L 1 U 104/06

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 5 U 54/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 U 104/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Monteur genießt den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auch dann, wenn seine Leistungsfähigkeit trotz Alkoholgenusses ausreicht, um zielgerichtet an der Rückfahrt von der Montagetätigkeit als Beifahrer im Firmenwagen teilzunehmen.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 05.09.2006 wird zurückgewiesen. Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils wird geändert. Es wird fest- gestellt, dass das Ereignis vom 15.01.2004 ein Arbeitsunfall des Bei- geladenen ist. 2. Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin und des Beigeladenen für das Berufungsverfahren. 3. Die Beklagte trägt die Gerichtskosten. 4. Der Streitwert wird auch für die 2. Instanz auf 500.000,00 Euro fest- gesetzt. 5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als Kraftfahrzeug(Kfz)-Haftpflichtver¬si¬cherer die Anerkennung des Ereignisses vom 15. Januar 2004 als Arbeitsunfall des Beigeladenen (Helmut S ).

Der am 1954 geborene Beigeladene war als Heizungs- und Sanitätsmonteur bei der Firma HSW G in B /R beschäftigt. Am 8. Januar 2004 fuhr er mit einem Betriebsfahrzeug, das bei der Klägerin haftpflichtversichert war, mit dem Auszubildenden Ricardo Sa zum Einbau einer Wärmepumpe von B nach Ga bei P. Dort wohnten beide bei dem Pensionswirt F. Am 15. Januar 2004 traten der Beigeladene und der Zeuge Sa um 16.00 Uhr die Rückfahrt an. Der Zeuge Sa fuhr den Transporter, der Beigeladene war Beifahrer. Gegen 17.40 Uhr kam das Fahrzeug auf der Autobahn von der Fahrbahn ab und prallte mehrfach gegen die Böschung. Der Beigeladene erlitt bei dem Unfall eine Querschnittslähmung.

Die Beklagte ließ den Zeugen Sa am 22. Juli 2004 vor dem Sozialgericht Ra als Zeugen zu der Tätigkeit in P und insbesondere zum Verhalten des Beigeladenen vernehmen. Darüber hinaus befragte die Beklagte den Zeugen Ricardo Sa , den Bauleiter Alfred Fa , den Pensionswirt F sowie den Unternehmer W.

Mit Bescheid vom 30. September 2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab: Bereits am 14. Januar 2004 sei der Beigeladene gegen 11.00 Uhr in angetrunkenem Zustand auf der Baustelle erschienen. Da er zu keiner zweckgerichteten Tätigkeit mehr fähig gewesen sei, habe ihn der Bauleiter von der Baustelle verwiesen. Aufgrund des anschließenden, nicht den betrieblichen Interessen dienenden, fortgesetzten Alkoholkonsums sei er am 15. Januar 2004 außerstande gewesen, seine Tätigkeit auszuüben. Erst gegen 16.00 Uhr sei er in der Lage gewesen, aufzustehen und noch im angetrunkenen Zustand die Pension zu verlassen. Die Aufräumarbeiten, die der Zeuge Sa am Abreisetag allein habe verrichten müssen, hätten ca. eine Stunde gedauert. Bei dem sonst üblichen Arbeitsbeginn um 7.00 Uhr hätte die Rückfahrt um 8.00 Uhr angetreten werden können. Durch die allein auf das alkoholbedingte Verhalten des Beigeladenen zurückzuführende Verzögerung sei eine endgültige Lösung des betrieblichen Zusammenhangs eingetreten, die zu dem Verlust des Versicherungsschutzes für die Rückfahrt nach R geführt habe.

