Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 4339/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5319/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 9. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 60 auf 40.
Bei der 1948 geborenen Klägerin wurde am 28.06.2000 im D.krankenhaus in M. ein Karzinom aus der rechten Brust entfernt. Auf ihren Antrag vom 10.07.2000 stellte das Versorgungsamt Heidelberg mit Bescheid vom 19.09.2000 fest, dass der GdB 60 seit 10.07.2000 beträgt. Die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionseinschränkung vorliege: Erkrankung der Brust (in Heilungsbewährung) rechts.
Im August 2005 leitete der Rhein-Neckar-Kreis - Versorgungsamt - von Amts wegen ein Neufeststellungsverfahren ein. Er holte Arztbriefe und schriftliche Auskünfte der behandelnden Ärzte ein (Bl. 19/27 der Verwaltungsakte) und ließ diese vom Ärztlichen Dienst auswerten. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 05.06.2001 (Bl. 30/31 der Verwaltungsakte) bezeichnete und bewertete Dr. B. die bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen wie folgt:
Teilverlust der rechten Brust, Lymphstauung des linken Armes Einzel-GdB 20 Depression, Funktionelle Organbeschwerden Einzel-GdB 20 Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks Einzel-GdB 10
Der Gesamt-GdB wurde mit 30 eingeschätzt. Zur Begründung ist ausgeführt, in Bezug auf die Erkrankung der rechten Brust sei eine Heilungsbewährung eingetreten. Auf ein Anhörungsschreiben des Beklagten reichte die Klägerin das Attest des Dr. G. vom 02.02.2006 zu den Akten (Bl. 35 der Verwaltungsakte). Darin bezeichnete der Arzt die Brustkrebserkrankung als "überstanden" und "z. Zt. rezidiv- und metastasenfrei, aber chronisches Lymphödem des rechten Armes". Er vertrat die Ansicht, der Verschlimmerung der Depression seit gut einem Jahr wegen massiver beruflicher Probleme sei seiner Ansicht nach nicht genug Rechnung getragen worden. Demgegenüber hielt der Ärztliche Dienst an seiner Einschätzung fest und vertrat die Ansicht, eine schwere Depression sei nicht ausreichend objektivierbar und nicht fachärztlich nachgewiesen. Nach einer erneuten Anhörung der Klägerin gelangte das Attest des Dr. G. vom 26.04.2005 zu den Akten (Bl. 40 der Verwaltungsakte). Darin schreibt er, bei beruflicher Belastungssituation leide die Klägerin seit Wochen unter psychosomatischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Nervosität und Zittern. Zu einer Lösung der beruflichen Problematik werde dringend geraten, da die schon begonnene antidepressive Medikation nur die Symptome überdecke. Auch dieses Attest vermochte den Ärztlichen Dienst nicht zu überzeugen. Mit Bescheid vom 18.07.2006 entschied der Beklagte, dass die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung des GdB nicht vorliegen, von Amts wegen der Bescheid vom 19.09.2000 gemäß § 48 SGB X aufgehoben werde und der GdB ab 21.07.2006 nur noch 30 betrage.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.08.2006 Widerspruch ein und legte zur Begründung ärztliche Atteste vor. Der Ärztliche Dienst des Beklagte schlug vor, den Geamt-GdB auf 40 festzusetzen, da als weitere Funktionseinschränkungen mit einem Einzel-GdB von 20 vorlägen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose). Diesem Vorschlag kam der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 04.10.2006 nach. Er setzte den GdB auf nunmehr 40 seit 21.07.2006 fest. Damit war die Klägerin nicht einverstanden. Sie wies darauf hin, dass bei ihr bereits im Jahre 1988 die Gebärmutter operativ entfernt worden ist (vaginale Hysterektomie). Der Ärztliche Dienst des Beklagten vertrat hierzu die Auffassung, dass der Verlust der Gebärmutter keinen GdB bedinge und psychische Auswirkungen bei der bereits anerkannten Depression mit erfasst wären. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006 wies das Regierungspräsidium Stuttgart (Landesversorgungsamt) den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Am 19.12.2006 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat sie ua vorgetragen, der Teilverlust der rechten Brust sei korrekterweise mit einem GdB von 30 angesetzt worden. Nicht ausreichend berücksichtigt worden sei jedoch die mit der Entfernung der Brust einhergehenden überdurchschnittlichen Belastungen, insbesondere aus der Beeinträchtigung des Lymphsystems und der dadurch einhergehenden Lymphstauungen. Diese Begleiterscheinungen und die sich daraus ergebenden Schmerzen seien gesondert zu berücksichtigen. Bei ihr bestehe außerdem eine starke depressive Verstimmung. Sie habe deshalb auch ihre Arbeitstätigkeit letztendlich aufgeben müssen. Auch die Beschwerden im rechten Kniegelenk und die Auswirkungen der Osteoporose seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. In der Gesamtschau sei daher ein GdB von 60 angemessen. Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend eine auf einer ambulanten Untersuchung beruhende Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch., M., veranlasst. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 19.06.2007 die Auffassung vertreten, dass in der Zusammenschau der Befunde ein GdB von 40 angemessen sei. Zu diesem Gutachten hat sich die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10.08.2007 geäußert. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.08.2007 hat der Sachverständige dargelegt, dass und weshalb er trotz der geäußerten Kritik an seiner Beurteilung festhält. Mit Gerichtsbescheid vom 09.10.2007 hat das SG die Klage abgewiesen.
