L 4 R 276/07

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 3 R 33/07
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 4 R 276/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rentenanwartschaften, die im Rahmen des Versorgungsausgleichs aufgrund eines Scheidungsverfahrens vom Versicherten auf den ehemaligen Ehepartner übertragen wurden, können nach dem Tod dieses geschiedenen Partners nur dann auf den Ver-sicherten zurück übertragen werden, wenn dieser aus dessen Renteversicherung und den übertragenen Anwartschaften keine oder nur geringfügige Leistungen bezogen hat.
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 19.07.2007 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berechnung der Höhe der Altersrente des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI), insbesondere über die Minderung von im Rahmen des Versorgungsausgleiches übertragenen Rentenanwartschaften.
Der 1938 geborene Kläger bezieht seit dem 01.10.2003 von der Beklagten eine Altersrente. Zuvor war die Ehe des Kläger mit Urteil vom 04.06.2000 geschieden worden, wobei der ehemaligen Ehefrau des Klägers, G E , Rentenanwartschaften des Klägers übertragen worden waren. Ab dem 01.08.2002 hatte die geschiedene Ehefrau von der Deutschen Rentenversicherung Bund Altersrente unter Berücksichtigung der übertragenen Rentenanwartschaften bezogen, bis sie am 03.03.2006 verstarb.
Im Mai 2006 beantragte der Kläger die Rückübertragung der im Rahmen des Versorgungsausgleiches übertragenen Rentenanwartschaften.
Die Beklagte holte eine Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund ein und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.08.2006 ab, da die geschiedene Ehefrau drei Jahre und acht Monate Altersrente unter Berücksichtigung der übertragenen Rentenanwartschaften bezogen habe, so dass die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Nichtkürzung der Rente des Ausgleichspflichtigen nach dem Tode des Ausgleichsberechtigten nach § 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) nicht vorliege.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006 zurück.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.07.2007 hat das Sozialgericht Koblenz die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, die Rente des Klägers nicht um die im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften zu mindern. Nach § 4 Abs. 1 VAHRG sei die Rente des Verpflichteten nur dann nicht wegen des durchgeführten Versorgungsausgleiches zu kürzen, wenn der Berechtigte (die verstorbene Ehefrau des Klägers) keine Leistungen aus dem aufgrund des Versorgungsausgleichs erworbenen Recht erhalten habe. Da die verstorbene ehemalige Ehefrau des Klägers aber Leistungen aus dem Versorgungsausgleich erworben habe, weil sie drei Jahre und acht Monate hieraus eine Rente bezogen habe, greife § 4 Abs. 1 VAHRG nicht ein. Nach § 4 Abs. 2 VAHRG gelte Abs. 1 entsprechend, wenn der Berechtigte gestorben sei und aus dem Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt worden seien, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors gewährten Vollrente wegen Alters aus der allgemeinen Rentenversicherung aus dem erworbenen Anrecht nicht überstiegen. Die Verstorbene habe aber, wie die Beklagte rechnerisch eingehend dargelegt habe, Leistungen aus der übertragenen Rentenanwartschaft in Höhe von insgesamt 2.894,21 EUR erhalten, während der Grenzbetrag nach § 4 Abs. 2 VAHRG 1.773,84 EUR entspreche. Da die aus der Rentenanwartschaft bezogenen Leistungen den Grenzbetrag offensichtlich überstiegen hätten, seien die Voraussetzungen des § 4 VAHRG nicht erfüllt.
Am 27.07.2007 hat der Kläger gegen den ihm am 26.07.2007 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor,
die Rückübertragung sei nach § 4 VAHRG zu bewilligen, wobei eine Zwei-Jahres-Frist nicht berücksichtigungsfähig sei. Es könne nicht sein, dass die Rentenanwartschaften, die er ohne die Scheidung selbst gehabt hätte, nach der Scheidung und dem Tod des mittelbar Rentenberechtigten erlöschen würden. Die Rentenanwartschaften müssten daher zurück übertragen werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 19.07.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide Rente ohne Berücksichtigung von im Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und nimmt zur Begründung Bezug auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats schriftlich zugestimmt.
Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, da ihm kein Anspruch auf Zahlung höherer Alterstente (§ 35 SGB VI) unter Rückübertragung der im Scheidungsurteil der verstorbenen Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften zusteht.
uf Grund des rechtskräftigen Urteils des Familiengerichts wurden die Rentenanwartschaften nach den insofern speziellen Normen des Familienrechts (§§ 1587 f Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) übertragen. Dies bedeutet, dass entgegen der Annahme des Klägers seine ursprünglichen Rentenanwartschaften nicht in einem subjektiven Bezug zu ihm erhalten blieben, sondern durch die konstitutive Entscheidung des Familiengerichts ein eigenes gesetzliches Rentenanrecht der Berechtigten in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hatten, wobei die Gutschrift nach §§ 76, 264a SGB XI in Entgeltpunkten erfolgte, während die Anwartschaftsrechte des Verpflichteten entsprechend gekürzt wurden (vgl. Pregger in juris PK-BGB, 3. Aufl. 2006, § 1587b BGB, Rdnr. 24). Mit der Übertragung auf die Verstorbene hatte der Kläger somit seine Eigentumsrechte an den Anwartschaften – endgültig – verloren. Durch den Tod des geschiedenen Ehegatten hat sich – eigentumsrechtlich – keine neue Beeinträchtigung ergeben, vielmehr haben die Anwartschaften ihre vom Gesetz vorgesehene Bestimmung gefunden. Da sie somit ab der rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichts eigene Rentenanwartschaften der geschiedenen Ehefrau waren, konnten sie auch nicht nach deren Tode auf jemand anderen übergehen, etwa den Kläger.
Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise nach § 4 VAHRG eine Rückübertragung vorgenommen werden kann, liegen nicht vor, wie das Sozialgericht eingehend unter Bezugnahme auf die ausführlichen Darlegungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid begründet hat. Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Regelungsinhalt dieser Härteregelung ist es, dass der Ausgleichspflichtige und seine Hinterbliebenen in zwei Fällen von den sich aus dem Versorgungsausgleich ergebenen Versorgungskürzungen befreit werden. Der Ausgleichspflichtige wird von den Versorgungskürzungen freigestellt, wenn im Falle des Vorversterbens des Ausgleichsberechtigten (hier die ehemalige Ehefrau) dieser überhaupt keine (§ 4 Abs. 1 VAHRG) oder nur geringfügige Leistungen (§ 4 Abs. 2 VAHRG) aus dem Versorgungsausgleich erhalten hat. § 4 Abs. 1 VAHRG greift schon deshalb nicht ein, da die ehemalige Ehefrau mehr als drei Jahre Rente unter anderem auf Grund der übertragenen Rentenanwartschaft bezogen hat. Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 VAHRG liegen nicht vor. Als geringfügig gelten danach Leistungen, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer Altersvollrente aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht überschreiten, wobei die dem Versorgungsberechtigten gewährten Leistungen anzurechnen sind, so dass selbst in dem Fall, wenn eine Rückübertragung stattfindet, der Differenzbetrag zwischen der gekürzten und der ungekürzten Rente solange einbehalten wird, bis die Summe der Leistungen, die der Ausgleichsberechtigte aus dem von ihm erworbenen Anrecht erhalten hat, erreicht ist (vgl Pregger, aaO, § 4 VAHRG, Rdnr. 12).
Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006 rechnerisch korrekt dargelegt hat, hat die verstorbene Ehefrau des Klägers aus den übertragenen Rentenanwartschaften Leistungen in Höhe von 2.894,21 EUR bezogen, während der Grenzbetrag nach § 4 Abs. 2 VAHRG auf Grund der Entgeltpunkte aus der übertragenen Rentenanwartschaft in Höhe 2,3500 einen Grenzbetrag von 1.473,84 EUR ergibt, also unterhalb der Gesamtleistung aus den übertragenen Rentenanwartschaften liegt, sodass § 4 Abs. 2 VAHRG nicht eingreift.
Gegen die Vorschrift des § 4 VAHRG und die Auslegung des Senats bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Härteregelungen, insbesondere die pauschalierende Regelung des § 4 Abs. 2 VAHRG, bereits als mit den Art. 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) vereinbar angesehen (vgl. BVerfG, NJW 1989, 1983 = BVerfGE 80, 297). Denn die Festlegung des sogenannten Grenzbetrags für die Anwendung der Härtefallregelung stellt zwar einen Eingriff in eine durch Art 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz geschützte rentenrechtliche Position des Ausgleichsverpflichteten dar, ist jedoch gleichzeitig mit Blick auf Art 6 Abs. 1 GG und Art 3 Abs. 2 GG eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber (vgl. BSG, SozR 4-5795 § 4 Nr. 1).
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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