Der Beigeladene nahm seinen am 1. November 2004 eingelegten Widerspruch am 6. Januar 2005 zurück.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 30. September 2004 am 22. August 2004 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass sie als Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer der Frau Barbara W und des Unfallverursachers Herrn Ricardo Sa zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werde. Sie machte geltend, der Beigeladene sei nicht am 14. Januar 2004 von der Baustelle verwiesen worden. Das hätten verschiedene Zeugenaussagen nicht belegen können. Es sei insoweit keine Lösung vom betrieblichen Zusammenhang erfolgt. Am 14. Januar 2004 sei der Beigeladene in der Lage gewesen, in der Pension seine Sachen zusammenzupacken. Er müsse daher auch in der Lage gewesen sein, die noch anstehenden Aufräumarbeiten auf der Baustelle vorzunehmen. Zu beachten sei, dass der Unfall auf der Rückfahrt von einer Dienstreise geschehen sei. Die Rückfahrt habe zwangsläufig mit der betrieblichen Verrichtung in Zusammenhang gestanden. Daher habe zu diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz bestanden. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2005 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 20. April 2005 vor dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, der Unfall habe sich bei einer Betriebsfahrt ereignet. Der Beigeladene sei nicht Fahrer gewesen. Er habe daher auf die Fahrweise des Fahrers keinerlei Einfluss nehmen können. Selbst wenn er alkoholisiert gewesen sei, so habe er sich doch im Auto aufhalten können und damit die versicherte Tätigkeit, nämlich die Betriebsfahrt, durchführen können.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall des Herrn S am 15. Januar 2004 als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 5. September 2006 die Beklagte verurteilt, den Unfall des Herrn S am 15. Januar 2004 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: Der Beigeladene habe einen Arbeitsunfall erlitten, da zwischen der Heimfahrt von der Montage und der versicherten Tätigkeit als Heizungs- und Sanitätsmonteur ein Zusammenhang bestanden habe. Da der Beigeladene nicht volltrunken gewesen sei, sei er in der Lage gewesen, als Beifahrer die Rückfahrt anzutreten. Die Trunkenheit habe keinen Einfluss auf das Unfallereignis gehabt.

Gegen dieses der Beklagten am 19. September 2006 zugestellte Urteil wendet sich diese mit ihrer am 2. Oktober 2006 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Zur Begründung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend: Das Sozialgericht habe bei der Frage des Versicherungsschutzes zu Unrecht allein auf die Frage der Volltrunkenheit bei Antritt der Reise abgestellt. Entscheidend sei jedoch, dass es durch das Verhalten des Beigeladenen spätestens am Unfalltag zu einer Lösung von der versicherten Tätigkeit gekommen sei. Liege eine solche Lösung vor, lebe auch bei der anschließenden (eigentlich versicherten Tätigkeit) der Versicherungsschutz nicht wieder auf (ständige Rechtsprechung). Auch bei Betriebswegen könne durch eigenwirtschaftliche Tätigkeit eine Lösung von der versicherten Tätigkeit eintreten, mit der Folge, dass der Versicherungsschutz erlösche und auch nach Ende der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nicht wieder auflebe. Ohne die alkoholbedingte Arbeitsunfähigkeit des Beigeladenen hätte die Rückfahrt bereits um 8.00 Uhr angetreten werden können, so dass bis 16.00 Uhr zumindest eine achtstündige Unterbrechung der versicherten Tätigkeit des Beigeladenen vorgelegen habe. Durch eine so lange Unterbrechung sei eine Lösung von der versicherten Tätigkeit eingetreten. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass nach Aussage des Zeugen Fa der Beigeladene nicht nur am Abreisetag, sondern offenbar auch den ganzen Tag davor alkoholbedingt keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei. Aus der Aussage des Arbeitgebers W ergebe sich, dass der Beigeladene bereits am 12. Januar 2004 wegen Alkoholgenusses der Baustelle verwiesen worden sei. Damit stelle sich die Frage, ob der Beigeladene in der Woche ab 12. Januar 2004 überhaupt einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei. Unklar sei in diesem Zusammenhang auch, warum für die Arbeiten an der Heizungsanlage, für die zunächst lediglich zwei Tage eingeplant worden seien, dann tatsächlich sechs Arbeitstage benötigt worden seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der mit Beschluss vom 3. Mai 2007 Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat Beweis erhoben und die Auskunft des Wolfram Pa vom 20. April 2008 und des Thomas Wa (Eingang 11. Juni 2008) eingeholt und in der Berufungsverhandlung vom 31. Mai 2007 Ricardo Sa als Zeugen vernommen. Wegen der Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten. Der wesentliche Inhalt ist Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Form und Frist (§ 151 SGG) sind gewahrt.

Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet, denn das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Ereignis vom 15. Januar 2004 ein Arbeitsunfall des Beigeladenen ist. Die Berufung ist jedoch insoweit begründet, als die erstinstanzliche Entscheidung dahingehend geändert wird, dass ein Feststellungsurteil ergeht. Denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht im Sinne eines Grundurteils nach § 130 SGG verurteilt, den Unfall des Beigeladenen am 15.01.2004 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Vorliegend kann dahinstehen, ob der Erlass eines Grundurteils in den Fällen, in denen das Stammrecht eines Leistungsfalls streitig ist, überhaupt zulässig ist (vgl. Pawlak, SGG-Kommentar, Stand: 2002, § 130 SGG, Rn. 33 ff. m.w.N.; BSG, Urteil vom 25. Februar 1993 – 2 RU 30/92 -; Landessozialgericht Niedersachsen, Urteil vom 10. Mai 1967 – L 3 U 27/66 -). Denn gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Es hat im Wege der Auslegung das tatsächliche Klagebegehren festzustellen (Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leithe¬rer, SGG-Kommentar, 8. Aufl., § 123 Rn. 3). Dabei ist die für die rechtsgeschäftliche Willenserklärung geltende Auslegungsregelung des § 133 BGB entsprechend anzuwenden. Danach ist nicht an dem Wortlaut der Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, der sich nicht nur aus dem Wortlaut der Erklärung, sondern auch aus den sonstigen Umständen ergeben kann. Deshalb sind neben dem Wortlaut des Antrags auch sämtliche Schriftsätze des Prozessbeteiligten, seine vorher zu Protokoll des Gerichts gegebenen Erklärungen sowie der Inhalt der Verwaltungsakten heranzuziehen. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert, d. h. ein Antrag muss so ausgelegt werden, wie der Empfänger ihn bei Berücksichtigung aller Umstände verstehen konnte (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/ Leitherer, a.a.O., vor § 60, Rn. 11a; BSGE 63, 93).

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 30. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 die Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 15. Januar 2004 mit der Begründung abgelehnt, dass kein Arbeitsunfall vorgelegen habe. Auch die Klägerin hat sowohl in der Widerspruchsbegründung vom 18. Januar 2005 als auch in der Klagebegründung vom 25. August 2006 allein darauf abgestellt, dass der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten habe. Ermittlungen hinsichtlich einer Entschädigungspflicht der Beklagten sind weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren durchgeführt worden. Danach ging es der Klägerin von Anfang an nicht darum, Leistungen für den Beigeladenen zu erwirken, sondern um die Feststellung, dass der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten hat. Daran hat sich auch nichts durch den in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2006 gestellten Antrag geändert. Denn der erkennbare Wille der Klägerin war allein auf die eigene Befreiung von der Leistungspflicht und nicht auf die Befriedigung der Ansprüche des Beigeladenen gerichtet.