Am 09.11.2007 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, es sei zwar richtig, dass es zu keinem Rückfall im Sinne der Bildung einer neuen Geschwulst gekommen sei, allerdings habe sie massive Beeinträchtigungen im Lymphsystem. Es sei zu Lymphstauungen gekommen und es habe sich ein Lymphödem gebildet. Ferner habe sich bei ihr im Hinblick auf die Brustentfernung sowie den Verlust des Arbeitsplatzes eine erhebliche Depression ausgebildet, deren Beeinträchtigungen ebenfalls nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Hinzu kämen die gynäkologischen Befunde durch die Entfernung der Gebärmutter sowie die damit einhergehende partielle Harninkontinenz. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin Atteste ihrer behandelnden Ärzte vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 9. Oktober 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung am 29.08.2008 hat die Klägerin ihre Beschwerden geschildert und ua darauf hingewiesen, dass sich ihr Gesundheitszustand in letzter Zeit verschlechtert habe. Sie übe seit Herbst 2005 keine Berufstätigkeit mehr aus und beziehe inzwischen eine Altersrente.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist die Herabsetzung des GdB von 60 auf 40. Da der angegriffene Herabsetzungsbescheid keine Dauerwirkung hat, ist für die Beurteilung der reinen Anfechtungsklage maßgeblich, ob der Verwaltungsakt bei seinem Erlass der Sach- und Rechtslage entsprochen hat (BSG 13.08.1997, 9 RVs 10/96, SozR 3-3870 § 4 Nr 21 mwN). Dies steht nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Ermittlungen zur Überzeugung des Senats fest. Im Übrigen ergibt auch ein Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kein anderes Ergebnis.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004 bzw. 2008 (AHP) heranzuziehen sind. Die in der GdB/MdE-Tabelle der AHP niedergelegten Sätze berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z.B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Der Teilverlust der rechten Brust und die Lymphstauung des rechten Armes ist nach Eintritt der Heilungsbewährung mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Bei der Klägerin wurde ausweislich des Berichts der Frauenklinik des D.krankenhauses M. vom 21.07.2000 (Bl. 7 der Verwaltungsakte) eine Segmentektomie vorgenommen. Nach den AHP (Kap. 26.14.) beträgt der GdB für eine Segment- oder Quadrantenresektion der Brust 0 bis 20. Der Senat hält daher die vom Beklagten vorgenommene Einschätzung von 20 unter Berücksichtigung der Lymphstauung für gerechtfertigt (Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 02.11.2006, Bl. 59 der Verwaltungsakte). Der Verlust der Gebärmutter bedingt keinen GdB. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und die Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) ist mit einem Einzel-GdB von 20 ebenfalls zutreffend eingeschätzt worden. Der behandelnde Orthopäde hat sich dieser Beurteilung angeschlossen. Aus seiner schriftlichen Auskunft vom 20.02.2007 (Bl. 23 der SG-Akte) ergibt sich kein Hinweis für eine stärkere Beeinträchtigung. So hat er ua berichtet, dass bis auf einen abgeschwächten Achillessehnenreflex keine neurologischen Ausfälle bestanden. Die vom behandelnden Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe beschriebene Senkung der Blase und der Vagina, die mit einer Harninkontinenz einhergeht, begründet einen GdB von 10 bis 20 (AHP Kap. 26.14). Denn der vom SG gehörte Sachverständige, der als Arzt für Innere Medizin u.a. auch auf diesem Fachgebiet als sachkundig zu betrachten ist, hat aufgrund der von Klägerin geschilderten Beschwerden die Inkontinenz als eher leicht ausgeprägt bezeichnet (Gutachten S. 14).
