzigjahreszeitraum ermittelt wird, selbst aber möglicherweise nur einen Teil der Arbeitsjahre umfasst, der nicht einmal – ganz oder auch nur teilweise – in diesem Zwanzigjahreszeitraum liegen muss. Eine solche Berechnungsweise ist nach der Rentenformel des SGB VI mit ihrer konkreten monatlichen Zuordnung von Entgeltpunkten (vgl. § 70 Abs. 1 S. 1 SGB VI, § 122 Abs. 1 SGB VI) nicht möglich. Eine ansatzweise dem erhöhten Steigerungssatz vergleichbare Wirkung durch den erhöhten Rentenartfaktor des § 82 S. 1 Nr. 1 SGB VI hat der Gesetzgeber für die ehemaligen Mitarbeiter des Gesundheitswesens nicht durch eine entsprechende Regelung hergestellt. Der erhöhte Steigerungssatz fließt auch nicht mittelbar über § 256a Abs. 1, 2 S. 1 SGB VI (für die Altersrente für Frauen insoweit in der Fassung durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz v. 27.7.01 – BGBl. I S. 1939) über den berücksichtigungsfähigen Verdienst in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) ein. Insoweit ordnet § 256a Abs. 2 S. 1 SGB VI ausdrücklich nur die Berücksichtigung tatsächlich erzielter Verdienste an. Darin liegt für die Klägerin keine nachteilige Rückwirkung gegenüber der Vorgängerfassung der Vorschrift. Die dort noch bestehende grundsätzliche Möglichkeit eines Auseinanderfallens des Verdienstes, von dem Beiträge entrichtet worden sind und des Verdienstes, für den Beiträge entrichtet worden sind (BSG, Urt. v. 10.11.1998 – B 4 RA 32/98 R – zitiert nach Juris-Rechtsprechung), hat im Falle der Klägerin nicht die Folge, dass zumindest ein Teil des Verdienstes 1,5-fach für die Rentenberechnung maßgeblich ist. Ein Verdienst im Sinne des § 256a Abs. 2 S. 1 SGB VI ist auch nach dieser Fassung nur ein tatsächlicher Arbeitsverdienst, wie schon dort der Wortlaut allein zulässt (so wohl auch – allerdings nicht eindeutig – BSG, a.a.O.). Soweit § 256a Abs. 2 SGB VI – für den Sonderfall der freiwilligen Versicherung – fiktive Verdienste berücksichtigt, macht er dies durch die angeordnete Geltung als Verdienst deutlich. Ein Verstoß gegen den Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) liegt in der unterbliebenen Berücksichtigung des erhöhten Steigerungssatzes bei der Rentenberechnung nach dem SGB VI nicht (BVerfG, Beschluss v. 30.08.05 - 1 BvR 616/99, 1 BvR 1028/03 – zitiert nach Juris-Rechtsprechung).
Rentenansprüche und -anwartschaften unterfallen grundsätzlich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Für rentenrechtliche Ansprüche und Anwartschaften, die in der Deutschen Demokratischen Republik begründet wurden, gilt dies mit der Einschränkung, dass Art. 14 Abs. 1 GG sie nur in der Form schützt, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrags erhalten haben (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 – BVerfGE 100, 1, 33 ff.).
Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Steigerungssatz als Element der Rentenberechnung nach den genannten Grundsätzen der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterlag. Auch im Falle einer Unterstellung unter die Eigentumsgarantie verletzen die hier zu prüfenden Regelungen jedenfalls Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Sie lägen innerhalb des Regelungsspielraums, den Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums und insbesondere auch bei der Ausgestaltung eigentumsrechtlich geschützter sozialrechtlicher Rechtspositionen eröffnet. Sie dienten nämlich einem Gemeinwohlzweck und genügten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999, a.a.O., S. 38).
Der gesamtdeutsche Gesetzgeber verfolgte nach der Herstellung der Deutschen Einheit ein Ziel des Gemeinwohls, als er das System der gesetzlichen Rentenversicherung in einem einheitlichen Rechtsrahmen zusammenführte (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999, a.a.O., S. 40 f.). Dieses Ziel war schon in Art. 20 des Staatsvertrages v. 18.5.1990 (GBl. I S. 332) vorgezeichnet und wurde in Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages (G. v. 23.9.1990, BGBl. II S. 885) aufgenommen. Der Gesetzgeber durfte auch seinen Vorstellungen über das künftige einheitliche Rentenrecht ein Konzept zu Grunde legen, das in der Gestalt des Rentenreformgesetzes bereits seit 1989 vorlag. Er war nicht gehalten, strukturelle Besonderheiten des Sozialversicherungsrechts der Deutschen Demokratischen Republik im gesamtdeutschen Rentenrecht zu berücksichtigen. Anderenfalls wären Ungleichheiten zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Rentenanwartschaften entstanden, die sich durch unterschiedlich hohe, durch Beiträge versicherte Arbeitseinkommen nicht begründen ließen. Der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zustehende Gestaltungsspielraum, den aus seiner Sicht geeigneten Weg zur Rechtseinheit im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu bestimmen, schließt die Befugnis ein, rentenrechtliche Positionen umzugestalten (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999, a.a.O., S. 37 f.), wenn und soweit dies dem Ziel der Rechtseinheit dient. Der Gesetzgeber durfte mit der Regelung eines Abbaus solcher Rentenleistungen, die auf strukturellen Eigenarten der Sozialversicherung der Deutschen Demokratischen Republik beruhten, auch das Ziel verfolgen, die Beitragszahler in den alten und den neuen Bundesländern auf längere Sicht von der Finanzierung solcher Vorteile des Rentenversicherungssystems der Deutschen Demokratischen Republik zu entlasten, die ihnen im System des SGB VI nicht mehr zugute kommen konnten.
Es liegt im Rahmen der Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, wenn er solche besonderen, dem Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik eigenen Elemente nicht in das gesamtdeutsche Rentenrecht übernommen hat, weil sie diesem fremd sind. Ein unverhältnismäßiger Eingriff ist damit nicht verbunden. Die aufgrund des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Rentenanwartschaften, deren Höhe bei Beschäftigten des Gesundheitswesens durch den besonderen Steigerungsbetrag mitbestimmt war, wurden für rentennahe Jahrgänge durch die Gewährung der Übergangszuschläge nach § 319b S. 1 SGB VI i.V.m. Art. 2 § 35 Nr. 1 RÜG bis zum 31. Dezember 1996 geschützt. Für einen späteren Zeitraum durfte der Gesetzgeber dem Ziel der Rechtseinheit Vorrang einräumen, zumal die vertrauensgeschützten Beträge typischerweise wirtschaftlich keine Rolle mehr spielten.
Aber auch soweit Art. 14 Abs. 1 GG dem Inhaber eines Anspruchs oder einer anspruchsähnlichen Rechtsposition deren Bestand unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gewährleistet, ist eine Eigentumsverletzung im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Ein Vertrauen auf die Beibehaltung des besonderen Steigerungsbetrages konnte nicht entstehen, weil dieser dem Rentenrecht der Bundesrepublik Deutschland fremd ist. Vertrauen in den Fortbestand von Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik konnte sich mit Blick auf eine mögliche Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht allgemein bilden, sondern nur dort, wo besonderer Anlass für die Erwartung bestand, das Recht der Deutschen Demokratischen Republik werde ausnahmsweise in Kraft bleiben (BVerfG, Beschluss v. 2.7.02, SozR 3-8120 Kap. VIII H III Nr. 6, Nr. 3). Für das Vorliegen einer solchen Ausnahme ist hier nichts ersichtlich. Der in Frage stehende Steigerungssatz war schon in der Deutschen Demokratischen Republik eine Begünstigung, die nur einzelnen Berufsgruppen zugute kam.
Weiterhin verletzt die gleiche Behandlung von Beschäftigten des Gesundheitswesens der DDR mit anderen Versicherten nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz kann allerdings auch verletzt sein, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte – bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart – ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (BVerfG, Beschluss v. 26.07.07 – 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07 – zitiert nach Juris-Rechtsprechung).
Ist eine Regelung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, die Bestandteil der gesetzlichen Überleitung von Renten aus einem System der Rentenversicherung in ein anderes System ist, so genügt es den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zu Grunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt (BVerfG, Beschluss v. 11.05.05 – 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2300/98, 1 BvR 2144/00 – zitiert nach Juris-Rechtsprechung). Es ist durch den Gleichheitssatz nicht geboten, einzelne der Klägerin aufgrund ihrer individuellen Rentenbiographie nachteilige Regelungen isoliert einer Prüfung dahingehend zu unterwerfen, ob sie gemessen an diesem Maßstab im Vergleich zu anderen vom Systemwechsel betroffenen Normadressaten gerechtfertigt sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in einem so komplexen Zusammenhang wie dem Wechsel eines Rentenversicherungssystems eine Gesamtbetrachtung der Vor- und Nachteile dieses Wechsels den gleichheitsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes angemessen ist. Dies gilt in ganz besonderer Weise, wenn der Systemwechsel durch die einzigartige Aufgabe der juristischen Bewältigung der Wiederherstellung der Deutschen Einheit veranlasst gewesen ist.
Die gleiche Behandlung von Beschäftigten des Gesundheitswesens der DDR mit anderen Versicherten genügt den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG. Die angegriffenen Regelungen beruhen - wie bereits ausgeführt - auf dem legitimen Ziel des Gesetzgebers, ab dem 1. Januar 1992 die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland für alle Bestands- und Zugangsrentner in den alten und neuen Bundesländern auf die einheitliche Rechtsgrundlage des SGB VI zu stellen. Diesem Ziel diente die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Neuberechnung der Renten auf der Grundlage des SGB VI die Berechnungselemente nicht zu berücksichtigen, die dem gesamtdeutschen Rentenrecht fremd sind. Danach errechnet sich typischerweise eine anpassungsfähige Rente, die diejenige nach der Rentenverordnung der DDR einschließlich eines erhöhten Steigerungssatzes deutlich übersteigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vor.
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