Die Voraussetzungen der Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG sind auch erfüllt. Die Feststellungsklage erfordert als besondere Prozessvoraussetzung das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung. Berechtigtes Interesse ist jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., § 55, Rn. 15a). Zur Vermeidung einer allgemeinen Popularklage muss eine eigene Rechtsbetroffenheit des Klägers vorliegen. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich aus dem Haftungsprivileg gemäß § 104 i.V.m. § 109 SGB VII. Gemäß § 109 SGB VII können Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist und gegen die Versicherte Schadenersatzforderungen geltend machen, statt der Berechtigten die Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragen oder das entsprechende Verfahren nach dem SGG betreiben. Die Klägerin ist gemäß § 109 SGB VII berechtigt, die Feststellungen nach § 108 SGB VII zu beantragen und das Verfahren nach dem SGG zu betreiben (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 1999 2 RU 26/96; Krasney, Sozialgerichtsbarkeit 2004, S. 74), da sie als Kfz-Haftpflichtversicherer der Frau Barbara W und des Fahrers des Unfallfahrzeuges Herrn Ricardo Sa vom Beigeladenen auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

Die Feststellungsklage ist begründet.

Der Beigeladene hat einen Arbeitsunfall erlitten.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind auch die in § 8 Abs. 2 SGB VII genannten Tätigkeiten. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist es erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit den Arbeitsunfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, also ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSG, SozR 2200 § 548 Nrn. 82, 92 und 97; BSG, SozR 3 2200 § 548 Nrn. 19 und 26). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln. Die jeweilige Verrichtung muss innerhalb der Grenzen liegen, bis zu denen der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der Vollnachweis erforderlich (vgl. BSG, SozR 2200 § 555a Nr. 1 m.w.N.; BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (vgl. BSG, SozR 3 2200, § 548 Nr. 18). Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten (BSG, SozR 3 2200, § 550 Nrn. 4 und 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, SozR 2200 § 548 Nr. 90). Darüber hinaus ist für die Verrichtungen eines Unternehmens entscheidend, ob sich die jeweilige Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens hält (vgl. BSG, SozR 3 2200 § 548 Nr. 41).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Der Unfall ereignete sich auf einem Betriebsweg, der zu den nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten gehört (Schwerdtfeger in: Lauterbach, Sozialgesetzbuch VII, 4. Auflage, Stand Juli 2007, § 8 Rn. 288). Betriebsweg ist ein Weg, der in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird. Er ist Teil der versicherten Tätigkeit und steht damit der Betriebsarbeit gleich; anders als der Weg nach dem Ort der Tätigkeit wird er in unmittelbarem Betriebsinteresse unternommen und geht nicht lediglich der versicherten Tätigkeit voran bzw. schließt sich ihr an(vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2000, NZS 2001, 432 ff.). Dabei handelt es sich um Wege, die ein Versicherter im Auftrag des Unternehmers im Interesse des Betriebes unternimmt, also z. B. Montagereisen ( Schwerdtfeger a.a.O., § 8 Rn. 289.)

Danach hat sich der Beigeladene am 8. Januar 2004 auf dem Hinweg nach Ga auf einem Betriebsweg befunden, da er im betrieb¬lichen Interesse mit dem Firmenfahrzeug zur Baustelle gefahren und dabei die zu verwendenden Arbeitsmaterialien transportiert hat. Der Weg nach Ga war damit nicht der betrieblichen Tätigkeit vorgeschaltet, sondern die Anfahrt gehörte bereits zur betrieblichen Tätigkeit. Für die Rückfahrt am 15. Ja¬nuar 2004 gilt nichts Anderes (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2000 B 2 U 18/99 R ).

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Beigeladene den Versicherungsschutz nicht dadurch verloren, dass er sich vor der Rückreise endgültig von der versicherten Tätigkeit gelöst hat.