Die von der Klägerin in den Vordergrund gerückten psychischen Beeinträchtigungen sind diagnostisch als leichte depressive Verstimmung zu werten. Dies folgt ebenfalls aus dem bereits erwähnten Gutachten, welches das SG eingeholt hat. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Diagnosekriterien einer mittelgradigen oder gar schweren Depression nicht erfüllt sind. Die Klägerin macht keine nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, nimmt keine Psychopharmaka und zeigte bei der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen auch keine ausgesprochen depressive Symptomatik. Für eine Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert ergab sich kein Anhalt. Damit kommt ein höherer GdB als 20 keinesfalls in Betracht.
Die Behinderungen bzw. die dadurch hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen insgesamt ergeben keinen höheren Gesamt-GdB als 40. Auch dies folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen, dem sich der Senat auch insoweit anschließt. Eine Anhebung des GdB auf 50 scheidet aus Sicht des Senats auf jeden Fall aus. Geht man entsprechend den AHP davon aus, dass auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 es vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, kommt die Feststellung der Schwerbehinderung grundsätzlich nicht in Betracht, wenn nicht wenigstens eine Behinderung mit einem Einzel-GdB von 30 vorliegt.
Weitere Ermittlungen sind nicht mehr notwendig. Der Sachverhalt wurde vom SG vollständig aufgeklärt. Die in den von der Klägerin vorgelegten Attesten beschriebenen Beschwerden und die genannten Diagnosen waren bereits bei der Erstellung des vom SG eingeholten Gutachtens bekannt und wurden vom Sachverständigen berücksichtigt. Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedarf es nicht, da durch das vom SG eingeholte Gutachten bereits feststeht, dass ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt ist (vgl. § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 60 auf 40.
Bei der 1948 geborenen Klägerin wurde am 28.06.2000 im D.krankenhaus in M. ein Karzinom aus der rechten Brust entfernt. Auf ihren Antrag vom 10.07.2000 stellte das Versorgungsamt Heidelberg mit Bescheid vom 19.09.2000 fest, dass der GdB 60 seit 10.07.2000 beträgt. Die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionseinschränkung vorliege: Erkrankung der Brust (in Heilungsbewährung) rechts.
Im August 2005 leitete der Rhein-Neckar-Kreis - Versorgungsamt - von Amts wegen ein Neufeststellungsverfahren ein. Er holte Arztbriefe und schriftliche Auskünfte der behandelnden Ärzte ein (Bl. 19/27 der Verwaltungsakte) und ließ diese vom Ärztlichen Dienst auswerten. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 05.06.2001 (Bl. 30/31 der Verwaltungsakte) bezeichnete und bewertete Dr. B. die bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen wie folgt:
Teilverlust der rechten Brust, Lymphstauung des linken Armes Einzel-GdB 20 Depression, Funktionelle Organbeschwerden Einzel-GdB 20 Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks Einzel-GdB 10
Der Gesamt-GdB wurde mit 30 eingeschätzt. Zur Begründung ist ausgeführt, in Bezug auf die Erkrankung der rechten Brust sei eine Heilungsbewährung eingetreten. Auf ein Anhörungsschreiben des Beklagten reichte die Klägerin das Attest des Dr. G. vom 02.02.2006 zu den Akten (Bl. 35 der Verwaltungsakte). Darin bezeichnete der Arzt die Brustkrebserkrankung als "überstanden" und "z. Zt. rezidiv- und metastasenfrei, aber chronisches Lymphödem des rechten Armes". Er vertrat die Ansicht, der Verschlimmerung der Depression seit gut einem Jahr wegen massiver beruflicher Probleme sei seiner Ansicht nach nicht genug Rechnung getragen worden. Demgegenüber hielt der Ärztliche Dienst an seiner Einschätzung fest und vertrat die Ansicht, eine schwere Depression sei nicht ausreichend objektivierbar und nicht fachärztlich nachgewiesen. Nach einer erneuten Anhörung der Klägerin gelangte das Attest des Dr. G. vom 26.04.2005 zu den Akten (Bl. 40 der Verwaltungsakte). Darin schreibt er, bei beruflicher Belastungssituation leide die Klägerin seit Wochen unter psychosomatischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Nervosität und Zittern. Zu einer Lösung der beruflichen Problematik werde dringend geraten, da die schon begonnene antidepressive Medikation nur die Symptome überdecke. Auch dieses Attest vermochte den Ärztlichen Dienst nicht zu überzeugen. Mit Bescheid vom 18.07.2006 entschied der Beklagte, dass die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung des GdB nicht vorliegen, von Amts wegen der Bescheid vom 19.09.2000 gemäß § 48 SGB X aufgehoben werde und der GdB ab 21.07.2006 nur noch 30 betrage.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.08.2006 Widerspruch ein und legte zur Begründung ärztliche Atteste vor. Der Ärztliche Dienst des Beklagte schlug vor, den Geamt-GdB auf 40 festzusetzen, da als weitere Funktionseinschränkungen mit einem Einzel-GdB von 20 vorlägen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose). Diesem Vorschlag kam der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 04.10.2006 nach. Er setzte den GdB auf nunmehr 40 seit 21.07.2006 fest. Damit war die Klägerin nicht einverstanden. Sie wies darauf hin, dass bei ihr bereits im Jahre 1988 die Gebärmutter operativ entfernt worden ist (vaginale Hysterektomie). Der Ärztliche Dienst des Beklagten vertrat hierzu die Auffassung, dass der Verlust der Gebärmutter keinen GdB bedinge und psychische Auswirkungen bei der bereits anerkannten Depression mit erfasst wären. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006 wies das Regierungspräsidium Stuttgart (Landesversorgungsamt) den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Am 19.12.2006 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat sie ua vorgetragen, der Teilverlust der rechten Brust sei korrekterweise mit einem GdB von 30 angesetzt worden. Nicht ausreichend berücksichtigt worden sei jedoch die mit der Entfernung der Brust einhergehenden überdurchschnittlichen Belastungen, insbesondere aus der Beeinträchtigung des Lymphsystems und der dadurch einhergehenden Lymphstauungen. Diese Begleiterscheinungen und die sich daraus ergebenden Schmerzen seien gesondert zu berücksichtigen. Bei ihr bestehe außerdem eine starke depressive Verstimmung. Sie habe deshalb auch ihre Arbeitstätigkeit letztendlich aufgeben müssen. Auch die Beschwerden im rechten Kniegelenk und die Auswirkungen der Osteoporose seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. In der Gesamtschau sei daher ein GdB von 60 angemessen. Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend eine auf einer ambulanten Untersuchung beruhende Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch., M., veranlasst. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 19.06.2007 die Auffassung vertreten, dass in der Zusammenschau der Befunde ein GdB von 40 angemessen sei. Zu diesem Gutachten hat sich die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10.08.2007 geäußert. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.08.2007 hat der Sachverständige dargelegt, dass und weshalb er trotz der geäußerten Kritik an seiner Beurteilung festhält. Mit Gerichtsbescheid vom 09.10.2007 hat das SG die Klage abgewiesen.
Am 09.11.2007 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, es sei zwar richtig, dass es zu keinem Rückfall im Sinne der Bildung einer neuen Geschwulst gekommen sei, allerdings habe sie massive Beeinträchtigungen im Lymphsystem. Es sei zu Lymphstauungen gekommen und es habe sich ein Lymphödem gebildet. Ferner habe sich bei ihr im Hinblick auf die Brustentfernung sowie den Verlust des Arbeitsplatzes eine erhebliche Depression ausgebildet, deren Beeinträchtigungen ebenfalls nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Hinzu kämen die gynäkologischen Befunde durch die Entfernung der Gebärmutter sowie die damit einhergehende partielle Harninkontinenz. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin Atteste ihrer behandelnden Ärzte vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 9. Oktober 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung am 29.08.2008 hat die Klägerin ihre Beschwerden geschildert und ua darauf hingewiesen, dass sich ihr Gesundheitszustand in letzter Zeit verschlechtert habe. Sie übe seit Herbst 2005 keine Berufstätigkeit mehr aus und beziehe inzwischen eine Altersrente.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist die Herabsetzung des GdB von 60 auf 40. Da der angegriffene Herabsetzungsbescheid keine Dauerwirkung hat, ist für die Beurteilung der reinen Anfechtungsklage maßgeblich, ob der Verwaltungsakt bei seinem Erlass der Sach- und Rechtslage entsprochen hat (BSG 13.08.1997, 9 RVs 10/96, SozR 3-3870 § 4 Nr 21 mwN). Dies steht nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Ermittlungen zur Überzeugung des Senats fest. Im Übrigen ergibt auch ein Abstellen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kein anderes Ergebnis.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004 bzw. 2008 (AHP) heranzuziehen sind. Die in der GdB/MdE-Tabelle der AHP niedergelegten Sätze berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z.B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Der Teilverlust der rechten Brust und die Lymphstauung des rechten Armes ist nach Eintritt der Heilungsbewährung mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Bei der Klägerin wurde ausweislich des Berichts der Frauenklinik des D.krankenhauses M. vom 21.07.2000 (Bl. 7 der Verwaltungsakte) eine Segmentektomie vorgenommen. Nach den AHP (Kap. 26.14.) beträgt der GdB für eine Segment- oder Quadrantenresektion der Brust 0 bis 20. Der Senat hält daher die vom Beklagten vorgenommene Einschätzung von 20 unter Berücksichtigung der Lymphstauung für gerechtfertigt (Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 02.11.2006, Bl. 59 der Verwaltungsakte). Der Verlust der Gebärmutter bedingt keinen GdB. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und die Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) ist mit einem Einzel-GdB von 20 ebenfalls zutreffend eingeschätzt worden. Der behandelnde Orthopäde hat sich dieser Beurteilung angeschlossen. Aus seiner schriftlichen Auskunft vom 20.02.2007 (Bl. 23 der SG-Akte) ergibt sich kein Hinweis für eine stärkere Beeinträchtigung. So hat er ua berichtet, dass bis auf einen abgeschwächten Achillessehnenreflex keine neurologischen Ausfälle bestanden. Die vom behandelnden Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe beschriebene Senkung der Blase und der Vagina, die mit einer Harninkontinenz einhergeht, begründet einen GdB von 10 bis 20 (AHP Kap. 26.14). Denn der vom SG gehörte Sachverständige, der als Arzt für Innere Medizin u.a. auch auf diesem Fachgebiet als sachkundig zu betrachten ist, hat aufgrund der von Klägerin geschilderten Beschwerden die Inkontinenz als eher leicht ausgeprägt bezeichnet (Gutachten S. 14).
Die von der Klägerin in den Vordergrund gerückten psychischen Beeinträchtigungen sind diagnostisch als leichte depressive Verstimmung zu werten. Dies folgt ebenfalls aus dem bereits erwähnten Gutachten, welches das SG eingeholt hat. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Diagnosekriterien einer mittelgradigen oder gar schweren Depression nicht erfüllt sind. Die Klägerin macht keine nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, nimmt keine Psychopharmaka und zeigte bei der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen auch keine ausgesprochen depressive Symptomatik. Für eine Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert ergab sich kein Anhalt. Damit kommt ein höherer GdB als 20 keinesfalls in Betracht.
Die Behinderungen bzw. die dadurch hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen insgesamt ergeben keinen höheren Gesamt-GdB als 40. Auch dies folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen, dem sich der Senat auch insoweit anschließt. Eine Anhebung des GdB auf 50 scheidet aus Sicht des Senats auf jeden Fall aus. Geht man entsprechend den AHP davon aus, dass auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 es vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, kommt die Feststellung der Schwerbehinderung grundsätzlich nicht in Betracht, wenn nicht wenigstens eine Behinderung mit einem Einzel-GdB von 30 vorliegt.
Weitere Ermittlungen sind nicht mehr notwendig. Der Sachverhalt wurde vom SG vollständig aufgeklärt. Die in den von der Klägerin vorgelegten Attesten beschriebenen Beschwerden und die genannten Diagnosen waren bereits bei der Erstellung des vom SG eingeholten Gutachtens bekannt und wurden vom Sachverständigen berücksichtigt. Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedarf es nicht, da durch das vom SG eingeholte Gutachten bereits feststeht, dass ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt ist (vgl. § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved