L 7 R 3166/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 121/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 3166/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat.

Die am 1953 geborene Klägerin hat in der Zeit vom 1. August 1969 bis 31. Juli 1970 eine Ausbildung zur Verkäuferin absolviert. Anschließend war sie bis Mai 1982 wegen der Kindererziehung nicht beruflich tätig. Beschäftigt war die Klägerin wieder ab 4. Mai 1982 bei verschiedenen Arbeitgebern. In der Zeit vom 15. Februar bis 27. Juli 1990 absolvierte die Klägerin eine Umschulung zur Bürokauffrau. Beschäftigt war sie wieder ab 1. April 1992. Vom 16. Oktober 1997 bis 31. März 1998 war sie in der Herstellung von Musterkatalogen beschäftigt, vom 9. Oktober 2000 bis 30. November 2001 als Packerin in der Produktion eines Tee- und Gewürzhandels. Zum 1. Dezember 2001 nahm sie eine Beschäftigung als "Bürokauffrau" in Teilzeit mit vier Stunden täglich auf. Die Tätigkeit umfasste Arbeiten am PC und das Anlegen von Akten. Das Beschäftigungsverhältnis wurde zum 31. Januar 2002 beendet. Anschließend bezog die Klägerin Arbeitslosengeld, wegen durchgehender Arbeitsunfähigkeit ab dem 16. Dezember 2002 bis zur Aussteuerung am 12. März 2004 Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung, danach wieder Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bis einschließlich Oktober 2004.

Auf Veranlassung der Krankenkasse stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf medizinische Rehabilitation, in dessen Folge am 24. März 2003 ein orthopädisches Fachgutachten von Dr. Re. erstellt wurde. Dieser sah die Erwerbsfähigkeit der Klägerin insbesondere aufgrund einer Cervicobrachialgie als gefährdet an; leichte und mittelschwere Tätigkeiten seien der Klägerin jedoch dauerhaft möglich. In der Zeit vom 4. bis 25. Juni 2003 absolvierte die Klägerin ein stationäres Reha-Verfahren in der Schwarzwald-Reha-Klinik der Beklagten. Der dortige Entlassungsbericht vom 18. Juli 2003 nennt als Diagnosen: Fehlstatik, degeneratives HWS-Syndrom, lumbales Facettensyndrom L5/S1 links, retropatellares Schmerzsyndrom, intrinsic Asthma, essenzielle arterielle Hypertonie. Die Klägerin sei für mittelschwere Arbeiten sowie im zuletzt ausgeübten Beruf mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig. Zu meiden seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten. Den am 9. Juli 2003 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. August 2003 ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin ließ die Beklagte diese orthopädisch und internistisch begutachten. Im orthopädischen Fachgutachten vom 15. Oktober 2003 beschrieb Dr. Aul. ein rezidivierendes HWS-Syndrom mit Drehschwindel und Brachialgien sowie rezidivierende Lumboischialgien links bei Bandscheibenprotrusion. Leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen in klimatisierten, zugfreien Räumen ohne länger andauernde Zwangshaltungen seien der Klägerin vollschichtig zumutbar, ebenso der Beruf einer Bürokauffrau. Internist Dr. Ba. diagnostizierte unter dem 20. Oktober 2003 ein hyperreagibles Bronchialsystem, arterielle Hypertonie sowie eine Eisenmangelanämie. Inhalative Belastungen, Allergene, Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen, häufig wechselnde Arbeitszeiten sowie erhebliche Stressanforderungen seien auszuschließen. Bei Beachtung dieser Ausschlüsse seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie Arbeiten als Einzelhandelskauffrau oder Büroangestellte mindestens sechs Stunden täglich möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Diese sei noch in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürogehilfin mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Teilweise oder volle Erwerbsminderung lägen daher nicht vor.

Hiergegen hat die Klägerin am 15. Januar 2004 Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben. Das SG hat zunächst die die Klägerin behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Hautärztin und Allergologin Sie., HNO-Arzt Dr. St. und Hausarzt Dr. Widmann sahen jeweils keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin als Bürokraft. Der behandelnde Orthopäde Dr. Vo. sah hingegen eine erhebliche Belastungsminderung des Achsenorgans; längeres Sitzen führe zur Notwendigkeit unüblicher Pausen. Wegen des genauen Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf Bl. 25/26, 29, 35, 37/38 sowie 51/54 der SG-Akte Bezug genommen. Das SG hat weiter ein orthopädisches Fachgutachten eingeholt, das Dr. Pit. am 27. Juni 2004 erstattet hat. Dieser beschrieb eine Nervenwurzelreizung links lumbal aufgrund von Bandscheibendegenerationen sowie einen fixierten Rundrücken. Körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen seien der Klägerin ohne zeitliche Einschränkung zumutbar. Eine längere gleichförmige Körperhaltung von mehr als einer Stunde ohne Unterbrechung sollte jedoch ebenso vermieden werden wie häufiges Bücken. Ausgeschlossen seien weiter Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, bei Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturschwankungen sowie Arbeiten in Zwangshaltungen. Wegen weiterer Einschränkungen verwies er auf das internistische Gutachten von Dr. Ba ... Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. Vo. am 4. März 2005 ein orthopädisches Gutachten erstattet. Bei der Klägerin bestünden multiple Beschwerden am Bewegungsapparat mit für sich allein eher leichteren, dafür aber sehr zahlreichen Veränderungen. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen zu verrichten. Längeres Sitzen über eine Stunde ohne Unterbrechung müsse vermieden werden. Gleiches gelte für das Treppensteigen, das Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Überkopfarbeiten, Akkord-, Fließband- und Schichtarbeit sowie Tätigkeiten bei Kälte, Nässe und Hitze. Die Maximalbelastung beim Heben und Tragen sei mit fünf kg anzusetzen. Solche Tätigkeiten könnten von der Klägerin seiner Einschätzung nach noch für "ca. drei bis sechs Stunden täglich" ausgeübt werden, damit lägen die Zeiten "zwischen zwei Stunden bis unter ganzschichtig". Bei Tätigkeiten, die vorwiegend sitzend erfolgten, solle nach ca. einer Stunde eine kurze Pause zur Bewegung eingelegt werden. In einem weiteren, vom SG gemäß § 106 SGG eingeholten, orthopädischen Fachgutachten vom 7. Juli 2005 hat Dr. Pas. degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule ohne radikuläre Ausfälle und Funktionseinschränkungen beschrieben; weiter bestehe ein myogenes Reizsyndrom der Rumpfwirbelsäule ohne wesentliche Funktionseinschränkung und radikuläre Ausfälle bei degenerativen Veränderungen, eine Periarthrosis humeri scapularis ohne Funktionseinschränkung. Es fänden sich radiologische Hinweise für eine Epicondylopathie des rechten Ellenbogens. Am linken Kniegelenk bestehe der Verdacht auf eine degenerative Meniskopathie ohne Funktionseinschränkung. Schließlich bestünden eine unspezifische Arthralgie des linken Handgelenks sowie ein Spreizfuß beidseits. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten mit gelegentlichem Wechsel der Arbeitshaltung zwischen Sitzen, Stehen und Gehen sowie Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf kg, in Spitzen bis zu acht kg mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten, die mit Zwangshaltungen der Rumpfwirbelsäule verbunden seien, insbesondere ständig in kniender oder hockender Position auszuübende Tätigkeiten, ständige Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten unter ständiger Kälte- oder Nässebelastung. Zuletzt hat die Klägerin noch einen internistischen Arztbrief von Dr. Ha. vom 6. September 2005 vorgelegt (Bl. 243/244 der SG-Akte).

Mit Urteil vom 21. März 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Vielmehr sei sie noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zumindest fünf kg sowie Tätigkeiten, die mit einem gelegentlichen Wechsel der Arbeitshaltung zwischen Sitzen, Gehen und Stehen verbunden seien, im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Ständig einzunehmende Zwangshaltungen (Knien, Hocken), ständige Überkopfarbeiten und besondere inhalative Belastungen seien zu meiden. Dies ergebe sich orthopädischerseits aus den überzeugenden Gutachten von Dr. Pit. und Dr. Pas.; dem abweichenden Gutachten von Dr. Vo. sei nicht zu folgen. Weder der Hausarzt noch der behandelnde Internist hätten weitergehende Einschränkungen des Leistungsvermögens für begründet erachtet. Aus dem zuletzt vorgelegten Brief von Dr. Ha. ergebe sich eine Belastung am Fahrradergometer bis 100 Watt, wobei keine ischämietypischen Endstreckenveränderungen aufgetreten seien. Nach den gängigen sozialmedizinischen Kriterien begründe ein solcher Befund noch keine relevante Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit. Eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit auf unter sechs Stunden im bisherigen Berufsbereich der Klägerin Verkauf/Büro ergebe sich mit dem festgestellten Leistungsbild nicht, sodass auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 8. Juni 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. Juni 2006 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Zu deren Begründung hat die Klägerin ausgeführt, bei einer Blutuntersuchung sei mittlerweile ein positiver HLA-B 27-Wert festgestellt worden. Dies gebe einen Hinweis auf eine Morbus Bechterew-Erkrankung. Die bei dieser Erkrankung typischen Symptome ergäben bei einem Vergleich mit dem Beschwerdebild der Klägerin einen begründeten Verdacht, dass die Klägerin an dieser Krankheit leide. Auch die von der Klägerin mehrfach angegebenen Schwindelattacken ließen sich damit erklären.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. März 2006 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2004 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG ein internistisch-rheumatisches Fachgutachten eingeholt, das Dr. Le. aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 6. August 2007 unter dem 28. April 2004 erstattet hat. Dieser hat das Bestehen eines M. Bechterew ausgeschlossen. Bei der Klägerin bestehe jedoch ein ausgeprägtes Halswirbelsäulen-Syndrom mit stark schmerzhafter Verspannung der Nacken- und Schultergürtelmuskulatur, ausstrahlend in beide Unterarme, ein weitgehend fixierter Rundrücken sowie hinsichtlich der Lendenwirbelsäule ein "tiefsitzender Kreuzschmerz" ohne radikuläre Symptomatik, jedoch mit Instabilität der Wirbelsäule. Die Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule führten zu Beschwerden schon bei mittelschwerer körperlicher Arbeit, beim Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel über 15 bis 20 kg sowie beim Sitzen in gleichförmiger Körperhaltung. Darüber hinaus seien das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Überkopfarbeiten, die Tätigkeit an gefährdenden Maschinen sowie das Arbeiten im Akkord und am Fließband zu vermeiden, desgleichen Wechsel- und Nachtschicht. Von Seiten der Lendenwirbelsäule ergäben sich im Wesentlichen die gleichen Leistungseinschränkungen, darüber hinaus deutlichere Einschränkungen beim Heben und Tragen, bei Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen sowie bezüglich häufigen Bückens und Treppensteigens. Eine leichte Tätigkeit mit den beschriebenen Einschränkungen sei allenfalls drei bis sechs Stunden täglich denkbar, auch hier müsse jedoch die Möglichkeit von Zwischenpausen je nach erforderlicher körperlicher Belastung gegeben sein.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten (zwei Bände), die Akten des SG und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich beide Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG). Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend verneint.

Maßgeblich für die beanspruchte Rente ist das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)). Nach § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs.2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs.3).

Zutreffend hat das SG festgestellt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, körperlich leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, da qualitative Einschränkungen ausreichen, um den Gesundheitsstörungen der Klägerin ausreichend Rechnung zu tragen. Dies steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senates fest, insbesondere aufgrund der Gutachten von Dr. Pas. und Dr. Pit. sowie der bereits im Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. Aul. und Dr. Ba., die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden können.

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin stehen im Vordergrund deren Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet, insbesondere von Seiten der Wirbelsäule. So lassen sich zunächst radiologisch degenerative Veränderungen im Bereich der Rumpfwirbelsäule nachweisen, die jedoch nicht zu wesentlichen Funktionseinschränkungen führen. Dies hat Dr. Pas. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde bei der klinischen Untersuchung in Übereinstimmung mit Dr. Pit. und den Vorgutachten im Widerspruchsverfahren überzeugend dargestellt. So zeigte sich die Wirbelsäule in der Entfaltbarkeit nicht wesentlich eingeschränkt (Zeichen nach Ott 28/30/32 sowie nach Schober 9/10/14 cm). Der Finger-Boden-Abstand (FBA) betrug 26 cm; im Langsitz konnte die Klägerin jedoch mit den Fingerspitzen die Zehen erreichen. Die Rückenstreckmuskulatur wies einen normalen Tonus auf. Es fand sich kein Hinweis auf ein peripheres Nervenengpasssyndrom an den unteren Extremitäten. Die Kraftentfaltung war seitengleich normal ohne Hinweis auf motorische Schwäche eines einzelnen Muskels oder einer Muskelgruppe. Die Muskeleigenreflexe waren auslösbar, das Zeichen nach Lasègue beidseits negativ. Beobachtet werden konnte ein flüssiges Gangbild; Zehen- und Fersengang waren möglich. Die Klägerin konnte die tiefe Hocke einnehmen, wobei lediglich endgradig Schmerzen angegeben wurden. Zum Zeitpunkt seiner Untersuchung konnte Dr. Pas. auch an der Halswirbelsäule und im Bereich des Schultergürtels der Klägerin keine erheblichen Gesundheitsstörungen feststellen, die mit einer relevanten dauerhaften Funktionsbeeinträchtigung einhergingen. Die Halswirbelsäule zeigte sich lediglich endgradig in der Bewegung eingeschränkt. Bei der Schulterbeweglichkeit gab die Klägerin zwar teilweise schmerzhafte Einschränkungen an. Insoweit hat Dr. Pas. jedoch anschaulich darauf hingewiesen, dass diese wechselnden und teilweise diffusen Schmerzangaben keine Zuordnung zu nachvollziehbaren Auslösern erlaubten. So wurde auch das Entkleiden als zügig wahrgenommen, ohne dass Schon- oder Ausweichbewegungen aufgefallen wären. Der Schürzen- und Nackengriff war ohne Schmerzäußerung möglich. Die Kraftentfaltung an den oberen Extremitäten war ungestört. Hinweise für eine motorische Schwäche oder gestörte Muskeleigenreflexe fanden sich ebenfalls nicht. Soweit die Klägerin eine herabgesetzte Berührungsempfindlichkeit im Bereich des rechten Unterarms und der rechten Hand angegeben hatte, hat Dr. Pas. darauf hingewiesen, dass sich diese keinem Dermatom oder Versorgungsgebiet eines peripheren Nervs zuordnen ließe. Dies stimmt auch jeweils mit den Feststellungen der Vorgutachter Dr. Pit. und Dr. Aul. für den Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchung überein. Überzeugend kommt Dr. Pas. daher - wiederum in Übereinstimmung mit Dr. Pit. und Dr. Aul. - zu dem Ergebnis, dass der Klägerin die Wirbelsäule besonders belastende Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden können. Ausgeschlossen sind daher Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Rumpfwirbelsäule, insbesondere in ständig kniender oder hockender Position, ständige Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten unter ständiger Kälte- und/oder Nässebelastung. Dem Gutachten von Dr. Pit. folgend, sind der Klägerin auch Arbeiten mit häufigem Bücken nicht mehr zumutbar. Eine gleichförmige Körperhaltung insbesondere am PC kann ohne Unterbrechung nur unter zwei Stunden durchgehalten werden. Eine körperlich leichte Tätigkeit mit gelegentlichem Wechsel der Arbeitshaltung zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ist der Klägerin jedoch aufgrund der orthopädischen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.

Der vom behandelnden Orthopäden Dr. Vo. in dem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Gutachten vertretenen abweichenden Leistungseinschätzung vermag der Senat nicht zu folgen. Allein mit der Aufzählung zahlreicher Veränderungen am Bewegungsapparat lässt sich eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht begründen. Dr. Vo. gibt selbst an, es handle sich lediglich um solche leichterer Art. Die von ihm erhobenen Befunde weichen weitgehend nicht von denen ab, die in den vorangehenden Gutachten oder dem von Dr. Pas. beschrieben wurden. Neurologische Ausfallerscheinungen beschreibt Dr. Vo. weder an den oberen noch den unteren Extremitäten. Das Zeichen nach Lasègue gibt er ebenfalls als beidseits negativ an. Der FBA betrug 20 cm, das Zeichen nach Schober 10/13. Soweit Dr. Vo. eine endgradige Drehbeweglichkeit und Seiteneigung der Lendenwirbelsäule angegeben hatte, hat Dr. Pas. nachvollziehbar ausgeführt, dass die angegebenen Bewegungsmaße im Normbereich lagen. Gleiches gilt für die als schmerzhaft eingeschränkt angegebene Schulterbeweglichkeit. Dabei fiel auch auf, dass beim An- und Auskleiden relativ flüssige Bewegungen beschrieben wurden. Die für die Beweglichkeit der Halswirbelsäule angegebenen Bewegungsmaße stellten sich hinsichtlich der Drehung sogar als besser als bei Dr. Pit. dar. Soweit Dr. Vo. die Befunde in dem bildgebenden Verfahren abweichend insbesondere im Vergleich zu Dr. Pit. ausgewertet hatte, hat Dr. Pas. überzeugend darauf hingewiesen, dass es für die Frage der beruflichen Leistungsfähigkeit in erster Linie nicht auf diese technischen Befunde ankommt, sondern auf deren klinische Auswirkungen. Abweichende Befunde diesbezüglich hat Dr. Vo. im Vergleich zu Dr. Pit. und Dr. Pas. nicht beschrieben. Es spielt daher keine Rolle, dass Dr. Vo. den Bandscheibenschaden am Segment L4/5 abweichend von Dr. Pit. als Bandscheibenvorfall wertet und die Bedrängung der Nervenwurzel stärker betont sowie auf Vorwölbungen im Bereich Th11/12 verweist. Denn ein klinisches Korrelat zu diesen technisch erhobenen Befunden hat Dr. Vo. bei seiner Untersuchung nicht dargestellt. Nervenwurzelreizerscheinungen konnten nicht verifiziert werden.

Eine wesentliche Änderung des positiven Leistungsbildes der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem im Berufungsverfahren von Dr. Le. erstatteten internistisch-rheumatologischen Fachgutachten. Zunächst hat der Sachverständige überzeugend die zwischenzeitlich von der Klägerin in den Raum gestellte Diagnose eines M. Bechterew ausgeschlossen. Bei der Klägerin fehlten die im Verlauf dieser Krankheit auftretenden und dauernd bestehenden entzündlichen Veränderungen im Blut. Die von der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule angegebenen Schmerzen entsprachen nicht den für M. Bechterew typischen. Des Weiteren fehlten die sich im Verlauf dieser Erkrankung entwickelnden typischen röntgenologischen Veränderungen an der Wirbelsäule und den Ileosakralgelenken. Überzeugend hat Dr. Le. dargestellt, dass sich somit allein aufgrund des Blutgruppenmerkmals HLAB 27-positiv die Ableitung der Diagnose M. Bechterew nicht rechtfertigen lässt. Damit kann offenbleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit ein solches Krankheitsbild überhaupt zu Leistungseinschränkungen führen könnte. An der Lendenwirbelsäule werden von Dr. Le. keine gegenüber dem Gutachten von Dr. Pas. wesentlich abweichenden Befunde wiedergegeben. In den bildgebenden Verfahren fanden sich seit 2001 nach dessen Darstellung nur geringfügige Veränderungen. Die paravertebrale Muskulatur wird von Dr. Le. zwar als verspannt beschrieben; Myogelosen werden jedoch nicht angegeben. Das Zeichen nach Schober zeigte sich mit 10/12,5 zwar eingeschränkter, der FBA jedoch mit 12cm besser. Der Langsitz wurde nicht geprüft. Neurologische Ausfallerscheinungen an den unteren Extremitäten wurden nicht festgestellt. Das Zeichen nach Lasègue fand sich links negativ; die positive Angabe rechts wurde auch vom Sachverständigen lediglich als Pseudolasègue gedeutet. Auch Dr. Le. hat im Bereich der Lendenwirbelsäule einen Bandscheibenvorfall mit radikulärer Symptomatik ausdrücklich ausgeschlossen. Für die von ihm geäußerte Annahme einer Instabilität der Wirbelsäule werden jedoch mit Ausnahme der Beschwerdeangaben der Klägerin keine weiteren klinischen Belege angegeben. Eine deutliche Veränderung zeigt sich jedoch in der Befunddarstellung hinsichtlich der Halswirbelsäule und des Schultergürtels. So beschreibt Dr. Le. bei Auswertung der im August 2007 angefertigten Röntgenaufnahmen zunehmende degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, insbesondere eine zunehmende Verengung der Foramina zwischen C5 und C6. Klinisch fand sich eine starke Verspannung der Nacken- und Schultergürtelmuskulatur mit Ausstrahlung in die Oberarmmuskulatur mit Druckschmerzhaftigkeit insbesondere im Bereich der Ansatzpunkte der Bizeps-Muskulatur und deren Ansatz im Bereich der Epicondylen beider Ellenbogen. Dr. Le. wertet dieses als Vollbild eines ausgeprägten HWS-Syndroms. Passend hierzu erhob er im klinischen Befund eine eingeschränkte Armbeweglichkeit. Beim Entkleiden konnte der Sachverständige beobachten, dass das Auskleiden über den Kopf offensichtlich Schwierigkeiten im Bereich des Schultergürtels bereitete. Neurologische Ausfallerscheinungen und pathologische Reflexe wurden jedoch auch an den oberen Extremitäten nicht festgestellt. Die grobe Kraft war gut erhalten, der Nackengriff möglich. Nachvollziehbar hat Dr. Le. hierzu ausgeführt, dass diese Störungen neben einer eher untergeordneten Einschränkung der Kopfbeweglichkeit zu Verspannungen der Schultergürtel- und Nackenmuskulatur führe, die ihrerseits eine schmerzhafte Einschränkung der Schulterfunktion zur Folge habe. Diese träten bei mittelschwerer körperlicher Arbeit, beim Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel über 15 bis 20 kg sowie beim Sitzen in gleichförmiger Körperhaltung auf. Überzeugend sieht Dr. Le. daher die Klägerin insoweit in der Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Darüber hinaus sind Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Überkopfarbeiten, Arbeiten an gefährdenden Maschinen, im Akkord und am Fließband ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung der dargestellten Verschlechterung seitens der HWS vermag der Senat jedoch die weitergehende Einschätzung von Dr. Le. nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin auch für leichte Tätigkeiten in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt sei und zusätzlicher Pausen bedürfe. Diese Einschränkung widerspricht der Darstellung des Sachverständigen hinsichtlich der qualitativen Einschränkungen und wird von ihm auch in keiner Weise näher begründet. Dr. Le. hat jedoch selbst ausgeführt, dass die Beschwerden seitens der HWS und des Schultergürtels überhaupt erst bei mittelschwerer Tätigkeit aufträten, bei körperlich leichten Tätigkeiten jedoch nur beim Sitzen in gleichförmiger Körperhaltung. Von Seiten der Lendenwirbelsäule will Dr. Le. zwar - neben anderen Einschränkungen - Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Gehen ausgeschlossen wissen. Auch in der Kombination lässt dies jedoch, folgt man der eigenen Darstellung des Sachverständigen, Arbeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel zu. Die weiteren Einschränkungen, die wegen der Beschwerden an der Lendenwirbelsäule angenommen werden, schränken dies nicht zusätzlich ein. Ausgeschlossen seien das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen, häufiges Bücken und Treppensteigen. Diese Einschränkungen ergeben sich bereits nach der Darstellung der Vorgutachter.

Wegen der asthmatischen Erkrankung der Klägerin sind, wie bereits Dr. Ba. festgestellt hatte, inhalative Belastungen, Allergene, Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen und häufig wechselnde Arbeitszeiten auszuschließen. Weitergehende Einschränkungen ergeben sich auch aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte nicht. Dem im SG-Verfahren vorgelegten Befundbericht von Dr. Ha. vom 6. September 2005 ist nichts anderes zu entnehmen. Dieser beschreibt ein Belastungs-EKG, das auf einer Belastungsstufe von 100W wegen retrosternalen Drucks abgebrochen wurde. Ischämietypische Endstreckenveränderungen waren allerdings nicht aufgetreten. Der überzeugenden Einschätzung von Dr. Ba. folgend, der einen Abbruch des dort durchgeführten Belastungs-EKGs bei 75W ohne pathologische Zeichen beschreibt, bedingt eine Begrenzung auf dieser Belastungsstufe keine Einschränkungen für körperlich leichte Tätigkeiten. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem internistischen Gutachten von Dr. Le ... Dieser beschreibt im Übrigen, wie zuvor bereits Dr. Pas., keine Auffälligkeiten der Klägerin in psychischer Hinsicht, vielmehr vermittelte sie einen kontrollierten Eindruck. Der Senat sah sich daher nicht zu weiteren Ermittlungen diesbezüglich veranlasst, zumal sich die Klägerin offenbar auch nicht in entsprechender fachärztlicher oder -therapeutischer Behandlung befindet.

Die Klägerin ist somit noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten mit den oben genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Diese Ausschlüsse sind weder in ihrer Summe noch ihrer Art nach geeignet, die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Vielmehr stehen sie auch einer Beschäftigung der Klägerin in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bürogehilfin nicht entgegen. Diese ist nicht wie beispielsweise die Tätigkeit einer reinen Typistin mit einer andauernden gleichförmigen Körperhaltung verbunden. Auch die zuletzt von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit bestand nicht aus reiner Bildschirmtätigkeit. Eine PC-Tätigkeit von ein bis zwei Stunden hatte bereits Dr. Pit. ausdrücklich noch als zumutbar angesehen. Aus den von Dr. Le. beschriebenen Veränderungen an der HWS ergibt sich nicht anderes, da eine – durchgehend – gleichförmige Körperhaltung gerade nicht erforderlich wird. Die Klägerin hat daher auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI. Auf ihren ursprünglich erlernten Beruf einer Verkäuferin ist diesbezüglich nicht abzustellen. Denn die Klägerin hatte sich von diesem Beruf durch die ungelernten Tätigkeiten in der Produktion von 1997 bis 2001 gelöst. Abweichendes macht auch die Klägerin nicht geltend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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