Bei Betriebswegen geht der Versicherungsschutz durch eine eingeschobene private Verrichtung im Regelfall nicht endgültig verloren, sondern lebt nach deren Beendigung mit der Fortsetzung des angefangenen Weges wieder auf (BSGE 91, 293). Das gilt aber dann nicht mehr, wenn aus der Dauer und der Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden muss, wenn also den zwischenzeitlichen betriebsfremden Aktivitäten gegenüber dem ursprünglichen Zweck des Weges ein solches Übergewicht zukommt, dass sich der weitere Weg aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten nicht mehr als Fortsetzung des früheren, sondern als Antritt eines neuen, durch die private Tätigkeit veranlassten Weges darstellt. Bei Betriebswegen gilt nicht die für die Wege vom oder zum Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) feste zeitliche Grenze von zwei Stunden, bis zu der eine Unterbrechung für den Versicherungsschutz auf dem restlichen Weg unschädlich ist. Das beruht zum einen darauf, dass Hin- und Rückfahrt zum und vom Ort des auswärtigen Arbeitsplatzes selbst Bestandteil der Betriebstätigkeit sind, zum anderen darauf, dass z. B. Montagereisen oftmals über größere Entfernungen führen und einen erheblichen zeitlichen Umfang haben, so dass auch durch eine längere Unterbrechung das Gesamtbild einer einheitlichen betrieblichen Tätigkeit nicht ohne weiteres verloren geht. Ob der Betriebsweg durch die private Verrichtung lediglich unterbrochen oder aber endgültig beendet wurde, beurteilt sich danach, wie sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Zeitdauer und aller sonstigen Umstände die Bedeutung des Weges zu der Bedeutung der unversicherten privaten Tätigkeit verhält (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2006 B 2 U 20/05 R -).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien stand die Rückfahrt von Ga nach R in einem inneren Zusammenhang mit dem am 8. Januar 2004 angetretenen Betriebsweg. Denn der Beigeladene hat die versicherte Tätigkeit vor Antritt der Rückfahrt nicht endgültig aufgegeben. Der Beigeladene hat zwar am Unfalltag (15. Januar 2004) aufgrund seines alkoholbedingten Zustandes nicht mehr auf der Baustelle gearbeitet, sondern das Zimmer der Pension nicht verlassen und damit vor der Abfahrt keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. Mit dem Antritt der Rückreise hat er die versicherte Tätigkeit jedoch fortgesetzt bzw. wieder aufgenommen. Selbst unterstellt, der Beigeladene wäre – wie von der Beklagten behauptet – am 14. Januar 2004 vom Bauleiter Fa wegen Trunkenheit von der Baustelle verwiesen worden und hätte danach die Tätigkeit nicht wiederaufgenommen, läge nur eine Unterbrechung vor. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Beigeladene bereits vier Tage die sich aus seiner dienstlichen Verpflichtung ergebenden Verrichtungen ausgeführt. Gemessen daran tritt die Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch eigenwirtschaftlichen Verrichtungen von 1 ½ Tagen zeitlich in den Hintergrund. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einer mehrere Tage dauernden auswärtigen Arbeit die versicherte Tätigkeit zwangsläufig durch eigenwirtschaftliche Verrichtungen wie z.B. Essen, Schlafen und Freizeitgestaltung unterbrochen wird. Sofern sich die Reise über ein Wochenende erstreckt, sind Unterbrechungen von zwei Tagen nicht unüblich, ohne dass sich ihr Charakter ändert. Auch die Art der privaten Verrichtung lässt nicht auf eine endgültige Lösung schließen. Der Beigeladene hat die Örtlichkeiten, die mit der Dienstreise in Zusammenhang standen nicht verlassen und keine Aktivitäten unternommen, die der Reise einen anderen Charakter gegeben hätten. Auch hat der Beigeladene am 15. Januar 2004 zwar nicht auf der Baustelle gearbeitet, jedoch dem Zeugen Sa die Anweisung gegeben, die Baustelle aufzuräumen und einzupacken. Insgesamt treten unter Berücksichtigung aller Umstände die betriebsfremden Verrichtungen in den Hintergrund. Durch die Unterbrechung hat sich der Charakter der Reise zu Montagezwecken nicht geändert.

Für die Behauptung der Beklagten, der Beigeladene sei in der Woche ab dem 12. Januar 2004 keiner Versicherungstätigkeit nachgegangen sei, finden sich keine Anhaltspunkte. Selbst wenn der Beigeladene die von der Beklagten behauptete Schlechtleistung erbracht hätte, stünde dies einer versicherten Tätigkeit nicht entgegen. Auch die von der Beklagten vorgetragene Verweisung des Beigeladenen von der Baustelle am 12. April 2004 würde lediglich zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit führen. Denn konkrete Hinweise dafür, dass der Beigeladene am 13. Januar 2004 keine Arbeiten auf der Baustelle verrichtet hat, liegen nicht vor.

Der Annahme einer versicherten Tätigkeit steht auch nicht entgegen, dass sich der Beigeladene im Unfallzeitpunkt in alkoholisiertem Zustand befunden hat. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger entweder zum Unfallzeitpunkt derart betrunken gewesen wäre, dass er alkoholbedingt einen kompletten Leistungsausfall erlitten hätte (BSGE 45, 176, 78; 48, 224, 226) oder es müsste feststehen, dass ein alkoholbedingter Leistungsabfall die wesentliche Unfallursache gewesen wäre (vgl. BSG in SozR 3 2200 § 548 Nr. 9). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Ein alkoholbedingter Leistungsausfall liegt nur dann vor, wenn der Versicherte derart betrunken ist, dass er keine dem Unternehmen an sich förderliche Tätigkeit verrichten kann, d. h. dass er die wesentlichen mit seiner Beschäftigung oder Tätigkeit verbundenen Arbeitsabschnitte nicht mehr leisten kann (Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8, Rn. 7.1 m.w.N.). Ein derartiger Leistungsausfall lässt sich beim Beigeladenen nicht feststellen, denn der Beigeladene war zum Unfallzeitpunkt fähig, eine ernstliche Arbeit zu verrichten. Nach den Bekundungen des Zeugen Sa war für die Rückfahrt geplant, dass der Zeuge zunächst bis Ra fahren sollte. Anschließend sollte der Beigeladene allein mit dem Fahrzeug nach R weiter fahren. Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Zeuge Sa ein Interesse daran gehabt hat, den Ausgang des Rechtsstreits durch seine Aussage zu beeinflussen. Außerdem hat der Zeuge die Erklärung am 22. Juli 2004 vor dem Sozialgericht Ra abgeben, bevor die Beklagte den ablehnenden Bescheid erlassen hat. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch des Beigeladenen noch nicht strittig und demzufolge auch nicht erkennbar, welche Sachverhaltskonstellation sich für die Ansprüche des Beigeladenen günstig auswirken würde. Der Beigeladene war trotz des Alkoholkonsums in der Lage, die sich aus den dienstlichen Belangen ergebende Rückfahrt als Beifahrer anzutreten. Der Pensionswirt F hat schriftlich erklärt, dass sich der Beigeladene vor der Abfahrt freundlich bedankt und sich verabschiedet sowie danach erkundigt habe, ob die Hotelmiete beglichen worden sei. Auch der Zeuge Sa hat anlässlich seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht Ra glaubhaft ausgesagt, dass sich der Beigeladene seines Erachtens nicht im Vollrausch befunden hat. Er hat ihn zwar auf dem Weg von der Pension zum Auto zur Sicherheit gestützt. Der Beigeladene ist jedoch selber in das Auto eingestiegen. Er ist in der Lage gewesen, sich zielgerichtet zu bewegen und zu artikulieren. Damit lag beim Beigeladenen zwar ein Leistungsabfall vor, ein Leistungsausfall lässt sich jedoch nicht begründen. Dabei ist es unerheblich, ob der Beigeladene auch in der Lage gewesen ist, ab Ra das Fahrzeug selbst zu führen. Denn der Unfall ereignete sich zu einem Zeitpunkt, als die betriebliche Tätigkeit des Beigeladenen darin bestand, als Beifahrer die Rückreise zu absolvieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 197a SGG.

Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus §§ 47, 63 Abs. 2, 51 Abs. 1 GKG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved